Fängt wieder an

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Müseli
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Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Fängt wieder an

Beitrag von Müseli »

Hallo,
bevor ich loslege, möchte ich mich vorstellen: ich heiße Anna, bin 32, habe eine 12jährige Tochter, bin verheiratet und mache eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Am 7. Dezember habe ich Abschlussprüfung.
Ich habe gerade eine Depression hinter mir. Über die Sommerferien war ich krankgeschrieben. Zwei Wochen in der Sonne und Tabletten haben geholfen. Danach ging es ein paar Wochen gut. Mittlerweile scheint es aber so, als hätten es ein paar Wochen mehr Sonne und mehr Tabletten sein müssen. Mir geht es im Moment gar nicht gut. Ich komme zurecht, aber erfahrungsgemäß bleibt es dabei nicht.
Ich habe nicht viel gelernt im letzten halben Jahr und werde Prüfung auch so bestehen. Aber wenn es jetzt wieder so bergab geht, dann sehe ich mich nicht an einer Prüfung teilnehmen. Ich war noch nie in einer Klinik und würde aber gerne. Zum einen, weil mich kaum selbst ertrage und zuhause meine Tochter und mein Mann sind, für die diese Zeiten schwierig sind. Es macht zusätzlich Druck, dass ich meinem Mann und meine Tochter verunsichere. Zum Anderen sieht man Depressionen nicht und ich kann und will mich nicht dauernd rechtfertigen. Ich wache morgens auf und denke: "Das Regal da sieht doch scheisse aus. Verdammt, andere hätten sofort gewusst wo die richtige Stelle dafür ist." Auf dem Weg zur Arbeit, weiss ich nicht mehr ob ich mich richtig verhalte. Fahre ich zu trödelig oder schon zu schnell? Was denkt der hinter mir? Hat er erwartet, dass ich den LKW überhole? Vor einer Kuppe? Hätte ich schnell genug reagiert, hätte ich es geschafft. Wahrscheinlich hält der mich für dämlich. An der Arbeit bin mir keine Sekunde mehr sicher, ob ich schnell genug bin und/oder effizient genug und/oder kreativ genug und eine gute Mediengestalterin eigentlich all das ausmacht und ich das nicht bin... So geht es den ganzen Tag. Und es ist nicht abzustellen. Diese Selbstzweifel sind eher eine Folge der Depression als ihr Auslöser und bekommen eine Eigendynamik gegen die ich nicht ankomme. Ich kann mich an der Arbeit nicht mehr konzentrieren, was unweigerlich auffallen wird. Ich sitze bereits drei h an diesen paar Zeilen, weil ich mir die Worte mühsam zusammensammeln muss. Widerlich. Was mach ich jetzt? Ich dachte der Spuk wäre gerade vorbei. Jetzt fängt alles von vorne an.
zermürbte Grüße
Anna
BeAk

Re: Fängt wieder an

Beitrag von BeAk »

Liebe Anna,

was waren denn das für Tabletten? Antidepressiva müssen wenigstens ein halbes Jahr nach abklingen der Symtome genommen werden. Ein Pyschotherapie z.B. Verhaltenstherapie sollte auch gemacht werden, um durch eine notwenige Verhaltens- und Denkänderung ein Wiederaufleben der Depression zu verhindern. Fazit, Deine Depression wurde nicht richtig auskuriert, dazu ist kein Klinkaufenthalt nötig, sondern eine konsequente und langandauernde Therapie.
Ein Klinikaufenthalt ist dann angesagt, wenn diese Therapie ambulant nicht möglich ist, nicht ausreichend hilft oder die häusliche Situation nicht gut ist.

Liebe Anna, suche Dir einen guten Psychiater und gehe das Problem diesmal konequent an, dann hast Du auch langfristigen Erfolg.
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Fängt wieder an

Beitrag von Müseli »

Hallo Bea,
ich habe Gladem genommen. Und wie Du schreibst - wahrscheinlich nicht lange genug. Ich wollte die ganze Sache lieber als vorrübergehendes Tief betrachten. Die Sonne hat geholfen, die Tabletten haben geholfen, Rückzug hat geholfen - prima, dann kann man wieder zur Tagesordnung übergehen. Es gibt hier am Ort zwei Neurologen und Psychiater. Bei dem einen bin ich bereits seit Jahren wegen ADS in Behandlung und habe dort eine Psychotherapie gemacht, die nicht geschadet aber auch nicht geholfen hat. Aber Bea, was machen andere, wenn sie wegen einer Depression nicht mehr arbeiten? Den ganzen Tag zuhause sein und die Wände einstürzen sehen? Das letzte Mal fand ich das sehr schlimm. Ich meine wirklich schlimm. Grenzwertig. Wann geht man in eine Klinik? Mit blutenden Handgelenken?

Anna
BeAk

Re: Fängt wieder an

Beitrag von BeAk »

Wenn Du Zuhause nicht klar kommst, ist die Klinik eine Lösung, bevor Du an deine Handgelenke gehst.
Ich war auch eine ganze Zeit Arbeitsunfähig, habe Sport getrieben, Muskelentspannung gemacht, Selbsthilfegruppen besucht, im Forum geschrieben, Flohmärkte besucht usw.
Arbeitsunfähig heißt doch nicht gleich Krankenhausreif.
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Fängt wieder an

Beitrag von Müseli »

Hallo Bea,
ach ich weiß auch nicht. Mir fällt alles fürchterlich schwer. Ich mag nicht wochenlang von meiner Tochter getrennt sein. Vielleicht habe ich falsche Vorstellungen von einem Klinikaufenthalt.
Anna
BeAk

Re: Fängt wieder an

Beitrag von BeAk »

Liebe Anna,

In eine Klinik bekommst Du Mediamente, nimmst an Gruppensitzungen teil und lernst eine Entspannungstechnik und es gibt einmal in der Woche ein Gespräch mit den Psychologen. Dieses Progamm kannst Du Zuhause auch durchziehen.

So mache ich es:

Ich nehem ein Ad nach psychiaterischen Vorgaben.

Sport ist für mich Therapie, es hebt meine Stimmung, sorgt dafür das ich seelisch ausgeglichen bin.

Des weiteren mache ich die "Progessive Muskelenspannung nach Jacobson", damit kann ich die innere Unruhe und Nervosität bekämpfen und es löst Blockaden. Andere Entspannungstechniken sollen auch ganz gut sein.

Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe möchte ich Dir ebenfalls ans Herz legen. Es hilft ungemein sich mit anderen realen Betroffenen auszutauschen.

Ansonsten versuche ich das zu tun, was Du gerne mache und halte Kontakt mit anderen Menschen.

Mittlerweile geht es mir sehr gut und ich arbeite wieder wie vor der Erkrankung.

Liebe Anna, ungefähr 3 harte Wochen mußt Du überstehen, dann wirkt das Antidepressivum.

Letzt endlich, ob Du nun Zuhause bleibst oder ins Krankenhaus gehst, Du bist diejenige die sich aus der Depression herrausarbeiten muß. Medikamente und Fachleute können Dich nur unterstützen, die Arbeit mußt Du leisten.

Ganz wichtig zu Schuß, die Verhaltenstherapie damit diese Episode deine letzte ist.
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Fängt wieder an

Beitrag von Müseli »

Hallo Bea,
Dein Programm schaffe ich nicht. Ich habe die Vorstellung, dass ich in einer Klinik unter Leuten bin die ähnliches erleben. Bin ich zuhause steht immer im Raum, dass ich nicht an der Arbeit bin (obwohl die Prüfung ansteht, obwohl ich Bewerbungen schreiben sollte etc.), dass nichts normal läuft, dass ich das Übliche mal wieder nicht schaffe. Ich bin weiter für meine Tochter verantwortlich und will sie nicht verunsichern. Sie ist hat ebenfalls ADHS und ist auf klare Regeln angewiesen und braucht eine Mutter die den Weg sieht. Sobald da Einbrüche sind wird es schwierig. Und ich sehe das kommen. Mein Mann bemüht sich, sich richtig zu verhalten, weiss aber nicht wie. Ich weiss selber nicht, wie ich mit mir umgehen soll, wie soll er es wissen. Für ihn ist das sehr belastend. Da ich das weiss gerate ich immer mehr unter Druck und kann mich nicht einfach zurückziehen und die Zeit arbeiten lassen. Ich bin zwar hier bei einem Psychiater in Behandlung, aber der ist oft schwer erreichbar. Er arbeitet hauptsächlich psychotherapeutisch und hat nur selten eine Sprechstundenhilfe. Als ich das letzte Ritalin-Rezept geholt habe, hat er gefragt wie es mir geht. Ich habe gesagt "nicht gut" und habe jetzt einen Termin am 14. Ist schon ein paar Tage her. Wenn es mir richtig mies geht nützt mir ein Termin in einer Woche nichts. Vielleicht artikuliere ich mich auch nicht klar genug.
Aber mir ging es das letzte Mal wirklich beschissen. Ich weiss das Depressionen vorbeigehen, aber bedeutet dann nichts mehr. Ehrlich gesagt ist mir gar nicht so wichtig was in der Klinik passiert. Mir ist viel wichtiger das hier Zuhause für die beiden Anderen nicht alles so schwierig wird. Weil ich überhaupt nicht damit klar komme, dass ich den Beiden das nicht ersparen kann. Und weil ich weiss, dass dann auf die Depression eine lange Zeit folgt in der alles erst wieder seinen Platz finden muss. Und ich damit auch wieder zurechtkommen muss. Immer wieder neu zurecht kommen ist verdammt schwierig. Meine Tochter muss dann wieder viel nachholen. Alles kommt durcheinander und steht auf der Kippe. Sie ist Integrationskind an einer Realschule. Sie arbeitet jeden Tag an sich und ich mit ihr. Aber dazu braucht sie mich. Ich finde es schlimmer zuhause zu sein und nichts mehr geregelt zu bekommen. Warum nicht die Zeit in einer Klinik verbringen und wieder nachhause kommen, wenn ich wieder klarkomme? Aber ich weiss gar nicht wie ich das anstellen soll. Sobald ich nur ansatzweise diesen Wunsch äußere, sind die Reaktionen in etwa so als wollte ich günstig Urlaub machen oder fürchterlich theatralisch sein. Ich war bis jetzt nie an meinen Handgelenken, aber der Gedanke ist schon da. (Wenn ich bis jetzt solche Gedanken nicht in die Tat umgesetzt habe, dann werde ich es auch diesmal nicht tun. Und schon gar nicht um an eine Einweisung zu kommen. Das ist mir zu albern.) Aber ich bin müde und k.o. und es nützt einfach nichts das zu nur sagen. Auf lange Reden habe ich keinen Nerv. Hilfe gibt es außer Medikamenten trotzdem keine. Mir ist so als müsste ich durch eine spektakuläre Aktion, etwas wirklich theatralisches, erst beweisen, dass ich so nciht zurechtkomme. Dazu fehlt mir die Energie und die Lust. Was soll das?
Anna
BeAk

Re: Fängt wieder an

Beitrag von BeAk »

Liebe Anna,

ich kann Dich gut verstehen und außerdem bist Du im Gegensatz zu mir eine gute Schreiberin.

Ich versuche mal auf die von dir genannten Punkte einzugehen.

Du bist jetzt krank, dadurch ist es Dir nicht möglich, so zu fuktioniren wie gewohnt. Das ist doch bei allen Krankheiten so, auch wenn du dir das Bein brichst. Las Dir von deinem Mann helfen, wenn Du tatsächlich ins Krankenhaus gehst, müssen andere auch deinen Job machen. Du bist krank und mußt nicht funktionieren!
Und du mußt, auch für die Zukunft lernen, Dich zurückziehen zu können.
Denn sonst wirst Du immer wieder an Depressionen erkanken.

Manche Therapeuten bieten in einer akuten Phase ihrem Patienten mehrere Therminestunden pro Woche an. Da müßtest Du dich nach erkundigen.
Und Du solltest wirklich deine Situation dem Arzt deutlich machen, auch über Deine Suizidgedanken sprechen.

Liebe Anna, Du kannst deiner Familie diese Depresive Episode nicht ersparen, sie ist nun mal da und es müssen alle Beteiligeten da durch, ob du nun im Krankenhaus bist oder nicht. Diese Krankheit tut keinem in Deiner Familie gut, deine Tochter wird durcheinander kommen, egal wo Du bist und es ist nicht zu ändern. Du kannst nur das beste daraus machen und die Krankheit gründlich auskurieren damit soetwas nicht nochmal passiert.

Du hast die Vorstellung, gehst mal eben in eine Klinik und kommst nach ein paar Wochen fitt wie ein Turnschuh nach Hause und alles ist geregelt und läuft wie bisher.
Nichts ist geregelt, Du mußt an Dir therapeutisch arbeiten, sonst bist Du ein paar Monate später wieder Da, wo Du heute stehst.

Das du Suizidgedanken hast gehöhrt zu Krankheit, ebenfalls das ausgelaugt sein, keine Kraft mehr zu haben. Wichtig ist ob die S-gedanken noch kontrollieren kannst.

Du hast am 14 einen Thermin bei Deinem Arzt, bis hahin hast Du Zeit dir noch mal alles genau zu überlegen. Und Du hast Zeit etwas für Dich zu tun.

Es stimmt nämlich nicht, das nur Medikamente helfen, Du mußt Dir selber helfen. Fahrere eine halbe Stunde Rad pro Tag und du bist ausgeglichen und nicht mehr verzweifelt.

Erlerne Entspannungsübungen, die Wirkung habe ich dir bereits beschrieben.

Suche Kontakt mit anderen Betroffenen.

Liebe Anna, wenn Du geheilt werden willst mußt Du was tun, unabhängig von einem Klinikaufenthalt.
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