Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

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Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

Beitrag von Walli83 »

Hallo,

bin neu hier. Ich vermute, dass ich unter Depressionen leide und habe mich deshalb mal im Internet umgeschaut. Durch die überall umschriebenen Symptome bekräftigt sich mein Verdacht.

Ich bin 22 (m) und soweit ich weiß schon immer irgendwie anders als Andere; schüchtern, zurückhaltend, verletzlich etc.

Wenn ich über mein Leben nachdenke, war das tatsächlich schon immer so. Im Kindergarten hieß es, ich wäre so brav, würde den Kindergärtnerinnen nie Arbeit machen. Die waren natürlich froh, wenn auch etwas besorgt. Na ja, meine Mutter behauptete dann, ich würde mich zuhause austoben. Daran kann ich mich aber garnicht erinnern...

Vieles habe ich mir von meinem Vater abgeschaut, der selbst seine Probleme mit der Welt hatte und diese dann im Alkohol ertrank. Er hatte keine Freunde, war nach der Arbeit immer zuhause; auch irgendwie unfähig, sich der Gesellschaft anzupassen und immer nervös. Ich schämte mich teilweise sehr, habe dadurch wohl zu allem Übel noch eine "soziale Phobie" mitgekriegt, die mich auch ganzschön behindert. Mir wurde nie ein glückliches Leben vorgelebt und so habe ich es nie gelernt, zu lachen, das Leben zu genießen und einfach "zu leben".

Die Grundschulzeit war eine recht schöne Zeit. Zwar war ich natürlich auch zurückhaltend und habe nie die Initiative ergriffen (z.B. Klassensprecher: hätte ich in der 1. Klasse machen können, habe mich nicht getraut, bereue noch heute, diese Erfahrung nicht gemacht zu haben), aber ich hatte viele Freunde (weil eben Kinder aus meiner Umgebung) und war auch irgendwie beliebt. Das Lernen hat Spaß gemacht und ich war sehr gut.
Was mich allerdings schon immer sehr eingeschränkt hat, war, dass ich zuviel nachdenke und zu hohe (bzw. für andere normale) Ansprüche an mich selbst stelle. Ich sage mir immer, Mensch, geh doch mal aus dir heraus, geh auf Andere zu, sei so wie die Anderen etc. - Das habe ich nie hingekriegt.

In der 4. Klasse stand dann der Wechsel auf das Gymnasium an. Damals hatte ich schon irgendwie keine Lust auf Veränderung. Ich wollte einfach, dass alles so bleibt, wie es ist. Andere haben sich gefreut, etwas Neues zu erleben; ich nicht. Ich habe es über mich ergehen lassen. Sehr viele neue Leute. Klassenbedingt habe ich zwar alle kennengelernt, aber Gesprächsthemen und somit Freundschaften ergaben sich trotzdem nur sehr begrenzt und mir kam auch alles so sinnlos vor. Andere lebten mir immer vor, dass es ganz normal ist, glücklich sein zu können. Ich konnte das nicht, wurde daher auch oft von anderen verletzt; Minderwertigkeitsgefühle. Von der Grundschule verwöhnt, habe ich nie wirklich damit begonnen, nach der Schule viel zu lernen. - Bis zum Schluss, denn dann habe ich mit mäßigem Einsatz ein gutes Abi hinbekommen.

Die Selbstvorwürfe blieben natürlich: du bist zu schüchtern, geh doch mal aus dir heraus, auf andere zu, steh doch auch mal im Mittelpunkt. Dabei konnte ich z.B. Referate "im Mittelpunkt" nie ausstehen (wohl die soz. Phobie - ich wollte nur im Erdboden versinken).

Angespornt von der Erfahrung, dass, wenn man etwas lernt, auch ein gutes Ergebnis (Abi) dabei herauskommen kann, und von der Angst vor Veränderung (nicht mehr in der schönen Welt "Schule", sondern im harten Berufsleben, für das ich mich nicht reif fühle), habe ich mich entschlossen, zu studieren.

Tja, wie soll ich das jetzt umschreiben, es ist alles sehr kompliziert. Beim Studium hatte ich von Anfang an keine Energie und keine Lust mehr. Zunächst bin ich mit dem Zug zur Uni gefahren, sehr zeitaufwändig. Ich habe es immer öfter einfach gelassen. Redete mir ein, in der Zeit kannst du auch zuhause lernen. Gemacht habe ich natürlich nichts.
Die Leute, die ich in der ersten Woche kennengelernt habe, entpuppten sich teilweise als sehr arrogant. Na ja jedenfalls waren auch hier alle glücklich, aufgeschlossen und lebten mir vor, wie man normalerweise ein Leben führen sollte. Sie kamen alle gut miteinander aus, lachten, waren erfolgreich im Studium. Und wie immer komme ich mir sehr minderwertig, einfach "anders" vor. Ich weiß noch weniger als jemals zuvor, über was ich mit Anderen reden könnte, um Kontakte zu knüpfen. Ich interessiere mich für nichts, möchte aber auch nicht alleine sein. Eigentlich merke ich, dass ich vom Lernen genug habe. Aber dann ist da auch der Druck, dass ich etwas aus mir machen will. Kein Fließbandjob etc.

Ich dachte, wenn ich erstmal hier wohne, wird alles anders. Nun bin ich im 5. Semester, wohne hier und nichts hat sich geändert. Ich habe im Studium noch garnichts erreicht. Langsam merke ich, dass mir die Zeit davon läuft und dass sich das nicht gut in meinem Lebenslauf macht. Ich habe große Angst, dass ich das Studium nicht schaffe, weil man unglaublich viel Energie und Zeit aufbringen muss. - Ganz anders als in der Schule. Dabei habe ich absolut keine Ahnung, was ich wirklich machen will, was mir liegt, was mir Spaß macht. Ich habe mich einfach für den Studiengang entschieden, der meine schulischen Leistungskurse "weiterführt". Woher soll ich denn auch wissen, was mir Spaß macht, wenn mir alles sinnlos und grau vorkommt? Am liebsten würde ich im Bett liegen bleiben, aber das macht es auch nicht besser. Da merke ich nämlich, wie mir die Zeit davon läuft.
Ich komme mir so unglaublich faul vor, weil ich schon 2 Jahre nur rumhänge und nichts erreiche. Dabei will ich doch nur ein ganz normales Leben führen.

Ich mache mir selbst einen unglaublichen Stress, sodass sich alles zuschnürt. Seit fast 4 Jahren habe ich einen hohen Blutdruck, für den es keine organische Ursache gibt (mit nebenwirkungsfreien Tabletten auf normale Werte gebracht). Ende des letzten Jahres ist mein Vater an Leukämie verstorben. Das war auch eine ganz neue Situation. Anfang dieses Jahres haben dann bei mir Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Laut Arzt absolut harmlos, aber für mich selbst doch sehr beunruhigend. Das kommt alles vom Stress, den ich mir selbst mache. Denke ich mal wieder zuviel nach, stolpert die Pumpe. Seit ich 17 bin habe ich zu allem Überfluss auch noch einen beidseitigen Tinnitus, ausgelöst durch ein Knalltrauma an Silvester.

Das einzig Positive, das ich zurzeit sehe, ist meine Freundin. Allerdings gibt es auch hier Spannungen. Wäre ich "gesund" und würde ein normales Leben führen, wäre sie sicherlich meine Traumfrau. Verlieren will ich sie sowieso nicht.
Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie kein Verständnis für meine Situation hätte. Sie ist sehr diszipliniert und erwartet das auch von Anderen. Ich kann meine Probleme einigermaßen gut vertuschen und rede sowieso nicht gern darüber. Teilweise kommt sie mir vor, wie ein zusätliches schlechtes Gewissen. Allgemeine Kernaussage (nicht auf mich bezogen): "Faule Leute sind asozial und man muss etwas aus sich machen". Na toll, jetzt habe ich schon zwei "Gewissen", die mich unter Druck setzen.

Was ist los mit mir? Wie kann ich das "graue Dasein" überwinden? Gibt es eine Chance, dass ich irgendwann mal ganz normal bin und ein glückliches Leben führen kann? Wie kann ich denn diese passive Lebenseinstellung überwinden, damit klar kommen, dass es keine rosarote Welt/Schlaraffenland ist und die Energie aufbringen, endlich etwas in Angriff zu nehmen? - Andere schaffen das doch auch mühelos. Aber ich fühle mich einfach schlapp, Akku leer...

Schonmal Danke fürs geduldige Lesen meiner Lebensgeschichte *g*
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

Beitrag von Denker »

Hallo Walli,
vieles kommt mir da sehr bekannt vor. Im Studium muss man sich seine Zeit weitgehend selbst einteilen und das ist mir auch wahnsinnig schwer gefallen. Bin mir auch oft faul und undiszipliniert vorgekommen, aber heute weiß ich, es war die Depression. Ich war nicht faul, ich war krank!
Du solltest dir auf jeden Fall fachliche Hilfe suchen, zum Psychiater oder Neurologen gehen und sehen, ob diese eine Depression feststellen. Dann wird man dir in der Regel ein Antidepressivum verschreiben. Wenn du dir hier mal die verschiedenen Erfahrungen mit diesen Pillen anschaust, wirst du feststellen, dass viele damit nicht schlecht fahren. Die Befürchtung, dass diese Mittel abhängig machen, oder die Persönlichkeit verändern ist jedenfalls unbegründet. Trotzdem solltest du nicht alleine auf solche Pillen setzen, sondern dich nach einer zusätzlichen Psychotherapie umschauen. Pillen und Therapie haben in der Kombination die beste Wirkung!
Noch ein Hinweis: Manche Blutdruckmedikamente können Depressionen auslösen!
Und noch 2 Buchtipps, falls du ein wenig Selbststudium betreiben willst:
Josef Giger-Bütler: Sie haben es doch gut gemeint
Susan Forward: Vergiftete Kindheit
Die beiden Bücher können dir helfen, zu erkennen, warum du heute an genau diesem Punkt stehst.
Alles Gute
Denker
Trulla
Beiträge: 80
Registriert: 31. Okt 2005, 12:39

Re: Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

Beitrag von Trulla »

Hallo Walli,
ich bin auch neu hier, versuche aber mal eine Antwort.

Vieles von dem, was Du geschrieben hast, kenne ich. Die eigene Unsicherheit, habe ich nun eine Charakterschwäche oder ist es eine Krankheit, das hat mich lange gequält. Früher ist das sowieso noch anders gewesen.
Ich glaube, Du mußt Dich entscheiden: Leide ich unter meinem eigenen Verhalten, wie stark ist der Leidensdruck - und bin ich bereit, mir Hilfe von außen zu holen. Die Sicherheit einer richtigen Diagnose wirst Du auch nicht gleich nach dem ersten Arztbesuch erhalten. Aber ist das so wichtig? Wichtig ist doch für Dich, ob Du Hilfe brauchst und wíllst Du Dir diese Hilfe holen. Und natürlich viel Mut braucht man auch, sich selbst etwas einzugestehen.
Gruß
Trulla
zwerf
Beiträge: 12
Registriert: 26. Okt 2005, 16:04

Re: Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

Beitrag von zwerf »

Hallo Walli,

oh mann! wie kommt mir da einiges bekannt vor, fast wie mein Lebenslauf, auch ich war nie kontaktfreudig, eher im Gegenteil...naja Schule war ok, da kam ich auhc mit meiner Trägheit gut durch...nach dem Abi...da kam nur studieren für mich in Frage (halt so ne art Fortsetzung der schule dachte ich...), aber irgendwie war es so nicht...durch meine Unlust, unmoviertheit,"nicht aufraffen können" endete mein Studium auch in einer Sackgasse (egal ob ich zur Uni gefahren bin oder vor Ort wohnte, ich konnte mich nie aufraffen hin zu gehen)..irgendwann kam dann das bittere erwachen und ich hatte ne FRist versäumt....eine Welt brach zusammen...aber anstatt mal über die Gründe für mein Verhalten nachzudenken, fing ich einfach ein anderes Studium an...was natürlich nicht anders verlief, nur irgendwann sah ich selbst ein, dass es nichts bringt und brach es von mir aus ab...
Durch einen Zufall hab ich mich mit meinem Bruder im Handwerk dann selbständig gemacht (wieder keine neuen Kontakte geknüpft...) also stehe ich jetzt wenigstens nicht ohne Job da (auch wenn es nicht gerade der job ist, der mir spass macht, was mich wieder belastet...)

Warum ich das jetzt schreibe? Nunja, Walli, du bist nicht alleine mit deinem Problem, ich selber und auch viele meiner Bekannten haben an der uni ähnliches durchgemacht...nur was dir Mut machen sollte, ist, dass du es schon in jungen Jahren eingesehen hast, dass es da Probleme bei dir gibt, du kannst dir früher Hilfe suchen...mache es unbedingt, denn so bleibt dir viel Ärger und damit verbundene noch tiefere entäuschung erspart!! (hätte ich bloss auch schon in einem frühen stadium des "Studiums" erkannt, dass ich Probleme habe *nachtrauer*)

Also: Kopf Hoch!! Beherzige die Ratschläge des Denkers!! Geh dir Hilfe Holen! auch wenn es sehr schwer fällt...aber es lohnt sich!!

Liebe Grüße

Ralf
Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Re: Was ist mit mir los und wie kann ich das ändern?

Beitrag von Walli83 »

Hallo und danke für Eure Antworten.

Letztes Jahr habe ich bereits eine Psychotherapie gemacht. Ich dachte, das muss jetzt einfach sein. Immer diese Antriebslosigkeit, keine Freude und riesige Probleme mit anderen Menschen (soziale Phobie). Die Gesprächstherapie hat sich dann auch nur auf die soz. Phobie beschränkt. Es hat nicht lange gedauert, da habe ich dem Psychologen erzählt, was er hören wollte, um einfach nur Ruhe zu haben ("alles wird besser, ich mache ja sooo viel etc."). Nebenbei: Die soziale Phobie hat sich gebessert, ich mache mir weniger Gedanken beim Umgang mit Anderen, bin etwas sicherer etc. Ich glaube aber nicht, dass sich das durch die Therapie maßgeblich gebessert hat. Wollte auch nur mal schreiben, dass ich bereits Erfahrung mit Psychologen habe und auch nicht wirklich Angst vor diesem Schritt...

Wo gehe ich jetzt am besten hin? - Zum Hausarzt oder gleich zum Facharzt? Psychiater, Psychotherapeut oder Neurologe? - Hier in der Nähe gibts eine Gemeinschaftspraxis mit Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut in einem. Vielleicht wäre das ja die richtige Anlaufstelle...

Gibts denn eigentlich Hoffnung für mich? - Ich bin schon mein ganzes Leben so und seitdem eben nichts mehr in geregelten Bahnen läuft (Studium läuft sehr schlecht), macht mir das auch sehr zu schaffen.
Ich war heute wieder nicht an der Uni und habe natürlich auch nichts gelernt, weil ich einfach nicht weiß, wo und wie ich anfangen soll. Dabei habe ich schon 4 Semester untätig verschwendet und müsste endlich mal in die Gänge kommen.
Liegt das an der Depression, dass da nichts geht, oder bin ich einfach total faul? Mich behindert auch immer die Angst, das Studium nicht zu schaffen, daran, wirklich ernsthaft damit anzufangen. Weil es mir dabei so schlecht geht, denke ich einfach nicht darüber nach und die Zeit vergeht...

Ralf, es ist doch schön, dass du etwas auf die Beine gestellt hast. Ich denke mir oft, dass mir die Uni viel zu theoretisch ist. Bei einer praktischen Arbeit würde ich immer ein Ergebnis meiner Leistung sehen. Habe schon oft darüber nachgedacht, dass mir das vielleicht Spaß machen würde. Das Lernen macht es jedenfalls (momentan) nicht. - Aber vielleicht, wenn ich merke, doch etwas zu können?!

Es stimmt ja wohl, dass einen die Depression daran hindert, sich an etwas zu erfreuen. Ich freue mich über sehr wenig/nichts, weil ich immer darüber nachdenke, was Schlimmes passieren könnte etc.
Ich habe auch noch nie herausfinden können, was mir wirklich Spaß macht, was ich arbeiten/studieren will. Ich fühle mich einfach total leer und lustlos - und das ist schon so, solange ich denken kann.

Wird das besser?
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