Verkorkste Situation

Adolescent
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Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hallo ihr da draussen,

ich habe schon ein thema im angehörigen teil verfasst.
jetzt möchte ich jedoch über mich sprechen.

ich bin als kind von meiner depressiven mutter tyrannisiert worden. meine schwester ebenfalls.

das sah so aus:
sie wurde mit ihrem leben nicht fertig und hat uns kinder permanent als ventil benutzt. wir wurden angeschrien, uns wurde ständig vermittelt nichts wert zu sein und an allem schuld zu sein.

mein vater hatte dafür nie ein ohr. im gegenteil. wenn meine mutter so mit mir umging, habe ich wutanfälle bekommen. ich habe angefangen zu schreien und habe geglaubt mich so zu wehren. mit dem ergebnis, dass ich mich bei meiner mutter entschuldigen sollte. wenn ich das nicht getan habe (mein vater wurde nicht mit meinen reaktionen fertig) wurde ich verprügelt und gewürgt.

sie haben ständig ärzte alarmiert, das irgendetwas mit mir nicht stimmt. mein gehirn wurde untersucht. man hat nie irgendetwas festgestellt, dass mit mir etwas nicht in ordnung ist. und ich habe als kind nie darüber gesprochen, weil ich angst hatte. mir wurde nämlich ebenfalls anerzogen, dass nach aussen die heile welt bewahrt werden muss. - meine eltern waren beide selbständig mit einem geschäft in einem kleinen städtchen - da durfte natürlich niemand wissen, was zu hause abging.

ich habe meinen weg trotzdem geradeaus gemacht. ausbildung, fortbildung - nun habe ich eine leitende position.

ich hatte jedoch immer probleme in beziehungen, wenn man mich ablehnte - bzw. ich habe oft in vielen situationen gesehen, dass man mich ablehnt.

ich bin vor zweieinhalb jahren mit meinem freund zusammengekommen, der selber viele probleme mit sich selbst hat (siehe beitrag angehörige). er ist depressiv. das äußert sich in schlafstörungen, keine lust auf sexualität, mir nicht richtig zeigen können, das er mich liebt. verdrängen, indem er sich mit tausend anderen dingen beschäftigt, nur nicht mit sich selbst - und in den tag hineinleben, nichts anfassen, was ihn weiterbringt.

unsere beziehung war sehr intensiv. wir haben viel ähnliche sachen zu hause erlebt. auf dieser ebene haben wir uns super verstanden. haben viele gemeinsame interessen.

wenn jedoch eine kellerfahrt dran war - habe ich nie verstanden, warum er sich von mir so arg distanziert. und das ist eine sache, die ich überhaupt nicht verstehe. ich fing an mich zu verhalten, wie als ich kind war. meine wutausbrüche kamen wieder. dieses "ungeliebt" sein, es hat so weh getan, dass es mich innerlich aufgefressen hat.

nach einem jahr ging ich in therapie. habe mich aber immer so viel mit ihm beschäftigt. oder beziehungsweise mit unserer beziehung.

ich habe ihm oft gesagt, dass er auch eine therapie machen sollte und sich nicht so fallen lassen sollte. habe versucht ihm mut zu machen. habe gelernt ihn an der langen leine laufen zu lassen (was ich früher nicht im griff hatte).

nach mehrmaligen crashs zwischen uns habe ich mich jedoch immer weiter runterziehen lassen - jetzt kommen bestimmt meinungen "ich wäre abhängig". vielleicht bedingt, aber ich liebe ihn von ganzem herzen, so wie ich vorher noch nie jemanden geliebt habe.

das ende im moment:
er hat mich fallen lassen. ich mache im moment eine klinische therapie. ich denke mehr an mich selbst. seitdem ich das mache, hatte ich das gefühl, das er da nicht mehr drauf klar kommt. weil ich nicht mehr die verantwortung für ihn übernommen habe.

mit seinen ignoranzfilmen, wenn wir ärger hatten kam ich allerding immer noch nicht klar.

er ging vor 10 tagen ohne ein wort. im nachhinein. es ist schluss, ich wäre viel zu egoistisch, mich würden seine gefühle nicht interessieren - nur innerhalb unserer beziehung, etc.

seitdem bin ich in ein mega-kellerloch gefallen. ich habe gerade keinen spass mehr, bin gedanklich bei ihm (weil er keine therapie macht), werde mit den schuldzuweisungen von ihm nicht fertig, das ich das problem bin und war.

was soll ich tun? ich weiss, an mich denken, aber wie?
ich liebe ihn immer noch sehr. weiss, dass ich ihn nicht zu einer therapie bewegen kann, weil er das selbst muss.
er hat mir nie gesagt, dass er mich nicht mehr liebt und ich ihm auch nicht. tief drin, weiss ich auch, dass es nicht so ist.

hat jemand selbst solche erfahrungen gemacht?
bitte um viele antworten, weil mir das forum gerade sehr gut tut;-)

anja
soraya8
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von soraya8 »

Hi Anja,
Du hast viel erlebt - und ER auch; da ist es wohl sehr schwer, eine ruhige Beziehung ohne Turbolenzen zu führen. Wie ich hast Du zu sehr an Deinen Partner gedacht, hast in der Therapie mehr über IHN und EUCH als über DICH geredet. Ich verstehe Dich da sehr gut - aber nun solltest Du an Dich denken, keine Frage.

Das Problem mit den Schuldzuweisungen kann ich sehr gut nachvollziehen; so ein Gefühl bzw. diese Behandlung ist grausam. Doch Du weißt, dass Du nicht egoistisch warst oder bist - und das zählt. Auch Deine Freunde werden Dir bestätigen, was für ein toller und aufopferungsvoller Mensch Du bist.
Halte Dich an die Menschen, welche Dich zu schätzen wissen.

Dein Freund wußte von Deiner Vergangenheit - dennoch hat er in alten Wunden gestochert; das ist kein feiner Zug, ganz ehrlich - auch, wenn er selber krank ist. Werde Du gesund - und dann schau weiter.

ER soll erst mal trocken werden - dann kannst Du weiter sehen.Ich weiß: Das WARTEN und die ungewisse Zukunft sind schwer zu ertragen. Aber auf DICH wartet ein verantwortungsvoller Job! Freu Dich darauf! Es gibt Menschen, die Dich so sehr schätzen, dass sie auf Dich warten - wer kann das - vor allem heute bei der Joblage - von sich behaupten!

Wir müssen uns nicht über den Partner definieren - das tust Du sicherlich auch nicht, oder?

Ich drücke Dir so sehr die Daumen, dass Du Deinen Weg findest, Anja! Glaub an Dich!

Ach ja: möchtest Du mit IHM eine Aussprache oder lieber nicht? Hast Du offene Fragen? Dann wäre er es Dir schildig, mit Dir darüber zu reden - wenn Du das überhaupt willst... Naja, evtl. tut der Abstand Dir auch gut, aber ich weiß, wie quälend Ungewissheit ist und dass es so weh tut, nicht den wahrend GRund zu wissen bzw. so schlecht behandelt zu werden und unwahre Vorwürfe hören zu müssen.

Alles Liebe, Soraya
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hey soraya,

danke. das mach mir mut!

eine aussprache? nein, will ich im moment nicht, weil meine eigenen wunden so groß sind, dass ich angst davor habe bei ablehnung wieder nur durchzudrehen.

er weiss genug von mir, mehr, als jeder andere.
du hast recht, wenn er das nicht zu schätzen weiss, dann ist er es wahrscheinlich nicht wert.

ich habe ihn gerade erst einmal eingefroren;-)
d.h. tupperdose mit wasser und einem teil von ihm in den kühlschrank.

vielleicht wird es irgendwann eine aussprache geben. da er aber so gar nicht in der lage ist über gefühle zu sprechen, verspreche ich mir nicht viel davon.

hoffe, dass wir noch einmal von uns hören, wie's denn so weiter geht!

anja
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Liebe Anja,
ich habe Deinen Beitrag sehr aufmerksam gelesen und verstehe Deine Not.
Da sind aber auch einige Sachen drin, die mich stutzen ließen und die zeige ich Dir mal auf; vielleicht hilft Dir das.
Hast Du Dich schon einmal gefragt, ob es in Dir Kräfte gibt, die -ohne Dein Wollen oder Wissen- versuchen, die alten, destruktiven Beziehungen nachzubilden? Es sieht doch ganz danach aus, dass Du Dir einen klar "bedürftigen" Mann ausgesucht hast. Und ich nehme auch an, dass Du ja selber diese verletzten, gekränkten Anteile in Dir hast, was jetzt zum Vorschein kommt.

>habe gelernt ihn an der langen leine laufen zu lassen (was ich früher nicht im griff hatte).

wen? ein Hündchen?? Die Äußerung sagt so einiges über Euch aus.

Du fragst abschließend Deiner ausführlichen Schilderung, ob jemand solche Erfahrung gemacht hat. Ja, habe ich. Ich bin auch gegangen, nachdem ich nicht mehr ertragen habe, dass mich meine damalige Frau brauchte, um ihre unterdrückten Schwächen zu leben. Imrunde lebten wir eine Symbiose. Ich brauchte eine "Ersatzmami" und Sie brauchte einen leicht "lenkbaren", kalkulierbaren Mann, der sie aus seiner Bedürftigkeit heraus wahrscheinlich nie verlassen würde. Ich traute mich nicht, meine Stärken zu leben; sie nicht, Ihre Schwächen zu leben und zu zeigen. Das passt perfekt, hat nur den dummen Nachteil, dass sich beide nicht weiterentwickeln können und letztlich immer unglücklich in ihrem Gefängnis hängen bleiben.
Genau in dem Moment, wo einer beginnt, sich, warum auch immer, weiterzuentwickeln -während der andere stehenbleibt - kommt dieses ohnehin sehr fragile Beziehungsgebilde ins Trudeln.

Ich hoffe, ich konnte Dir aus dem Blickwinkel eines Mannes, der auch einmal "verlassen" hat, etwas helfen.

Dir und Deinem Freund wünsche ich, dass Ihr vielleicht doch noch einen Weg findet, wieder zusammenzufinden...

Liebe Grüße
Andreas
Adolescent
Beiträge: 56
Registriert: 21. Okt 2005, 15:01

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hey andreas,

danke für den standpunkt.

dass Du Dir einen klar "bedürftigen" Mann ausgesucht hast.
naja, bewußt würde ich nicht sagen. ich hatte auch schon "normale" beziehungen.
es kann schon sein, dass ich deshalb nicht vorher von ihm abgelassen habe und mich nicht früher abgegrenzt habe.

die sache mit dem hündchen...
ich habe früher klare probleme mit dem alleinesein gehabt. das hat sich innerhalb unserer beziehung sehr bei mir geändert. ich war glücklich, wenn es ihm gut ging.

"Genau in dem Moment, wo einer beginnt, sich, warum auch immer, weiterzuentwickeln -während der andere stehenbleibt - kommt dieses ohnehin sehr fragile Beziehungsgebilde ins Trudeln. "

ich glaube, das exakt das passiert ist - innerhalb von kürzester zeit, weil ich ausgebrochen bin aus dieser verkorksten situation meinerseits.

ich finde es im moment nur schade, dass ich es ihm nicht mehr sagen kann, weil er sich so zurückgezogen hat.
ja, vielleicht ist es genau unsere möglichkeit wieder zueinanderzufinden. irgendwann.
er muss seinen weg jetzt auch alleine gehen.

ging es dir denn gut, als du sie verlassen hast?

es geht mir nicht darum, mich besser zu fühlen, weil es ihm genauso dreckig geht. nur - ich komm mir so weggeworfen vor.

wäre schön, wenn du mir nochmal antworten würdest.
anja
Adolescent
Beiträge: 56
Registriert: 21. Okt 2005, 15:01

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

andreas, ich nochmal

wenn ich darüber nachdenke.
ich habe mir am anfang keinen hilfsbedürftigen angelacht.

nee, ich wusste nicht, wie er lebt.
wir haben hier zwei läden (vereine), die von uns organisiert werden. ich habe in dem einen laden organisiert, er in dem anderen.

ich fand ihn schon toll, weil er vieles nach aussen auf die beine gestellt hat. das mit dem alkohol und wie er lebt habe ich erst später gemerkt.

er war in unserer kennenlernphase auch ganz anders. diese exzesse haben erst später wieder angefangen. als ich mich mehr über seine vergangenheit informiert habe (er redet selbst nicht viel über sich) sind mir einige sachen immer mehr klar geworden. bis ich sie selbst gesehen habe - und da fing das ganze dilemma an.

hoffentlich bis gleich nochmal,
anja
BeAk

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von BeAk »

Liebe Anja,

die von Andreas genannten Muster laufen unbewust ab.
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Hi Anja,
natürlich melde ich mich "nochmal". ich hatte nach dem Absenden schon ein bißchen Gewissensbisse, ob ich Dir nicht zuviel zumute. Offenbar nicht. Das freut mich sehr!!
>ging es dir denn gut, als du sie verlassen hast?
Eine ganz ambivalente Situation. Ich wollte sie niemals verletzen und niemals kränken, aber ich musste es tun! Ich hatte schlimme Schuldgefühle, aber ich wusste, es war die richtige Richtung, um freier zu werden; das Ganze im übrigen vor fast 10 Jahren.. Nein, es ging mir nicht gut; aber auch nicht schlecht.

>ich hatte jedoch immer probleme in beziehungen, wenn man mich ablehnte - bzw. ich habe oft in vielen situationen gesehen, dass man mich ablehnt

Es passiert nicht bewusst, wenn wir alte Beziehungen nachbilden. Es lässt sich imgrunde nur retrospektiv feststellen. Wir blicken zurück und merken: Komisch, das kennst Du doch..!? Dein obiger Satz - aus dem ich meine Vermutung zog - bestätigt das ja. Du hast hier geschildert, wie beschissen Du behandelt worden bist (= ABLEHNUNG). Dann gestehst Du Dir ein, dass Du immer Probleme bekommen hast, wenn sich das Drama wiederholte.

>ich fing an mich zu verhalten, wie als ich kind war. meine wutausbrüche kamen wieder. dieses "ungeliebt" sein, es hat so weh getan, dass es mich innerlich aufgefressen hat.

Das ist ja genau das, was die Psychologis Regression nennen, Du verfällst in kindlich vertraute Verhaltensweisen.
Dein Pseudonym "Adolescent", also Erwachsene, untermauert genau das Gegenteil.
Ach Scheiße, da laufen wir weg, werden "erfolgreich", verdienen Unsummen Geld oder nicht, versuchen uns in Beziehungen, scheitern, machen weiter, steigen auf, werden vielleicht - wie Du - leitende Angestellte.. und auf einmal.... holt es uns ein. Wir liefen wohl nicht schnell genug (vor uns davon). Wir bleiben auf einmal stehen und der Tsunami des Schmerzes, der Trauer und all des vergessenen, verdrängten Unvermögens überrollt uns. (das trifft die Perfektionisten unter uns besonders heftig.)
Dann beginnen wir zu lernen, dass wir die entscheidenden Hausaufgaben stets vertagt haben. So gesehen, ist die Krise wirklich da, um zu wachsen; nicht, um uns zu vernichten...

Noch was zum Kennenlernen: Es geschieht nicht bewusst, wenn wir das Unerledigte nachbilden, aber es geschieht mit großer Sicherheit... bis wir eben stehenbleiben...und beginnen zu sehen...

Ich hoffe, ich kann Dir Perspektive vermitteln.
Aus Hamburg grüße ich dich herzlich
Andreas
Moonlight77
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Moonlight77 »

Lieber Andreas,

ein toller Beitrag. Habe in einem anderen Thread Anja geantwortet, da ich früher (als ich noch kleiner war als jetzt )ein ähnliches Muster kannte...
Es ist nicht so oft, daß ich das Gefühl habe, hier spricht mir jemand direkt aus meiner Seele. Aber bei deinem Beitrag war das so.
Einfach mal Danke, daß ich am Morgen so was tolles Lesen kann!

Gruß,
Diana
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Na Jagdgöttin im Mondlicht,
da treibst Du mir aber schon die Schamesröte ins Gesicht...
Aber im Ernst: Ich freue mich über Deine lieben Worte. Viellicht ist unsere Geschichte ja ähnlich...
Einen herzlichen Gruß aus dem trüben Hamburg.
Andreas
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Diana, ich nochmal: Gerade sah ich die Bemerkungen in Deinem Benutzerprofil. Insbesondere zum Thema Panikstörungen würde ich gern etwas erfahren.(ist auch mein Thema, aber ich stecke da auch etwas fest) Was war da los? Wenn Du Zeit und Lust, würde ich Dich bitten, mich mal direkt anzumailen: Guitaranderl@yahoo.de
Würde mich gern mal mit Dir austauschen.
Bis bald vielleicht
Andreas
soraya8
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von soraya8 »

Hi Anja,

wie geht es Dir heute? Hat sich was Neues ergeben?

LG; Soraya
Moonlight77
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Registriert: 19. Sep 2004, 13:37

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Moonlight77 »

Andreas, klar schreibe ich dir. email schon notiert! Könnte allerdings etwas dauern, also sei nicht enttäuscht, wenn nicht gleich was kommt.

Liebe Anja, auch mich würde interessieren, wie es dir geht. Und bitte verzeih, daß ich deinen Thread dazu verwendet habe, mich mit Andreas zu unterhalten...Nix für ungut.

Liebe Grüße aus dem sonnenverwöhnten Südbaden, was ich grad sehr genieße,

Diana
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hallo andreas, diana und soraya,

erstmal für die allgemeinheit:
mir geht's gerade gut. nach einem super tief heute morgen. meine therapeuten haben mir "den kopf gewaschen", dass ich nach vorne schauen soll. vergangenheit begraben, sonst komm ich nicht weiter.

naja, ich denke, ich darf nach 10 tagen trennung nochmal traurig sein;-)

@andreas:
wow. ich fand deine erklärung super.
je länger ich darüber nachdenke, desto beschi.... waren diese löcher, wo ich meine kindlichen verhaltensmuster an den tag gelegt habe.
traurig bin ich darüber, dass ich es ihm immer erklärt habe, dass er es anscheinend aber nie verstanden hat, dass mich diese ignorante schiene zum wahnsinn treibt.

ich werde jetzt los lassen. nur so haben wir vielleicht irgendwann überhaupt eine chance, wenn ich wieder die "alte anja" bin. versteh nicht falsch.
ich würde ihn nur zurück nehmen, wenn er endlich was an sich tut, ansonsten ist die tür zu!

@soraya:
wie geht's dir denn heute?
bei mir tut sich ja gar nichts, weil er sich nicht mehr meldet und ich es auch nicht tun werde. ich hab's nicht nötig wieder scheisse drauf zu kommen, wenn er mich ablehnt. nein! sonst falle ich ja eh wieder zurück.
sendepause ist wohl besser!

@diana:
nein, nicht sauer. ich finde es toll, dass wir uns hier alle gefunden haben;-)


eure worte tun mir gut. weiter so!

lieben gruss aus düsseldorf!
anja
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

ach andreas,

was mich noch interessiert:
hast du danach ne therapie angefangen? oder erst später?
hast du jemals gehofft, dass ihr wieder zueinander findet?

die anja
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Hi Anja,

mit der Therapie hatte ich noch während unserer Beziehung begonnen. In dieser Zeit wurde mir ja erst weitgehend klar, was da überhaupt abging.
Nein, ich habe nicht gehofft, dass wir wieder zusammenkommen. Im Gegenteil: Ich war froh, dass ich mich aus meinem Gefängnis -denn so fühlte ich mich- befreit hatte; trotz wirklich extrem schlechter Rahmenbedingungen wie z.B. hoher Verschuldung.

>naja, ich denke, ich darf nach 10 tagen trennung nochmal traurig sein;-)

Unbedingt! Das ist das Beste, was Dir widerfahren kann. Trauern ist nicht Depression. Und Tränen weinen über all die verzweifelten Beziehungen, über all das Leid, die vergeudete Zeit, ist nach meiner Erfahrung heilsam. Das ist eine Phase, die vorbeigeht. Dann wieder den Kopf hoch und ab ins Leben.... mit einem klüger gewordenen, aber offenen Herzen. Was ganz wichtig ist: Wir neigen alle gern dazu, Verantwortlichkeiten zu suchen und festzumachen. Daraus resultieren Schuldvorwürfe an andere oder Schuldgefühle in uns selbst. Meist führt das zu nichts außer einer Verhärtung des Herzens. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Dein Freund Dir nicht wehtun wollte; er ist vielleicht auch nur ein Suchender, der seinen Weg nicht findet. Er ist schließlich genau so bedürftig, wie es Deine Eltern waren...ja, Anja, und wie Du es selbst bist.
du merkst jetzt, dass all die Perfektion nicht dzu beiträgt, innerlich "ganz" und "heil" zu werden. Dein jetziger Zusatnd führt Dich dorthin.

So kann aus Deiner Krise eine Erfahrung werden, die dich bereichert und aus der Du reifer denn je hervorgehen kannst. So betrachtet, eine Chance...
In diesem Sinne "bonne chance"
ins schöne Düsseldorf
Andreas
soraya8
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von soraya8 »

Hi Anja,

naja, er müsste jeden Moment hier sein, um mir meine Sachen zu bringen. DANACH sehe ich, wie es mir geht. Gerade nicht soo toll, aber der Trauer folgt gerade z.T. doch die Wut über seine Behandlung.

Ich werde nun Abstand halten, wohl noch diese Woche den ganzen Rest an Sachen holen oder bekommen...

Die Arbeit wurde vom Chef auf Ende der Woche verschoben, so habe ich den heutigen Tag zur "Verabschiedung" genutzt, letzte Dinge geschrieben. Nun schaue ich, was die Zeit zeigt.

Ich hoffe, dass es uns beiden "bald" besser geht.

Alles Liebe und viele Grüße nach Düsseldorf!
Soraya
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hey andreas,

mensch, wird ja immer besser! danke!

ich bin durch die therapie auch echt einen schritt weiter gekommen. vielleicht ist die sache deshalb auch in die brüche gegangen. seitdem ich weiss, was mit mir abgeht, aber auch mit ihm.

mir ist klar, dass wir jetzt keinen weg zu zweit haben können! leider!
meine tränen werden von tag zu tag weniger, nein, mittlerweile freue ich mich wieder über meine energieschübe.

hoffe, wir treffen uns bald mal wieder!
liebe grüße an hh.

anja
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

liebe soraya,

bleib stark. denke an dich. und hoffe nicht zuviel!

das sind worte, die ich ebenfalls an mich schreibe;-)

es wird alles gut - wenn's jetzt auch weh tut. vielleicht auch mit jemand anderem.

gruss, anja
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Hi Anja,

die Zuversicht, die jetzt aufblitzt, freut mich sehr. Es braucht alles noch Zeit und vor allem Geduld. Bin mal gespannt, was daraus bald so alles wird.
Es gibt mir auch sehr viel, wenn ich Dir vielleicht die eine oder andere Perspektive vermitteln konnte. Lass bitte unbedingt mal von Dir hören. Meine E-Mail-Adresse steht in meinem Profil.

Bis dann
Andreas
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

andreas,

komme ich gerne darauf zurück.

sag mal, was hat dich denn dazu bewegt die therapie zu machen - nur die beziehung?

und jetzt? bist du wenigstens jetzt glücklich und hast den deckel gefunden?

ja, ich halte dich auf dem laufenden. bin ja selbst total gespannt.

gruss aus dem total verregneten düsseldorf.
anja
soraya8
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von soraya8 »

Hi Anja,

ich versuche, an mich zu denken. Es wird schon werden!

Ich melde mich nicht mehr - wenn, soll er das tun.
Ich werde erst mal auf Abstand gehen, jedoch nicht für immer.

LG, Soraya
Adolescent
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Adolescent »

hey soraya,

ja, das sage ich mir auch die ganze zeit. zwischendurch kommt wieder schmerz. man, ist das blöd.

ich weiss auch nicht, ob es gut ist zu hoffen oder sich einfach zu denken: aus, vorbei - weiter. sonst bleib ich ja selber stehen.

hangel mich seit gestern nachmittag eigentlich ganz gut durch - sogar der regen hat mich heute nicht fertig gemacht.

eigentlich haben dies echt nicht verdient, nach so ner nummer auch noch wartende frauen irgendwo sitzen haben.... wird frauen sind einfach zu weich!

gruss, anja
soraya8
Beiträge: 147
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Re: Verkorkste Situation

Beitrag von soraya8 »

Liebe Anja,

mir geht es wie Dir! Mal Wut, Enttäudschung, Trauer, Schmerz,etc. Ich vermisse ihn natürlich auch, mal schlimmer, mal weniger schlimm. Dann denke ich, er hat mich nicht verdient, doch dann sage ich mir, dass die Krankheit ihn so verändert hat...

"ich weiss auch nicht, ob es gut ist zu hoffen oder sich einfach zu denken: aus, vorbei - weiter. sonst bleib ich ja selber stehen."

Mir geht es ganz genauso! Denn ich weiß ja nicht, ob er die Krankheit noch mal erkennen und was dagegen tun wird...

Bei Dir wäre es besser, ganz nur an Dich zu denken, den Dein Partner hat ein weitaus größeres Problem, oder? Mit dieser Sucht bzw. Krankheit ist wahrlich nicht zu spaßen.

Hast Du seiner Mutter geschrieben? Um Dich gegen die Vorwürfe zu wehren? Gute Idee! Laß Dir das nicht in die Schuhe schieben!

LG, Soraya
Guitaranderl

Re: Verkorkste Situation

Beitrag von Guitaranderl »

Liebe Anja,

ich erzähle Dir gern, was Du wissen möchtest.

>sag mal, was hat dich denn dazu bewegt die therapie zu machen - nur die beziehung?

nein, nicht die Beziehung, sondern ich begann - nach 13 Jahren Tablettensucht, die ich 1994 nach einem gar bezaubernden Psychiatrieaufenthalt überwunden habe, meine Wahrheit zu "sehen". Auf einmal sah ich mein Leben, wie es wirklich war und nicht, wie ich es mir auch mittels der Tranquilizer "hingedacht" hatte. Ich hatte etwa 140.000 DM Schulden (ohne! Gegenwert),
knallte in die tiefsten Regionen meiner Seele, fühlte mich entzetzlich labil, ja, und begann meine Beziehung viel realistischer zu sehen. Damit hatte ich zwei Optionen: Die eine nenne ich hier nicht, weil "ich" dann bestimmt gelöscht werde (und weil es keine wirkliche Option ist und war) und die andere, ja, das war, eine Therapie war angezeigt. Angesichts meiner damaligen Lebensituation ein gar nicht so schlechter Gedanke, was. In den 11 Jahren bis heute habe ich einige Therapien gemacht und habe in jeder bestimmte Fortschritte und Reifungen erfahren. (Wenn das nicht so wäre, könnte ich Dir hier gar nicht aufschreiben, was ich so aufschreibe). Zwei Jahre nach Therapiebeginn habe ich mich getrennt, und am 14.12.2004 - gute 10 Jahre nach meinem Entzug- habe ich die letzte Rate meiner kredite zurückgezahlt. Ich habe oft Zweifel um meine Stärken und Ressourcen, aber das war schon eine Leistung; zudem mir nichts davon erlassen wurde. Das wollte ich auch nicht. Ich wollte das ganze Elend sehr tief fühlen. Nicht im masochistischen Sinn, sondern im Sinne der Bewusstmachung und Reifung. Aus diesen tiefen Erfahrungen heraus habe ich eine gewisse Ahnung, was bei Dir passiert sein könnte und deswegen sage ich ja auch: Versuch die Größe zu zeigen, und Deine eigenen Anteile an dem Drama zu sehen.

>und jetzt? bist du wenigstens jetzt glücklich und hast den deckel gefunden?

Anja, ich habe nicht den anmaßenden Anspruch an "das Leben", ständig glücklich zu sein. Ich glaube auch, dass es mir besser steht, eher ein bißchen melancholisch zu sein. Mir ist es wichtig, einigermaßen zufrieden zu sein. Das gelingt mir oft und manchmal nicht. Aber das finde ich nicht außergewöhnlich, sondern - obwohl ich NORMalität eher ablehne- ganz normal.(igitt.).
Was den "Deckel" angeht, bin ich immer wieder überrascht. Sie ist das Gegenstück zu mir: Sehr selbstsicher, sehr zufrieden, angstfrei, in großer Sicherheit ins Leben geboren.... Aber es "funktioniert"; inzwischen seit 6 Jahren. Das erste Jahr war ganz schwer für mich, weil ich mich -quasi zum ersten Mal in meinem Leben- auf eine reale Beziehung eingelassen habe. Ich wurde mit Gefühlsstürmen konfrontiert, die ich bis dato schlicht "weggepillt" oder unterdrückt hatte. In erster Linie wurden mir meine massiven Verlustängste bewusst, die ja meist im Mäntelchen der Eifersucht daherkommen. In den ersten 6 Monaten nahm ich durch diese permamente Unruhe 10 kilo ab. (NEIN, es lag definitiv NICHT am Sex; naja, o.k. auch.. ein bißchen...) Zu der Zeit habe ich mich intensiv mit Narzissmus befasst; in der Therapie und auch literarisch, was mir sehr half. Ich konnte dadurch verstehen lernen, warum narzisstische Menschen in einem extremen Spannungsfeld zwischen Verlustangst und Vereinnahmtwerden leben. Und warum ich so extrem zwischen Grandiosität und Depression pendelte; ohne jeweils den Bezug zum Gegengefühl wahren zu können. Ich habe verstanden, welche Hintergründe mein Perfektionismus hat und wie verzweifelt und absurd das ist.
Diese Merkmale sind Bestandteile meiner Person und wahrscheinlich werde ich sie mein Leben lang haben. Der Unterschied zu früher ist der, dass mir diese Dinge bewusst sind und ich einfach anders damit umgehen kann. Ich habe große Auslenkungen in meinem Gefühlsleben; bin alles andere als "ausgeglichen"... aber das BIN ich nunmal; im Guten wie im Schlechten, was sowieso eine Definitionsfrage wäre.

So, ich hoffe, ich konnte Deine Fragen verständlich beantworten.. und ich habe es gern getan.
Herzliche Grüße aus dem stürmischen HH
Andreas
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