Pressetipp für Menschen im Rheingau

Antworten
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Pressetipp für Menschen im Rheingau

Beitrag von ursus »

http://www.main-rheiner.de/region/objek ... id=1996554

Etwas mit den eigenen Händen schaffen

In der Ergotherapie begegnen Patienten zum Teil erstmals ihren eigenen kreativen Talenten

Vom 09.08.2005

Die "Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Eichberg" (KPP) auf den Rheingau-Höhen bei Kiedrich bietet den Patienten eine große Bandbreite an bewährten und innovativen Therapieformen. Neben den gängigen Heilmethoden, werden auch nichtmedikamentöse Therapien angeboten, die den Patienten eine ernst zu nehmende Alternative zu der Pharmakotherapie bieten.


Von

Jasmin Schneider

"Was können Hände schaffen?" Diese Frage klärt sich für die Besucher des Bereichs Ergotherapie des Zentrums Soziale Psychiatrie (ZSP) Rheinblick in Kiedrich spätestens dann, wenn sie die ausgestellten Bilder und Werkstücke sehen, die Patienten während ihrer Therapiestunden gefertigt haben.

In den wunderschönen großen Räumlichkeiten mit weitem Blick auf die Parklandschaft des Eichbergs finden die Patienten ein breit gefächertes Angebot an Materialien und Techniken vor und können sich entsprechend ihrer Verfassung und Fähigkeiten kreativ gestaltend und handwerklich betätigen. Die Möglichkeiten in der Ergotherapie reichen von einfacher Laubsägearbeit über Korbflechten, Töpfern, Seidenmalerei, Specksteinbearbeitung, Buchbinden bis hin zum freien Malen und Zeichnen auf Papier mit jeglicher Art von Farben.

Ziel der Ergotherapie ist, die Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer der Patienten zu verbessern, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entdecken sowie Handlungsplanung und Selbständigkeit zu trainieren. "Da die Ergotherapie in der Gruppe stattfindet, kann sich auch die Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit verbessern", weiß die Ergotherapeutin Barbara Kroll. Doch was bedeutet Ergotherapie eigentlich? Das Wort Ergo leitet sich vom griechischen "ergon" ab und bedeutet Werk, Tat, Arbeit, Beschäftigung. Obwohl die Ergotherapie unter den Medizinalfachberufen zu den jungen therapeutischen Berufsbildern gehört, hat das "tätig sein" als Maßnahme zur Linderung von Störungen eine lange Tradition.

Die Ursprünge dieser Behandlungsidee finden sich schon im ersten Jahrhundert v. Chr. bei Asklepiades und in den Schriften des römischen Arztes Claudius Galenus (Galen) von Pergamon (129-199 n. Chr.) In der Therapie psychisch Kranker wurden Musik, Beschäftigung und Arbeit eingesetzt, und Galen prägte die bis heute bedeutsame Aussage: "Arbeit ist die beste Medizin, die uns die Natur gegeben hat." Arbeit im Sinne von tätig sein, etwas mit den eigenen Händen schaffen.

Auch in der Klinik Eichberg hat die Ergotherapie eine lange Tradition und ihren festen Platz im Behandlungsangebot. Für jede Station bietet die Ergotherapieabteilung eine täglich sich treffende Gruppe an, die bis zu zwei Stunden "arbeitet".

"Mit den eigenen Händen etwas schaffen, selbst aktiv werden, das tut den Patienten gut. Diese Erfahrung hat wohl jeder schon gemacht, jeder der vielleicht mal gezwungenermaßen durch eine Krankheit zum Nichtstun verurteilt war. Tätig zu sein bringt Freude, Selbstvertrauen, Entspannung", erklärt Barbara Kroll.

Etwas zu schaffen, mit den eigenen Händen herzustellen, fördere immer auch das Selbstvertrauen, gebe Mut und Zuversicht, eine schwierige Zeit überstehen zu können - und mitunter auch Impulse für das Leben zuhause.

Barbara Kroll erinnert sich an eine Patientin, die seit vielen Jahren unter wiederkehrenden Depressionen litt. Die Patientin war einige Monate im ZSP Rheinblick und musste die aktuelle Depression ohne Medikamente bewältigen, da sie nicht den erforderlichen Wirkspiegel erreichten. "Sie hat nicht nur bei diesem Aufenthalt, sondern auch schon vor vielen Jahren von der Ergotherapie profitiert. Damals entdeckte sie für sich die Seidenmalerei. In Krankheitszeiten hilft ihr diese Art der aktivierenden Therapie zu entdecken, dass sie kreativ sein kann und Fähigkeiten hat, die sie bislang nicht an sich entdeckt hatte, und es tut ihr gut, zu merken, dass sie etwas kann. Gleichzeitig ist sie im kreativen Prozess so auf ihre Sache konzentriert, dass sie von schweren Gedanken abgelenkt ist und andere Beeinträchtigungen in den Hintergrund treten. Sie ist dankbar, dass sie zu Zeiten, in denen sie sich verbal nicht gut mitteilen kann, die kreativen Medien der Ergotherapie als Ausdrucksmöglichkeit für Stimmungen und Gefühle zur Verfügung hat", berichtet Barbara Kroll von den Erfahrungen der Patientin.

Für die Therapeutinnen ist es immer wieder verblüffend festzustellen, wie sich oft gerade sehr kranke Menschen durch eine Tätigkeit beruhigen, wie sie ihre Aufmerksamkeit auf etwas Konkretes richten und damit etwas Abstand zur meist quälenden Symptomatik der Krankheit finden. Oder wie die Arbeit in der Ergotherapie auch genutzt werden kann, um zu erkennen, wie man im Leben mit Situationen oder Anforderungen umgeht, ob man sich zum Beispiel leicht überfordert oder ob man sich generell wenig zutraut oder Angst vor neuen Herausforderungen hat. Hier bietet die Ergotherapie einen geschützten Rahmen, um neue Verhaltensweisen auszutesten.


Lesen Sie morgen:

Kunst wäscht den

Staub aus der Seele

Weitere Serienfolgen finden sie im Internet unter www.wiesbadener-tagblatt.de/region/serien/therapien
Antworten