Dead Stop

paradiddler
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Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Eben ins Tagebuch geschrieben:

"Ich bin ein Eisblock, alles prallt an mir ab und ich spüre nichts mehr. Alle Leidenschaft ist weg. Ich kann an nichts etwas finden, finde alles sinnlos und frage mich, wofür ich noch lebe. Ich lebe anscheinend nur noch, um mechanisch meine Ziele zu erreichen, aber was ist das für ein Leben? Vielleicht das echte Leben? Sieht so die Realität aus? Ist die Welt tatsächlich so trist und arm? War alles andere Illusion? Was ist mit all den Ideen und Träumen, die ich mal hatte? War das alles falsch? Soll das jetzt so weiter gehen? Fühle ich mich deshalb so verlassen und einsam, weil ich jegliche Leidenschaft aus meinem Leben verbannt habe, um eine illusorische Idee von Sicherheit, Rationalität, vor allem auch Liebe und Familie zu finden, die es nie geben wird? Ich habe mich isoliert, ich habe Gefühle unterdrückt, weil ich sie als gefährlich und träumerisch eingestuft habe, doch was bleibt jetzt noch? Wofür lebe ich? Ich hatte mich richtig darüber gefreut, dass ich mich so in sie verschossen hatte, aber es war scheinbar doch wieder nur eine Illusion und ein Beweis dafür, dass ich eine grundlegend verquere Sicht der Welt habe und in ihr niemals klar kommen werde. Ich traue mir nicht mehr. Ich traue mich nicht, Energie und Arbeit in etwas zu stecken, weil ich befürchte, dass es wieder eine Illusion ist. Wozu noch anstrengen? Ist doch wahrscheinlich alles der falsche Weg und das Falsche zu tun. Ich renne und renne, ich schwanke, ich treibe, ich verliere mich und alles bleibt wie es ist. Ich bin fertig."


Toll. Schön ist es auf der Welt zu sein. Mache ja erst seit drei Jahren Therapie.


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Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Adson
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Re: Dead Stop

Beitrag von Adson »

Hallo Stefan, Dein Beitrag spiegelt unheimlich Deine Verfassung wieder und das macht mir Angst und Sorge. Meine ganz große Bitte an Dich: rede so schnell wie möglich mit Deinem Arzt oder gehe zum Notdienst.

Was Annika betrifft, dazu kann ich nichts sagen, außer vielleicht: Dich hat es schlimm mit dem Virus Liebe erwischt. Und das man da Hemmungen, Sorgen hat, das ist völlig normal.

Das Gefühl, nichts mehr zu empfinden, das vergeht wieder. Es ist ein Schutzmechanismus unserer Seele, die bei Überbelastung einfach sagt: nun reicht es, jetzt lasse ich hier mal keine Empfindungen mehr zu. Diese Phase habe ich selbst einige Zeit durchgemacht, weder Freude noch Trauer konnten mich erreichen. Man fühlt sich paralysiert, doch, wie schon geschrieben, ein ganz normaler Schutzmechanismus.

"Ich hatte mich richtig darüber gefreut, dass ich mich so in Annika verschossen hatte, aber es war scheinbar doch wieder nur eine Illusion und ein Beweis dafür, dass ich eine grundlegend verquere Sicht der Welt habe und in ihr niemals klar kommen werde."

Ob es eine Illusion war, weiß man erst hinterher, sprich, wenn man es probiert hat. Ich weiß nicht, was bei Euch passiert ist, wie Annika dazusteht. Darum kann ich dazu auch nichts sagen. Nur eines vielleicht: Gefühle für einen Menschen zu verdrängen, nicht zuzulassen, kann auch krank machen. Lieber Gefühle dem Menschen, den man mag/liebt zeigen und sich offenbaren. Ist zumindest meine Erfahrung nach vier Jahren Verdrängung und vier Monaten Beziehung mit der Frau, die ich vier Jahre verdrängt hatte.

Das andere: ich finde es sehr schade, daß Deine Webseite nicht aktiv ist. Ich arbeite seit 2003, kurz nach der Trennung begonnen, an meiner und es hat mir geholfen, vieles zu verstehen und zu mir zu erkennen. Mal abgesehen davon, daß man sich dabei viele Ziele steckt und diese dann acuh versuchen muß, zu erfüllen. Kann aber auch mal Rückschläge geben. Also, packe es an.

Grüße, Jörg,

P.S. Kannst ggf. auch gern anrufen oder über den Messenger mcih ansprechen.
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paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Joerg,

Danke für deine Antwort.
Es ist alles nicht so einfach, auch mit der Frau, in die ich verliebt bin. Ich möchte sie nicht mehr mit dem Namen nennen, weil ich nicht ohne ihr Wissen ihren Namen tausendmal in dieses Forum schreiben möchte. Ich fühle mich nicht gut dabei. Einfach so. Der Eintrag war halt direkt aus meinem Tagebuch, und da schreibe ich halt meine Gedanken rein, inklusive Namen.

Tja, dass die Gefühllosigkeit auch ein Schutzmechanismus sein kann, ist mir noch nie in den Sinn gekommen. Für mich ist diese innere Kälte einfach ein Teil der Depression. Ich habe mit der Zeit verlernt, zu erkennen, was mein Körper und mein Verstand mir sagt. Das meinte ich auch mit "Ich vertraue mir nicht mehr.". Ich kann dir nicht sagen, was ich im Leben erreichen will. Ich habe keine Ziele mehr, weil ich an allen Zielen, die ich mir gestellt habe, gescheitert bin. Nein, ich bin nicht mal gescheitert, nur habe ich zum Beispiel mein erstes Studium abgebrochen, und ich denke immer noch darüber nach, warum ich das getan habe. Ich habe keinen Kontakt zu meinem Inneren. Ich bin so oft vor (meine inneren) Wände gelaufen, dass ich momentan nur funktioniere, wenn ich mir einen systematischen Plan von allem mache. Nur denke ich eben im Moment an die Zeit zurück, als ich noch Träume hatte. Ich denke dann: Warum hatte ich damals diese Ideen, Träume? Wahren das nicht alles Illusionen, oder will mir die Depression sagen, dass sie das waren? Was sind meine Interessen, Ziele, was will ich noch? Wenn mich jetzt jemand fragen würde, was ich im Leben will, dann könnte ich es nicht sagen. Ich weiß nichts mehr. Ich bin so leer. Und ich war vielleicht schon immer so. Meine erste Freundin hat wegen meinen Stimmungen mit mir Schluss gemacht, und in irgendeiner Weise versuche ich noch heute, ihr etwas zu beweisen, obwohl ich nicht wirklich sie meine. Ich will nicht zu ihr zurück, oder so. Aber ich habe es mir nie verziehen, dass meine Depression (die damals noch völlig unbehandelt war) alles kaputt gemacht hat. Zur selben Zeit habe ich damals mein Studium abgebrochen und ein neues begonnen, worauf ich dieselben Probleme bekam, endgültig zusammen gebrochen bin und 3 Monate in einer Tagesklinik war. Jetzt bin ich in einer anderen Stadt, beende mein Studium aber fühle mich genauso schrecklich wie immer. Vielleicht ist der Fortschritt, dass ich alleine aus Trotz diesmal nicht abbrechen werde. Lieber nehme ich alle Antidepressiva der Welt, als dass ich hinschmeiße.
Huch, da klinge ich ja richtig kämpferisch, plötzlich! Danke! Ich werde jetzt schlafen gehen.

Stefan


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Data

Re: Dead Stop

Beitrag von Data »

Wenn (hier?) nicht 80% der Männer depressiv sind, weil sie keine Frau haben, fress ich 'ne ganze Kehrmaschine, und zwar so eine dicke wie unten auf dem Foto, auch wenn ich davon brutalstens zunehme!

Grüße, Data

Übrigens, neue Männer braucht der Chat.
Adson
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Re: Dead Stop

Beitrag von Adson »

Data, wohl bekommts.

Stefan, guten Morgen. Wenn Du alles, was Du versucht hast, bisher gescheitert ist, dann waren es vielleicht nicht die richtigen Ziele? Die Ziele hast Du Dir vielleicht nicht selbst gestellt, sondern sie ergaben sich oder wurden aufgesetzt?

Das könnte für Dich vielleicht ein Ansatz sein, Deine "Lebensplanung" auf eine neue Basis zu setzen.

Bei uns im Geschäft erfolgt derzeit ein massiver Stellenabbau und Outsourcing. Alle MitarbeiterInnen, die davon betroffen sind, erhalten ein sog. Jobcoatching. D.h. werden in Orientierungsgesprächen durch geschulte Leute, die nicht von der Bank sind, betreut. Dabei wird ermittelt, wo Stärken und Schwächen des Mitarbeiters (meine auch Mitarbeiterinnen) liegen und es wird versucht, für den oder diejenige den richtigen weiteren beruflichen Weg zu finden, bishin zur beruflichen Neuorientierung.

Schau mal, ob Dir soetwas weiterhelfen würde. Dabei müßte auch analysiert werden, was Du bisher gemacht hast, wie es dazu kam und wo die Ursachen für den Abbruch lagen.

Depressionen und Beziehungen. Ein ganz schweres Kapitel. Da kann ich kaum mitreden, denn ich blicke auf lediglich eine Beziehung von vier Monaten zurück, trotz meiner mittlerweile 38 Jahre.

Nur eines habe ich mittlerweile gelernt, das Umfeld kann ein gewaltiges Problem sein. Nämlich dann, wenn es falsch reagiert und aus "psychologischen Ungeschick", in dem Glauben, zu helfen, wird vieles schwerer gemacht. Andererseits: bei wahrer tiefer Liebe hält eine Beziehung auch Depressionen stand.

Data, ganz unrecht hast Du nicht. Aber ich glaube eher, daß die Ursachen für Depressionen bei Männern in dem Konflikt zwischen der Männerrolle, wie sie gesellschaftlich definiert ist und dem persönlichen Empfinden und dem Konflikt, diese Rolle nicht spielen zu können, unter vielen anderen Gründen für sie begründet liegen. Aber das ist ein ganz anderes Thema, vielleicht wäre das sogar einen separaten Thread wert.

Wollen wir den aufmachen?

Grüße, Jörg
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paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Data,

ich weiß jetzt zwar nicht wie das gemeint war, aber ich bin doch nicht wegen der Frau depressiv!!! Ich rede doch nicht von pubertärem Liebeskummer. Oh man, ich setze nie wieder einen Tagebucheintrag hier rein.

Stefan


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Adson
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Re: Dead Stop

Beitrag von Adson »

Hallo Stefan, nein, mache weiter, hier über das zu sprechen, was Dich bewegt. Denn dafür sind wir doch hier? Oder?
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paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Joerg,

tja, genau darum dreht sich ja meine Gedankenschraube seit Jahren: Bin ich hier richtig und muss mich einfach zusammenreißen, oder ist das, was ich tue, das Falsche, und ich fühle mich deshalb so scheiße. Meine Studiengeschichte lässt leider nur den Schluss zu, dass ich mich immer scheiße fühle, egal was ich tue. In der Schule war ich irgendwie auch so, aber nach dem Abitur musste ich mich halt zum ersten Mal für einen eigenen Weg entscheiden, und den habe ich nicht gefunden. Zumindest rede ich mir das ein. Oder ist es wirklich so? Womit wir wieder beim Thema wären: Ist die ganze traurige Vergangenheit wirklich so traurig gewesen, oder will die Depression mir das einreden, und in Wirklichkeit ist alles ok? Wo ist der Schalter, der aus trüben Erinnerungen schöne macht?

Stefan,


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maggy
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Re: Dead Stop

Beitrag von maggy »

Hallo Stefan,

Dein "Motto" unter Deinen Postings ist mir schon mehrfach aufgefallen:

>Ohne ein Ziel ist kein Weg der Richtige.<

Und jetzt lese ich in Deinen Postings von Wegen, Zielen und Träumen und Du fragst Dich, ob alles falsch war und sich deshalb die Depression in Dir ausbreiten konnte (frei wiedergegeben, da ich wenn ich hier schreibe Deine Postings nicht mehr sehe).

Wenn sich dieser Glaubenssatz (Ohne ein Ziel ist kein Weg der Richtige.) so sehr in Dir verankert hat, wirst Du erst gar keinen Weg mehr gehen können (meine Erfahrung). Ich (meine Depression begleitet mich seit 25 Jahren) konnte zum Beispiel erst wieder einen für mich gangbaren Weg sehen, als mir bewußt wurde, dass mir ein Ziel immer im Weg stehen wird. Seit der Zeit lebe ich ohne Ziel, einfach um des Lebens Willen und das ist sehr spannend. Ich hatte dann auch die Möglichkeit aus meinen Träumen zu erwachen und sie zu verwirklichen. Erstmal habe ich aussortiert; denn viele wollte ich gar nicht leben, ich hatte sie mir "aufdrücken" lassen und als ich mich davon befreit hatte fiel eine Last von mir ab, ohne die alle Wege viel einfacher zu gehen waren .

Alles Liebe
und ein Wunder-bares Wochenende
schickt Dir

Maggy


@Data - da bin ich ja froh, dass Du Dich für die Kehrmaschine mit Pflanzenöl entschieden hast, alles andere wäre sicher schwer verdaulich und würde Dich schädigen .
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Maggy,

wie kann ich denn ohne ein Ziel leben? Warum sollte ich dann morgens aufstehen? Ich verstehe das nicht. Tut man im Leben nicht alles, um etwas zu erreichen? Sonst hat das eigene Leben doch keinen Sinn und vergeht einfach wie im Schlaf. Soll ich etwa nur leben und arbeiten, um mich am Wochenende auf die Couch (ich meine die im Wohnzimmer, nicht die beim Therapeuten...!) zu hauen? Sollte nicht das Leben eines jeden einer bestimmten Idee folgen? Oder habe ich zu hohe Ansprüche an das Leben? Aber wenn das alles ist, wenn das der Sinn des Lebens ist, dann will ich nicht mehr leben. Es scheint so lächerlich unwichtig. Wozu die Mühe, wenn man am Ende einfach umfällt und tot ist? Wofür lebt man?

Aber vielleicht ist das mein Problem: Ich glaube, dass ich erst etwas bestimmtes erreichen muss, um meine "Daseinsberechtigung" zu erhalten, um die Erlaubnis zu bekommen, mich gut fühlen zu dürfen. Habe ich vielleicht das Gefühl, dass ich Schuld in mir trage, dass ich etwas wieder gut machen muss, dass ich mich beweisen muss? Warum?

Stefan


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Lissi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Lissi »

Hallo Stefan,

„Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“ heißt es doch so schön. Du kennst dein Problem: Du setzt dich selbst unter Druck, meinst, etwas erreichen zu MÜSSEN, damit du dich gut fühlen DARFST. Oh ja, ich kenn das, fall ja selbst immer wieder gern in dieses Denkmuster zurück. Was Maggy sagen wollte, ist wahrscheinlich: Um dich gut fühlen zu DÜRFEN, bedarf es eben KEIN Ziel! Einfach nur da sein, zu leben, das ist schon Grund genug, um sich wohl fühlen zu dürfen.

Ist schon klar, dass jeder sein eigenes Ziel im Leben hat und es zu erreichen versucht. Aber das Leben ist nicht statisch, ist ständig in Bewegung. Überzeugungen von gestern mit den Erfahrungen von heute lassen uns schwanken in der weiteren Verfolgung unseres ursprünglichen Zieles. Wenn wir aufgrund neuer Erfahrungen und Einsichten erkennen, dass das bisherige Ziel für uns nicht mehr so erstrebenswert ist, dann sollten wir unseren bisherigen Weg nicht als Fehler betrachten, sondern nur als weitere Lebenserfahrung abspeichern (bestenfalls: ohne Wertung!)

Wir Depris gehen doch mit uns selbst immer sehr hart ins Gericht. Deshalb fallen wir auch immer wieder in die Schiene: Ich trage Schuld in mir. Ich muss was gutmachen. Du fragst ja selbst: Warum?

Wenn wir das Gewesene endlich als das betrachten, was es eigentlich ist, nämlich gemachte Erfahrung, und es ohne negative Wertung in Erinnerung behalten, dann haben wir die Chance, daraus zu lernen. Soweit zumindest ist meine Theorie. An der Umsetzung arbeite ich ja selbst noch, zugegebenermaßen.

Definiere dich nicht nur über irgendwelche Lebensziele, die du später eh durch neue Ziele ersetzen wirst. Lerne die Macht der kleinen Schritte kennen, und fang morgens mit dem ersten Schritt an.

Du fragst: „Warum sollte ich dann morgens aufstehen?“ Ich sage dir, warum: „Weil du Pippi musst... weil du Hunger und Durst hast... weil du ...“ Ach, jetzt fallen dir vielleicht selbst noch weitere Gründe ein. Kleine Schritte sind wichtig. Wenn du viele kleine Schritte gemacht hast und nach einer längeren Zeit zurückblickst, dann erkennst du, dass du schon ‚ne ganz schöne Strecke geschafft hast. Und darauf kannst du stolz sein.

Denn nicht jeder Schritt fällt leicht, mancher kostet Überwindung. Und dann gibt es auch wieder mal Strecken, da läuft man, weil man für einen Moment den Ballast nicht spürt oder sogar geschafft hat, etwas zurückzulassen.

Wie gesagt, ich stelle mir das Leben so in etwa vor. Ich denke mir, dass Menschen, die einen klaren Weg und ein klares Ziel vor Augen haben, sich gar nicht erst mit Depressionen befassen, weil sie sich nicht ablenken lassen. Erst, wenn ihnen Steine in den Weg gelegt werden und ihnen die Kraft fehlt, diese Steine zu umgehen, überspringen oder zur Seite zu legen, erst dann können auch diese starken Menschen depressiv werden. Na ja, diese Vorstellung kam mir gerade beim Schreiben. Weiß nicht, ob andere auch so denken.

Auf jeden Fall wünsche ich allen ein schönes Wochenende
Lissi




searcher
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Re: Dead Stop

Beitrag von searcher »

Hi Stefan, Maggy, Lissy

fängt man an über den Sinn des Lebens nachzudenken kann man gleich aufgeben. Ich glaube, das uns von klein auf beigebracht wurde das wir ohne etwas zu tun, etwas Sinnvolles..., nichts wert sind. Deshalb auch unser ständiger Drang nach Zielen. Ich kann nicht mal spazierengehen ohne Ziel...

Die Krankheit hat mich um meinen Job gebracht, nun frage ich mich immer öfter nach dem Sinn des Lebens. Wenn Du Maggy sagst das Du es geschafft hast "einfach zu leben" dann beneide ich Dich darum. Ich kann diesen Druck der all unser Tun bestimmt nicht aushalten. Er presst mich so das ich täglich Angst-und Panikattacken habe und es so immer schwerer erscheint ... einfach zu leben um des Lebens willen. Die Frage bleibt mir: Was ist das Ziel, was ist der Sinn?

Basic Searcher
Schnarchi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Schnarchi »

Moin Data

Jo, ...fast ...Man(n) könnt' auch gut ohne Frauen denk' ich. Wennnnnn da nicht dieses dösige N.O.R.D.-Syndrom wär'. ...Dieser elendige nichtonanierbare Restdruck . Man könnt's auch die Suche nach Liebe nennen.
Dummerweise lässt die sich nicht suchen. Die kommt halt meisst erst dann, wenn man am wenigsten daran denkt....wie'n Autounfall oder der Gerichtsvollzieher

Naja, ...warten wir's halt ab.


Grenzwertige Wochenendgrüsse an alle alleinsamen
Clown
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Re: Dead Stop

Beitrag von Clown »

Danke, Michael,
du erweiterst mein Verständnis
von Männern ungemein, siehe auch DFDSMLK (die-Frau-die-sich-mich-leisten-kann)

Grüße von Clown (die sich gerade erst ein neues Rad gekauft hat... Ebbe....)
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Schnarchi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Schnarchi »

Hey Clown,

och, nüx zu danken . Aber....sach bloss, das wussteste noch nicht von unsereiner ? ...Und ich dachte immer, die Frau'n könn' das Wort midde 6 Buchstaben auf unserer Stirn lesen
Also, ich sach mal so, ...alles was Du jemals über Männer gedacht haben magst, ...es ist falsch, ...denn es ist alles noch viiiiiel schlimmer

Hab' 'nen schönen Tag und ganz viel Spass mit Deinem neuen Rosthirsch.

Schüsi
Lissi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Lissi »

Hallo Basic Searcher,

es stimmt schon: Die Veranlagung, die Erziehung und der Umgang mit anderen Leuten haben unser Verhalten geprägt. Aber wenn wir das Schema einmal erkannt haben, dann müssen wir irgendwann entscheiden, ob wir weiter so bleiben wollen wie wir sind, oder ob wir etwas ändern wollen. Dass es vom Realisieren der unglücklichen Situation hin zur tatsächlichen Umsetzung oft eine ganze Zeit (manchmal Jahre) dauert und dabei Einiges auf der Strecke bleibt, will ich gar nicht absprechen. Ich selbst hab mich ja durch anerzogenes und antrainiertes Verhalten dazu bringen lassen, dass ich mit psychosomatischen Symptomen reagiere, sobald ich nur an meinen jetzigen Arbeitsplatz denke. Dieses Phänomen ist mir auch erst nach 1 ½ Jahren mit diesem Job bewusst geworden und hat mich heftig umgeworfen. Ich hab dann erst mal nur erkannt, dass ich DAS nicht mehr will. Da ich seit einem Jahr immer noch auf der Suche nach einer neuen Stelle bin, kommen noch Frust und Selbstzweifel hinzu, wenn wieder mal ein großer brauner Umschlag im Briefkasten liegt.

Ärgerst du dich, weil dein ganzes Leben nach Plan läuft? Machst du tatsächlich alles nur nach Schema F? Jeden Tag die gleichen Handgriffe in der gleichen Reihenfolge? Eine gewisse Routine gibt uns Sicherheit, kann aber auch einengen. Angst lähmt uns und macht uns bewegungs- und entscheidungsunfähig. Aber Angst ist nicht immer da. Wenn du mal einen mutigeren Moment hast, dann probiere doch mal aus, etwas anders zu machen als du es üblicherweise tust:

Dusche mal mit ‚Augen zu’ (im Notfall kannst du sie ja schnell wieder öffnen.).

Ziehe erst den Pulli und dann die Hose an (oder umgekehrt, jedenfalls andersherum als üblich). Guck überhaupt mal in den Schrank und zieh mal Sachen/Farben an, die du ewig nicht mehr getragen hast.

Ich weiß nicht, ob’s klappt, dass es dir besser geht, aber ... es ist doch’n Versuch wert, oder? Das Ganze hat auch ein Ziel, nämlich herauszufinden, ob es dir gut tut. Und doch ist das ganz einfach LEBEN PUR.


Deine Schlussfrage: „Was ist das Ziel, was ist der Sinn?“ kannst du dir nur allein beantworten, weil nämlich jeder ein anderes Ziel, einen anderen Sinn im Leben sieht. Das kann sogar schwanken zwischen Frühstück und Mittagessen. Steck dir deine Ziele nicht so hoch, dann hast du auch eine Chance, sie leichter zu erreichen.

An alle Männer hier in diesem Forum:
Ich weiß gar nicht, wieso ihr Probleme mit Frauen habt. Macht es doch einfach wie ein lieber Bekannter, der behauptet, zu Hause immer das letzte Wort zu haben. Er sagt nämlich immer: „Ja Schatz, mach ich sofort!“ (Sorry, kleiner Scherz am Rande – ließ sich nicht mehr zurück halten)

Ein schönes Wochenende mit kleinen neuen – nur positiven - Erfahrungen wünscht allen
herzlichst
Lissi




Data

Re: Dead Stop

Beitrag von Data »

Hallo Stefan,

sorry, ich wollte mich nicht über dich lustig machen, ganz und gar nicht, das hast du falsch verstanden. Ganz im Gegenteil.

Aber kannst du mir mal erklären, warum Liebeskummer pubertär sein soll? Glaubst du vielleicht, das hört auf, wenn man älter wird? Hört es nicht, das kann ich dir versichern. Nur kann man es manchmal(!) besser steuern, hängt sich nicht mehr so rein, erkennt schneller die Sinnlosigkeit, der Verstand redet ein Wörtchen mit, man weiß, es gibt noch andere, die es wert sind, sich ihretwegen die Augen auszuweinen. Aber auch nicht immer, wie mir scheint. *g*

Ich habe das Gefühl, dir ist es peinlich, diesen Kummer und deine Bedürftigkeit nach der Liebe einer Frau zuzugeben. Ja, welcher Mann hat schon pubertären Liebeskummer. Depression klingt da viel ernster und erwachsener. Wobei ich nicht Liebeskummer mit Depression gleichsetzen möchte. Aber lang anhaltender Liebeskummer und/oder dauerhaft unerfüllte Sehnsucht nach der Liebe eines Partners (die Liebe der Eltern wird man wohl eh kaum mehr erlangen, wenn man sie bisher nicht bekommen hat) können einen Menschen (und besonders Männer, wie mir scheint) in die Depression treiben bzw. selbige hervorrufen. Und das stört mich hier an diesem Forum, dass dieses Thema immer ausgeblendet, verharmlost oder gar ins lächerliche gezogen und verspottet wird. "Hier ist doch kein Partnersuchforum!" Ja, ja. Ist ja aber auch kein Wunder, sind hier doch Frauen in der Überzahl, die aufgrund ihrer schlechten, häufig traumatischen Erfahrungen mit Männern von selbigen die Schnauze voll haben, oft auch noch mittendrin stecken in Beziehungen, die sie krank machen, aber nicht herauskommen. Außerdem sind Frauen sowieso noch viel weniger direkt als Männer (Ausnahmen bestätigen die Regel) und würden es u. a. auch deshalb kaum unumwunden zugeben, dass sie sich nach der Liebe eines Mannes sehnen, denn Bedürftigkeit macht verletzlich (außerdem hat man sofort mindestens zehn sabbernde Typen am Hals, nicht wahr *g*). Dummerweise kommen Frauen ohne Männer meist auch viel besser klar als Männer ohne Frauen. Oder? *g* (Ich höre schon aus vielen Kehlen die zustimmende Frage "Ja, woran liegt das wohl!" Es liegt an der Natur, an den Genen, glaub ich. Dumm gelaufen. )

Ja, Stefan, man braucht ein Ziel, einen Sinn im Leben. Wäre eine Familie oder zumindest eine liebevolle Partnerschaft so ein lohnendes Lebensziel für dich? (Nun sag bitte nicht nein, ich mag nämlich keine Kehrmaschine essen! ) Also, meine Beobachtungen lehren mich, es dreht sich fast ausschließlich darum im Leben (und um Geld und Macht, was aber oft wiederum benutzt wird, sich Liebe zu kaufen/zu erzwingen, dass das nicht funktioniert, merken viele erst zu spät, manchmal funktioniert es außerdem auch). Und Depressionen werden m. E. oft durch fehlende oder unglückliche Beziehungen hervorgerufen. Unter fehlenden Beziehungen leiden eher die Männer (aber auch Frauen), unter unglücklichen fast immer die Frauen, denn Männer sind schneller bereit und in der Lage, sich aus einer solchen zu befreien (zumindest innerlich), denn sie verdienen i. a. mehr Geld, haben nicht die Kinder 9 Monate im eigenen Bauch gehabt (und sind sich wohl manchmal auch gar nicht ganz sicher, ob sie sie überhaupt gezeugt haben), brauchen vor körperlicher Gewalt durch die Frau i. a. keine Angst zu haben usw. Oder die Frau wird unterdrückt, bis es für den Mann passt. Oder man sucht sich eine Geliebte. Und die "guten" Männer, die keine Schweine sind (Gibt's die überhaupt? *g*), die aus Pflichtbewusstsein oder anderen ehrenhaften Motiven in einer unglücklichen Beziehung ausharren, mithin die typische Frauenrolle übernehmen, was ist mit denen? Na klar, die kriegen halt auch Depressionen. Alles ganz einfach.

Nein, ganz so einfach ist es sicher nicht. Und Beziehungsprobleme und Beziehungslosigkeit haben natürlich auch wieder vielfältige Ursachen, die zu ergründen bestimmt oft nicht trivial ist, geschweige denn, sie wirkungsvoll zu bekämpfen. Aber das führt mir nun schon wieder zu weit, abgesehen davon hilft wohl zumindest das Ergründen auch nur selten, und manche Ursachen lassen sich auch nicht bekämpfen, gute Erfahrungen wären oftmals die einzig hilfreiche Medizin bzw. Therapie, glaube ich, aber natürlich kann die einem keiner verschreiben oder einfach so verschaffen...oder doch? Mein Anliegen war und ist, dass wir alle mehr Mut haben sollten zu sagen, wo es am meisten weh tut und was uns wirklich fehlt. Das Beziehungsthema scheint mir da immer wieder fast ein Tabu zu sein, obwohl es m. E. mit am wichtigsten ist bei der Betrachtung von Depressionen, zumindest eine zentrale Rolle einnimmt.

Viele Grüße, speziell an Maggy und Michi, direkt aus dem Führerhaus der Kehrmaschine.
(Hab grad schon mal ins Lenkrad gebissen, schmeckt voll scheiße! )

Data
paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hallo Lissi,

vielen Dank für die Antwort.
Ok, meine Vergangenheit ist nichts als gemachte Erfahrung, erst meine Bewertung macht aus ihr etwas Negatives. Aber man muss doch sein Tun und Handeln irgendwie bewerten und einordnen, um voran zu kommen, um Dinge besser machen zu können, oder? Ich bin ein hoffnungsloser Fall, ich weiß. Natürlich, das Leben ist nicht statisch, das Leben fließt und so weiter. Aber wenn ich mir keine Ziele setze und morgens nur aufstehe, weil ich Pipi muss, dann lebe ich doch nur, um mein "Evolutionsprogramm", d.h. Essen, Fortpflanzen, Sterben abzuarbeiten. Das soll Leben sein? Ist das alles? Ich will nicht nur ein weiterer Teil dieser Gesellschaft sein, der seine egoistische Sache durchzieht und die Welt genauso sinnlos hinterlässt, wie sie war. Oh man, jetzt klinge ich ein bisschen größenwahnsinnig, was? Ich meine ja nur, dass ich mich manchmal (vor meinem innerern Auge) sterben sehe, und dann denke ich: Was willst du in deinem letzten Augenblick denken? Auf was willst du zurück blicken? Ich habe Angst davor, mich einfach nur "ins Ziel" zu schleppen, und das war es.
Ich hoffe, du bist nicht von meiner Skepsis verschreckt.

Stefan


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paradiddler
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Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Data,

nein, ist schon in Ordnung! Ich bin nicht sauer oder so. Ich wollte nur betonen, dass diese Person nicht der Grund für meine Depression ist.
Ehrlich gesagt, ich habe in den letzten vier oder fünf Jahren tatsächlich geglaubt, dass Liebeskummer ab einem gewissen Alter nicht mehr vorkommt. Ich war in meine erste Freundin tierisch verknallt, und als das dann vorbei war (so vor vier, fünf Jahren; welch Zufall...), da habe ich alles verdammt, was mit echten Gefühlen zu tun hatte. So sehe ich das allerdings jetzt erst; damals war ich mir nicht darüber im klaren. Erst durch diese neue Verliebtheit (zum ersten Mal seit damals) wurde mir klar, dass Liebe keine Illusion ist, dass auch meine damaligen Gefühle kein Zeichen meiner Schwäche waren, sondern Gefühle. Gefühle, die ich mir in den letzten Jahren verboten hatte. Du glaubst gar nicht, wie gefühllos ich war und immer noch manchmal bin. Darum habe ich in dem Tagebuch auch geschrieben, dass ich froh war, dass ich so verschossen in sie war. Weil ich nämlich mal wieder so etwas wie Liebe gespürt habe, und dies meiner Welt eine gewisse Ordnung gegeben hat, die mich wieder ein Teil dieser Welt hat werden lassen. Ganz ohne Scheiß - ich habe gedacht, man, die ganzen Liebessongs im Radio machen ja doch irgendwie Sinn, es macht ja doch Sinn, dass man Lebensentscheidungen von Beziehungen abhängig macht. Sowas hatte ich in den letzten Jahren als Weichei-Verhalten abgespeichert. Stattdessen hatte ich eine anderthalbjährige Beziehung mit einer Frau, die ich kein Stück geliebt habe. Einfach, weil ich nicht alleine sein wollte. Ganz schön arm, was? Wenigstens hatte ich irgendwann den Mut, die Beziehung zu beenden, einfach, weil ich genau das gemerkt hatte.
Tja, bei mir geht es wohl auch um nicht erfüllte Liebe der Eltern; da, wie du schon gesagt hast, diese auch nie wieder erfüllt werden wird, muss ich wohl damit Leben, dass meine Liebesgefühle oft anders aussehen, als bei anderen Menschen, dass ich abhängiger bin, schwächer, dass ich beim Ende einer Beziehung verzweifelter bin, als andere. Deshalb auch diese Endzeitstimmung wegen dieser Frau (ich habe ja praktisch schon den Korb bekommen).
Thema Lebensziel Familie: Sicher, das ist auf jeden Fall ein Ziel, dass ich erreichen möchte. Unter anderem deshalb habe ich auch mein erstes Studium abgebrochen - zu unsicheres Berufsfeld. Und jetzt denke ich: Studium mit Leidenschaft weg, Frau weg, toll. War die Vorstellung von Sicherheit durch das neue Studium vielleicht nur Illusion?

So weit erstmal.
Stefan


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BeAk

Re: Dead Stop

Beitrag von BeAk »

Lieber Stefan,

wenn Du Dir Deine Ziele so hoch steckst, muß Du ja an Depressionen erkranken oder vollkommen durchdehen. Es kann auf dieser Welt nicht nur Olympiasieger, Friedensnovellpreisträger und Bauhausarchitekten geben. Als meine Tochter mich gefragt hat was sie studieren soll, gab ich ihr den Rat , das zu studieren, an dem sie Spaß hat, das ihr feude Macht. Denn wenn einem eine Tätigkeit Freude macht, wird man gut in seinem Arbeitsbreich, hat Erfolg und kommt so zu Ansehen.
Mein Sohn meine auf die Frage nach seine Zukunft, er wolle sehr viel Geld verdienen.
Auf meine Anwort, das das ja nun kein Berufsbild sein, sagte er, es wäre egal womit.
Nur mit "egal womit" kann man kein Geld verdienen. Ich gab ihm den selben Rat wie seiner Schwester, bin mir aber noch nicht sicher das es angekommen ist.
Vielleicht hast Du Stefan verstanden was ich meine. Man muß nichts großartiges schaffen um ein zufriedener Mensch zu sein.
Clown
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Re: Dead Stop

Beitrag von Clown »

Tja, Michael,

ich muss gestehen, in dieser Hinsicht bin ich Legasthenikerin... ... wie gut meine Geschlechtsgenossinnen lesen können, weiß ich nicht.

Und übrigens, noch mit meiner alten Rostlaube fahre ich demnächst den Weser-Radweg hoch, du steckst doch in der Ecke?
Wie wär's mit einer Stadtführung?

Grüße von Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Lissi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Lissi »

Lieber Stefan,

so leicht verschreckt mich nichts, es sei denn, ich werde bzw. fühle mich persönlich angegriffen. Das ist mein eigenes großes Problem.

Nee, du bist kein hoffnungsloser Fall, du steckst genau in der Unsicherheit, dass du deinen Gefühlen nicht (mehr) über den Weg traust, wie wir alle hier. Was ist so schlimm daran, sein Evolutionsprogramm abzuspulen? Sieh es nicht als Selbstverständlichkeit, denn es gibt ‚ne ganze Menge Menschen, denen das nicht möglich ist. Allein dafür sollte man schon dankbar sein.

Sorry, hab mich in meinem letzten Beitrag nicht richtig ausgedrückt: Bewerten soll man seine Vergangenheit schon, aber bitte nicht verurteilen. Klar, nur aus der Bewertung heraus können wir lernen, ob wir etwas gut oder nicht so gut gemacht haben. Nur bringt es uns nichts, wenn uns die Schul, die wir uns selbst geben, am normalen Weiterleben hindert.

Weißt du, eigentlich sind wir doch alle auf der Suche, aber auf der Suche wonach? Tja, das wissen wir nicht, und das macht die Suche auch so schwer. Wir wollen immer alles begreifen, was in unserem Leben passiert. Die einen glauben an Gott, die anderen nicht. Die einen glauben an das unabwendbare Schicksal, die anderen meinen, dass alles nur Zufall ist. Die einen suchen nur in der Esoterik nach Lösungen, die anderen nur in der Psychologie.

So und dann gibt es noch ganz ganz viele Leute, die hängen genau zwischen den Stühlen. Ich glaube nämlich, dass es nicht nur entweder – oder, nicht nur schwarz – weiß gibt. Die meisten Menschen befinden sich mit uns in der Grauzone und blicken neidisch auf die, die strikt ihrem (Nicht-)Glauben folgen. Dabei weiß kein Mensch, ob sie damit richtig oder doch völlig falsch oder nur ein bisschen daneben liegen. Beurteilen können wir unser Leben erst, wenn wir am Ende angekommen sind und dann ist es auch noch subjektiv. Wir maßen uns an, niemand kennt uns so gut wie wir uns selber. Aber mal ehrlich: Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, dass du dich manchmal selbst nicht kennst? Überrascht bist, weil du in einer banalen Situation überreagierst? ...

Du willst Großes erreichen im Leben. Dabei fängt das Große im Kleinen an: Wir alle wollen keine Kriege mehr. Aber wenn uns einer den letzten Parkplatz vor der Nase wegschnappt, dann kochen Aggressionen in uns hoch, die bei entsprechender Mentalität mehr als nur ein „So ein Idiot!“ brüllen lassen. Dabei muss das gar kein Idiot sein. Wären wir an seiner Stelle, würden wir uns über den letzten freien Parkplatz freuen, vielleicht noch nicht mal registrieren, dass da jemand anders uns am liebsten an die Gurgel springen würde.

Wenn ich in den Nachrichten Filmsequenzen aus Kriegsgebieten sehe, und den Hass, der aus Kinderaugen blickt, weil sie nie etwas anderes als Krieg erlebt haben und auch Granaten werfen wollen, damit die andere Seite endlich Ruhe gibt, macht mir das Angst. Selbst wenn diese Kinder die Kriege überstehen, werden sie in Alltagssituationen nur sehr schwer zurechtkommen ohne Hassgefühle, die ihnen das Überleben nur möglich gemacht haben. Aber so lange es Hass und Neid auf der Welt gibt, kann es keinen Frieden geben.

Ich weiß nicht mehr, wie der Film hieß, in dem ein kleiner Junge in der Schule die Theorie aufstellte: Wenn jeder in seinem Leben nur 3 Menschen etwas Gutes tun würde ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben, dann wäre Frieden auf der ganzen Welt. Hast du schon mal jemandem etwas Gutes getan, ohne über die Folgen nachzudenken? Es ist ein schönes Gefühl!

Ich bin davon überzeugt, wenn jeder Mensch nur einem Menschen in seinem Leben etwas Gutes tut, ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben, dann hat er schon was Großes geleistet. Dazu gehört dann die Einstellung, dass man als Gebender keine großen Worte drum macht, denn wenn man dafür eine Auszeichnung erwartet, dann hat man ja dadurch schon wieder einen Vorteil durch die Anerkennung von Anderen. Etwas wirklich Großes zu tun ist gar nicht so einfach.

Du bist nicht größenwahnsinnig, mein Lieber, du bist einfach nur ein ganz normaler Mensch mit Stärken und Schwächen.

Aber löse dich bitte von der Frage: „Wie würde ich in der oder der Situation (letzten Augenblick) denken?“ Diese Waswärewenn-Spiele kenne ich sehr gut, aber sie führen zu nichts. Weil sich das richtige Leben dann doch ganz anders abspielt und wir die Gedanken dann garantiert nicht mehr unter Kontrolle haben. Die Bilder und Gedanken in unseren letzten Augenblicken werden einfach da sein. Es werden schöne Bilder sein. Da bin ich ganz sicher! Ist natürlich 'ne Glaubenseinstellung. Also ich glaube gern an schöne beruhigende Dinge als an Dinge, die mir Angst machen.

So, das war das Wort zum Sonntag. Ich würde mich freuen zu erfahren, was du von meinen Ausführungen hältst.

Einen schönen Sonntag an alle
Lissi




paradiddler
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Registriert: 19. Sep 2003, 08:21

Re: Dead Stop

Beitrag von paradiddler »

Hi Lissi,

dein tolles Posting hat mich stark zum Grübeln gebracht...im positiven Sinne!
Du hast recht, viele Leute haben gar keine Möglichkeit, ein so gesichertes Leben zu führen wie du und ich. Ich vergesse wohl manchmal, das es im Leben schwierig und anstrengend genug ist, überhaupt über die Runden zu kommen. Andererseits möchte ich mich nicht am Leid anderer hoch ziehen. Aber du hast recht.

Da haben wir uns jetzt doppelt missverstanden, ich wollte nur sagen, dass meine Bewertung - so wie sie im Moment halt ist - aus meiner Vergangenheit etwas Negatives macht, ob ich das will oder nicht. Was ja das Problem ist.

Und ob ich mich manchmal selbst nicht kenne! Vielleicht hat das damit zu tun, dass man sich zu früh ein Bild von sich selbst macht, dass dann revidiert werden muss. Man ordnet sich ein, und merkt dann, dass man in diese Ordnung nicht hundertprozentig reinpasst, dass man sich verändert. Dieses Einordnen ist vielleicht diese Suche nach Sicherheit und Geborgenheit. Ich war gestern zum ersten Mal in meinem Leben bei einem Fußballspiel, nachdem ich sowas immer als total überflüssig abgewertet hatte. Und ich fand es ganz lustig; nicht, was ich jetzt jedes Wochenende brauche, aber zumindest war das mal was Neues. Wenn "mein" Verein gewonnen hätte, wäre es wohl noch schöner gewesen!

Das komische an der ganzen Sache ist, dass ich eigentlich in einigen wichtigen Dingen sehr klare Vorstellungen habe, dass ich diesen aber nicht folgen kann, weil ich mich dann wieder verunsichern lasse. Ich vertraue meinen Gefühlen und Erfahrungen nicht, sehe andere als wissender und besser und richte mein Leben nach denen aus. Manchmal denke ich, dass, wenn ich meinem Gefühl folgen würde, längst ein zufriedenes Leben führen würde. Doch ich scheine es nicht verkraften zu können, alleine meine Entscheidungen zu treffen, da mich das ja zwangsweise von einigen Leuten isolieren würde. Und Einsamkeit kann ich nicht gut leiden. Obwohl man dann unter all den Fremden noch viel einsamer ist. Warum habe ich kein Vertrauen, dass ich es mit meinen Ideen auch Wert bin, ein Leben zu führen, warum glaube ich, dass alle Menschen mich verlassen, wenn ich meinen eigenen Weg gehe. Warum setze ich "den eigenen Weg gehen" mit "verlassen werden" gleich?

Vielleicht deshalb auch diese überzogenen moralischen Ansprüche: Da ich mir eine persönliche Entwicklung verbiete, will ich halt "im Großen" etwas gut machen, will der Verbesserer der Welt sein. Hmmm. Grübelgrübel.

Stefan


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Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
maggy
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Re: Dead Stop

Beitrag von maggy »

Lieber Stefan,

ich habe nicht gesagt, dass mein Leben sinnlos ist. Ich (und das gilt vielleicht nur für mich ) erlebe es als sinnlos ein Ziel zu haben; denn bei einem Ziel - egal, ob im Sport oder so - , da will ich ja dann auch irgendwann ankommen und bin frustriert wenn ich das dann nicht schaffe.
Also..., ich liege nicht den ganzen Tag auf der Couch, sondern in mir entwickeln sich Visionen. Z.B hatte ich vor ca. 7 Jahren die Vision, dass irgendwann die großen Kriege nicht mehr auf den Schlachtfeldern ausgetragen werden. Wenn ich jetzt das Ziel hätte, dass ich alles dafür tun will, dass diese Vision sich verwirklicht, na ja... ich denke da würde dieses eine Leben nicht ausreichen. Aber die Vision war da und deshalb (da mir da schon bewusst war, dass ich, wenn sich etwas ändern soll, bei mir anfangen muß), setzte ich mich mit meinen Konflikten auseinander (die, die ich in mir und die, die ich mit Menschen in meinem Umfeld habe und wie ich damit umgehe), kam dadurch dann mit dem Thema Mediation in Verbindung und machte eine Ausbildung zur Mediatorin, die ich nach 3 Jahren abgeschlossen habe.

Zur Zeit lerne ich chinesisch, da ich merkte, dass sich mir Bilder viel besser einprägen als Schriftzeichen. Na ja, das war so eine Idee und wenn ich merke, dass mir das doch nicht so zusagt, dann habe ich sicher wieder eine andere Vision .

Du fragst:
>Habe ich vielleicht das Gefühl, dass ich Schuld in mir trage, dass ich etwas wieder gut machen muss, dass ich mich beweisen muss? Warum?<

Ich habe Dir einen Abschnitt aus dem Buch:
"Hass in der Seele - Verstehen, was uns böse macht" von Arno Gruen und Doris Weber abgetippt (Doris Weber interviewt Arno Gruen, deshalb als Frage und Antwort geschrieben). Bisschen lang geworden, aber kannst Du (wenn Du es überhaupt lesen möchtest), ja ausdrucken und auf der Couch lesen .

Alles Liebe
von
Maggy

Warum wahre Liebe unerträglich ist – Der vergebliche Wunsch nach Nähe und Wärme

Sie haben gesagt: Die Menschen suchen immer „draußen“ das Glück, die Liebe, die Wärme, sie suchen draußen, was sie in sich selbst weggeschlossen haben. Ist diese Sehnsucht des Menschen, dass endlich mal jemand kommen möge, der uns wirklich liebt, der uns erlöst von dieser rastlosen Suche, der das wieder gut macht, was die Eltern uns schmerzlich vermissen ließen? Das Ergebnis dieser Suche ist doch, dass dieser ersehnte Mensch nie kommt.

Nein, der kommt nie, weil wir ja auf zwei Dinge fixiert sind. Punkt eins: Wenn wir ganz früh zum Opfer gemacht wurden, weil die Eltern uns in unserem Sein nicht entgegenkamen, bleiben wir gefangen in einem Schuldgefühl. Es geht ja um unser Überleben. Deshalb können wir gar nicht glauben, dass die Eltern uns nicht lieben, dass sie nicht fähig dazu sind. Wenn wir das als Säuglinge erkannt hätten, dann wären wir in eine tiefe Depression versunken und gestorben. Also deuten wir das Geschehen um, um am Leben zu bleiben, nehmen also die „Schuld“ auf unsere Schultern, wir deuten die Situation gegen uns selbst um, so dass wir fühlen, dass die Kälte der Eltern aus unserem Versagen emporsteigt. Wir sind schlecht. Paradoxerweise rettet diese Schuld aus einer für ein Kleinkind unmöglichen Situation, nämlich aus der Situation, nicht geliebt zu werden. Wir überleben, indem wir uns die Schuld anlasten, indem wir glauben, wir haben etwas nicht richtig gemacht. Das ist ein Aspekt von Schuld, der uns dann das ganze Leben plagt. Denn indem wir uns schuldig fühlen, können wir überleben, und indem wir glauben: Wenn wir daran schuld sind, wie wir behandelt werden, dann werden wir eines Tages den Schlüssel finden, um uns ändern zu können. Und dieses Schuldgefühl verstärkt ja zugleich unser Gefühl, dass die Eltern, so wie sie sind, absolut okay sind. Dass die Eltern es in sich haben, was wir bei ihnen suchen, nur dass wir den Schlüssel noch nicht gefunden haben, um den gesuchten Schatz in den Eltern zu bergen. Aber wenn wir den Schlüssel haben, dann können wir den Schatz bergen, und die Eltern werden endlich ihre Liebe zu uns ausdrücken.


Der Schlüssel heißt: Wenn ich nun endlich „richtig“ bin, wenn ich nicht immer alles „falsch“ mache, dann werden sie mich lieben, und ich bekomme, was ich so sehr vermisse?

Ja, genau. Wir fühlen zwar die Kälte, die wir wirklich erlebten, aber wir glauben, dass diese Menschen die Liebe und Wärme, die wir so sehr benötigen in sich haben, nur haben wir es noch nicht „richtig“ gemacht. Und so kommt es, dass wir im späteren Leben weiter nach kalten Menschen jagen in dem Glauben, dass sie die Liebe haben.
Und jetzt Punkt zwei: Da wir in diesem Vorgang schon ganz früh die Schuld auf uns genommen haben, bedeutet dies auch, dass wir im Grunde „schlecht, böse, wertlos“ sind. Wir übernehmen dadurch das Werturteil von Eltern, die uns so sehen. Wir sind, wie gesagt, nicht liebenswert. Indem wir aber die Liebe als Erwachsene da suchen, wo sie nicht ist, bei kalten Männern und kalten Frauen, stellen wir uns auch nie der Möglichkeit, wirkliche Liebe anzunehmen. Denn dafür haben wir gar nicht die Fähigkeit, wenn wir uns tief in unserem Sein als wertlos erleben. Der beweis für diese tragische Entwicklung ist, dass solche Menschen, wenn man ihnen mit Entgegenkommen und Liebe begegnet, dies abwehren. Immer wieder fühlen sie dann, dass der andere nichts wert ist (denn sonst würden sie einen doch nicht lieben und schützen), oder sie meinen, der andere wolle etwas von ihnen, wenn er sagt, er findet einen gut, dann sagt er es nur, um etwas zu erpressen. Also vermeiden wir die Menschen, die uns wirklich lieben könnten und bleiben dauernd auf der Jagd: Männer nach kalten Frauen, Frauen nach kalten Männern.


Und wenn diese kalten Männer oder kalten Frauen die Botschaft unserer Eltern wiederholen, die Botschaft: Du bist nicht liebenswert – dann kann es doch gefährlich werden? Es kann Menschen immer tiefer in den Selbsthass treiben, weil sie andauernd Kälte und Ablehnung erleben. Was passiert dann?

Es bedeutet, dass man nichts aus dem Leben schöpfen kann. Es fixiert das Verhalten, manchmal für immer, da man nichts Neues lernen kann.

Hat es auch mit dem Wunsch nach Erlösung zu tun? Wenn ich glaube, ich kann diesen kalten Mann oder diese kalte Frau für mich erwärmen, wenn mir das gelingt, bin ich auch meinen Eltern gegenüber nicht mehr schuldig?

Vielleicht, aber das Grundsätzliche ist, dass man sich nie berühren lässt. Wir erkennen ja nicht, dass wir dauernd auf der Jagd sind. Erkennen wir plötzlich, dass unsere Partner oder Partnerinnen uns nichts gegeben haben, dann suchen wir andere. Männer suchen dann eine andere Frau, die genauso kalt ist, und betreiben wieder einen schrecklichen Aufwand um geliebt zu werden, und Frauen machen es genauso. Es gibt viele, viele Geschichten von all diesen Frauen und Männern, die sich fast umbringen, um von Menschen, die so unmöglich zu ihnen sind, geliebt zu werden. Und nun kommt es: Das Interessante ist, wenn ein Mann oder eine Frau dann wirklich einen Menschen findet, der ihnen endlich das gibt, was sie so sehnsüchtig gesucht haben, also Liebe und Wärme, dann sagen sie, diese Männer und Frauen sind uninteressant, sie sind langweilig, und sie verlassen sie. Das ist ja das Schreckliche, das in diesen Prozess von Selbstverrat und Selbsthass mit eingebaut ist. Sie fühlen sich ja gar nicht wertvoll genug um geliebt zu werden. Wenn Liebe ihnen dann entgegenkommt, können sie es nicht ertragen, deswegen wird der Mann langweilig, die Frau uninteressant. Im Grunde bleibt man aber unberührbar. Die politischen Konsequenzen sind ebenfalls enorm. Wir laufen Führern nach, die kalt und verachtend sind. Hitler war ein äußerst kalter Mensch, der Sohn von Martin Bormann (Martin Bormann war Hitlers Reichsleiter) beschreibt diese Kälte, die er ausstrahlte, aber von ihm fühlte ein Volk, von sich wertlos fühlenden Menschen, sich geliebt.


Es langweilt die Menschen, nicht mehr auf der Jagd zu sein? Ist es ein Reiz, ein Thrill, kalte Frauen und Männer erobern zu wollen. ein bisschen Größenwahn auch, nach dem Motto: Ich schaffe es schon, den Eisberg zum Schmelzen zu bringen?

Es ist die Jagd nach etwas Fiktivem, wodurch das, was man wirklich sucht, nämlich Liebe, vermieden wird.


In unserer Gesellschaft wird vor allem jungen Menschen immer gesagt: Du wirst schon noch die Richtige/den Richtigen finden. Warte ab, eines Tages passiert es, es ist alles Zufall, alles Schicksal. Oder man sagt: Du lieber Gott, er/sie hat so viel Pech, er/sie findet den/die Richtige nicht. Aber es ist doch nicht der Zufall oder das Schicksal, es ist doch „der Fremde in uns“, der uns immer wieder hinter den Falschen herlaufen lässt? Was kann einen Menschen von dieser Spur wegbringen?

Erst, wenn er zu sich selbst kommen kann, wenn er seine eigene wahre Kraft erkennt, wenn er sich auch als wertvoll erleben kann, dann ändert sich der Blick und die Wahrnehmung für sich selbst. Und dann ändert sich auch der Blick für andere Menschen. Dann werden vielleicht die kalten Frauen und Männer plötzlich uninteressant und langweilig, was sie ja auch in Wirklichkeit sind. Ohne Liebe und Wärme ist es langweilig im Leben. Aber das dauert eine lange Zeit. Zum Beispiel ist eine Patientin bei mir in der Therapie, die mir sagte, sie kann ja gar nicht akzeptieren, was in der Therapie passiert, das Menschliche. Sie sagte, wenn sie mich als jemanden akzeptiert, der ihr etwas gibt, erlebt sie bei sich, dass sie es ja nicht wert ist, dass sie so etwas Gutes bekommt. Also kann sie es nicht annehmen. Oder es gibt viele Menschen, die mir offen sagen: Wenn ihnen jemand menschlich, warmherzig und freundlich entgegenkommt, dann denken sie sofort: Das ist ein Idiot. Oder sie denken: Was will der wirklich von mir? Sie fühlen sich ja nur komfortabel mit Menschen, die gemein sind, die negativ und kalt sind. Obwohl sie so dringend Liebe möchten, wenn die Liebe ihnen entgegenkommt, können sie sie nicht akzeptieren, dann müssen sie sie negieren, ablehnen, lächerlich und schlecht machen.


Und dann geht eine Beziehung zu Ende, dann gibt es Streit, Missverständnisse, Missachtung, Schiffbruch. Am Ende steht Einsamkeit, und die Suche, die Jagd und das Leiden gehen von vorne los?

Ja. Der Kreislauf ist immer derselbe und fördert den Zynismus, der heute so in Mode ist. Aber der andere Weg, der Weg aus diesem Kreislauf heraus, der Weg, um zum eigenen Selbstwert zu kommen, der erfordert Mut, etwas anderes, etwas Neues zu riskieren. Mut, weil man ja nicht weiß, was daraus wird. Wir haben ja mit dem Neuen keine Erfahrung. Status, Image, Rollenspiel, Ehrgeiz, all das kennen wir ja. Aber auf dem anderen Weg, der vielleicht unpopulär ist, kann man wirklich wieder einmal etwas Menschliches mit einem anderen aufbauen. Es ist möglich, aber es ist Arbeit.


Im privaten wie im politischen Leben. Sie stellen immer wieder die wichtige Frage: Warum stellen sich Menschen gegen das, was sie miteinander verbindet, gegen das, was sie gemeinsam haben, ihr Menschsein?

Ja, richtig. Das ist es. Wir hassen das Menschliche in uns und bestrafen es im Fremden außerhalb von uns. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, sie stammt von Milovan Djilas, einst Titios Gefährte im Partisanenkrieg gegen die Nazis und später einer seiner schärfsten Kritiker. Er beschreibt in seinem autobiographischen Bericht „Land ohne Gerechtigkeit“ (1958) die Grausamkeit einer Männerwelt, in der Menschlichkeit als Schwäche verpönt ist: „Einmal, nach dem Krieg, traf Skula, ein Montenegriner und Jugoslawe, einen türkischen Moslem. Beide waren auf dem Weg von Bijelo Polje nach Mojkovac. Sie hatten sich zuvor noch nie gesehen. Die Landstraße führte durch dicht bewaldetes Gebiet und war berüchtigt für Überfälle aus dem Hinterhalt. Der Moslem war froh, in Begleitung eines Montenegriners zu sein. Auch Sekula fühlte sich sicherer mit einem Türken, da zu befürchten war, dass sich türkische Partisanen in der Nähe befanden. Die beiden unterhielten sich freundlich und boten sich Zigaretten an. Der Moslem war ein friedliebender Familienvater Unterwegs durch die Wildnis kamen sich die Männer näher.“ Djilas schreibt, dass Sekula keinerlei Ressentiments dem Moslem gegenüber empfunden habe. Er sei für ihn wie jeder andere gewesen, mit dem einzigen Unterschied, dass er Türke war. Doch gerade diese Unfähigkeit eine Abneigung zu spüren, weckt in Sekula ein Gefühl von Schuld. Und die Geschichte geht so weiter: „Es war ein heißer Sommertag. Da der Weg durch den Wald an einem kleinen Fluss entlang führte, hatten es die beiden Reisenden angenehm kühl. Als sie sich niedersetzten, um gemeinsam etwas zu essen und sich auszuruhen, nahm Sekula seine Pistole heraus. Es war eine schöne Waffe, und er wollte ein bisschen damit prahlen. Der Moslem betrachtete sie anerkennend und wollte wissen, ob sie geladen sei. Sekula bejahte – und in diesem Moment kam ihm der Gedanke, dass er den Türken jetzt einfach töten könnte, er musste nur seinen Finger bewegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er jedoch nicht den Entschluss gefasst, dies zu tun. Er richtete die Pistole auf den Moslem und zielte genau zwischen dessen Augen. Dann sagte er: „Ja, sie ist geladen und ich könnte dich jetzt töten.“ Der Moslem lachte und bat Sekula, die Pistole wegzudrehen, da sich ein Schuss lösen könnte, In diesem Augenblick wurde Sekula bewusst, dass er seinen Reisekumpan töten musste. Wenn er den Türken am Leben ließe, würde er die Scham und die Schuld nicht ertragen können. und so feuerte er, wie zufällig, zwischen die lächelnden Augen des Mannes.“
An dieser Geschichte kann man die gesamte Tragödie sehr gut erkennen. Der Muslim ist ein Andersgläubiger, also ein offizieller Feind. Es hört sich komisch an, dass Sekula ihn scheinbar nicht aus Hass tötete, sondern aus Scham, weil er menschlich mit ihm fühlte. Aber da haben wir es doch. Man kommt sich einander näher. Es ist die Nähe, die wahre Nähe zu einem anderen Menschen, die man nicht ertragen kann. Das heißt: Man kann die Gefühle nicht ertragen, die mit Menschlichkeit, mit Wärme, mit Zuwendung zu tun haben. Man lernt ganz früh – hier handelt es sich natürlich um einen Extremfall – die eigene Menschlichkeit als Schwäche zu sehen und sie deswegen zu hassen und sie als etwas Unreines auf andere Menschen abzuwälzen. Und vor den anderen Leuten in seinem Familienclan hätte Sekula es gar nicht verantworten können, dass er mit diesem Muslime menschlich und brüderlich umging.
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Lissi
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Re: Dead Stop

Beitrag von Lissi »

Lieber Stefan,

die Beschäftigung mit meiner aktuellen Depression und der Austausch in diesem Forum bringen mich immer zu neuen Erkenntnissen über meine eigene Person und auch über den Gesamtkomplex Menschheit. Ich bastele mir so meine eigenen Theorien zusammen. Ob sie stimmen? Keine Ahnung! Ich hab die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, nur meine eigenen Erfahrungswerte analysiert, will sagen: bin noch dabei, mein bisheriges Leben auszuwerten. Es hat mir erst Angst gemacht, im Moment finde ich es spannend.

Hey, ich wollte dir nicht sagen, deine Ansprüche seien zu überzogen. Ich bin selbst auf der Suche, wie ich ja schrieb und es kann ohne weiteres sein, dass es gerade diese Sehnsucht ist, die uns dazu bringt, was wirklich Großes zu vollbringen und die Welt zu verbessern.

Sag mal ehrlich: Wir Menschen sind schon ganz komplizierte Wesen, nicht wahr? Wir wissen viel, aber wir handeln nicht danach. Warum das so ist? Keine Ahnung.

Ich kenne es leider zu gut, was du beschreibst: Klare Vorstellung von einer Sache – sich leicht verunsichern lassen, imponiert sein vom (besseren) Wissen Anderer – und dann völlig verunsichert sein und sein ursprüngliches Ding nicht weiter durchziehen. Ich bin jedes Mal wütend über mich selbst, wenn ich mich mal wieder hab beeinflussen lassen. Aber ich bin auch ehrlich genug um zuzugeben, dass mein Mann mich schon vor einigen Höhenflügen bewahrt hat.

Dankbar sein. Ich hab’s selbst geschrieben und bin auch sicher, dass es wichtig ist, dankbar zu sein. Ein guter Bekannter wurde letztes Jahr vom gesunden Menschen innerhalb weniger Wochen zu einem schwerstbehinderten Pflegefall. Keiner weiß, wie viel er von seinem Umfeld mitbekommt. Es tut mir weh, wenn ich ihn sehe. Dann komm ich mir immer ganz furchtbar vor, weil ich selbst ‚nur’ Depressionen habe. Ich schäme mich dann fast dafür, dass ich mich so anstelle. Aber dieser Zustand hält nicht lange an und ich verfalle wieder in mein eigenes Denkmuster. Ich hatte hier schon mal was in einem anderen Thread geschrieben von wegen „Sich wichtig nehmen“/“Sich nicht so wichtig nehmen“. Für beides gibt es wohl seine Zeit.

Ja, mal was Neues ausprobieren (Fußballspiel), bringt auch neue Eindrücke, wieder neue Erfahrungswerte. Erst nach dem Ausprobieren kann ich sagen, ob ich etwas schön finde oder nicht.

Und auch Ja, wir wollen dazugehören. Deshalb achten wir wahrscheinlich auch ganz sensibel auf die Urteile unserer Umgebung und versuchen uns anzupassen. Ich glaube auch, dass eine gewisse Anpassung auch nötig ist, damit Gemeinschaft funktioniert. (Eigentlich haben wir schon eine gute Gabe, denn es gibt sehr viele Menschen, die sich nicht anpassen können/wollen.). Die Gefahr ist aber, dass man sich verbiegen lässt. Und dieser Zustand macht krank, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Wenn ich gegen mein Naturell verstoße, dann wehrt sich mein Unterbewusstsein – zu Recht. Und wenn wir nicht auf unseren Bauch hören, dann können wir ganz heftig ins dunkle Loch fallen.

Wenn ich solche Sätze höre, wie „Die Lösung all deiner Probleme liegt in dir selbst“, dann weiß ich, dass sie wahr sind. Und doch macht es mich wütend, einfach, weil ich nicht weiß, wie ich denn nun an die Lösung komme. Es ist genau wie wenn man einem Kind das Fahrradfahren beibringen will. Es sieht, wie ich fahre und sagt: Das sieht aber einfach aus. Das kann ich auch. Dann probiert es das selbst und fällt hin, obwohl wir ihm was von Gleichgewicht und gerade sitzen usw. erklärt haben. Es weiß, worauf es achten muss und fällt dennoch wieder hin. Es steht auf, lässt sich kurz trösten und versucht es wieder und wieder und wieder. Und plötzlich klappt es, obwohl das Kind NICHT an Schwerkraft oder all das andere Zeugs gedacht hat. Es wollte fahren bis zur nächsten Lampe und schafft es irgendwann sogar. Und wenn es einmal den Bogen raus hat, dann ist es ein Leichtes, denn was man einmal gelernt hat, vergisst man nicht mehr (zumindest gilt das tatsächlich fürs Fahrradfahren).

Und genau so stell ich mir vor, dass wir unsere Gedanken und Gefühle wieder in die richtigen Bahnen lenken können. Wir hatten es schon gekonnt – als kleine Kinder, weil wir’s aus dem Bauch heraus gemacht haben. Aber irgendwann fingen wir an zu denken, ließen uns manipulieren ... und als wir drüber nachdachten, fiel es uns nicht mehr ein, wie man glücklich leben kann. Aber wir haben es nicht vergessen, es schlummert noch in uns. Wie schrieb ich oben: „Die Lösung all deiner Probleme liegt in dir selbst“.

Angst vor dem Alleinsein: Auch ein Urgefühl. Wir haben Angst, dass man uns allein lässt, wenn wir nicht funktionieren. Ich habe meinen Bekannten- und Freundeskreis schon mal durch die Änderung meiner Lebenseinstellung fast komplett ausgewechselt, unbewusst ging das vonstatten. Erst durch deinen Beitrag ist mir bewusst geworden, dass ich damals auch lange Zeit Angst hatte, allein dazustehen, wenn ich anders rede, mich mit anderen Dingen beschäftige, die mir Spaß machen, aber den anderen nichts bringen. Aber nach und nach fanden sich durch meine neuen Interessen und Lebenseinstellungen auch neue Menschen um mich ein. Will dir damit sagen: Hab keine Angst vor dem Verlassen werden (dies gilt für alle Lebensbereiche!). Sieh es als Chance, neue Menschen kennen zu lernen und neue Anregungen zu bekommen für deine Gedanken. Klar, auch hier werden wir wieder manipuliert. Das ganze Leben ist Manipulation. Manipulation ist aber nur schädlich, wenn sie uns nicht gut tut. Ich selbst merke durch Beiträge hier, ob sie mich runterziehen oder mir wieder neue Lichtblicke nach oben bringen.

Ich hab mich gerade auch manipulieren lassen, als ich nämlich eigentlich den PC ausschalten wollte und vorher noch nach neuen Meldungen geguckt hab. Als ich deine Antwort las, fühlte ich mich sofort – wider meinem Vorsatz, nicht mehr so viel zu schreiben – veranlasst, meinen Senf dazu zu geben, der mir beim Lesen deines Beitrages durch den Kopf ging.

Na ja, zum Glück muss ich kein so großes schlechtes Gewissen haben, weil ich heute allein bin. So, jetzt schick ich aber nur noch diese Meldung ab und mach den Computer aus für heute und verschone euch von meinen weiteren philosophischen Ergüssen.

Viele schöne Gedanken wünsche ich
Lissi




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