step by step - Depression als Chance? II

Dendrit
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step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Dendrit »

Neuer Thread als Rücksicht für alle mit analogem Anschluß


step by step - Depression als Chance? http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1116521311

von Susan

Letzer Beitrag von Susan:

Hallo Lee,

danke für das Zitat... So erlebte ich es auch viele Jahre mit der Migräne. Sie kam immer dann ,wenn Ruhe angesagt war und ich mich eigentlich hätte erholen können - nach Stressituationen.

Nach anstrengenden Wochen war es am Wochenende besonders schlimm. Heute kann ich sagen, dass mir das weniger Probleme macht, die "schlechten" Tage sind weniger planbar und somit muss ich den Tag so nehmen wie er ist und das Beste draus machen.

Damit komme ich am besten zurecht - mein Umfeld - meine Familie, kommt damit nicht so gut klar. Planen ist angesagt, oft Jahre im Voraus - für mich ein Hindernis - so gibt es immer wieder Reibungspunkte, und es strengt ungeheuer an, an den eigenen Massstäben festzuhalten und nicht dem nachzugeben, was die anderen erwarten.

Habe ein paar Zeilen im Netz gefunden, die mich sehr angesprochen haben:


ICH BIN NICHT ICH.
Ich bin jener,
der an meiner Seite geht, ohne daß ich ihn erblicke,
den ich oft besuche,
und den ich oft vergesse.
Jener, der ruhig schweigt, wenn ich spreche,
der sanftmütig verzeiht, wenn ich hasse,
der umherschweift, wo ich nicht bin,
der aufrecht bleiben wird, wenn ich sterbe.

Juan Ramón Jiménez
(1881-1958)

Gruss an alle hier
Susan
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Hallo an alle hier,

ich habe in den letzten Tagen einiges bewegt kleine Schritte, aber immerhin. Die "Hausaufgabe" meines Therapeuten, mich um Krisenintervention zu kümmern ist erledigt. Ich war überrascht, dass man mir nach einem kurzen Telefonat sogar persönliche Gespräche anbot. Im Klartext heisst das, ich kann solange mein Therapeut im Urlaub ist, einmal pro Woche in das Kriseninterventionszentrum gehen und man hat ein Ohr für mich. Klar habe ich Angst davor, dass die Zusammenhänge und das Hintergrundwissen fehlen, aber immerhin ist jemand da, der mir zuhört, wenn es brennt. Ich denke, das ist viel! Morgen gehe ich zu meiner vorerst letzten Stunde vor dem Urlaub. Was bleibt, ist ein flaues Gefühl in der Magengegend, doch das kann ich gut verkraften

Wie ist es euch in den letzten Tagen ergangen? Martina, bist du zurecht gekommen mit der erhöhten Dosis Medis? Wie lief das Erstgespräch, hattest du ein gutes Gefühl? Annette, geht es dir gut mit allem was sich derzeit tut oder ist es dir zeitweise zuviel?

Es ist nicht einfach, wenn sich auf verschiedenen "Baustellen" was tut. Heike, du scheinst gut mit den Auf und Ab's zurecht zukommen. Ist es so? Ich freue mich sehr, wieder von euch zu hören.

Liebe Grüße
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Susan,

ist die mail angekommen?

Paß gut auf dich auf, dass du morgen aus der Stunde möglichst gestärkt gehst und vielleicht nichts brenzliges mehr ansprichst und auch stoppst, wenn er das tun sollte. Im "Auffangnetze knüpfen" werden wir auch immer besser toll, dass sie dir das in dem Zentrum anbieten. Und wenn du dich ansonsten mit deinen Gedanken im Kreis drehst, dann kannst du sie vielleicht sortieren, indem du hier schreibst.

Gehst du (und ihr anderen) eigentlich mit klaren Vorstellungen in die Therapiegespräche, was Thema der Stunde sein soll? Oder ergibt es sich bzw. das Wichtigste meldet sich von allein zu Wort? Bei mir ist letzteres häufiger.

Ich fühle mich momentan wieder etwas stabiler, nur drüber nachdenken darf ich nicht, diese Angst davor, dass es mir gut geht und ich alles auf die Reihe bekommen muß macht mich fertig. Trotzdem, die letzten Tage waren ganz ok. Ich habe auch immer Donnerstags Stunde, aber bis vor kurzem war es Montags. Ich war erstaunt, wie sehr die Stunden in meinen Wochenrhythmus eingebaut waren, denn Montags blieb beim Wechsel ein ziemliches Loch, und die Zeit bis Donnerstag wurde mir die ersten zwei Wochen ganz schön lang. Ich kam mit dem Montagstermin besser zurecht, da hatte ich am Wochenende mehr Ruhe, um bei mir zu sein. Donnerstag ist schon so viel passiert in der Woche, und vorher habe ich auch Arbeitstherapie, da fällt mir die Konzentration schwerer. Aber Montags habe ich zur ehemaligen Therapiezeit jetzt auch Arbeitstherapie, also mal wieder was zum üben mit dem Termin.

Liebste Grüße
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

es freut mich, dass du dich derzeit stabil fühlst, so kannst du dich besser auf das Wesentliche konzentrieren und die Angst vor einem Absturz ist nicht so gross. Wie oft hast du Arbeitstherapie - einmal pro Woche oder öfter? Wird diese von der KK bezahlt oder von der LVA bzw BfA?

Struktur ist für mich sehr wichtig, habe sogar im Urlaub einiges fest eingeplant - was mir sehr gut tat. Komme nicht so gut damit zurecht, wenn ich alles dem Zufall überlasse, am Ende eines Tages bin ich dann eher unzufrieden - kleine Erfolgserlebnisse darf es schon geben Nicht so hoch gesteckte Ziele und Anforderungen können da viel bewirken.

Die letzte Therapiestunde lief ganz gut - kein Druck von Seiten des Therapeuten - von meiner Seite nicht so viel reden über die Urlaubszeit...doch genau das schien falsch zu sein - habe auf dem Nachhauseweg total die Panik gekriegt, dass die Therapie im Juli/August nur auf Sparflamme läuft, hatte das Gefühl, Wichtiges nicht angesprochen zu haben usw...ein Telefonat hat dann alles wieder zurechtgerückt und nun denke ich wirklich nicht mehr näher darüber nach, was sein könnte, wenn ...immerhin habe ich ja diese Gespräche im Krisenzentrum - was bleibt, ist die Angst, da nicht verstanden zu werden - aber ich denke inzwischen, damit kann ich leben - die Therapie geht ja noch weiter. Gedanken, wie es wohl erst bei reellen Therapieende aussehen mag, versuche ich eher zu verdrängen - ist wohl besser so.

Ein Jahr Therapie ist schon rum. Zurückblickend kann ich immer noch sagen, dass es der richtige Therapeut ist - er strebt nicht unerfüllbare Ziele an - er redet Klartext - das tut mir besonders gut! - und er macht mir keine falschen Hoffnungen - was immens wichtig für mich ist.

Du fragst, ob ich Themen mit in die Stunde nehme. Eigentlich habe ich vor jeder Therapiestunde feste Vorstellungen davon, was ich ansprechen möchte, doch fast jede Stunde ist dann ganz anders gelaufen, als ich es mir ausgemalt hatte. Da hast du wohl Recht, wenn du sagst, das Wichtige meldet sich schon zu Wort. Anfangs war mir zwischenzeitliches Schweigen auch unangenehm, inzwischen nutze ich diese Zeit, um einen klaren Kopf zu bekommen, um das, was sich an Gedanken in den Vordergrund drängt, in Worte zu fassen und letzendlich anzusprechen.

Verständlich, dass der "verlegte" Therapietag gewöhnungbedürftig für dich ist. Aber vielleicht kannst du nach einiger Zeit sogar Vorteile für dich entdecken, die so nicht sichtbar waren

Alles Gute für den weiteren Weg!

Liebe Grüße
Susan


Lee
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Lee »

häslein
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von häslein »

Liebe Susan, liebe Mitleser,

mein Erstgespräch war ein sogenannter "Danebengriff". Der Mann fläzte in geradezu unverschämt entspannter Haltung auf seinem Stuhl und wollte mich dauernd in die Psychoanalyse stecken. Mit einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie wähle man ja sozusagen nur die "Lightversion" der Psychoanalyse, und überhaupt hätte ich mir wohl unbewußt damit und mit der bereits absolvierten Verhaltenstherapie genau die Version Therapie ausgewählt, die mir die Möglichkeit gibt, mich nicht mit den tieferen Wahrheiten zu konfrontieren... was soll ich denn nun davon halten? Ein Psychoanalytiker, der eine krankhafte Fixierung auf die Psychoanalyse hat? Einer, der mir mehr einreden will, als eigentlich ist? Puh! Ich hab erst mal genug davon. Momentan fehlt mir die Kraft, noch irgendjemand zu erklären, was ich will und wie ich mich fühle! Na, zumindest weiß ich, daß ich dort nicht hin möchte. Es bringt mir auch irgendwie nichts, mich auf ein Sofa zu legen, und frei zu assoziieren, während hinter mir jemand sitzt, den ich nicht sehen kann. Ich brauche die Interaktion, auch mal eine gewisse Nähe, so daß ich mich nicht so isoliert fühle.

Mitte August habe ich noch ein weiteres Gespräch, hoffentlich habe ich mich bis dahin etwas erholt. Ob ich dazwischen noch eine 3. Person auswählen soll, keine Ahnung... Es heißt zwar, man sollte in puncto Therapeut die gleiche Sorgfalt walten lassen, die man der Auswahl eines neuen Fahrzeuges angedeihen läßt, allerdings muß man da nicht jedes Mal seine ganzen Kümmernisse ausbreiten.

Ihr merkt wahrscheinlich, ich bin etwas erschöpft heute morgen, dazu brettert gegenüber schon seit dem frühen Morgen der Preßlufthammer, es ist zum Mäuse melken!

Aber etwas anderes: die Ergotherapeutin, die mit mir Kunsttherapie machen will, ist eine sehr sehr nette! Das Gespräch mit ihr war eher erleichternd, und heute abend habe ich einen weiteren Termin. Vielleicht wird's dann nochmal klarer für mich. Ich frage mal, ob ich einen Klumpen Ton malträtieren kann, ich glaub, ich muß mich mal abreagieren, vielleicht geht's mir dann besser .

Mit der Hochdosierung der Medis komme ich nur schlecht zurecht, mein Blutdruck ist nur im Keller, morgens komme ich nicht aus den Puschen, was aber auch bestimmt mit der Situation an sich und dem verrückten Wetter zu tun hat. Nach kühlen Regentagen waren es gestern hier wieder schwüle 30 Grad, und heute zieht bereits die Gewitterfront an. Ein stetiges Auf und Ab,...wen wundert's, wenn es mir da ähnlich geht?

Was ich jetzt brauche, ist Durchhaltevermögen! Manchmal denke ich, für diesen ganzen Therapiedschungel nebst anstrengender Gespräche und Therapeuten muß man auf gewisse Weise schon ganz schön gesund sein, sonst bleibt man auf der Strecke.

Nun gut, ich berichte euch weiter, wenn es neue Erkenntnisse gibt.
Bis dahin liebe Grüße und eine gute Woche,
Martina.
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Martina, liebe Mitleser

sicher nicht sehr aufbauend, was dein Erstgespräch betrifft Aber man kann leider nicht vorher wissen, was einen da erwartet. Es klingt schon etwas befremdend, wenn dieser Therapeut dich gleich in eine Schublade stecken will ohne genaueres über dich zu wissen.

Doch mit Sicherheit ist es Energieverschwendung, dir darüber noch Gedanken zu machen. Vergiss ihn und wende dich wieder dem zu, was nun wichtig ist für dich - immerhin hast du ein positives Gefühl was die Ergotherapeutin angeht (wie lief es beim 2.Termin?) und die Chancen, dass das Gespräch im August gut läuft, stehen auch ganz gut Es kann auch nicht verkehrt sein, wenn du noch einen weiteren Therapeuten ausfindig machst und ein Probegespräch vereinbarst oder du gehst über die Institutsambulanz, da ersparst du dir einiges an Zeit und es hätte den Vorteil, dass du mit dem Erzählen nicht immer wieder von vorne anfangen musst.

Ich versuche so gut es geht meinen Tag zu strukturieren und nicht dran zu denken, dass mein Therapeut nun einige Zeit nicht da ist. 2 Bücher liegen seit längerem angefangen in der Ecke, aber so richtig schaffe ich es nicht, zu lesen, da fehlt es mir an Konzentration. Das Wetter lädt nicht gerade zu grossen Aktivitäten ein, aber die Abkühlung tut ganz gut, dir auch? Hat sich dein Blutdruck wieder etwas stabilisiert? Ich hatte mit der Dosiserhöhung des Trimipramin auch arge Probleme, eigentlich nochmal die NW wie ich sie bei der Ersteinnahme auch hatte. Das dauerte ca 2 Wochen, bis mein Körper das so angenommen hat. Also nicht verzagen!

@all
Meine Selbsthilfegruppe läuft auch auf "Sparflamme". Gestern waren wir nur 3 Leute, dennoch lief es recht gut. Wir hatten in der letzten Zeit einige Neue, die aber nur 1-2 mal kamen, weil die Gruppe nicht ihren Erwartungen entsprach - so stellten sich manche eher einen Singletreff vor - andere befanden sich in einer aktuten Krise und die Gruppe war überfordert. Doch so bleibt die Gruppe immer ein "Übungsfeld", um eigene Grenzen wahrzunehmen und auch mal "nein" zu sagen Wie denkt ihr über eine offene Gruppe?

Homöopathisch hat sich auch einiges geändert ,einmal das Mittel und das dortige Gespräch hat mir (wieder mal) gezeigt, dass Nähe und Distanz weiterhin ein Thema für mich ist. Auch die Selbstannahme (Selbtliebe), das für-sich-sorgen, fällt mir nicht leicht. Es geht letztendlich auch darum, alle eigene "Anteile" als zu sich dazugehörig an zu sehen, zu akzeptieren und so "ganz" zu werden. Doch fühlen kann ich das nicht so richtig - noch ein weiter Weg?

Gruss an alle
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Hallo Martina,

das Gefühl habe ich auch manchmal, dass man ganz schön stark sein muß, um diesen ganzen Kram zu bewältigen. Und ich finde, mit deiner Reaktion auf dieses comic-hafte Erstgespräch zeigst du, dass du schon ein ganzes Stück Gesundheit besitzt! Denn du hast dich nicht verunsichern lassen, sondern traust deinem Gefühl, dass das nix ist für dich, und das ist ja nicht selbstverständlich. Wie oft hat man dieses sichere Gefühl und läßt sich doch aus dem Gleichgewicht bringen, weil der Arzt oder Thera oder wer auch sonst meint, besser zu wissen was für einen gut ist. Also, neuer Versuch, der ja nur besser werden kann!
Ton ist geduldig, nur zu!

@Susan:
Sich selbst annehmen, gar mögen - wie sich das wirklich anfühlt weiß ich auch noch nicht. Wir sorgen für uns, achten auf unsere Bedürfnisse, weil es uns sonst wieder schlechter geht. Warum passen wir auf uns auf, wenn wir uns doch nicht so akzeptieren, wie wir sind? Írgendwie scheinen wir uns doch wichtig zu sein, sonst würden wir doch nicht so viel Energie da reinstecken, dass es uns besser geht?

Ich spüre auch ganz viel Ablehnung mir selber gegenüber, und die spüre ich sehr schmerzhaft. Gleichzeitig gibt es auch Dinge, die ich an mir mag, aber merkwürdigerweise finden die keinen wirklichen Zugang zu meinen Gefühlen, das spielt sich mehr im Kopf ab. Nach außen hin bekomme ich schon vieles viel besser hin als noch vor kurzem, und innerlich ist trotzdem dieser Knoten meistens da. Ich vertraue darauf, mit Hilfe aller Therapie und Begleitung diesen Weg weiter gehen zu können mit dem Ziel, dass dieser Knoten an Macht verliert.

Ich reiche dir mal virtuell die Hand, laß uns ein Stück gemeinsam gehen,

liebe Grüße
Annette


P.S. Mit den Themen in den Stunden ist es bei mir ja meist auch so, dass es sich ergibt, aber wenn etwas wirklich brennt, wir aber erstmal über was anderes reden, weils sich so ergeben hat, wird der Druck in mir riesig und ich muß es ansprechen. Manchmal glaube ich, ich sorge unbewußt dafür, dass für zu intensive Themen nicht mehr so viel Zeit ist - dass habe ich es kurz ausgesprochen, ohne mich zu sehr einlassen zu müssen. Meine Thera meint dazu, auch das wäre eine Art, mich zu schützen vor zu Belastendem und darum völlig ok.




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Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Ach so, du hattest ja nach der Arbeitstherapie gefragt, Susan. Bezahlt wird das von der KK, wird wie Krankengymnastik oder pysische Ergotherapie per Heilmittelverordnung (Rezept) von Arzt verschrieben. Man fängt z.B. mit 1-2x/Woche 1,5-3 Stunden an und steigert dann individuell bis auf max. 5x/ Woche je 3 Stunden. Das ist die Voraussetzung für die medizinische/ berufliche Reha, die ich anschließend machen will. Das ist aber noch ein bißchen hin, mache die AT momentan 4x/Woche, davon je zweimal 1,5 und 3 Stunden. Jeden Tag 3 Stunden kann ich mir noch nicht so wirklich vorstellen, da ist die Erinnerung an das reale Arbeitsleben und die schlimme Zeit im letzten Job noch zu präsent. Ziel ist für mich jetzt, mit diesen Ängsten umgehen zu lernen und mir etwas zuzutrauen, auch wenn mir schon bei der Vorstellung schwindelig wird.
Es ist eine super Einrichtung, diese Arbeitstherapie. Es ist eine ergotherapeutische Ambulanz, angeschlossen an die Psychotherapie-Klinik, aber es gibt auch freie ambulante Praxen. Die offizielle Bezeichnung ist psychisch-funktionelle Behandlung.

Soweit für heute, eine gute Nacht für euch
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Martina, liebe Mitleser

Hier ein paar Gedanken zum Thema "Selbstliebe - Selbstannahme"...in meinem Kopf herrscht Chaos ich hoffe, es kommt einigermassen klar rüber:

Ich glaube, die Arbeit an sich selbst und das ständige Bemühen, eigene Bedürfnisse zu erkennen hängt damit zusammen, dass man sich auf dem Weg irgendwann dafür entschieden hat zu leben. So stimmt es jedenfalls für mich. Nur so ist es überhaupt möglich, Kräfte zu mobilisieren, Neues auszuprobieren und Schritte nach vorn zu wagen. Dabei komme ich mir oft vor wie ein Anfänger, wie jemand, der unbekanntes Land betritt, das vorher nicht sichtbar war.

Manchmal bin ich wütend auf meine Eltern, dass sie mir so wenig von diesen Bereichen gezeigt haben und dass sie ihre Bedürfnisse über meine gestellt haben. Sie brauchten Sicherheit und haben mich eingeengt, mir vorgeschrieben, was ich zu tun und zu lassen habe. Nicht immer gelingt es mir, das als "Schwäche" ihrerseits zu sehen und zu sagen "sie haben es nicht besser gewusst" und konnten nicht anders handeln. Hilft mir diese Einstellung weiter? Muss ich das, was sie getan haben, schönreden? Ich denke, nein, und soweit bin ich noch lange nicht. Ich habe vielmehr damit zu tun, meine Kraftreserven so einzusetzen, dass sie mir zugute kommen.

Dabei merke ich zunehmend, dass es eine innere Stimme gibt, die mir ganz leise und vorsichtig sagt, was ich brauche und was gut oder nicht gut für mich ist. Wenn ich sie überhöre, meldet sich sofort mein Körper, ganz deutlich und klar. Ist es das, was ich die ganzen Jahre vermisst habe, meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse überhaupt zu spüren? Auch, mir die Frage zu stellen, was ich denn will und was gut und richtig für mich ist? Hatte ich mich nicht eher daran gewöhnt, dass andere mir diese Entscheidungen abnahmen? Allein zu wissen, wonach ich mich sehne und was ich brauche, jetzt habe ich die Möglichkeit, es herauszufinden und auch zu realisieren. Dennoch fühle ich mich innerlich oft blockiert, als wenn da eine Sperre wäre, die verhindern will, dass ich mich in diese Richtung bewege. Jetzt sind es nicht meine Eltern, die diesen Druck auf mich ausüben, jetzt ist es ist etwas, was sich jahrelang festgesetzt hat in mir und was mich immer wieder zurückwirft, eine Kraft, die dem Bauchgefühl widerspricht.

Auch wenn ich diesen Widerstand fühle, glaube ich, dass es wichtig ist, mehr und mehr der inneren Stimme zu vertrauen und sie nicht zu unterdrücken. Das würde bedeuten, dass ich einen wichtigen Teil von mir ablehne und es wäre eine Fortsetzung dessen, was andere jahrelang taten.....

Wie denkt ihr darüber? Kann man es schaffen, solche "Blockaden" aufzulösen? Wie reagiert euer Umfeld (Familie, Freunde, Bekannte), wenn ihr eure Wünsche und Bedürfnisse anmeldet?

Ist da nicht auch eine grosse Angst vor Rückzug und Ablehnung durch andere, wenn man sagt, was man braucht?

Bin gespannt auf eure Antworten...

Liebe Annette,
gern reiche ich dir die Hand und gehe mit dir ein Stück des Weges gemeinsam Danke auch für die Infos zur Arbeitstherapie. Ich finde es super, dass du dich da rangewagt hast und das es dir sogar gelungen ist, öfter daran teilzunehmen bezw. die Stunden zu erhöhen. Noch eine Frage dazu: Welche(s) Ziel(e) hat diese Massnahme, was wird geübt und wieviel Leute sind in deiner Gruppe?


@all
Ich gehe heute zu meinem ersten Gespräch in das Krisenzentrum, aufgeregt bin ich allemal, ist doch was anderes als am Telefon...

Liebe Grüße
Susan


Lee
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Lee »

susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Hallo Lee und alle hier

danke für deinen Beitrag habe noch einen interessanten Text von Alice Miller zum Thema "eigene Bedürfnisse und was die Therapie bewirken kann" gefunden....


"...
Die Spuren einer früh empfangenen Erziehung lassen sich nicht immer vollständig aufheben, aber sie lassen sich, wenn bewusst wahrgenommen, konstruktiv, aktiv und kreativ einsetzen, anstatt dass man sie wie bisher passiv und selbstdestruktiv erleidet. So kann z. B. ein Mensch, der nur mit seinen Leistungen für die Eltern überleben konnte, als bewusster Erwachsener aufhören, seine/ihre Bedürfnisse im Dienste der anderen zu opfern, wie er es als Kind tun musste. Er kann Wege suchen, auf denen er seine früh entwickelten Fähigkeiten, andere zu verstehen und ihnen zu helfen, so anwendet, dass er auch seine eigenen Bedürfnisse nicht dabei vernachlässigt.
...."

mehr dazu hier:
http://www.alice-miller.com/sujet/art49.htm


....das klärt einige Fragen und macht Hoffnung

Liebe Grüße
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Was ihr schreibt, deckt sich mit der Aussage meiner Thera, dass es nicht darum geht und auch nicht möglich ist, die "Spuren einer früh empfangenen Erziehung" auszulöschen. Sondern darum, mit ihnen leben zu lernen, ihnen nicht mehr ausgeliefert zu sein, indem man neue Spuren legt. Neulich habe ich einen Vergleich mit Wassertropfen an einer Glasscheibe gelesen - da haben hinzukommende Tropfen es auch sehr schwer, die bereits geschaffenen Fließbahnen zu umgehen und sich neue zu suchen. Hier kommt dann wieder das allseits beliebte "üben, üben, üben..." ins Spiel

Ein schönes Wochenende, übrigens mit reichlich Wassertropfen auf meinem Dachfenster,

liebe Grüße
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

dein Bild mit den Wassertropfen gefällt mir

Ich denke, es geht nicht nur darum, neue Wege zu finden, sondern auch STOPP zu sagen, was alte, eingefahrene Spuren angeht. So mancher Grundstein für unser heutiges Handeln und Tun wurde in der Kindheit gelegt. Es geht nicht darum, die Uhr zurückzudrehen, auf Wiedergutmachung zu warten und sich selbst anzuklagen für die Fehler und Unzulänglichkeiten der anderen. Im besten Fall schaffen wir diese Endloskette (es könnte eine werden!) zu unterbrechen, die Eltern, Erzieher, Chefs u.a. geknüpft haben, um damit auszudrücken, dass das SO mit uns nicht mehr funktioniert.

Was kann uns im schlimmsten Fall passieren? Ablehnung, Kritik, Rückzug - alles ist möglich und ich habe es selbst schon erlebt, dass man mich unter Druck gesetzt hat, entweder wieder die "Alte" zu werden oder ....

Der Freundeskreis schrumpft, die Familie versteht uns nicht mehr...Trotz aller Ängste und Befürchtungen den Weg weitergehen, "nein" zu sagen, wenn man unsere Bedürfnisse und Wünsche nicht respektiert, darin sehe ich die Chance, auf Dauer etwas positiv zu verändern.

Ich tue mich oft schwer, zu sagen, was ich brauche und was wichtig für mich ist. Sich dann zu sagen, dass man ein Recht hat, eine eigene Meinung zu haben, ist eine gute Basis für weitere Schritte. Wenn das alles (noch) nicht so gut funktioniert, wenn man sich wie ein "Anfänger" vorkommt, der beginnt, eine neue Welt zu erkunden, dann hilft es sicher nicht, sich unter Druck zu setzen - geduldig und nachsichtig mit sich selbst sein - ein Weg von vielen....

Du hast Recht Annette, wenn du sagst, dass all das nur mit immer wieder üben zu erreichen ist. Ich versuche, mir solche Strategien abzuspeichern und sie in schlechten Zeiten anzuwenden - was mir mal besser und mal weniger gut gelingt...

Mein Gespräch beim Krisendienst lief gut - es ist kein Therapieersatz, aber eine Möglichkeit, die therapielose Zeit durchzustehen. Schon der Gedanke, dass im Notfall jemand da ist, der zuhört und der helfen kann, wenn's brennt, schafft Erleichterung.

Liebe Grüße
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »


Mit der Zeit lernst du,

dass eine Hand halten,
nicht dasselbe ist wie eine Seele fesseln.
Und dass die Liebe nicht anlehnen bedeutet
und Begleitung nicht Sicherheit.

Du lernst allmählich, dass Küsse keine Verträge sind
und Geschenke keine Versprechen.
Und du beginnst deine Niederlagen erhobenen Hauptes
und offenen Auges hinzunehmen
mit der Würde des Erwachsenen, nicht maulend wie ein Kind.

Und du lernst, all deine Straßen auf dem Heute zu bauen,
weil das Morgen ein zu unsicherer Boden ist.

Mit der Zeit erkennst du, dass sogar Sonnenschein brennt,
wenn du zuviel davon abbekommst.

Also bestell deinen Garten
und schmücke selbst dir deine Seele mit Blumen,
statt darauf zu warten, dass andere dir Kränze flechten.

Und bedenke, dass du wirklich standhalten kannst...
und wirklich stark bist und dass du deinen eigenen Wert hast.

Kelly Priest


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Liebe Susan, liebe alle,

das Gedicht gefällt mir, es hebt sich deutlich von den vordergründigen "Think positiv's" ab und spricht mich sehr an.

Gut, dass du das mit dem Krisendienst organisiert hast und dass es dir auch etwas gibt. Wie wird denn das finanziert?

Mit dem Freundeskreis gehen meine momentanen Erfahrungen eher in die andere Richtung - es gibt alte Freunde, die mich gerne unterstützen und an meinem Leben teilhaben wollen, aber ich merke plötzlich, wie anstrengend sie für mich sind, wieviel ich in die Beziehungen eingebracht und mich angestrengt habe und dabei selber irgendwie auf der Strecke blieb. Bei zwei Freundinnen würde ich heute sagen, ich wollte diese Freundschaften unbedingt aufrechterhalten, obwohl ich schon lange spürte, dass kein wirkliches gegenseitiges Verstehen da war. Nun ja, ich werde einen Weg finden.

Ansonsten bin ich etwas von der Hitze lahmgelegt, verdöse den Nachmittag weitgehend im Garten und habe keinerlei Lust, irgendetwas zu unternehmen.
Vormittags läuft die Arbeitstherapie weiter. Ziele sind hier allgemein das Heranführen an den Wiedereinstieg nach längerer psychischer Erkrankung und Vorbereitung auf die berufliche Reha. Meine persönlichen Ziele sind: Abbauen von Angst vor der Arbeitssituation, Wiedergewinnen von Sicherheit bei dem was ich tue, Zurechtkommen mit anderen im selben Büro. Ganz besonders geht es für mich darum, nicht alles 130%ig zu machen, den Überblick über meine Aufgaben zu behalten, nicht ständig allen zu helfen und meine Sachen nicht zu schaffen, mit Zeitvorgaben klarkommen, mich nicht zu verzetteln u.v.m. In den begleitenden Gesprächen geht es ganz konkret z.B. darum, wie ich mich abgrenze, wenn andere im Raum laut palavern und mir das zu unruhig wird, oder wenn jemand mich um Hilfe bittet, ich aber selber eine Aufgabe zu erledigen habe. Ziemlich ausgeprägt wirkt alles wie ein rotes Tuch auf mich, was rein äußerlich an reales Arbeiten erinnert, z.B. wen nich jeden Morgen um 8.30 anfange. Momentan fange ich zu unterschiedlichen Zeiten an, da ist noch genügend Unterschied zu früher. Aber mir wird schwummerig, wenn ich demnächst langsam die Zeiten anpasse (bis max. tägl. 3 Stunden, aber eben wie zur Arbeit jeden Morgen auf der Matte stehen). Wenn ich mit meinem Anfang dort im Januar vergleiche, bin ich aber schon deutlich weiter, und diese Minischrittchen geben mir Sicherheit dabei.

Geduldig und nachsichtig mit sich sein - darin tun wir uns schwer. Anderen etwas verzeihen und ihr Tun zu entschuldigen ist so viel leichter als liebevoll mit sich selbst zu sein - wie oft verpassen wir uns gedankliche Ohrfeigen und verurteilen uns für Dinge, die wir anderen selbstverständlich nachsehen?

Nicht wieder "die Alte" werden, Susan, sondern endlich du selbst werden - und staunen, wie toll du bist

30°C-Grüße
Annette




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Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Hallo, heute bin ich bißchen jammerig und angestrengt, ich würde so gerne so viele schöne Dinge unternehmen, aber es wird alles so schnell zu viel. Es ist so schwer zu akzeptieren, dass mich die Anforderungen und die langsame Belastungssteigerung in der Arbeitstherapie wirklich voll beanspruchen, da schaffe ich gerade nochmal an einem Nachmittag in der Woche etwas zu unternehmen. Immerhin bin ich heute mit meiner Freundin und ihren Zwillingen schwimmen gegangen, obwohl ich eigentlich den Nachmittag am liebsten auf dem Sofa verbracht hätte, aber ich bin dann viel früher als sonst nach Hause gefahren und habe mir so noch den Abend für mich genommen - das tat gut. Ich finds nur Sch... dass es so ist wie es ist.
Das mußte jetzt raus, bevor es sich verknotet in mir.

Bis bald
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

das, was du über die Arbeitstherapie geschrieben hast, hört sich auch nicht gerade einfach an. Kein Wunder also, dass du deine Grenzen ab und zu deutlich spürst und du das Bedürfnis nach Ausruhen und Entspannen hast.

Vielleicht solltest du dem nachgeben, und es zulassen und dich nicht unter Druck setzen, noch dies und jenes tun zu müssen. Es ist verständlich, dass du das nicht immer kannst - immerhin besteht das Leben noch aus mehr als aus der Arbeitstherapie

Doch evtl hilft es dir, wenn du dir sagst, dass deine momentanen Kraftreserven begrenzt sind und dass es auch wieder anders werden kann. Wichtig ist doch, dass du deine Grenzen wahrnimmst und dich nicht überforderst.

Wenn du mehr Freiraum brauchst, ist es vielleicht auch möglich, die Anforderungen in der Arbeitstherapie wieder etwas zurückzuschrauben, damit der Druck, den du spürst, etwas nachlässt. Gibt es diese Möglichkeit?

Du hast Recht, den "Ist-Zustand" zu akzeptieren ist nicht einfach. Sich einzugestehen, dass man nicht so belastbar ist, fällt schwer und man möchte (vom Kopf her) eigentlich "Bäume-ausreissen", aber der Körper zieht nicht mit. Doch sicher hat es was Gutes, wenn er die Notbremse ab und zu zieht und wir spüren, dass es nötig ist, unsere momentane Situation zu überdenken, zu schauen, ob unsere Kräfte so eingeteilt sind, dass auch noch genug Raum für's Luft holen zwischendurch bleibt. Nimmt dir die Zeit, mal genauer hinzuschaun, warum du dich momentan so kraftlos fühlst und was du brauchst, um dich besser zu fühlen. Wenn du magst nehm' ich dich gern in den Arm und halte dich ein wenig.....

@all
Gestern hatte ich mein 2.Gespräch im Krisenzentrum (Träger Caritas) Es hat mir sehr geholfen, das Wirr-warr der vergangenen Woche zu ordnen, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. In den restlichen beiden Urlaubswochen meines Therapeuten muss ich ohne diese Möglichkeit auskommen - was bleibt, ist das Telefon. Hoffe also, dass ich gut über die Runden komme und die Mittel, die mir zur Verfügung stehen, ausreichen.

Allen hier ein entspanntes Wochenende!

Liebe Grüße
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Liebe Susan,

danke dir für deine Worte - sie helfen mir, sorgsam mit meinen Kräften umzugehen. Die Steigerung in der Arbeitstherapie sind wirklich nur ganz kleine Schrittchen, für mein Gefühl jedenfalls. Die Ergotherapeutin meinte aber neulich, es wäre schon ein ganz schönes Paket, an dem ich da arbeite, und schob ein weiteres Thema erst mal nach hinten. Ich bin also schon wieder dabei, herunterzuspielen, was ich leiste, es als selbstverständlich anzusehen. Genau darum geht es auch, um meinen Anspruch, alles 130%ig zu erledigen, jetzt soll ich üben, mit 90% zufrieden zu sein - wie ich mich damit gut fühlen soll, nicht alles gegeben zu haben, ist mir noch schleierhaft.
Und im restlichen Alltag geht es auch immer wieder darum, die eigenen Grenzen auch nach außen zu vertreten, nicht immer wieder sich und anderen beweisen zu wollen, dass man doch alles schafft.

Mir kam gestern noch ein Gedanke: Wenn ich genau weiß, dass irgendetwas zu viel wird, sei es psychisch oder physisch, und ich tu es trotzdem, kann es einfach nicht lassen, hat das dann nicht auch etwas mit selbstschädigendem Verhalten zu tun? Z.B. habe ich im Stall Heu mit abgeladen, trotz Tennis-Ellenbogen und nicht abgeheilter Reitunfall-Verletzung. Ich war schon vorsichtig, habe nicht so viel geschuftet wie sonst, aber den nächsten Tag habe ich nur mit Schmerztablette überstanden. Und jetzt wartet ein Anhänger Stroh in der Scheune, und als ich meiner Thera erzählte, mir tut alles weh, aber ich müßte doch eigentlich... hat sie es mir doch glatt verboten *freu*. Es grummelt in mir, es fehlt nicht viel und ich würde trotzdem mit anpacken, und ich lege mir schon Rechtfertigungen den anderen gegenüber zurecht, aber verdammt noch mal, eigentlich brauche ich das doch gar nicht! Es ist mein gutes Recht, aufgrund einer Verletzung nicht dabei zu sein! Wenn die Stimmung dort besser wäre, würde ich ja einen Kuchen mitbringen, aber danach ist mir auch nicht. Also halte ich es aus, nichts tun zu können, und lerne wieder eine Lektion.
So, genug von mir geredet.

Susan, vielleicht hilft es dir, wenn wieder mal alles durcheinander geht, dir vorzustellen, du erzählst das deinem Thera, und zu überlegen, was er antworten würde? Nicht nur kennt er dich, sondern du ihn ja auch, du weißt, wie er dir schon so oft geholfen hat. Vielleicht kannst du mal in seine Rolle schlüpfen und dir so selber helfen?

Sorry, ich bin doch ziemlich zu mit meinen Gedanken, da fällt es mir schwer mich auf dich einzustellen. Ich wünsche dir für die folgende Zeit, dass du ganz bei dir bist und auch lieber einen Gang runterschaltest, bevor du überdrehst. Lieber langsamer und den Überblick behalten als kurzfristig ganz viel bewältigen und dann abstürzen.

Ganz viele liebe Grüße
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

immer zu "funktionieren", immer die volle Leistung zu bringen, ist schier unmöglich. Doch das sieht ein Teil von uns ganz anders: Er will um jeden Preis alles schaffen und wenn es geht, noch mehr. Da sind die Vergleiche mit anderen, die Erwartungen, die man an sich selbst stellt und nicht zuletzt "Vorbilder" aus der Familie und dem Bekanntenkreis, die all unser Tun in den Schatten stellt.

Wie kann man da je zufrieden sein? Es gibt immer etwas, was wir noch tun müssen, was unerledigt bleibt, was uns ein schlechtes Gewissen macht. Und es ist schwer, dieser destruktiven Denkweise auf die Schliche zu kommen. Weicht man auch nur ein Stück davon ab, schleichen sich Schuldgefühle und Unzufriedenheit ein.

Ich denke, es macht nur Sinn, sich Stück für Stück von den alten Fesseln zu befreien und den Druck, den man ja eigentlich auf sich selbst ausübt, zu minimieren. Ich merke, wie mich alte Muster gefangenhalten, wie sie immer noch - längst ungültig - Macht auf mich ausüben und mir das Leben schwer machen. Wer ist stärker, der Teil, der ständig etwas von mir abverlangt, der keine Ruhe gibt, egal wie gut oder schlecht ich bin - oder der Teil, der sagt, es ist okay, so wie es ist, nicht mehr und nicht weniger? Ich glaube, die Kunst besteht darin, dem letzteren Teil mehr Raum zu geben, zuzulassen, dass auch mal nicht alles perfekt erledigt ist und auch damit letztendlich zufrieden zu sein.

Ohne schlechtes Gewissen die vorhandene Kraft so einzusetzen, dass es uns nicht überfordert, wäre ein lohnendes Ziel. Der innere Kampf, der da stattfindet, weil ich mich nicht von meinen zu hohen Erwartungen trennen kann, findet so lange statt, bis ich mir eingestehe, dass auch kleine Ziele Ziele sind und dass es auch ausreicht, wenn ich nur ein Teil von dem schaffe, was ich mir vorgenommen habe.

Ich hoffe, du kannst guten Gewissens auch mal den Anhänger Stroh ansehen, ohne daran zu denken, dass du gleich aktiv werden musst. Ein Stück Gelassenheit, die Kraft so einteilen, dass am Ende auch für dich was übrig bleibt, gelingt es dir ab und zu?

Ich tue mich schwer damit, mal was liegenzulassen und mir zu sagen, dass es auch ausreicht, es am nächsten Tag zu erledigen. Da sind auch neue Denkstrukturen nötig, mit den alten scheint es nicht zu funktionieren

Liebe Grüße
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Hallo, Ihr Lieben

ich komme gerade von meiner Ärztin. Mein Therapeut hat es tatsächlich geschafft, sie anzurufen Habe schon nicht mehr dran geglaubt. Sie stimmt mit ihm überein, was die Behandlung angeht, meinte sie und ich bin echt happy, dass die Beiden sich mal ausgetauscht haben. Auch räumte sie ein, dass es ja eigentlich ihre Pflicht ist, sich mal nach der Therapie zu erkundigen und sich mit dem Therapeut abzustimmen. Hoffe nun, dass es so bleibt und ich aus der Vermittlerrolle aussteigen kann.

Eine Frage, die mich zur Zeit auch sehr beschäftigt, ist die, ob die Selbsthilfegruppe noch wichtig und gut für mich ist. Es wiederholt sich vieles, was an Tipps und Ratschlägen gegeben wird (ähnlich wie hier im Forum) Neue stehen ganz am Anfang, die "Alten" wissen schon einiges und oft läuft es darauf hinaus, dass man mehr gibt als nimmt. Auf der einen Seite tut es gut, anderen zu helfen, doch irgendwie fühle ich mich damit nicht wohl - es reicht mir nicht. Sind meine Ansprüche zu hoch? Ist es normal, wenn man nach einigen Jahren Gruppenzugehörigkeit nicht mehr so davon profitiert wie am Anfang? Wie geht es denen von euch, die auch schon länger in einer SHG sind?

Die Frage "Wie gehe ich mit der Vergangenheit um?" stellt sich mir immer wieder. Bei der Suche nach der Antwort ist mir folgendes Buch begegnet:


"Alte Wunden heilen"

von Gabriele Stöger, Wilfried Reiter

"...
Das Buch geht davon aus, dass es sieben „schlimme Lektionen fürs Leben“ gibt, die wir als Kind gelernt haben: 1. „Ich bin hilflos“ in den Varianten „Mir hilft keiner“ und „Ich kann ja doch nichts daran ändern.“, 2. „Ich werde verlassen. Keiner ist für mich da!“, 3. „Das überlebe ich nicht!“ Existenzangst, 4. „Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig“, 5. „Ich bin nicht wichtig“, 6. „Ich kann keinem vertrauen. Auf nix ist Verlass“ und 7. „... weil ich nicht gut genug bin“.

Auf dieser Basis greift das Buch Situationen, Entwicklungen im Leben und die damit verbundenen Gefühle und Verhalten auf. Aufgrund dieser verinnerlichten Glaubenssätze, so die Autoren, geraten wir immer wieder in ähnliche Situationen (z. B. immer wieder vom Partner verlassen werden, schon wieder ein cholerischer Chef, ständige Selbstzweifel).
Erst wenn wir selbst diese Überzeugungen analysieren und „bereinigen“ bzw. durch positive ersetzen, gelingt es uns, die Probleme ein für allemal zu erledigen und aktiv unser Leben zu gestalten – und uns letztlich gut zu fühlen.
..."

Euch einen schönen Tag!
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Ja, Susan, dieses Gefühl zu einer Gruppe lerne ich auch gerade kennen. Es ist die geleitete Achtsamkeitsgruppe, die jetzt ein Jahr in fester Besetzung stattfand und wo jetzt im neuen Jahr drei neue Frauen dazugekommen sind, alle therapie- und gruppenunerfahren. Es kommt kein wirklicher Austausch zustande, die eine erwartet von uns anderen Wunderrezepte, und wenn sie erzählen, fühle ich mich ins letzte Jahr zurückversetzt, was mir nicht so gut tut. Ich werde das auch ansprechen nächstes Mal.

Vielleicht kannst du das auch tun? Das würde doch auch zur Bewältigung beitragen, und vielleicht bekommst du Rückhalt und Bestätigung, dass deine Gefühle da sein dürfen und deine Ansprüche nicht zu hoch sind? Trotzdem kann es natürlich sein, dass es an der Zeit ist, neue Wege zu gehen. Solche Fragen würde ich immer mit in die Therapie nehmen.

So, gleich ist mein Auflauf fertig,
bis denne
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

ich finde es gut, dass du vorhast, das, was dir an der Gruppe missfällt, anzusprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob es in meinem Fall Sinn macht, weil es wohl eher "normal" ist für eine offene Gruppe, dass es sich viel um die Neuen dreht, um "Erste Hilfe".

Ich hatte vor einiger Zeit den Vorschlag gemacht, das auf die Hälfte der Zeit zu begrenzen und den Rest für die gesamte Gruppe zu nutzen. Das lässt sich aber nicht immer so realisieren, weil es oft erforderlich ist, den Neuen mehr Raum zu geben.

Im Moment sehe ich keine Lösung. Andere Erfahrungen interessieren mich...

Du magst Recht haben, vielleicht bin ich an einen Punkt gekommen, wo ich mich fragen sollte, ob die Gruppe noch das Richtige für mich ist. Wenn es nach meiner Ärztin gehe, ist jeder Kontakt wichtig für mich. Ich sehe es ja auch so, aber wenn etwas mehr Kraft fordert als gibt - und den Eindruck habe ich zur Zeit - dann ist es schon an der Zeit, das Ganze mal zu überdenken.

Du siehst, in mir sieht es alles andere als klar aus. Wie schon so oft, denke ich, dass Depression viel mit Entscheiden zu tun hat - sich von etwas trennen, um neue Wege zu gehen - das tut oft auch weh und birgt Unsicherheit und Angst vor dem Unbekannten in sich. Dann fehlt "nur" noch der Mut, sich da auch reinzuwagen und das Alte hinter sich zu lassen....

Würde mich interessieren, wie deine Gruppe reagiert hat...

@all
Hier noch ein Auszug aus einem interessanten Text:

"....
Lebenskrisen sind eine Chance, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen, sie rütteln uns auf, stellen das Gewohnte in Frage und fordern uns zu Übergängen heraus. Die Ängste, die wir in solchen Momenten haben, entsprechen der Angst vor dem Sterben. Wann immer an Wendepunkten gewohnte Ordnung erschüttert wird, wird gebundene Lebenskraft frei und ordnet sich zu neuer Form. Wo immer wir hingegen diese Chance nicht wahrnehmen, vor dem Unbekannten zurückschrecken, uns vor der Verantwortung für das Neue drücken, zögernd den nächsten Schritt zu machen, deprimieren wir die Person, die wir werden, zugunsten der Persönlichkeit, die wir waren.
...."

mehr hier:
http://www.zist.de/arbeit/inhalt_art_buentig.html

Gruss an alle
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von Bellasus »

Hi Susan und Mitleser,

Entscheidungen treffen, die für das eigene Wohlbefinden wichtig sind - da steckt ja immer auch die Angst hinter, dass es vielleicht keine gute Entscheidung ist, aber rückgängig machen geht meist auch nicht, also halten wir oft viel zu lange aus als das Risiko einzugehen. Gerade in solchen Situationen finde ich es besonders schwer, das Bauchgefühl zu erkennen. Bestimmt weiß unsere innere Stimme, welche Entscheidung die richtige ist, aber sie wird übertönt bzw. ringt mit der Angst, sich zu lösen, auf Neues einzulassen, und eben eine Fehlentscheidung zu treffen. Ich stecke auch gerade in so einer Situation. Die Ergotherapeutin meinte vorhin auch, dass sie es einerseits für keine gute Idee hält, jetzt größere Veränderungen anzugehen (es geht um einen Stallwechsel des Pferdes), dass aber andererseits eine große Erleichterung möglich sein könnte, wenn ich aus dem jetzigen "ätzenden" Stallklima weggehe. Die Entscheidung ist gestern gefallen, im Affekt habe ich mündlich gekündigt und bin auf jeden Fall froh darüber, obwohl ich merke dass mir eigentlich die Kraft fehlt, denn ich muß einiges organisieren und klären, das Pferd ist ja schließlich kein Tennisschläger, den man mal eine Weile weglegen kann.

Wie wäre es denn, wenn du ein paar Treffen der SHG ausläßt und schaust, wie es dir ohne sie geht? Könntest du den anderen mitteilen, dass du vorübergehend nicht kommst? Vielleicht reichen ja wenige Wochen, und dann sind die Neuen so weit integriert, dass sich nicht mehr alles um sie dreht. Ich habe keine SHG-Erfahrung, war ja nur einmal zur Probe da und habe gemerkt, dass ich mir auch nicht alles von den anderen anhören konnte, überhaupt nicht aufnahmefähig war, geschweige denn ihnen irgendetwas geben konnte.
Meine Gruppe mißfällt mir ja nicht wirklich, im Gegenteil, aber diesen einen Punkt stecke ich eben nicht so weg. Das nächste Treffen ist erst Anfang September, ich berichte dann.

Den Text habe ich gerade überflogen, lese ihn nochmal in Ruhe. Normal ist, was alle tun, auch wenn es ihnen nicht gut tut, das sehe ich auch so. Wie bekommt man es aber hin, gegen den strom zu schwimmen, für sich gesund und nicht normal zu handeln und damit im Heer der Normalos nicht permanent anzuecken? Wie oft höre ich "man muß doch aber", "wir müssen doch alle" u.ä., und wenn ich mich aus dieser schiene ausklinke, bin ich die Verrückte. Wobei ich zugebe, dass meine Unsicherheit und sicher auch mangelnde Diplomatie zu meinen Problemen beitragen. Jedenfalls ist das ein Grund für den geplanten Pferdeumzug.

Genug für den Moment, einen gemütlichen Abend für euch

Annette




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maggy
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Re: step by step - Depression als Chance? II

Beitrag von maggy »

Liebe Susan,
...und wieder mal kreuzen sich unsere Wege !

Texte und Seminare mit Wolf Büntig haben mein Leben in den letzten Jahren sehr geprägt.
Besonders ein Vortrag von 1993:
Angst vor dem Sterben, Angst vor dem Leben!

In dem Vortrag kommt auch der Text vor, den Du zitiert hast.

Wenn Dich der ganze Vortrag interessiert, schick ich ihn Dir gerne.

Alles Liebe
von
Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
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