Depression und eineiige Zwillinge

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Bienemaja
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Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Hallo liebes Forum,

ich eröffne mal ein neues Thema, da ich unter "Suchen" zu dem Begriff "Zwillinge" nichts gefunden habe.

Ich selber bin Teil eines eineiigen Zwillings. Man hört ja immer wieder von Untersuchungen zu Depressionen an Zwillingen (wegen der Vererblichkeit). Ich kann nur sagen, dass meine Schwester zum Glück bisher von Depressionen verschont geblieben ist und dass, obwohl wir uns sehr ähnlich sind, sehr ähnlich leben, uns ähnliche Gedanken machen etc...

Zwilling sein ist mit Sicherheit nicht immer einfach, hat bestimmt viel Einfluss auf die persönliche Entwicklung.

Der Chefarzt der Klinik, in der ich mal für 8 Wochen zur Kur war, hat mich mit dem Satz verabschiedet "... und eineiiger Zwilling, das sind schwere Päckchen, die Sie zu tragen haben, gehen sie vorsichtig mit um!" und lies mich damit im Regen stehen.

Ich bin gespannt, ob hier noch mehrere Zwillinge unterwegs sind und welche Erfahrungen Ihr gemacht habt?!?

Lieben Gruß

Sumse
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »



gibts hier denn keine Zwillinge?

Schade, ich wäre wirklich dankbar für ein wenig Austauschmöglichkeit zu diesem Thema "Zwillingsdasein" (auch ohne den Aspekt Depressionen )

nochmals lieben gruß
(freue mich auf auch jede andere AW?)

Sumse
Dendrit
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Dendrit »

Hallo Sumse,

ich bin in keinerlei Weise ein Zwilling (is' vielleicht auch gut so ), möchte Dich etwas "beruhigen". Viele lesen nicht täglich oder regelmäßig. Es kann durchaus sein, dass später jemand Deinen interessanten Beitrag liest und sich darüber freut, jemanden "Gleichbetroffenen" gefunden zu haben.
Aber ich kann Dich verstehen - warten und Geduld, kann schrecklich sein!

Ich wünsch Dir alles Liebe

Manuela
Bienemaja
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Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Hallo Manuela,

Geduld ist nicht meine Stäre, da hast du Recht

...kann ich das gleich mal zum "üben" nutzen!

Warte ganz gespannt, ob sich was tut!

Danke für Deine liebe Antwort!

Sumse
Heckenrose
Beiträge: 243
Registriert: 31. Mär 2003, 16:31

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Heckenrose »

Hallo Sumse,

Dein Beitrag hatte mich spontan zum Antworten animiert, und doch überlege ich seit Tagen, was ich Dir eigentlich zu dem Thema schreiben kann oder möchte.

Ich bin ebenfalls eineiiger Zwilling. Meine Schwester leidet nicht unter Depressionen und kann sich das auch nicht richtig vorstellen. Ihrer eigenen Aussage nach kann sie damit nicht umgehen. Sie kann einfach nicht akzeptieren, dass "man dagegen nichts tun" kann. Immer wenn es mir besonders schlecht ging, hätte sie mich am liebsten in einer "geschlossenen Anstalt" gesehen und wenn es mir wieder besser ging besorgt gefragt, wie denn mein "armer" Mann damit zurecht kommt. Es hat mich jedes Mal tief verletzt, wütend gemacht und ratlos. Ich habe sie dafür gehaßt, dass sie nicht bei mir war in solchen Momenten und gleichzeitig hätte ich sie nicht ertragen können. Ein Freund - ebenfalls Zwilling - sagte mir mal, dass man alles, was man sich selber antut, auch seinem Zwilling antut. Ja, vielleicht hat sich mich für meine Selbstmordgedanken gehaßt. Vielleicht kann sie aber auch wirklich nicht mit meinen Depressionen umgehend und wüßte mich gerne in Sicherheit (Klinik). Ich weiß es nicht.

Kannst Du Dir ein Leben als Nicht-Zwilling vorstellen? Ich kann es nicht. Seit meiner Entstehung, gab es meine Schwester. Wir kamen zu früh auf die Welt und verbrachten die ersten 5 Wochen unseres Lebens im Brutkasten. Diese Trennung meine ich noch heute zu spüren. Plötzlich war ich getrennt von meiner Mutter und von meiner Schwester. Der Beginn meiner Depressionen?

Sicher ist es schwerer, sich als Zwilling abzugrenzen und seine eigene Individualität zu leben. Man wird ständig verglichen, es heißt dauernd "ihr, Euch, wir, unser..." Ja, es ist schwer. Heute gehen wir unsere eigenen Wege und wohnen auch schon seit vielen Jahren in verschiedenen Städten. Den Wunsch, mich ganz von meinem Zwilling freizumachen habe ich nicht. Die Distanz ist gut - und trotzdem ist und bleibt sie ein Teil von mir. Ob das ein Nicht-Zwilling versteht?

Konntest Du vielleicht Parallelen entdecken? Ist Dein Zwilling ein schweres Päckchen für Dich?

Liebe Grüße,
Ele
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Liebe Ele,

vielen lieben Dank für Deine Antwort, das freut mich sehr, dass ich mal in Kontakt komme, mit jemandem der es kennt, Zwilling zu sein und ebenfalls Probleme mit Depressionen hat.

Ein Dasein als "Nicht-Zwilling" kann ich mir nicht vorstellen. Wir leben unter einem Dach, haben unsere gesamte Kindheit zusammen verbracht (die sehr schön war), waren lange zusammen in einer Klasse, hatten gemeinsame Freunde, gemeinsame Hobbies...Und doch immer wieder mein Versuch, mit abzugrenzen.

Der Besuch einer anderen Schule, das Wegziehen an einen anderen Ort zum Studieren und immer wieder zieht es mich zurück...

Meine Schwester und ich sind nicht die besten Freundinnen, wir reden nicht viel über Persönliches, über Gefühle etc... Das ist schon immer ein Problem bei uns in der Familie. Dennnoch denke ich, ich weiss sehr wohl, was in meiner Schwester vorgeht, was sie fühlt, wie sie in gewissen Situationen reagiert und letztendlich ist sie immer greifbar, immer da...

War ich dann weg, dann wurde unser Kontakt stärker, dann war da doch das Bedürfnis vom Anderen was zu hören und immer der Versuch meine Schwester in "mein Leben" zu integrieren, sie teilhaben zu lassen an meinen neuen Erfahrungen und umgekehrt...

Trotz all den Ähnlichkeiten, trotz unserer gleichen Art, Charakter etc. habe auch ich das Gefühl, dass meine Schwester nicht mit dem Thema umgehen kann, sie nicht auf mich zu geht, ich aber auch nicht von mir aus auf sie... Sie bekommt sehr wohl hautnah mit, was mit mir los ist, doch wir sprechen nicht drüber...Dabei hatte ich schon versucht, mich auch in guten Zeiten mehr zu öffnen, mehr von mir und meinen Gedanken preis zu geben.

Es ist der Versuch, dass sie ihr Leben "normal" weiterleben kann...Und gleichzeitig ist sie in solch einer Zeit "meine Verbindung zur Aussenwelt". Vielleicht verstehst du was ich meine? Wie Du sagst, das was man sich antut, das tut man auch dem anderen an, wohl im positiven, wie im Negativen ?!?Ich freue mich für sie, wenn sie aktiv sein kann, wenn sie ihr Ding macht, "unsere" Hobbies weiterbetreibt, vielleicht kann ich irgendwann wieder daran teilhaben?!?Wer weiss...

Auch wir sind zu früh auf die Welt gekommen, auch wir mussten im Krankenhaus bleiben, aber diese "Trennung" von Mama und Schwester ist mir noch nie so bewusst geworden, vielleicht ein Punkt, über den ich mal nachdenken kann/sollte?!? Wie spürst du das? Sind das Verlustängste?Was für einen Einfluss hat das auf dein heutiges Fühlen?

Wie war das bei Dir und Deiner Schwester, habt ihr euch auch so parallel entwickelt? Zum Beispiel im Schulischen/beruflichen? Bei uns war es unbewusst doch so, dass wir immer wieder am gleichen Punkt gelandet sind, die gleiche Schule gemacht haben, eine ähnliche Ausbildung obwohl ich das vorher bewusst anders machen wollte. Schon faszinierend...

Ich freue mich auf mehr Zwillings-Infos...

lieben Gruß

SUMSE
Heckenrose
Beiträge: 243
Registriert: 31. Mär 2003, 16:31

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Heckenrose »

Liebe Sumse,

wenn ich ganz ehrlich bin, möchte ich dieses Zwillingsthema nicht weiter vertiefen weil ich spüre, dass es mir dabei nicht gut geht. Trotzdem möchte ich Dir auf Deinen letzten Beitrag antworten und versuchen, Deine Fragen zu beantworten.

Ja, wir waren auch ganz lange in einer Klasse, hatten gemeinsame Freunde, gemeinsame Hobbies - und schon kratzt es in meinem Hals; mir wird es zu eng. Es gab so viele gemeinsame schöne Dinge, wir haben uns so viel erzählt, beinahe jedes Geheimnis geteilt. Sie war immer die erste, der ich alles erzählt habe. Auch nach meinem Selbstmordversuch war sie die erste, die ich aus der Klinik später anrief. Aber dieses Mal war sie nicht da. Nicht mit Worten, nicht mit Verständnis, nicht physisch. Vielleicht hat es sie derart geschockt, dass sie einfach nicht anders reagieren konnte. Vielleicht sind manche Wahrheiten meines Lebens für sie so bedrohlich, dass sie gar nicht erst darüber nachdenken möchte. Und vielleicht fällt es ihr gerade bei mir so schwer, weil ich ihr Zwilling bin. Jedes Thema zu nah, zu emotional verknüpft, zu subjektiv und manchmal die Frage "kann mir das auch passieren - ich bin ja schließlich ihr Zwilling?".

Es ist sehr schade, dass wir beide mit unserem Zwilling nicht über unsere Depressionen sprechen können. Mir ist schon klar, dass vieles meiner Geschichte bei meiner Schwester ganz anders angekommen ist. Aus ihrer Sichtweise eben und nicht aus meiner.

Ich kann Dir mein Gefühl, von Mutter und Schwester getrennt zu sein, vielleicht gar nicht genauer beschreiben. Dieses Bild entstand ganz langsam im Verlauf meiner Psychoanalyse. Mein ganzes Leben lang begleitet mich ein Gefühl von Kälte und Leere. Ich wußte ja, dass wir zu früh, zu klein und zu schwach auf die Welt gekommen waren, aber ich wußte nicht, dass meine Eltern uns nicht im Krankenhaus besucht haben. 6 Wochen. Als ich das mehr oder weniger beiläufig von meiner Mutter erfuhr "Kind, früher war das nicht so wie heute", habe ich sehr geweint. Und plötzlich war mir klar, woher diese Kälte kam. Und ich meine auch zu spüren, dass es meiner Schwester sehr schlecht ging. Ich hatte Angst um sie, hörte ihr Weinen, sah sie nicht, spürte sie nicht, verstand nicht.

Jedes Mal, wenn ich diese Kälte und Leere heute als ganz besonders schlimm empfinde, hilft mir zumindest das Wissen um meine ersten 6 Lebenswochen. Da muss doch eine ungeheure Stärke in mir stecken.

Ich wünsche Dir alles Liebe
ele
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Liebe Ele,

ich danke Dir für Deine ehrlichen Worte...

Ich möchte nicht, dass es Dir schlechter geht. Ich merke ja, wie sehr dich das beschäftigt. Du hast mir schon sehr viel Offenheit entgegengebracht und Sensibilität für das Thema gegeben, Danke

alles, alles liebe und Gute wünscht SUMSE
Heckenrose
Beiträge: 243
Registriert: 31. Mär 2003, 16:31

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Heckenrose »

Danke Sumse,

Dir auch alles, alles Liebe.
ele
Ann
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Registriert: 8. Aug 2008, 15:58
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Ann »

Hallo Sumse,

erst heute habe ich mal wieder ins Forum geschaut und deinen sehr interessanten Thread entdeckt.

Und jetzt melde ich mich als ebenfalls eineiiger Zwilling bei dir.
Und mein Zwillingsdasein verstehe auch ich als "Päckchen", das ich zu tragen habe, bzw. sehe ich das Aufwachsen ohne eigene Identität und die Trennungsproblematik als einen gewichtigen Faktor für meine Depressionen.

Du hast nicht erwähnt, ob du die Erst-oder Zweitgeborene bist, ich weiß auch nicht, ob das immer entscheidend ist. Bei mir war es das schon. Ich bin die Zweitgeborene, diejenige, die nicht mehr erwartet worden ist (meine Mutter wusste tatsächlich nicht, dass sie Zwillinge erwartete!). Und irgendwie wuchs ich wie im Schatten meiner Schwester auf. Dabei hatten wir eine emotional sehr enge Beziehung zueinander, besuchten dieselbe Klasse, waren immer zusammen, ich fühlte mich ohne sie nur "halb", auch ihr ging es so.

Die Trennung voneinander ging damals von ihr aus, sie lernte ihren Freund kennen. Das war eine schreckliche Krise für mich, ich wurde damit nicht fertig, meine erste offensichtliche Depression war die Folge (es ging mir vorher auch schon oft seelisch schlecht, ohne dass dies beim Namen genannt worden wäre).

Viele Jahre der Identitätssuche, der Abgrenzung folgten. Und immer ist da dieses emotionale Gummiband zu ihr, das nicht zu trennen ist.

Meine Schwester hatte auch schon seelische Krisen, aber weniger ausgeprägt als ich. Ich habe das Gefühl, dass ich als Zweitgeborene noch mehr zu zappeln habe, um überhaupt über Wasser bleiben zu können, geschweige, dass ich viele eigene Schwimmbewegungen zustande brächte.

Veränderungen oder Krisen bei einer von uns beiden löst auch jeweils in der anderen viel aus. Als ob wir tief innen untrennbar zusammenhängen.

Dabei leben wir nun schon seit 15 Jahren in verschiedenen Städten, sehen uns nicht allzu häufig. Telefonkontakt haben wir dagegen recht oft.

Seit einigen Monaten bin ich in Psychoanalyse und dort ist die Beziehung zu meiner Schwester ein ganz entscheidendes Thema. Was ich mit ihr erlebt habe und erlebe wirkt sich stark auf mein Verhalten in meinen Beziehungen aus. Der Symbiosewunsch, das Problem, allein zu sein, die Angst, verlassen zu werden einerseits. Und das Gefühl der Enge, des Gefangenseins andererseits.

Das sind mal ein paar Ausschnitte aus meinem Zwillingsdasein, Sumse.

Ich würde mich über einen Erfahrungsaustausch freuen!

Liebe Grüße
Ann
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Liebe Ann,

ich bin tatsächlich auch die Zweitgeborene!
Allerdings dachte ich da immer anders drüber, nämlich, dass meine Schwester (sie ist 3 min älter) die ganze Vorarbeit leisten musste und ich es dann meiner Mutter noch schwer gemacht habe, weil ich eine Steissgeburt war?!?

Anders als bei Dir wusste unsere Mutter aber schon eine ganze Zeit, dass sie Zwillinge bekommt!

Ich kann es nicht genau sagen, doch auch meine erste offensichtliche Depression fällt mit unserer ersten (von mir gewollten) Trennung zusammen. Damals nämlich habe ich mich bewusst für eine andere Schule entschieden als meine Schwester, zwar in der gleichen Stadt, aber es hatte so garnichts mehr miteinander zu tun. Die Erlebnisse, die ich dann in dieser Schule hatte, hatte meine Schwester eben nicht und ich denke, auch diese waren ausschlaggebend für meine Depressionen.

Letztendlich hat sich ab da unser berufliches/ schulisches Leben zwar getrennt von einander entwickelt. Wir haben beide mal angefangen zu studieren, haben beide mal einen Ortswechsel versucht, aber letztendlich nahmen beide eine sehr parallele Entwicklung und nun arbeiten wir beide in ähnlichen Bereichen und wohnen nach wie vor zu Hause zusammen...auch ich würde das als Versuch der Abgrenzung von beiden Seiten versuchen, aber ich denke, das unsichtbare Band führt doch immer wieder zusammen und zeigt, dass man einander braucht?!?

Auch bei uns ist es so, dass ich die Depressionen habe, dass meine Schwester auch schon Krisen hatte, auf ähnliche Situationen gleich reagiert wie ich, nur dass es sich bei ihr nie zu einer Depression und Zusammenbruch zugespitzt hat, vielleicht hat sie immer noch rechtzeitig eingelenkt?!? Aber da sieht man, wie hauchdünn der Grat zwischen negativem Denken und enden in einer Depression ist...

Ich freue mich, mehr von Dir und Deinem Zwillingsdasein und dessen Auswirkungen auf die Psyche zu hören.

Wie geschrieben, man hat mir das mit dem "Päckchen" in einer Kur mit auf den Weg gegeben. Meine Therapeutin und ich haben auch schon das Thema besprochen, doch es wurde nie so intensiv und offensichtlich, dass es direkt etwas mit meiner Depression zu tun hat.

Es kommen so viele Faktoren zusammen, ich finde es unheimlich schwierig, da den wirklich ausschlag gebenden Punkt zu finden!

In Neugier auf deine AW

SUMSE
Ann
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Ann »

Liebe Sumse,

ich habe eben noch einmal deinen und Eles Beiträge durchgelesen und ich kann so viel davon bestätigen!

Besonders den Satz "was man sich selbst antut, tut man in gewisser Weise auch seinem Zwilling an". Diese Verbindung ist irgendwie untrennbar, ich empfinde es stark so. Als ich das erste Mal mit Depression in eine Klinik kam, hielt auch meine Schwester viel Distanz zu mir. Sie studierte in dieser Zeit und hatte ihren Freund, ich gebe zu, ich beneidete sie um ihr "normales" Leben sehr.

Später erzählte sie mir dann mal, dass sie in dieser Zeit meines Klinikaufenthaltes das Gefühl hatte, auf total schwankendem Boden zu gehen. Sie brauchte wohl diese Distanz zu mir, um nicht völlig abzustürzen.

Manchmal glaube ich, dass meine Schwester durch die Tatsache, die Erstgeborene zu sein, diesen Tick mehr Kraft mitbekommen hat, den es braucht, um nicht unterzugehen, sich auch mal durchzusetzen. Sie musste sich sozusagen den Weg "bahnen", während ich dann noch mit der Zange geholt worden bin.

Ich weiß nicht, ob das stimmt, es sind so unbewusste Gefühle, die mir sagen, dass etwas dran sein könnte.

Sie war die Aktivere von uns beiden, betrieb eben auch unsere Trennung. Ich war diejenige, die sie erleiden musste. Das "Opfer", das verlassen wurde.

Dieses Muster zieht sich durch meine späteren Beziehungen, ohne dass ich das wirklich bewusst gemerkt hätte. Jetzt in der Psychoanalyse wird mir so manches erst klar.

Über unsere Gefühle tief innen konnten meine Schwester und ich auch nicht offen reden. Genau wie bei dir haben wir es in der Familie nicht gelernt, da wurde soviel totgeschwiegen.

Später dann versuchten wir es, auch über unsere Zwillingsbeziehung zu sprechen, aber es ist sehr sehr schwierig. Wir fühlen wohl beide, dass wir uns gegenseitig sehr verletzen können. Wenn es vorkam, kam es jeweils zu einer Krise bei uns beiden. Davor schrecke ich zurück.

Ich fürchte auch, durch die Abgrenzung das Gefühl des inneren Zusammengehörens zu gefährden - und das halte ich dann nicht aus.

Unlösbar? Ich weiß es nicht.

Erlebtest bzw. erlebst du auch Rivalität mit deiner Schwester?

Ich habe mir das gar nicht erlaubt, denn wir gehörten ja "zusammen". Was im Untergrund trotzdem da war bzw. da ist, lerne ich erst jetzt allmählich kennen.


Bin gespannt auf deine Antwort und sende dir liebe Grüße - von Zwilling zu Zwilling !

Ann
Bienemaja
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Hallo Ann,

bewusst hat es bei uns keine Rivalität gegeben, nein, nie hat jemand gesagt, die eine ist aber viel besser, toller, schöner, klüger (was weiss ich noch alles ) als die andere.

Aber auch ich denke, unterbewusst läuft da sehr viel mehr ab und man ist einem ständigen Vergleich und "in den Spiegel gucken" und eigentlich sich selbst sehen, ausgesetzt...Daher wohl auch der große Ehrgeiz, der uns beide immer getrieben hat, in Schule, in Sport, in Allem.

Vielleicht doch der unterbewusste Drang, es immer noch einen Tick besser zu machen, einen Schritt schneller zu sein, als die andere?

Das treibt vielleicht zu Höchstleistungen, kostet aber viel Kraft?!?

Und dann behält man das vielleicht auch in späteren Situationen, in denen man nicht mehr im direkten Vergleich steht, bei und kann es nie gut genug machen, legt die Messlatte immer noch ein paar Zentimeter höher?!? Auch nur so eine Assoziation... Ist das bei Dir/ Euch auch so ?!?

Wir sind noch in der Phase, wo wir nicht darüber reden, ein ganz langsames herantasten vielleicht, an die Auseinandersetzung mit unserem Zwillingsdasein, aber eigentlich weiss ich nicht, ob meine Schwester es genauso empfindet?Ich gehe einfach davon aus?!?Wie man bei so vielem davon aus geht, zu wissen, was in der anderen vorgeht, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Vielleicht ist der Umgang wirklich so sensibel, weil man mit allem , was man sich selbst/ der anderen antut, immer gleich 2 Leute verletzt?!?Beziehungsweise alles was einem Selbst, bzw. der anderen angetan wird, beiden angetan wird?!?

Vielleicht lassen unsere Zwillinge uns deshalb mit unseren Depressionen alleine, aus Angst, genauso zu empfinden?!?

Ich nehme es ihr nicht übel, dass sie sich in solchen Situationen zumindest psychisch von mir distanziert, ich weiss nicht, wie ich mit der umgekehrten Situation umgehen würde...In vielen Situationen, die mir selbst zugestoßen sind oder meiner Schwester, konnten wir uns nicht gegenseitig davor bewahren, diese Erfahrung der anderen zu ersparen...Eigentlich leiden immer beide oder es geht beiden gut, denn es kann nicht der einen gut gehen, wenn es der anderen schlecht geht, oder?!? Es ist schwierig, sich davon zu distanzieren und sich selbst zu finden!?!

Puh, soweit erstmal...

lieben sonntäglichen sonnigen Gruß

SUMSE
Ann
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Ann »

Liebe Sumse,

was hältst du davon, wenn wir unseren Austausch über unsere Zwillingsproblematik per Mail weiterführen? Mein Userprofil ist freigeschaltet.

Für mich ist mein Zwillingsdasein einer der entscheidenden Faktoren dafür, wie mein Leben verlaufen ist. Einerseits diese tiefe emotionale wortlose Verbundenheit mit ihr, an der sich alle späteren Beziehungen messen lassen mussten. Andererseits das dauernde Ringen um Abgrenzung, darum, als Individuum überhaupt wahrgenommen zu werden. Von den Eltern, den Verwandten, den Bekannten, den Freunden. Den wirklich eigenen Weg zu finden.

Ich bin da noch mitten dabei.

Ich würde mich freuen, wenn du an einem Mail-Austausch interessiert bist.

Liebe Grüße
Ann
Bienemaja
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Re: Depression und eineiige Zwillinge

Beitrag von Bienemaja »

Hallo Ann,

das können wir gerne machen

Wäre auch wirklich sehr interessiert noch ein paar spannende "Zwillings-Details" mit dir zu besprechen.

Bis dann per E-Mail

Gruß SUMSE
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