Arbeitsumgebung und Depression

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AW40
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Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Hallo!
Bin neu hier; habe soeben einige der Beiträge gelesen - kann vieles von dem unterschreiben, was ich gelesen habe, und freue mich an vielen guten Gedanken, die hier zu finden sind.

Bin 38 und gehöre seit 15 Jahren zur "Zunft" der Depressiven. Lange Zeit war ich allein mit diesen Problemen, erfuhr keine Behandlung. Zwar erfolgte auch eine Therapie (tiefenpsychologisch - war das Geld nicht wert, das die Kasse dafür zahlte!!), auch einmal stationär (am besten, am wohlsten taten mir die Mit-Patienten!!). Aber mir scheint, den Großteil des Weges muss man alleine gehen. Eine schwere Biografie lastet da auf einem; viele kennen und verstehen das jedoch nicht.

Ich habe eine etwas "delikate" Problematik, was meine Arbeit angeht. Durch die Depressionen brach ich in jungen Jahren mein Studium ab und landete als sog. Schreibkraft an der Uni (d.h. viel Arbeit, wenig Anerkennung, wenig Geld), ausgerechnet am Psychologischen Institut. Zum Einen hat sich das als sehr gute Quelle für Informationen erwiesen!! Zum Anderen ist aber genau meine Tätigkeit hier, die miese Stellung in der Uni-Hierarchie und vor allem der für mich belastende Chef eine Quelle von menschlicher Frustration, Druck und Verzweiflung und trägt dazu bei, dass es mir immer wieder schlecht geht.

Was kann man tun? Hat jemand eine gute Idee? Wie kann ich da rauskommen?

Danke vorab an Euch.
ursus
Beiträge: 159
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Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von ursus »

Hallo,

Patentrezepte gibt es nicht. Du solltest versuchen, Dir möglichst viele Freiräume zu erhalten, Deine Tätigkeit mit angenehmen Erlebnissen anzureichern und für ausreichenden Freizeitausgleich zu sorgen. Zugegeben, in Deiner Beschäftigungssituation ist das nicht leicht.

Aber Grund zur Unzufriedenheit kann man auch in besseren Positionen haben. Ich befinde ich in einer vergleichsweise komfortablen Beschäftigungssituation, sieht man von dem Umstand ab, dass ich mir eine abwechslungsreichere, interessantere und selbstbestimmte Tätigkeit wünsche. Aber Entscheidungsspielräume, Bezahlung und soziale Sicherheit sind OK. Jedenfalls im Prinzip, denn der Arbeitgeber ist durch unvorhergesehene längere Krankheitszeiträume aufmerksam geworden, und jetzt stehe ich unter erhöhtem Kontrolldruck. Das verkrafte ich nur schwer. Ich wünsche mir mehr Fairness.

Da ich mittlerweile eine Abmahnung wegen Unpünktlichkeit kassiert habe, überlege ich nunmehr ernsthaft, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, um mein Beschäftigungsverhältnis abzusichern. Das war für mich eigentlich immer ultima ratio, aber langsam ist es so weit.

Was die erfreulichen Seiten des Lebens angeht: Ich lese viel und beziehe daraus Kraft und Zuversicht. In Zukunft will ich wieder etwas mehr Musik machen - in meiner Stadt gibt es eine fast unüberschaubare Vielfalt an Chören. Dass ich momentan beruflich etwas unterfordert bin - an sich eine sehr unangenehme Situation, wenn man plötzlich zuwenig Arbeit hat -, wende ich ins Positive, indem ich mich mit anderen Themen befasse, Kontaktpflege betreibe o.dgl.

Aber als selbst Betroffener in einem psychologischen Institut zu arbeiten, stelle ich mir schwierig vor, vor allem wenn die Arbeitsatmosphäre nicht stimmt. Hast Du einmal an Stellenwechsel gedacht, oder halten Dich die Arbeitgeber mittlerweile für zu alt?

Zum Schluss ein Web-Tipp: http://www.ichkannsonichtarbeiten.net/blog/

Grüße
ursus
AW40
Beiträge: 11
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Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Hallo Ursus,

danke für Deine Antwort.
Deine Tipps habe ich bereits versucht -
ohne Erfolg.

Die (Berufs-)Situation hat mich über die Jahre völlig entkräftet; mir fehlt mittlerweile jeglicher Schwung, beruflich und privat - und so soll ich mich auch noch bewerben? Wo man doch nur fitte, zuversichtliche, bestqualifzierte, vor Power sprühende Leute braucht? Ja, ich bewerbe mich - aber erhalte nur Absagen. Kein Wunder auch, bei dem Lebenslauf....

Weißt Du übrigens, was eine Bezahlung nach BAT VII heißt? Schau' mal nach! Da hast Du einfach keine Freiräume, finanziell gesehen, jedenfalls nicht in einer Universitätsstadt, in der auch noch die mieseste Wohnung schweineteuer ist. (Die Stadt, in der ich wohne, ist nach München übrigens die zweitteuerste in D.)

Der Öffentliche Dienst macht nun auch noch Druck: Arbeitszeitverlängerung, Stellenstreichungen (mit Verteilung der selben Arbeit auf weniger Schultern), Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (was in meiner Tarifklasse sowieso nur die gröbsten Löcher stopfte). Ich weiß nicht mehr, wie ich das auch noch aushalten soll. Aber man hat mich durchhalten gelehrt, durchhalten, stark sein (und ich wollte das ja auch selbst!!) - mit Parolen wie "Flüchten oder standhalten?" Nur nicht nachgeben (auch wenn Flucht Dein Leben retten könnte!!). Schon gar nicht, wenn Du sowieso alleine da stehst, ohne Partner, ohne Freunde. Wer fängt einen da denn auf? Nein, da klappst Du irgendwann eben einfach zusammen und bist weg.

"Hilfe" habe ich auch versucht, mir zu holen. Aber die ganzen Tipps sind so unrealistisch, dass es mich manchmal regelrecht wütend macht - à la "Machen Sie mal Urlaub, nehmen Sie eine Auszeit" - wovon ich das bezahlen soll, wenn es sowieso kaum reicht - da fragt keiner danach!! Es ist zum Kotzen.
Ich habe mal gelesen, Psychologie muss eine "Sozial"-Psychologie sein, sonst sei sie keine. D.h. wenn Du nicht die Lebensumstände, die Umgebung, mit einbeziehst und änderst, dann hat es keinen Zweck. Das sollten sich mal die ganzen Adepten der Individualpsychologie aus der Therapeutenriege hinter die Ohren schreiben!! Die machen es sich manchmal ganz schön einfach. Depression ist multifaktoriell, bio-psycho- und sozial bedingt, und nix Anderes!!!

Trotzdem - danke für Deine Reaktion. Ich sehe mir die Website auch mal an.
Grüße
A.
Indyra
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Registriert: 24. Mai 2005, 18:41

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von Indyra »

Hi A.

das prob hab ich ähnlich. bin durch eine schwierige kindheit im berufsleben ned grad voran gekommen, versagensängste bei prüfungen und schon mit 16 von zuhause weg.
jetzt bin ich über 40 hab ein kind und arbeite als ungelernte in einem bereich der mich nicht gerade intellektuell beansprucht. ok damit könnte ich leben, bin froh einen job zu haben der einigermassen unkündbar ist.
mein problem sind meine direkten kollegen.
der eine ist ein choleriker , mit mir in einem raum und eine direkte vorgesetze die, entschuldigt den ausdruck, echt einen an der marmel hat, chaotin und hektikerin par excellence.
meine freude zu arbeiten , auch spass an dem job zu haben soweit es geht wird immer wieder sabotiert. wie soll ich das ausdrücken, z.b ich komme mit einem fröhlichen lächeln im gesicht morgends zur tür rein, kollege A , ich hab keinen bock, heut tu ich nix...
kollegin B schreckt zusammen weil ich anscheinend zu laut guten morgen gesagt habe und tür zu!
und ich finde es schwer, das zu ignorieren oder irgendwie nicht an mich ranzulassen.
die situation ist bekannt, betriebsrat obere vorgesetzte alle wissen um die problematik.
leider ein umsetzen von mir ist zur zeit nicht möglich , ich mach da ja auch die arbeit und sonst will keiner dahin .
ich würde so gern woanders arbeiten aber fühle mich total gefangen. in meinem alter mit abgebrochenen studium, tja wer will mich.
in letzter zeit reagiert mein körper permanent mit krank. richtig klasse. macht meine stellung nicht einfacher.
ich hab keine ahnung wie ich aus der falle rauskomm.

liebe grüsse
indy
fish
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Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo ...opfer,
was hast du dir denn für einen Namen ausgesucht...?

Was wolltest du denn mal studieren? War es ein wichtiges Ziel, das du hattest? Oder gar ein Traum?

Ich frage deshalb, weil auch aus anderen Motiven heraus studiert wird, das ist ja auch multifaktoriell (Erwartung der anderen, der Eltern, Status, Geld, weil der Freund/die Freundin auch studiert, weil einem die Berufswahl auf dem restlichen Arbeitsmarkt schwerfiel, oder es grade nichts gab, die Liste kann verlängert werden; ich war so ne Art Parkstudent, eigentlich wollte ich entweder Lehrer werden, das wurde damals grade als sehr ungünstig hingestellt oder noch lieber ins Handwerk, als Lehrling befand man mich kurzerhand als zu alt...)

* * *

Das mit dem Chef, ohne das Quälende dabei relativieren zu wollen, das erleben viele. Sie haben menschliche Macken, nicht zu knapp, sie stehen zum Teil selber unter Druck und sind einfach unfähig zu führen, das wird in den heutigen Zeiten woanders bei einem anderen Chef auch wieder auftauchen...

Gelegentlich kann man Erleichterung finden, wenn man sich stückweise gezielt anders verhält. Vielleicht die Opferhaltung aufgeben, ich beziehe mich jetzt ungebührlicherweise auf deinen Nick.

Klappt nicht immer, einen Versuch ist es aber wert.


Mir fällt beim Durchlesen des Threads hautsächlich auf, dass dir vielleicht ein vernünftiges Ziel fehlt, deswegen versauerst du möglicherweise so als Schreibkraft. Du beziehst dich auch auf deinen untergeordneten Status in der Uni-Hierarchie, also ist dir anscheinend wichtig, dass du mehr zum Sagen bekommst. Das ist ja auch verständlich, nicht jedem ist es gegeben, sich mit entfremdeten Anweisungen zufriedenzugeben, sondern er will auch beruflich was bewirken. Hast du über einen erneuten Anlauf zum Studium nachgedacht?

Das was du vielleicht an BaFöG kriegst, kann es möglicherweise locker mit deinem Gehalt als wissenschaftliche Schreibkraft aufnehmen; das weiß ich allerdings nicht, war nur so ne Idee, so'n Hoffnungsschimmer. Kann allerdings sein, dass wegen eine abgebrochenen Studienbeginns das erneute Studium als Zweitstudium begriffen wird und du Studiengebühren zahlen musst.

Wenn das nicht hinhaut, ist die Überlegung auch recht angebracht, was mache ich mit meinem Privatleben, wie kriege ich da wieder Sinn rein. Und wenn es eine Selbsthilfegruppe leiten ist. Nur so als Idee.

Wenn du das alles schon hundertmal durchgekaut hast, Stipendien auch keine gute Idee sind, dann vergiß, was ich gesagt habe. Waren wie gesagt, so erste Gedanken, die mir beim Lesen auffielen. Dann wäre ein halbtherapeutisches-halbcoaching Gespräch keine schlechte Idee, wo man das mit einem Menschen vom Fach, durchgehen kann. Das gibt sicher Erkenntnisgewinn. Wenn kein Geld dafür da ist, was ja offenliegt: einfach wieder über die Kasse eine Therapie beantragen, in der du wie in jeder vernünftigen Therapie, natürlich auch "gecoacht" wirst. Auch wenn du keinen Bock darauf hast, was ich verstehen kann. Aber n-ü-t-z-e doch mal diese Herrschaften!

Und die Therapieziele diesmal so festlegen, dass dein weiterer beruflicher Weg eins der wichtigen Haupthemen wird. Das kann man in meinen Augen sowieo nicht trennen, ein zufriedenmachender Beruf und das Seelenleben. Das Ziel zu nennen, ist Aufgabe des Klienten, du hast es also in der Hand.

Grüße in den Tag

Wanda


Woran du einen guten Thrapeuten erkennen kannst: Das ist eine/r, die/der fragt: Was haben Sie denn schon alles ausprobiert, damit es Ihnen besser geht? Damit vermeidet er, dass er selber dauernd Vorschläge bringt, der Klient ihn mit dem "Ja, aber.." managt.

So ein kluges, gerissenes Kerlchen wünsche ich dir. Und natürlich mit guter Chemie, das ist das wichtigste.
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von ursus »

Hallo A., hallo Wanda,

zunächst einmal: BAT VII ist dramatisch schlecht, egal, ob man in Düsseldorf, in Frankfurt oder in Magdeburg lebt. Wenn man dazu noch Landesangestellter ist (die Länder haben m.W. den Tarifvertrag gekündigt, so dass man schlechter gestellt ist als kommunale oder Bundesbedienstete, außerdem sind die Länder wohl nicht an den Verhandlungen um den neuen TVÖD - Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst - beteiligt), sieht die Lage in der Tat wenig hoffnungsvoll aus. Zumal wenn man eigentlich überqualifiziert für seine Funktion ist.

Es soll kein Trost sein, aber erklären, dass andere Menschen sich in ähnlichen Lagen befinden: Ich kenne eine promovierte Geisteswissenschaftlerin, die sich mit einer nach BAT V (und 30 Wochenstunden) bewerteten Stelle durchs Leben schlägt, de facto natürlich vollzeitig im Einsatz ist und nebenbei Kurse geben muss, um ihren Lebensunterhalt (und z.T. den ihrer drei Töchter) zu bestreiten.

Die Probleme mit dem jeweiligen Chef kann ich ein wenig nachvollziehen. Leider bleibt es (für mich) bei dem Imperativ, sich gegen die Hierarchie Freiräume zu verschaffen. Natürlich, je weiter unten man angesiedelt ist, desto mehr ist dies graue Theorie. Aber ich habe mehrere Seminare zu Team- und Organisationsentwicklung, Kommunikation etc. besucht und immer wieder die Bestätigung erfahren, dass es nicht mein Verhalten, sondern das der Vorgesetzten ist, welches zu beanstanden ist. Ich denke, mit der Einsicht, dass man nicht selber der Schuldige ist, hat man schon viel gewonnen. Jedenfalls ging mir das so - ich bin normalerweise leicht geneigt, mir selbst die Ursache für Kommunikationsstörungen zu geben. Wenn ich aber nicht der Schuldige bin (und ich es nicht als meine Aufgabe ansehe, meinen Chef zu verändern), dann legitimiert die Situation mich, mentale Distanz zu meinem Arbeitsverhältnis zu entwickeln. Sicherlich ist das unbefriedigend, da man nun einmal so viel Zeit auf der Arbeit zubringt - aber es ist immer noch besser, als daran krank zu werden.

Meine Arbeit kann ich derzeit nur als Maßnahme zum Broterwerb verstehen, ich sehe es als reine Lohnarbeit an und habe keine darüber hinausgehenden Erwartungen mehr. Ich versuche mich nicht zum Lohnsklaven verbiegen zu lassen und meine Persönlichkeit zu retten, das ist alles. Was kann man in einer entfremdeten Arbeitswelt mehr verlangen?

Realistische Ziele zu verfolgen, scheint mir eine vernünftige Strategie zu sein. Alles auf einmal zu ändern, ist zu anspruchsvoll und gelingt in den wenigsten Lagen. Aber mit kleinen Schritten kommt man auch voran. Es gibt fast nichts im Leben, was man nicht wieder rückgängig machen oder ändern könnte. Diese Einsicht hat mir sehr geholfen. Den Vorschlag, wieder ein Studium aufzunehmen, finde ich sehr gut. Das ist eine Betätigung, die vermutlich wesentlich mehr Zufriedenheit mobilisiert, als Deine jetzige Tätigkeit.

Ich mache übrigens eine Verhaltenstherapie, die ich als überaus hilfreich empfinde. Ich kann mir vorstellen, dass die VT gegenüber tiefenpsychologischen Verfahren manchen Vorteil hat. Den Therapeuten muss ich aus eigener Tasche bezahlen - meine (private) Krankenversicherung übernimmt die Kosten nicht.

Was ich in der Therapie gelernt habe? Erstens, dass jeder Mensch an sich wertvoll ist. Das hat mir in der Theorie schon mein Philosophiestudium vermittelt, aber dass ich diesen Satz auch auf mich selbst anwenden muss, habe ich erst in der Therapie erfahren. Zweitens, dass ich für mein Leben und meine Lebensqualität über weite Strecken selbst verantwortlich bin. In der Opferrolle kann ich nicht glücklich werden.

Grüße
ursus
AW40
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Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Liebe Wanda!

Deine Message tat echt gut!!! Wie es überhaupt sehr gut tut, von Euch Mitlesern im Netz Reaktionen zu bekommen auf die eigenen Probleme, Hinweise, Tipps, neue Gedankengänge ....

Meinen Nickname habe ich aus dem Gefühl heraus gewählt, eben Opfer der Depression zu sein. Weil sie fatale Auswirkungen hatte und hat auf mein Leben. Weil das alles einen immer wieder herausfordert, vor neue Anforderungen, Anpassungen stellt.Und manchmal (oft?) fühle ich mich dem Ganzen nicht gewachsen - und manchmal kriege ich wieder Hoffnung und mache weiter. (Aber das geht wohl jedem mit so einer Art Belastung so.)

In der Tat habe ich wohl kein "richtiges" Ziel (hatte ich in beruflicher Hinsicht eigentlich noch nie so wirklich). Das unterscheidet mich auch von den ach so zielorientierten, karrieresüchtigen Nachwuchswissenschaftlern hier (und den gleichnamigen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt...)...
Erneut studieren kann (und will!) ich nicht mehr. Ich hatte damals Bafög bezogen und kann es mir auch schlicht nicht leisten. Wie Du geschrieben hast, habe ich das alles bereits hundertmal hin- und hergewälzt (nicht nur alleine) ...

Das Privatleben versuche ich. Auch da hatte ich so manche Niederlage einzustecken(inklusive eigener Fehler und Schwächen, manches auch depressionsbedingt, damals in meinen Zwanzigerjahren) und deshalb keinen Partner - aber auch das unterscheidet einen nicht wirklich von Anderen. Was mir sehr viel gibt, sind die Kontakte zu meinen Geschwistern und deren Kindern (meine Neffen und Nichten). Da fühle ich mich emotional aufgehoben, da bin ich regelrecht ein anderer Mensch. Da bin ich auch nicht depressiv oder sowas. Komisch,was? Die Crux ist, dass sie alle ein Stück weit weg von mir wohnen.

Dein Rat, erneut einen guten Therapeuten zu suchen, bedenke ich nochmals. Hatte bereits was angeleiert. Leider bin ich jedoch "beruflich" zu sehr mit vielen verquickt. Meiner Erfahrung nach scheitern viele Therapeuten auch an der Erfordernis, dem Klienten bei der Änderung seiner Lebensumstände wirklich zu helfen oder sie darin zu unterstützen. Jedenfalls war das bei meiner bisherigen Therapeutin so.

Liebe Wanda, Du hast sehr gute Gedanken ausgesprochen. Ich danke Dir sehr dafür! Und freue mich sehr, wenn Du mir wieder schreibst.

Deine A.
"aucheinofer"
fish
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Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo,
ähm...opfer,

also meine Tochter ist so eine der üblen karrierebewussten Naturwissenschaftler... Der macht das aber noch Spass, überlegt aber hin und wieder, ob der Businesskram wirklich "wärmt" und will in ein Forschungs-Doktorandum schlüpfen. Sie hat nur noch keins gefunden, das ihr behagt. Sie will Outdoor-Fieldresearch, am liebsten da, wo ich es sehr ungemütlich finde :Barrier Riff, Tiefsee, Amzonas-Krokodile, Felswand, Tropenhitze, Killeralgen,...

Also sei gewiss, diese übereifrigen Youngsters wollen eigentlich auch alle nur eins: ein gutes Leben mit viel Action, am liebsten aber: Wärme. Leider bedeutet heute Erfolg auch 1:1 große Anerkennung von außen. Und nach Anerkennung süchtig sein ist nach Liebe süchtig sein. In dieser Spirale ist man schnell drin, wenn man sich nicht rechtzeitig zurücknimmt und zum Meditieren, ähm ...in die Tiefsee oder an die Felswand sich zurückzieht...

Dass deine Familie dir sehr viel gibt, ist sehr gut. Aber es muss ausgewogen sein mit Geben und Nehmen, wenn man das Gefühl hat jemandem zur Last zu fallen, muss das angesprochen werden. Wir hatten hier einen Spanier wohnen, der hatte hier alles, Eigentumswohnung, etc, er hat aber seine Arbeit hier verloren und wurde depressiv. Er zog zurück nach Madrid zu seiner überlasteten Schwester in die Nähe und passt jetzt im Einvernehmen hauptberuflich als Au-Pair-Onkel mit großer Freude auf ihre Kinder auf, vermutlich kocht er auch, zumindest hat er hier recht gut gekocht, das Treppenhaus duftete.

Seine Augen leuchteten, als er mir das erzählte. Wärme und Kinder. Das hat ihm wohl hier gefehlt.

Warme Grüße

die Wanda
AW40
Beiträge: 11
Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Lieber Ursus,

Was Du schreibst, finde ich sehr tröstlich. Verständnis zu finden und zugleich Hinweise -das ist für mich im Moment sehr wertvoll. Lass Dir dafür herzlich gedankt sein!

Ja, mir sind (außer mir auch manche bekannt, die sich eher schlecht als recht durchs Leben schlagen (ähnlich Deiner Bekannten in BAT V). Dadurch ist das Leben oftmals einfach nicht lustig, sondern eher mühsam. Einen Rosengarten hat uns
eh keiner versprochen, nicht wahr? Aber manchmal kann's eben auch ganz schön hart sein..

Sehr gut tat mir, was Du zu den Vorgesetzten sagtest. Ich war auch einmal auf einem (subventionierten, daher für mich bezahlbaren) Seminar, in dem es um den "Umgang miteinander in der Arbeitswelt" ging. Die Erkenntnis der Mängel des Vorgesetzten ist hilfreich - manchmal im Alltag allerdings schwer durch- und aushaltbar. Jedenfalls bei meinem... Wenn ich's bedenke, bin ich schon recht häufig an ihm krank geworden.

Du hat eine gute Einstellung gefunden zu Deiner Arbeit - die eigene Persönlichkeit zu "retten", das genau ist es. Dafür braucht man eine dicke Haut, noch bessere Nerven, und wenn es sein muss eben auch einen Wechsel. Wie heißt es doch? "Love it, change it or leave it." Wenn's denn so einfach getan wäre, wie es gesagt ist!!


Die Selbstveranwortlichkeit für das eigene Leben teile ich - aber mit Einschränkung. Sie als ausschließlich anzusehen (und demzufolge ständig nur an sich selbst arbeiten zu müssen), ist mir zu wenig: Warum soll man immer nur selbst an sich arbeiten, aber das schädigende Verhalten Anderer bleibt unberücksichtigt, ungestraft? Die Lebensqualität hat in hohem Maße mit den Menschen zu tun, mit denen man tagtäglich zu tun hat, habe ich mal gelesen. Es reicht oftmals eine einzige Person, die einem nicht gut tut (ob ein schlagender Partner oder mieser Chef), um das Leben zu beeinträchtigen, zu vergiften, zu schädigen. Wenn es um körperliche (also offensichtliche) Misshandlung, um phyische Gewalt geht, dann ist das allen klar und sind alle damit einverstanden, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Das ist nicht zuletzt auch in unseren Gesetzen verankert.

Viel schwieriger aber, weil weniger offensichtlich, sind diese subtilen, alltäglichen, psychischen "Übergriffe" auf eine Person - und hier (bei allen eigenen Anteilen an einer Situation!) bei dem "Opfer" stehen zu bleiben, ist mir eben zu wenig. Du hast ja selbst gesagt, dass Du auch zu der Einsicht gelangt bist, nicht selbst der SChuldige zu sein. SChuldig ist man, wenn man zu lange in einer Situation bleibt, die einem erkanntermaßen schadet. (Warum man das tut, das ist ein weiteres, weites Feld und sprngt den Rahmen dieses Textes.)

Viele gute Grüße an Dich!
A.
AW40
Beiträge: 11
Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Liebe Wanda,

nenn mich einfach "A.", das ist mein Namensanfang. Ich schreib ihn lieber nicht voll aus, sonst erkennt mich jemand aus der Berufswelt noch...

Was Du schreibst mit der "Karrieresucht" als Suche nach Anerkenung, kann ich annehmen, das mag so sein - und ist doch leider fehlgepolt, weil die wahre, menschliche Anerkennung und Liebe (großes Wort!) meines Erachtens nicht über Erfolg und Status zu kriegen ist (auch wenn unsere Leistungsgesellschaft uns das glauben macht
und wir alle dem auf diesem Weg nachrennen!), sondern nur über die eigene
Menschlichkeit, Integrität, über die Fähigkeit, andere zu respektieren und achtsam zu behandeln - über
menschliche "Werte" eben. Oder bin ich da eine hoffnungslose Romantikerin??
Wenn sich Leute aus Karrieresucht unmenschlich, rücksichtslos verhalten und andere ausbeuten, wie sie sich selbst ausbeuten, dann habe ich einfach was dagegen. Es tut mir weh, so jemandem ausgesetzt zu sein, und mein Chef gehört nun mal zu dieser Sorte.

Soviel dazu. (P.S. Sollten sich irgendwelche Fehler, z.B. mit Icons oder so einschleichen, bitte ich um Entschuldigung: ich bin damit nicht so vertraut, bin zum ersten Mal in so einem Forum....)

Viele Grüße an Dich!!
A.
AW40
Beiträge: 11
Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Liebe Wanda,

noch ne Antwort von mir. Ich verlier etwas den Überblick, schreibe nur die Hälfte von dem,was ich will...

Studiert habe ich zunächst mal Religionswissenschaft und Romanische Philologie und bin dann auch Französisch/ Deutsch auf Lehramt "umgestiegen". Studiert habe ich auch aus einem "Auftrag" beider Eltern heraus (von beiden unterschiedlich), und weil auch meine Geschwister studierten und weil ich selbst nichts Besseres wusste und "Fremdsprachen" mich interessierten, was damals bei der Berufsberatung nur ergab: eben studieren oder Fremdsprachenkorrespondentin werden. Ich war eine ziemlich orientierungslose (prädepressive??) und von solchen Einflüssen bestimmte Abiturientin...
So richtig ernst genommen habe ich dann das Studium auch wohl nicht. Was mich vor allem interessierte, war nicht groß Teil des Studienplans: "Landeskunde" z.B.. Nach Grundstudium und Auslandsjahr kam dann auch schon die Depression auf: Versagensängste, Leistungsängste, Angst, Referate zu halten usw. usf. - das ganze Spektrum an Symptomen. So bin ich aus dem Studieren raus- und in meine jetzige Berufssituation reingeschlittert. Und stecke drin..

Du hast recht mit Deinem Hinweis auf Ausgleich, der vorhanden sein muss, dass man niemandem zur Last fällt und sich auch nicht für Andere verausgabt. Bei meiner Schwester ist das auf Ausgleich basiert: ich kann sie bestens unterstützen (muss aber auch Grenzen setzen!), weil ich mit ihren Kindern so gut kann, und mir macht es unheimliche Freude und gibt mir so viel Wärme, mit ihnen (der ganzen Familie) zusammen zu sein. Ganz so, wie bei Deinem Bekannten aus Spanien!

Ich müsste einfach einen Job in deren Nähe finden......

Grüße
A.
fish
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Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo A.,
Leute, die sich anderen oder Schwächeren gegenüber unmenschlich und rücksichtslos verhalten, haben oft selbst keinen Respekt vor sich selber. Es hat auch wieder mit Grenzen zu tun, anscheinend im Moment mein Lieblingsthema. Wer die eigene Grenze erkennt, erkennt sie auch bei anderen. Wer grenzenlos ist = maßlos, auch in Karrieresucht, Gier, der missachtet auch die Grenzen anderer. Im Grunde ist er ein Baby. Dies Babies lieben sich selbst nicht, weil sie vielleicht nicht geliebt worden sind, und sind so gesehen die ärmsten Schweine. Was uns nicht davon abhalten sollte, kontra zu geben. Denn sie haben anscheinend keinen Schalter, der zu ihnen sagt: Stopp. Das ist in meinen Augen der Hauptteil des Mobbing-Problems, ist auch ein Hauptteil des Folterproblems im Irak z.B. , wenn ich mal abschweifen darf.

Manche Forscher sagen, es sei in jedem Menschen drin ohne Stoppschalter weiterzumachen, wenn er nur entsprechend gebrainwashed wird und in eine entsprechende Situation mit Untergebenen oder Hilflosen gebracht wird.

Zu deinem Chef zurück. Er wird mehr Respekt haben, wenn er merkt, dass du selbstbewusster wirst. Es ist ein grandioser Automatismus, ich habe ihn zigmal staunend im Job beobachten können. Manche Berserker-Chefs oder Stichel-Chefs wurden "Lämmlein", sobald ihnen endlich mal berechtigter Widerstand entgegentrat. Dermaßen schnell wechselten sie die Attitüde, sogar vor Untergebenen.

Und ich arbeitete in einer Berserker-Branche (Medien/Werbung). Was da abgeht, möchte ich lieber nicht im Detail schildern. Da werden Leute nach Belieben heute fertiggemacht, morgen gehypt. Ich weiß von Textern, die aus dem Fenster springen wollten, von Kundenberatern, die im Meeting zusammenbrachen. Von Abteilungsschefs, die sich mit rostroter Birne im Flur eine halbe Stunde lang anbrüllten. Ha, ich habe auch mal jemanden aus dem Atelier herausgebrüllt. Der war später lammfromm vor Schreck. Natürlich ist so ein, sagen wir mal bodenständiger Umgangston, und kräftige Stimme nicht jedem gegeben. Grad bei Psychologen-Kollegen wird vermutlich eher das piekfeine Florett ausgepackt denn die Hacke. (...obwohl...? )

In meiner Berserkerbranche behauptete ich mich gut, weil ich solchen Chefs (es gab auch die mit dem Florett, das waren die gefährlicheren) selbstbewusst entgegentrat. Sie konnte mir nichts, weil sie irgendwo spürten, mit der geht es nur zu einer gewissen Grenze, die ist innerlich unabhängig und haut uns womöglich ab. Jetzt bin ich selbständig. Weil ich im Grunde das zwar kann mit solchen Leuten. Mich aber nicht unbedingt danach sehne, wenn du verstehst, was ich meine.

am liebsten ohne Kampfanzug

die Wanda

Was hältst du von einem klitzekleinen Selbstbewusstseinstraining? Volkshochschule?

Experiment: Breitbeiniger ins Büro laufen, Schultern durch. Und schau mal, was er dann macht. Du hast ja nix gesagt... Deswegen kann einem keiner kündigen, das wär neu.
fish
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Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo A.,
zum Thema orientierungslose Abiturientin.

Meine mittlerweile recht dynamische Tochter wusste auch nicht recht, was sie studieren sollte. Es war ein Grauen. Papa meinte Maschinenbau, weil sie technisch begabt war; ich meinte, sie soll doch mehr in sich gehen und einfach mal ein Jahr nix, oder ins Ausland oder irgendwo auf eine Heulerstation. Die wusste dermaßen wenig über ihre Vorlieben, dass sie uns fast anbettelte, wir sollten ihr das sagen. Nix da! jetzt bin ich froh drum, ihr nichts ins Ohr gepustet zu haben. Sie macht jetzt ihr Ding. Naja, hoffe ich mal. Und das kannst du auch, hörte ich da was von Landeskunde?

Schau, ich hab nen fertigen Beruf (für manche ein Traumberuf), und kann ihn auch halbwegs, zumindest hat sich keiner zu arg gewehrt, wenn ich ihm was machte. Und was muss ich feststellen? Dass ich im Konzept-Bereich viel besser bin (*angeb* * angeb* *funkel* *brillier*). Wenn ich das früher erkannt hätte, wär ich jetzt ein gutverdiender Planer, statt in einer Branche, wo sich alle Bildchenmaler auf die Füße treten, wer weiß?

Was ich sagen will, dass es mit eigener Entwicklung zu tun hat. Man kann nicht von den Leuten erwarten, dass sie mit 17 oder 18 wissen, wie ihr Leben auszusehen hat. Das ist Unsinn. Vor allem, wenn der Schweinezyklus (so heißt es tatsächlich in der Fachsprache) regiert.

Das ist die schwachsinnige Idee von dem einen, schnurgeraden Königsweg und der linear aufsteigenden Karriere. Dabei haben die meisten, die ich kenne, bereits mehrere Fähigkeiten und Berufe. Zum Beispiel vom Orientalisten (Arabistik, Doktorarbeit summa cum laude) zum Öko-Schreiner. Oder von der Sonderschülerin zur Dialyse-Expertin (meine Cousine). Von der Meeresbiologin zu Sales & Marketing eines Hightech-Produkts.

Man muss sich seine eigenen Entwicklungssprünge "verzeihen" können. Und mehr Naht zugeben, wie meine Mutter sagen würde. Sie war Schneiderin. Sie weiß heut noch nicht recht, was ich eigentlich treib, irgendwas mit Kunst & Computer...

Manchmal wär ich am liebsten Koch, das wär doch was.

die Wanda
(nicht dick, hör ich da ein Spötteln?)
fish
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Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

"...was damals bei der Berufsberatung nur ergab: eben studieren oder Fremdsprachenkorrespondentin werden..."

Ach, A. du auch Fremdsprachenkorrespondetin?

Sachma, Arbeitsamt-Berufsberatung? Haben die eigentlich üerhaupt mal was gemacht, außer Dummzoich? Das war nicht Berufsberatung (wär Beleidigung), das war hilfloses: wie kriech ich die Tochter wech von der Straße und anschließend unter die Haube.

Mann. Es ist.

Auch ein Opfer.

Wusste dann zwar immer noch nicht, was ich werden wollte..., wusste dann aber genau, was ich nicht werden wollte
Bin schnell in Sprachen schlechter geworden, meine Mutter hat dann automatisch von der Idee der Brüssel-Karriere-Sekretätin abgelassen.
AW40
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Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Liebe Wanda!

Deine Beiträge sind total erfrischend!! Tun mir saugut, wenn ich das mal so sagen darf....
Du hast recht: man muss denen, die einem weh tun, auch mal die Grenzen zeigen. Immer wieder habe ich das auch getan - mit dem Erfolg, das "er" stinkig wird, wenn etwas nicht mehr so läuft, wie er will. Kritik kann er übrigens nicht vertragen - und ist regelrecht taub auf dem Ohr. Mit "ihm", mit seiner Art und seinem Fehlverhalten hat das Ganze nämlich gar nichts und niemals etwas zu tun; mit dieser Haltung begegnet er den Problemen, gerade denen, die Andere (außer mir genauso) mit ihm haben. Sein Attributionsstil ist der: "die Anderen haben Probleme, ich nicht". Sollte man sich 'ne Scheibe von abschneiden....

Oftmals bin ich jedoch zu weich, will mich (vor dem Hintergrund des Studienabbruchs, der eigenen Versagensgefühle) ständig "beweisen", erfülle alle Bedürfnisse derer, die was von mir wollen - und sehe gar nicht, was ich leiste, wie stark ich doch auch (manchmal) bin - und wo ich stehe, trotz der Einschränkungen durch meine depressive Lebensgeschichte! Vielleicht keine schlechte Idee, mal so ein Training zu machen... Ich schweife ab.

Ja, mit Florett verstehen sie schon zu kämpfen, die Psychologen! Deine Branche scheint ja ein regelrechtes Haifischbecken zu sein. Wie überlebt man da? Vor allem, wenn man vielleicht schon mal depressiv war (ich schließe das daraus, dass Du hier im Forum schreibst, aber will natürlich nichts gesagt haben)? Kann mir gut vorstellen, dass Selbständigkeit da der bessere Weg ist.

Und nun noch zur Berufsentwicklung: Gut, dass Du Deiner Tochter nichts einredest (war bei meinen Eltern auch nicht so, eher handelte es sich um "unbewusste" Aufträge, Wünsche, Erwartungen).

Irgendwie habe ich schon von mir den "schnugeraden Königsweg" verlangt (rigide Vorstellung!) und tue es oft immer noch. Wie schwer es ist, das loszulassen , wie schwer, sich mit Beschädigungen des eigenen Lebens, mit Schwächen, mit "fehlerhafter" Biografie zu versöhnen.... Ich messe mich immer noch daran, was hätte sein sollen, müssen, können - wenn nicht diese blöde Depression mit allen ihren Folgen (!!) gewesen wäre. Wenn nicht der "Schweinezyklus" geherrscht hätte - lustiges Wort für eine Scheißsache! Hab' mich trotzdem darüber amüsiert.
Es gab bei mir eben nicht so große Entwicklungssprünge, dafür Stagnationen, "Scheitern" - oder doch ganz leise Entwicklungen, kleine Schritte, im Innern?? Vielleicht hilft ein Spruch: "Hoffnung heißt nicht, zu glauben, dass alles gut ausgeht, sondern zu glauben, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht."

Herzliche Grüße
A.
P.S. Kann man auch direkt über Mail Kontakt aufnehmen? Geht sowas? Oder verstößt das gegen die Kommunikationsregeln im Forum?
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von Bienemaja »

Hallo A., Hallo Wanda,

sehr interessiert habe ich eure Beiträge zu diesem Thema gelesen. Ich stecke eigentlich genau mitten in solch einem Dilemma...

Die letzten Jahre sind auch bei mir geprägt von der Suche nach meinem Weg und ich habe bisher nicht das Gefühl, ihn gefunden zu haben.

Auch ich war die ahnungslose Abiturientin, die aufeinmal nach dem Abitur da stand und eigentlich nur wusste, was sie nicht will, aber nicht, was sie eigentlich will?!? Studieren, ok, Wirtschafts-Abi, ok, sportlich, ok, also daraus ne Zukunft Formen, Interessen und Fähigkeiten unter einen Hut bringen, ok, also habe ich den für mich "richtigen" Studiengang gefunden und auch begonnen...Zunächst recht erfolgreich, was ich aber nicht sehen konnte, ich konnte nur sehen, wieviel besser und toller "die anderen" sind.Die, die durch Prüfungen gefallen sind, die habe ich nicht gesehen.

Dass das die ersten Anzeichen einer Depression waren, dass habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht "gerafft"! Dabei hatte ich das Gleiche schon einmal nach einem Schulwechsel nach der mittleren Reife hinter mir! Die Parallelen habe ich nicht erkannt, ich fühlte mich einfach unfähig, unnütz und überfordert...

Also Studienabruch und Alternative Berufsausbildung...mit sehr guten Leistungen, verkürzt aber unbefriedigt abgeschlossen, auch nicht das Richtige für mich?!?

Was ist das richtige für mich?!?

Eigentlich will ich doch was lernen, bin intelligent, will raus in die Welt...

...also doch nochmal begonnen zu studieren.

Ja begonnen, denn nach kurzer Zeit war ich schon wieder "am Ende" und Abbruch! Das auch das wieder eine depressive Episode war, habe ich nicht realisiert.

Keiner um mich rum hat es realisiert...Das das auch immer in die gleiche Jahreszeit fällt, war uns / mir bis dahin auch noch nicht klar, dabei ist es im "nachhinein" betrachtet, so offensichtlich!!!

Und nun bin ich seit einiger Zeit am Arbeiten, in dem Bereich, den ich gelernt habe, und unabhängig egal in welcher Situation ich bin, ich schlittere um diese Jahreszeit in eine Depression.

Ich bin geplagt von Selbstzweifeln, weil ich nicht weiss, was ich will, weil ich das Gefühl habe, beruflich nichts auf die Rolle zu bekommen, "versagt" zu haben, eigentlich ganz wo anders sein zu können, doch wo?!?

Immer wieder spielt mir meine Psyche einen Streich, auch ich empfinde mich und meinen beruflichen Werdegang heute als "Opfer der Depression", wer weiss, wie alles gekommen wäre,wenn man schon nach dem ersten Schulabbruch oder spätestens nach dem ersten Studienabbruch erkannt hätte, dass es sich um eine wiederkehrende Geschichte handelt?!?

Ich hoffe nur, dass ich aus meiner heutigen Situation lernen kann...Ich habe für mich erkannt, dass es kein "Scheitern" aufgrund von Fähigkeit und Intelligenz war, sondern dass ich durch die Krankheit ausgebremst wurde.

Ich versuche, mich nicht an den beruflichen Werten zu messen, doch es ist schwer, denn heute definiert sich ja fast jeder über den Beruf. Jeder small-talk, jede neue Bekanntschaft läuft fast zwangsläufig auf den lapidaren Satz "und was machst du so beruflich?" hinaus, tja...was soll man da sagen, wenn man nicht zu dem steht, was man tut?!?

ich verstehe dich sehr gut, A.

Trotz allem brauche ich diesen Beruf jetzt, um wieder "zurück ins Leben" zu kommen, doch ich möchte es schaffen, mehr Trennung in Berufliches und Privates zu bekommen.

Ich möchte mir mein Privatleben so angenehm gestalten, dass es nicht wert ist, sich von den beruflichen Problemen auffressen zu lassen. Ich möchte lernen, abzuschalten und auch mal fünf gerade sein zu lassen.

Die Medikamente, die ich nun das erste mal langfristig nehmen werde, sollen ihr übrigens dazu tun, obs klappt?!?

Liebe Grüße

SUMSE
fish
Beiträge: 423
Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo Sumse,
du bist ja schon auf dem richtigen Weg.
Dass das keiner sehen konnte, die auffälligen Muster, ist schon komisch.

Du schriebst:

"Ich versuche, mich nicht an den beruflichen Werten zu messen, doch es ist schwer, denn heute definiert sich ja fast jeder über den Beruf. Jeder small-talk, jede neue Bekanntschaft läuft fast zwangsläufig auf den lapidaren Satz "und was machst du so beruflich?" hinaus, tja...was soll man da sagen, wenn man nicht zu dem steht, was man tut?!?"

Sei sicher: Das stört nicht nur einen, der depressiv war. Das stört Normalos auch, diese Idealjob-Fixiertheit. Im deutschen geht es noch. Da fragt man oft nur: Und was machst du so? Man kann alles mögliche darauf antworten, auch, dass man grade nichts tut.

In UK wurde ich immer nur gezielt gefragt, sofort nach den ersten Minuten des Kennenlernens: "What's your profession"?, "How old are you?"
Nicht zu fassen.

Seitdem verärmle ich meine Katze und frage sie dringlichst nach ihrer offiziellen Daseinsberechtigung, wenn sie sich räkelt: "What's your profession you USELESS CHOCOLATE TEAPOT?"

Außerdem bin ich der festen Meinung, wir könnten von Katzen viel lernen.

Mit freundlichem miau

die Wanda
Bienemaja
Beiträge: 19
Registriert: 2. Mai 2005, 17:52

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von Bienemaja »

Hallo Wanda,

Lustig, dass Du das mit der Katze schreibst, denn mir gehts genauso...

Immer wieder beobachte ich dieses süße kleine Ding, wie es da auf dem Kissen liegt, schläft, sich müde räkelt, sich ausgiebig putzt, sich immer den für sie schönsten Platz in diesem Moment sucht, neugierig in die Welt hinaus möchte, uns immer wieder austrickst auf dem Weg dorthin, wie schlau sie ist, wie liebevoll, wie verschmust, wie sie Nähe sucht, wie aufmerksam sie ist, wie sensibel, wie hingebungsvoll...

Ein Katzenleben, ein Katzenseelchen ist schon was faszinierendes!!!

Im Moment fühle ich mich auf einem guten Weg, raus aus der depressiven Episode, ich hoffe inständig, aus dieser Phase zu lernen und Warnzeichen nächstes Mal früher zu erkennen und gegensteuern zu können.

Es hat schon viel mit Selbstwertgefühl, Selbstachtung und Selbstvertrauen zu tun, ob und wie sehr man sich von beruflichen Karrieren, anderen Charakteren beeindrucken lässt und seinen eigenen Weg, egal wie verworren er ist, seine eigene Persönlichkeit / Charakter, akzeptiert.

Miau und Ciao

SUMSE
AW40
Beiträge: 11
Registriert: 25. Mai 2005, 15:39

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von AW40 »

Liebe Sumse!


Danke! Wie vielen es doch ähnlich ergeht....

Dass die Anderen immer die Tolleren, Besseren sind - kenne ich nur zu gut! Trotz guter Leistungen, Abitur und auch noch im Studium habe ich mich immer soooooo klein mit Hut gefühlt. Scheiß Selbstzweifel...... Dass es keiner aus der Umgebung merkt (und man selbst zumindest am Anfang auch nicht), ist bitter. Aber: kann man es den Anderen verdenken? Jeder muss selbst gucken, dass er durchkommt. Wer schaut denn da noch auf den Anderen, guckt, was mit dem Nachbarn los ist? Selbst innerhalb der Familie ist man oftmals blind - oder verunsichert, weil man nicht weiß, womit man es zu tun hat.

Und die Unis kümmern sich (psychologisch) auch nicht groß um ihre Studienstrauchler. Wenn man nicht selbst aktiv um Hilfe nachsucht, kriegt man sie auch nicht. Und wenn, muss man Glück haben!
Hoffe, Du hast einen guten Fachmann/-frau zur Seite, die sich mit Deinen Depressionen auskennen. Vermute, es ist "SAD" (seasonal affective disorder), eine spezielle Form der Depression, die anscheinend auch gut mit Lichttherapie zu behandeln ist. (Jetzt kann ich mal mein "Fachwissen" auffahren - uääh, Selbstlob, pfui Teufel!!! Bitte nicht falsch verstehen, nur ein Tipp vielleicht für Dich.)

Du scheinst einen guten Weg zu gehen, mit den "angenehmen Dingen" im Privatleben. Jeder Therapeut legt einem das nahe! Wohl an.... Lassen wir uns nur nicht entmutigen, vor allem nicht von den "tollen Hechten"!!! Die haben nämlich so gar keine Ahnung, was wir leisten, indem wir uns immer wieder aufrichten, immer wieder neu um unsere (fragile) seelische Stabilität kämpfen, oft ein Leben lang!! Das sind keine "Erfolge", die sich in den gängigen Münzen à la Status, Karriere etc. niederschlagen - aber verdammt nochmal, wenn das alles, diese ganze Kämpferei mit einem "unsichtbaren" (weil nicht körperlichen) Leiden nicht Grund genug ist, auch mal stolz auf sich zu sein und auch eine "Leistung" ist - und eine Lebensberechtigung dazu!!

MIAU!
A.
fish
Beiträge: 423
Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Na Sumse,
sooo sensibel sind Katzen nu auch widda nicht.
Plärren nachts rum wegen "Weiwa", dass man nicht schlafen kann, nerven wegen Futter und kreuzeln meine Füße, dass es mich mitsamt Notebook hinhaut.

Weiter in der Blacklist:
- schlafen nachts auf dem weißen Schal, und ich hab morgens beim Kunden mega Fusseln aufm schwarzen Kleid.
- liebevoll zubereites Futter wird demonstrativ "verscharrt"
- beim Aufwachen auf meiner Blase rumtrampeln
- Vögel und Mäuse zum Zeigen und anschließender Showjagd in die Wohnung schleppen
- gerupfter Vogel nachts als Geschenk auf meinem Bett beim todmüde spät nach Hause kommen von der Arbeit

Von Katzen lernen: express yourself (Das war jetzt ironisch, bitte keine Moralkommentare...). *Die machen einfach nur ihr Ding*

Grüße

Wanda
fish
Beiträge: 423
Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Arbeitsumgebung und Depression

Beitrag von fish »

Hallo Ihrs,
zum Thema Chef:
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