Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

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häslein
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Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von häslein »

Liebe Forumianer,

heute habe ich wieder einmal gelernt, daß das Leben oft die Lösungen für uns bereithält, wenn wir sie auch nicht immer erkennen können.

In der letzten Zeit habe ich immer öfter das Gefühl gehabt, am Leben zu verzweifeln, nicht in dem Maße, mich ihm nicht mehr stellen zu wollen, aber ich bin doch sehr erschöpft, sehe den Weg nicht mehr und fühle mich von einem Strudel erfaßt, der keine guten Gefühle mehr in mir läßt. Jeder Schritt auf dem Weg nach Hause in mein Herz ist von Schmerz, Angst, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit begleitet.
Trotz allem denke und fühle ich, daß meine Seele es gut mit mir meint. Und heute meine ich wirklich, an dem Punkt angelangt zu sein, ein wenig genauer hinzuhören. Nein, das hat nicht meine Therapeutin in mir wachgerufen, es war ein Buch, das ich mir vor 3 Jahren gekauft hatte, in einem Jahr, in dem mein Leben durch zwei für mich bedeutsame Schicksalsschläge erschüttert wurde.
Ich möchte nun gar nicht zu sehr ins Detail gehen oder dafür Werbung machen, denn ein jeder muß den Weg zu seinem Herzen selbst finden, aber ich habe mich heute entschieden, bewußter mit der Dankbarkeit umzugehen. Statt nur zu sagen: "Ich bin unglücklich. Ich bin arm dran. Ich bin in einer Sackgasse. Ich bin im Stich gelassen worden. Ich bin äußerst skeptisch. Ich bin hier verkehrt. Ich bin zu spät dran. Ich bin häßlich. Ich bin ein Versager. Ich bin erschöpft....", will ich versuchen, diese Kräfte in die umgekehrte Richtung zu lenken. Ich will versuchen, dankbar zu sein. Erst mal für viele kleine Dinge, die mir gerade so einfallen. Aber da es ja darum geht, endlich aufzuräumen im Leben, setzte ich mir durchaus das Ziel, für alles dankbar zu sein, auch für den Schmerz und die Gefühle, die ich nicht immer einordnen kann zur Zeit, die mich aber dazu auffordern, mich mit dem zu beschäftigen, was meine Seele eigentlich von mir will.

Also will ich mal anfangen: erst einmal bin ich dankbar, hier so viele wundervolle Begleiter gefunden zu haben, eure Beiträge und Betrachtungen haben mir schon oft geholfen. Ich bin dankbar, morgen einen Menschen an meiner Seite zu haben (auch wenn er mich nur mit dem Auto fährt und auf mich wartet). Ich bin dankbar für neue Türen, die sich oft unerwartet öffnen, wenn ich sie brauche; für meine Arbeit, meine geschäftlichen Angelegenheiten, meine Fähigkeiten. Meiner Familie bin ich dankbar, denn ich glaube, trotz all der Traurigkeit, die ich aus meiner Kindheit mitgenommen habe, begleitet sie mich doch auf dem Weg, mein Herz zu öffnen, selbst wenn sie es nicht gelernt haben und dadurch nicht können.
Ich bin dankbar für den Wunsch, nicht aufgeben zu wollen, und damit letztendlich auch für die Aufgaben, die das Leben uns stellt, auch wenn sie nicht das repräsentieren, was wir gerne mögen.

Ich hoffe, ich kann auf diesem Pfad eine Weile bleiben, um wieder klarer zu sehen, jeden Tag ein kleines Stück mehr Dank zu empfinden für das, was mir das Leben geschenkt, aber auch an Lektionen mitgegeben hat, die mich weiter wachsen lassen.
Ich halte vielleicht noch ein Weilchen Ausschau nach dem Zauberer, der mir den Weg zeigt oder der mir die Antworten geben soll, ich hoffe aber, daß ich das, wonach ich suche, bereits in mir trage.

Ich bin liebenswert. Ich schließe mein Herz auf.

Eine ruhige Nacht wünsche ich Euch, und mir.
Liebe Grüße, Martina.
Emily
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von Emily »

Ein ganz wunderschöner Text, liebe Martina....

Du hast recht: Man sollte das Gute bewusster sehen. Und das Negative hat auch seinen Wert, falls man es schafft, diesen Wert zu erkennen. Es bringt einen näher an das eigene Ich.

Im Moment kann ich nicht mehr zu deinem Posting sagen, aber ich verstehe, was du sagen willst.

Liebe Grüße,
Emily
susan
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von susan »

Liebe Martina,

ich erlebe es ähnlich wie du, bin heute für vieles dankbar, was vor einiger Zeit noch nicht sichtbar war. Dankbar sein heißt ja auch, das Augenmerk bewusst auf die Dinge zu lenken, die Leben möglich machen und die uns helfen, unseren Weg zu gehen.

Für mich hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Ich kann mich heute über vieles freuen, es annehmen und sogar geniessen, das war nicht immer so. Oft sind die kleinen Dinge die größten Geschenke

Nicht immer ist zu erkennen, dass das Leben es gut mit uns meint, doch ich glaube, dass auch die schwierigen Wegstrecken dazugehören.
Nur so können wir wachsen und Platz für Neues schaffen.

Was die Lektionen des Lebens angeht, gibt es ein tolles Buch von Elisabeth Kübler-Ross und David Kessler "Geborgen im Leben"

Liebe Grüße
Susan


tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Liebe Martina,

wenn du dankbar sein und auch die guten Dinge sehen kannst, die es in deinem Leben gibt, dann bist du vor allem auch einfach realistisch. Denn es gibt in jedem Leben auch gute und positive Dinge. Viele Menschen sind sehr fixiert auf das Negative und machen sogar aus etwas Positivem noch etwas Negatives so wie es Menschen gibt, die aus etwas Negativem etwas Positives machen wollen. Und das bedeutet, sie wollen negativ sein und sie lieben die Negativität geradezu. Aber zu schwanken zwischen negagtiv und positiv heißt ja, beides zu sehen und damit auch eine Möglichkeit zu haben, sich zu entscheiden und zu überlegen, wo man lieber sein möchte.
Deshalb ist deine dankbare Haltung etwas sehr Kostbares denn sie bedeutet, dass du einen Standpunkt jenseits der Krankheit hast und nicht völlig mit ihr identifiziert bist.

Gruß von

Thomas
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ramona
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo!

Alles wirklich interessante Dinge die ihr da schreibt und vor allem, es ist in sich schlüssig.

Richtig es gibt Menschen mit negativer Einstellung und der selbigen Ausstrahlung und welche mit positiver. Zum Teil wird das vielleicht genetisch bedingt sein, zum Teil sicher auch auf Grund der Erfahrungen die man im laufe der Zeit gemacht hat. Meine Theorie ist, dass der Mensch einfach von Geburt an als „Verlierer“ oder als „Gewinner“ auf die Welt kommt und wie in den indischen Kasten, ist es kaum möglich von der einen Seite auf die andere zu kommen. Mag sein, dass es ja auch nur für mich als negativ ausgerichteter Mensch nicht möglich ist.

Vom Verständnis her ist es mir klar, dass das Leben sicher einfacher/leichter ist, wenn man mit einer positiven Grundstimmung dran gehen kann. Was aber tun, wenn man diese einfach nicht hat? Wenn sie nie da war, wenn man sie „verloren“ hat? Es gibt keinen Schalter der sich einfach umlegen lässt und dann ist die Sichtweise anders.
Es ist schlimm, wenn man nicht Herr über seine Gefühle ist, soll heißen, wenn man eigentlich das schöne, gute, positive sieht, wahrnimmt und erkennt, aber das Gefühl einem einfach seinen übermächtigen negativen Stempel aufdrückt.
So einfach ist es nicht, man ließt ein gutes Buch zum Thema und der Rest fügt sich. Jedenfalls ist es bei mir nicht so, verallgemeinern wollte ich auf keinen Fall. Auch ich lese gerade ein sehr schönes Buch, es heißt: Hector auf der suche nach dem Glück. Es ist alles sooo einleuchtend was da steht, nur in meinen Alltag kann ich es nicht nachhaltig transportieren.

Gruß Ramona
tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ramona,

dein Glaube, dass man als Verlierer oder Gewinner auf die Welt kommt- woher kommt der und was heißt in diesem Zusammenhang gewinnen und verlieren? Sicher kommt jeder Mensch mit einer größeren oder kleineren Bürde auf die Welt und manchmal scheint die Bürde sogar so groß, dass sie untragbar erscheint. Aber nach meinem Glauben haben wir alle einen Kern, der von den Einflüssen der Umstände unabhängig ist. Alle Konflikte, die wir erleben, sind Reibereien zwischen diesem Kern und dem, was man Persönlichkeit nennt. Und dadurch entwickelt er sich und wird erfahrener und vielfältiger.

Du sagst Es ist schlimm, wenn man nicht Herr über seine Gefühle ist, soll heißen, wenn man eigentlich das schöne, gute, positive sieht, wahrnimmt und erkennt, aber das Gefühl einem einfach seinen übermächtigen negativen Stempel aufdrückt.

Also niemand ist Herr über seine Gefühle sondern Gefühle geschehen einfach. Es ist zwar m.E. möglich, Kontrolle über sie zu erhalten aber das ist ein ganz anderes Thema. Was mir auffiel an deiner Aussage ist, dass ja das Sehen von etwas Positivem, Gutem und Schönen ebenfalls nur durch das Gefühl möglich ist, es sind keine Kategorien, über die das Denken entscheiden könnte. D.h. du hast das Gefühl für positive Dinge aber schlechte Gefühle schieben sich immer wieder in den Vordergrund und machen es zunichte. Stimmt das so?

Ich meine, dass diese Art von schlechtem Gefühl nicht mit dem negativen Gefühl verglichen werden kann das man hat, wenn man etwas eindeutig Negatives wahrnimmt, sagen wir ein Unglück, eine Katastrophe. Für mich zeigen Gefühle etwas an, sie sind ein Wahrnehmungsorgan- und die Einteilung positiv/negativ bezieht sich dabei auf den Charakter des Wahrgenommenen. Aber schlechte Gefühle sind etwas ganz anders. Sie sind, so wie Bauchweh oder Kopfweh eine Störung des Körpers sind, eine Störung der Seele. Und sie machen es praktisch unmöglich, die Welt noch so zu sehen wie sie ist. Sie schieben sich wie ein dunkles Glas vor das geistige Auge und färben alles ein.

Aber man kann schlechte Gefühle bekämpfen, wenn man sich im Augenblick ihres Erscheinens bewusst macht, dass man ein schlechtes Gefühl hat und es dann energisch abweist, so stark, wie einem das möglich ist. Es ist kaum zu glauben, dass das funktioniert, aber bei mir hat es sehr gut funktioniert. Man braucht eine bewusste Anstrengung in diesem Moment und man muss es immer und immer wieder tun und im Laufe der Zeit stellt man fest, dass es immer besser gelingt. Eine Situation im Augenblick zu analysieren geht nicht, das Denken ist zu langsam dazu. Aber das Gefühl zu bemerken und dann niederzuringen, das geht mit etwas Training tatsächlich. Aber dazu solltest du besser nicht daran glauben, dass du als Verliererin auf die Welt gekommen bist- da kannst ja keine Motivation dafür finden

Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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ramona
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo Thomas!

Also, dass mit dem Herr der Gefühle ist ein wenig ungeschickt ausgedrückt. Was ich eigentlich damit meinte ist, dass eben Verstand und Gefühle oft nicht zusammen passen und je weiter diese Schere auseinander geht, um so schwerer ist es sie wieder zusammen zu bekommen. Der Idealfall wäre natürlich das übereinstimmen von Verstand und Gefühl.

Tja, dass mit dem gewinnen und verlieren hat sich auf Grund meiner gemachten Erfahrungen immer mehr verfestigt, langsam glaube ich sogar an den Spruch mit den selbsterfüllenden Vorhersagen (aber nur an die negativen L). Natürlich ist selbst mir klar, dass es nicht NUR negative Ereignisse und negatives Erleben gibt.

Meinst du mit dagegen angehen, dass ich versuchen sollte in allem noch was gutes zu sehen. Das ist wirklich nicht das Problem, sondern, dass einfach das Gefühl dazu nicht stimmt und ich mich auf Grund dessen oftmals einfach als „falsch gepolt“ empfinde.

Deine Erläuterungen kann ich alle verstehen und nachvollziehen, auch das ist nicht das Problem, alle Bücher, alles Infomaterial sei es aus Internet, Zeitungen, Broschüren etc. können hilfreich sein und weiterhelfen, nur die Hilfestellungen daraus und die Tipps muss man in den Alltag transportieren können. Genau da ist meine „Sollbruchstelle“, dass ist was nicht funktioniert. Mag sein, dass ich keine Motivation mehr habe, keinen Willen mehr zur Veränderung oder einfach auch keine Kraft mehr. Die Vorstellung, dass alles wirklich anders ist und dass nur ich es so verquer sehe und wahrnehme ist manchmal hilfreich.

Gruß Ramona
Lee
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von Lee »

Hallo zusammen!

Mir gelingt es leider noch nicht so gut, dankbar zu sein, aber ich übe! Dabei hilft mir ein Spruch aus dem Taoismus:

"Man wird so lange mit demselben Problem konfrontiert, bis man es gelöst hat."

Tiefs - auch wenn sie sehr lange dauern - sind Phasen, in denen wir uns mit uns selbst und unseren problematischen Seiten auseinandersetzen und daran wachsen können. Man kann allem einen Sinn abgewinnen.

Ich bin zurzeit sehr durcheinander und wütend - aber diese Lebenskrise hat meiner Kreativität ganz ungemein auf die Sprünge geholfen: Ich habe dadurch gelernt, mich besser auszudrücken - was positive Auswirkungen hat.

Ich bin meinem jüngsten "Widersacher" zumindest teilweise dankbar, dass er mich verletzt hat. Ohne dieses Erlebnis hätte ich mich nie an die Umsetzung eines Traums gewagt - und hätte nie, oder zumindest in Jahren noch nicht - erfahren, dass ich fähig bin, meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Manchmal werden Krisen und Unglück auch zu Antriebsmotoren.

In diesem Sinne: Bleibt dran an euren Visionen - für euch und allen Fieslingen zum Trotz!

Lee
tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ramona,

ich meinte mit "dagegen angehen" nicht, aus etwas Schlechtem etwas Gutes zu machen, ich meinte eine aktiv bekämpfende Haltung gegenüber schlechten Gefühlen. Die einzige Rechtfertigung, die wir dazu brauchen ist die Tatsache, dass sich das Gefühl schlecht anfühlt, dehalb wird es ja auch so genannt.

Und diese Haltung ist eine sehr einfache und einleuchtende "Methode". Einfach nicht deshalb, weil sie einfach durchzuführen wäre sondern weil keine künstliche und von außen kommende Methode notwendig ist.

Bestimmt hast du, das sagtest du selbst, intellektuelle Erkenntnisse darüber, welche schlechten Gefühle gar nicht mehr in deine heutige Situation passen aber du kannst sie deshalb trotzdem nicht abstellen.
Am Besten nehme ich ein Beispiel von mir selbst- meinen Hang, mich in Gesellschaft anderer permanent ausgeschlossen zu fühlen. Eindeutig ein schlechtes Gefühl und es tritt automatisch auf d.h. zunächst mal ohne Steuerungsmöglichkeit und auch entgegen jede intellektuellen Erkenntnis. Es wirkt wie eine Vorwegnahme der Realität.
Es kommt nun darauf an, eine innere Wachsamkeit zu entwickeln, eine selbstbeobachtende Haltung zu erlernen indem ich einen Teil meiner Aufmerksamkeit immer auf mich selbst richte. So konnte ich lernen, mich selbst in solchen Situationen zu erleben und die Entstehung meiner Gefühle quasi im Werden zu beobachten. Dabei tritt ein sehr deutlich feststellbarer Effekt auf, wenn man gut beobachtet: Wenn man Gefühle im Entstehen beobachten kann ist man viel mehr in der Lage, das völlige Entfalten des Gefühls durch einen Denkprozess zu unterbinden. Beobachte das einfach mal selbst: Wenn du erst einmal in einem schlechten Gefühl mitten drin steckst, kannst du dich NICHT mehr an deine intellektuellen Erkenntnisse erinnern, weil schlechte Gefühle das Denken blockieren. Bestenfalls kannst du noch die Gedanken denken, die zu diesem Gefühl passen (mich mag ja eh niemand, alle lehnen mich ab etc. um beim Beispiel zu bleiben) aber sehr oft können Menschen überhaupt nicht mehr denken und sind ganz schlechtes Gefühl geworden.

D.h. wenn sich das Gefühl erst einmal in dir entfaltet hat, ist es extrem schwierig, es zu unterbrechen. Wenn du es durch Selbstbeobachtung erwischen kannst, kannst du dagegen ankämpfen weil du noch in der Lage bist, einen klaren inneren Entschluss GEGEN das Gefühl zu treffen- du bleibst dir deiner bewusst.

Die Schwierigkeit und die Anstrengung dabei besteht darin, sich ständig diese Aufmerksamkeit zu schenken, damit man sich selbst beobachtet. Aber das ist eine Sache des Trainings. Soweit ich weiß, hat unsere Psychologie die Erkenntnis dieser Methode nicht, zumindest nicht die Mainstream-Psychologie. Sie stammt aus der esoterischen Wissenschaft und ist uralt. Sie ist mit keinerlei Risiken verbunden und bringt nichts Fremdes in dich hinein- du arbeitest ausschließlich mit dem, was es in dir gibt und das sind:
-Deine Erkenntnis, schlechte Gefühle sind schädlich und untergraben deine Lebenskraft und das weiß man durch die Erfahrung
-Dein Wille, dich von den schlechten Gefühlen zu trennen
-Deine Aufmerksamkeit
-Dein Widerstand

Auch wenn es fantastisch klingt: Man kann sich so durch eigene Anstrengung von allen schlechten Gefühlen befreien, weil sie keinerlei Funktion haben, auf die wir nicht verzichten könnten.

Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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häslein
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von häslein »

Liebe Emily, Susan, Ramona, Lee und Thomas,

leider kann ich erst heute wieder mit ganzer Aufmerksamkeit bei Euch einsteigen. Ich hätte nie gedacht, daß ein so schöner, anregender Austausch über das Thema hier stattfindet.

Ramona,
ich habe dich glaube ich so verstanden, daß dein Verstand dir evtl. schon signalisiert, daß du subjektiv negative Gefühle nicht haben müßtest, aber deine Emotionen gehen nicht konform mit der intellektuellen Seite. ? Korrigiere mich bitte, wenn dem nicht so ist, gell

Ich habe die Idee, von der du ausgehst, jeder Mensch oder jede Seele habe mehr oder weniger Last oder Glück aus vorhergehenden , ich nenne es mal Existenzen, auch schon gehabt; gerade z.B. im Rahmen einer homöopatischen Behandlung und dem dazu ausgesuchten Mittel. Dennoch bin ich auch davon überzeugt, daß wir uns im Leben immer wieder entscheiden können, ob wir versuchen wollen (nur versuchen...), wieder ins Licht zurückzukehren, wenn wir den Eindruck haben, daß sich unser Leben nach und nach immer mehr ins Chaos verwandelt und sich verdunkelt. Man denkt, man kann es dann einfach nicht mehr in den Griff bekommen.

Meine Therapeutin gab mir in einer der letzten Stunden einen Satz mit auf den Weg: "Weg mit dem Widerstand." Ich konnte damit nichts anfangen. Mittlerweile glaube ich, es ist die Art und Weise, wie Botschaften an uns herangetragen werden. Ich dachte die ganze Zeit: "Ich wehr mich doch gar nicht, ich will doch, aber es geht einfach nicht." Daß die Sprache des Buches eine Tür in mir geöffnet hat, ist sicherlich rein subjektiv bestimmt, da gebe ich dir vollkommen recht, wie einfach wäre das ansonsten. Kauf dir ein Buch und genese...das wäre ja toll, wir bräuchten keine Therapeuten mehr

Es wird auch keine Sache eines einzigen Momentes sein, es ist ein regelmäßiges Üben, sich wiegen im Wind, ein Aufeinanderzubewegen und Abstand halten, tagtägliche Auseinandersetzung mit Geduld, Verzicht und Demut. Es ist schwer, die Waffen zu strecken, man denkt, man hätte in diesem Moment verloren, dabei ist man auf dem Weg, nur zu gewinnen.
Wenn wir weiter denken in Richtung von Karma oder Vorherbestimmung, so könnten wir auch zu der Auffassung gelangen, mit jeder Aufgabe, die uns das Leben oder das Universum aufträgt, haben wir die Chance, unser emotionales Wachstum zu erneuern, und uns damit einmal mehr von unserem "Karma" zu befreien. Kontrolle abgeben, ist wohl auch so ein Schlüsselwort.

Thomas,
was du schreibst, erlebe ich auch sehr oft: Das Unbehagen in Gesellschaft anderer, insbesondere wenn die Aufmerksamkeit sich auch noch auf mich richtet. Sofort entwickle ich ein Gefühl der Leistungserwartung, schäme mich, wenn mir z.B. nichts einfällt.
Darf ich Euch ein Beispiel geben?:
Seit einigen Wochen übe ich Tai Chi. Es bereitet mir große Freude, und ich kann mir die einzelnen Sequenzen gut merken. In der letzten Stunde sollten wir vor Beginn alle für uns alleine im Raum üben, es war schrecklich für mich, ich habe mich in Grund und Boden gewünscht, bin stocksteif dagestanden und war blockiert, ja, ich begann sogar, zu fühlen, daß ich nun nicht mehr weiter will. "Blöde Anweisung", dachte ich. Es lag wohl an dem Leistungswillen, den ich als Kind entwickelte. Heute nun war nach 4 Wochen wieder eine Stunde zur Vertiefung der Übungen. Und ihr werdet wohl erraten, was kam: genau! Bitte üben. Dieses Mal war ich gewappnet. Ich habe einfach losgelassen, ich habe versucht, nur den nächsten Raum um mich wahrzunehmen, bin stehengeblieben, wenn ich nicht mehr weiterwußte, habe mich an den anderen orientiert (die waren auch nicht besser , schließlich haben wir uns gegenseitig erklärt, wie es gehen könnte, ein Dialog ist entstanden, und plötzlich war mir gar nicht mehr unwohl. Sogar unsere Meisterin beglückwünschte uns dazu, das Richtige getan zu haben, nämlich einfach anzufangen und "es zu tun".
In dem Moment, in dem ich jegliche Kontrolle abgab, mir sogar erlaubte, linkische Bewegungen auszuführen, habe ich den Widerstand überwunden. Dafür bin ich z.B. heute sehr dankbar, denn ein Stück Freude habe ich zurückgewonnen.

Es kommt nicht auf das Ergebnis an, ob du gut oder schlecht darin bist, sondern darauf, immer aufmerksam zu sein, immer Übender zu bleiben. Wir müssen den Wunsch aufgeben, das perfekte Ergebnis zu erreichen. Das hast du, Thomas, denke ich, in ähnlicher Form sehr schön ausgedrückt.

Lee,
du hast einen guten Spruch dazu herausgesucht.
Es wird im Leben viele Ereignisse geben, die wir weder kontrollieren noch ändern können. Wir werden auch weiterhin mit Betrug, Verrat und Verlust konfrontiert werden. Aber, und das ist die Essenz, aus der ich Hoffnung schöpfe, selbst schmerzvolle Lebensphasen bergen wertvolle Informationen für uns. Das bedeutet nicht, daß wir angenehm erfrischt daraus hervorgehen, es ist vielmehr auch wichtig, Trauer zuzulassen, um Abschied zu nehmen, und sich dem Neuen zuzuwenden. Unsere Seele will immer weiter. Erlauben wir es ihr also.

Susan, danke für den Buchtipp; du weißt, ich bin immer offen für neue "Lernerfahrungen". Sei lieb gegrüßt.

Vielleicht noch etwas zum Abschluß: ich hoffe, ich erwecke bei niemandem den Eindruck, die alleinige Wahrheit gefunden zu haben, ich bewege mich lediglich in einer Art Zwischenzeit, und der nächste Schritt liegt noch im Dunklen, aber er könnte mich wieder ein Stück weiter bringen. Und so probiere ich weiter, und wenn es gut läuft, lehne ich mich zurück und gestatte mir, den Augenblick zu geniessen.

Ich wünsche Euch heilsame Energie, Sonnen-, Mond- und Sternenlicht.
Martina
ramona
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo!

Hoffentlich beschwert sich nicht wieder jemand, dass dieser Thread dem Eingangsposter "weggenommen" wurde. Liebe Martina, falls dies der Fall sein sollte und du dich überfahren fühlst, dann teile es mir bitte mit. Es besteht immer die Möglichkeit einen neuen Thread aufzumachen.

@Thomas
Das was ich gebrauchen könnte, wäre ein ständiger Begleiter, so in dem Sinne „kleiner Mann im Ohr“, der mich ständig und überall daran erinnert, dass ich nicht aufgeben soll mit dem von dir beschriebenem Training.
Leider ist das ja nicht möglich und unter den ganzen Alltagsverpflichtungen bleibt bei mir einfach (zu) wenig Zeit auf mich zu achten und ganz bewusst die Situationen zu beobachten und zu reflektieren. Alles ist so schnelllebig, ich habe wirklich nicht die geringste Vorstellung wie es für mich funktionieren könnte. Meine Therapeutin fragte mich in der letzten Sitzung, wie es sich anfühlt keinen Zugang zu seinen Gefühlen zu haben. Ich sagte nur, es ist wie eine Hülle die funktioniert (funktionieren muss).
Da ich mir selbst noch nie gut genug war, ist es außerordentlich schwer korrigierend in meine Gedankenwelt einzugreifen. Wie kann ich jemanden den ich eigentlich verachte gut zureden, dass eigentlich alles ganz anders ist, als es sich augenscheinlich darstellt? Selbstwert ist nicht einfach vorhanden, man muss es sich selber erwerben, im Erwachsenenalter geht das nicht mehr so einfach, man bekommt es nicht von „außen“, so wie dass zum Teil noch in Kinderjahren der Fall ist, man muss sich einfach selbst gut sein (wollen/können) um eine Basis zu schaffen. Nur wie kann ein Weg dahin aussehen, wenn man es eben nie gelernt hat?
Danke für deine Erklärungen und Erläuterungen, es ist schön solche Beiträge zu lesen, die Hand und Fuß haben und so fundiert wirken.

Gruß Ramona
häslein
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von häslein »

Liebe Ramona,

nein, ich fühle mich nicht überfahren, sei beruhigt. Ich habe auch nicht das Gefühl, daß du mir etwas wegnimmst, warum sollte ich? Im Gegenteil, ich freue mich über den Austausch, und wenn du in dem Beitrag von Thomas etwas entdeckt hast, daß dich anspricht, dann ist das doch O.K. Alles andere würde ja bedeuten, man bliebe stehen.
Und ein anfänglicher Gedankenstoß dient ja oftmals dazu, eine weiteren Dialog zu führen.

Ich muß mich heute morgen noch etwas sammeln, mein Start in die Woche ist etwas holprig, und daher auch nur die kurze Anmerkung. Melde mich später wieder.

Euch liebe Wünsche für die Woche und Vorfreude auf den Frühling
Martina.
tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Liebe Ramona,

so einen kleinen Begleiter kann man sich praktisch per Gerichtsbeschluss beschaffen
Ich nenne das den "Inneren Anwalt" und der hat nichts anderes zu tun als dir in Situationen, in denen du dich schlecht machst oder dich schlecht fühlst, auf Anfrage eine andere Sichtweise der Dinge zu sagen. Stell ihn dir vor als jemand, der aus einer allgemeinen Position heraus eine Situation beurteilt auf Grund seines Verständnisses von Recht und Unrecht. Er hat die Rolle eines Beobachters, der dich dich so sehen lässt, wie du andere Menschen sehen würdest, wenn sie an deiner Stelle wären. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du andere sehr viel gerechter und sehr viel differenzierter betrachtest als du dich selbst siehst. D.h. ein Wissen über die richtige Einschätzung ist vorhanden, nur kannst du es nicht auf dich selbst anwenden. Diesen Teil, der das Wissen hat, den legst du in den kleinen Anwalt und fragst ihn dann, was er von der ganzen Sache hält. Aber ich sage dir, das kostet Überwindung, das auch anzuhören! Aber versuch es doch einmal, ich finde, es ist ein wirklich guter Trick !

Um sich selbst zu beobachten braucht man keine extra Zeit. Es geht nicht um das ständige Reflektieren und darüber Nachdenken, was man jetzt wie gemacht hat. Versuch zu beobachten, wo deine Aufmerksamkeit normalerweise gebunden ist. Du wirst feststellen, dass sie praktisch immer zu 100% nach außen gerichtet ist, von dir weg. Wenn du mit jemandem redest oder egal was du tust, du siehst immer nach außen und beschäftigst dich auch nur mit dem Außen. D.h. du erfährst im gleichen Augenblick nicht, was in dir selbst ist, welche Gefühle durch etwas da draußen in dir ausgelöst werden. Man kann lernen, seine Aufmerksamkeit quasi aufzuteilen, so dass ein Teil nach außen und ein Teil nach innen weist. Du kannst es ganz einfach versuchen und erfahren, wenn du etwas anschaust- vielleicht ein Bild oder eine Fotografie. Versuche deine Aufmerksamkeit so aufzuteilen, dass du das Bild klar siehst und gleichzeitig das Gefühl da ist "Ich bin da und ich schaue ein Bild an". In diesem Augenblick nimmst du dich selbst wahr, wie du ein Bild anschaust.
Wenn du das in einer beliebigen Situation dann versuchst, wirst du erst einmal feststellen, dass du es ständig vergisst. Aber wenn man das viel übt, wirst du immer öfters ganz von alleine daran denken, dich selbst nicht zu vergessen. Wie gesagt geht es dabei nicht um einen Denkprozess sondern um das Gefühl, sich seiner selbst zu jedem Augenblick bewusst zu sein. Man glaubt zwar, man sei das, aber das stimmt nicht. Man ist sich meist nur seiner Umgebung bewusst.
Durch diese Übung kannst du nach einiger Zeit einen sehr guten Kontakt zu deinen Gefühlen bekommen, weil du ihnen eine Chance gibst, auch wahrgenommen zu werden.

Gruß von

Thomas
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ramona
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo Thomas!

Danke für deine guten Ideen. Kann im Moment nicht so gut und ausführlich antworten, denn mich hat die Grippe ganz schön erwischt. Melde mich aber wieder, wenn es mir besser geht, ganz bestimmt.

Gruß Ramona
tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ramona,

auch das noch Na dann erst mal ins Bett und gute Besserung!

Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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ramona
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo Thomas!

Bin wieder einigermaßen hergestellt. War gar nicht so einfach für ein PC-Greenhorn den in der Versenkung verschwundenen Thread wieder zu finden.

Du schreibst, es sei gar nicht so schwer, auf sich selbst zu achten. Sich seiner bewusst zu werden, Zugang zu seinen Gefühlen zu bekommen. Es liest sich so schön und es hat den Anschein, dass es wie von selbst gehen kann, mit nur ein wenig gutem Willen.
Leider bin ich ein sehr negativ eingestellter Mensch, ob das schon immer so war, kann ich gar nicht recht beantworten, jedenfalls ist das schon sehr, sehr lange so. Es kommt mitunter vor, das ich an einer perfekten Sache so lange suche, bis ich was habe, an dem ich mich dran aufhängen kann, dass das nicht gut ist, ist mir auch klar. Genau das ist es auch, was kein Wohlfühlgefühl bei mir hochkommen lässt, weil ich immer denke, wenn du dich jetzt daran erfreust, dann kommt was, was eh alles zu Nichte macht und es ist alles noch schlimmer als vorher. Aus dieser Einstellung finde ich kein rauskommen. Einfach nur einen Moment genießen, egal was davor war oder was danach kommt, scheint mir unmöglich.

Trotzdem werde ich versuchen nach deinem Vorschlag mal die Dinge anzugehen. Leider habe ich es bisher noch nie geschafft, mich als so wichtig zu nehmen, dass ich auch was für mich tun muss um nicht noch schneller in dem mich umgebenen Strudel unterzugehen. Aber wenn man sich runterziehen lässt, soll es ja so sein, dass man danach wieder nach oben aufsteigen kann (lernt man jedenfalls so beim DLRG ).

Danke für deine Tipps
Ramona
tomroerich
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Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ramona,

na wenigstens hat dich die Grippe aus ihren Fängen entlassen, mit dem nagativen Denken ist das leider doch sehr viel schwerer, das ist mir schon klar. Wenn mein Posting diesen Eindruck erweckt, dass nur ein wenig guter Wille dazu gehört, dann nur deshalb weil ich dazu ermutigen wollte und ausdrücken, dass es möglich ist, negatives Denken mit einiger Anstrengung zu überwinden. Wie groß die Hürden dabei wirklich sind wird sehr vom Einzelfall abhängen und am meisten wohl davon, wie wichtig Negativität als Rolle für jemanden ist. Es kann ein Selbstverständnis sein, das einzureißen große Anstrengungen erfordert weil es das einzige ist, was jemand besitzt.
Allerdings bin ich mir in einem Punkt wirklich ganz sicher: Negativität als angeborenes Schicksal, der geborene Verlierer, wie du sagst, das ist eine für mich nicht vorstellbare Ausgangsposition. Man kann auf die Welt kommen mit allen möglichen körperlichen Voraussetzungen, die einem enge Grenzen setzen- man kann behindert sein, Krankheiten haben etc.
Aber die Welt mit negativen Augen sehen zu müssen ist auf jeden Fall eine erlernte Sichtweise, die sich aus irgendwelchen Gründen "bewährt" hat.
Ich kann gut verstehen, dass man regelrecht Angst davor hat, Dinge nicht mehr negativ sehen zu können und sich auf positive Sichtweisen einzulassen. Da kann ein sehr heftiges Verbot dahinter stehen das dich absurderweise etwas Positives als etwas Negatives erleben lässt, weil es verboten ist, positiv zu sein.
Das war bei mir auch in etwas so, als ich versuchte, meine Rolle des "Poor Guy" aufzugeben- es war einfach ein Zwang da, diese Rolle zu spielen und sie aufzugeben war angstbesetzt. Schließlich muss man ja das Loch, das die aufgegebene Rolle hinterlässt, durch etwas ersetzen. Andere Gefühle, andere Verhaltensweisen müssen an deren Stelle treten und das kann ganz hübsch schwierig sein, weil man sich darin fremd fühlt und vielleicht sogar aufgesetzt. Es fühlt sich erst mal nicht wie "ICH" an. Und so etwas wie eine Stimme, die sagt, das sei so nicht richtig und erlaubt, muss ja auch überwunden werden.

Wenn man sich selbst beobachtet, wird einem irgendwann aufgehen, wie vollkommen mechanisch das negative Denken abläuft. Es lässt dir keine Alternativen und auch keine Möglichkeit, auf unvoreingenommene Weise eine Situation zu erfassen- deine Reaktion ist auf jeden Fall schon festgelegt.

Hast du denn selbst eine Vorstellung davon, woher dein negatives Denken kommt und hast du die Gründe dafür mit therapeutischer Hilfe erkennen können?

Gruß von

Thomas
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ramona
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Registriert: 23. Mai 2003, 21:59

Re: Das Leben ist seltsam, oder: wie ich lerne, dankbar zu sein

Beitrag von ramona »

Hallo Thomas!

Den Eindruck hast du nicht erweckt das es so sehr einfach wäre, scheinbar feststehende Dinge zu ändern. Nur der Wunsch ist einfach so riesengroß, dass es einfach wäre .

Jeder der sich einigermaßen ernsthaft mit seiner eigenen Geschichte und der daraus resultierenden Problematik beschäftigt weiß, dass nichts einfach zu ändern ist, was so lange in falschen Bahnen gelaufen ist. Bei mir ist es nur leider so, dass ich gar nicht mehr will, weil ich einfach keine Kraft mehr für Veränderung habe. Im Gegenzug ist mir total klar und bewusst, dass nur über die Veränderung eine Besserung eintreten kann und ich wieder neuen Mut finden kann. Es ist ein Kreislauf in dem ich mich befinde, ich funktioniere und das ist gut für die anderen die davon betroffen sind, aber nicht für mich. Wie gesagt die Logik und das Verständnis sind mit Sicherheit nicht mein Problem.

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, das negative Empfinden ist scheinbar wirklich das einzige was ich habe oder vielleicht besser gesagt, das einzige dessen ich mir wirklich bewusst bin. Dies aufzugeben hat für mich im Moment so was, wie ein Rettungsboot in stürmischer See zu verlassen (obwohl ich auf ein rettendes Schiff könnte). Fühle mich auch so schon zu Genüge nutzlos und leer. Was wenn das nicht mehr ist, was bin ich dann noch?

Gut, angeboren wird das mit der negativen Sicht der Dinge nicht sein, da gebe ich dir recht. Vielleicht gibt es jedoch Menschen mit mehr und welche mit weniger Glück. Denn wenn zwei das gleiche tun, ist es ja bekanntlich noch lange nicht das selbe, der eine hat Glück und muss keine Konsequenzen tragen und der andere muss halt dafür einstehen. Wenn man dass Gefühl hat nie auch mal „Glück“ zu haben im Leben, verinnerlicht man einfach diese negative Seite und sie frisst sich regelrecht ins Leben ein. War zu mindestens bei mir immer so. (Aus meiner subjektiven Sicht)

Die Automation, die hinter dieser mich lähmenden negativen Gedanken- und Gefühlswelt steckt, habe ich schon des öfteren bemerkt. Ich schaffe sie jedoch nicht zu durchdringen, geschweige denn zu durchbrechen. Es ist (um mal mit Harry Potter zu sprechen J ) als würde ich einem „Schockzauber“ unterliegen für den ich noch kein Gegenmittel gefunden habe.

Was die Ursache ist für mein Gefühlschaos? Tja, sicherlich in meiner Kindheit begründet, in meiner Erziehung, in meiner persönlichen charakteristischen Entwicklung, in Schicksalsschlägen, Anforderungen die ich immer irgendwie geschafft habe, nur jetzt ist die Luft entgültig raus und ich bin an einem Punkt, wo ich einfach nicht weiter kann. Was nutzt es mir die genauen Ursachen zu wissen, die Frage nach dem „WARUM“ kann mir doch niemand beantworten. Die suche nach Schuld scheint mir auch nicht das richtige zu sein. Ich müsste mir vielleicht die Frage „WOZU“ stellen.

Irgendwie sollte ich es schaffen aus meiner derzeitigen „Verweigerungshaltung“ rauszukommen.

Gruß Ramona
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