Die Faszination negativer Gefühle

emriye
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von emriye »

Hi zusammen,
ich bins nochmal. Es gab ja nun schon des öfteren solche eskalierende Streitereien im Forum. Egal welche Personen da mit drinnenhängen, im Endeffekt hatte jeder vehemment seine Meinung vertreten (auch der Thomas des öfteren...*g*). Und ich denke wirklich, dass die Art solcher Diskussionen nichts bringt, weil es nur Energieverschwendung ist und man sich immer weiter von einander entfernt.

Und ich denke auch, dass es schwerer ist, seine Emotionen erstmal zu sortieren, bevor man alles ungefiltert rausläßt. Aber um dies alles zu erkennen und zu lernen sind doch solche Auseinandersetzungen dann wiederum positiv!!

Ich hab ein bißchen mehr über mich gelernt. Auch denke ich, dass man in einer ständig sich wechselnden Gruppe, nie über dieses Niveau hinauskommt. Jeder macht seine eigene Entwicklung....und die geht ja auch nie in die gleiche Richtung. Wär ja auch langweilig.

Liebe Grüße
emriye
MissMarple

Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von MissMarple »

Hallo an Alle,

wenn ich in den letzten 3 ½ Jahren durch meine Depression etwas lernen musste, dann ist es zuerst einmal, dass Geduld für mich kein Fremdwort mehr sein darf und, zweitens, dass ich einfach gelassener sein muss.

Geduld zu haben, fällt mir noch schwer, aber ich bin wesentlich gelassener als in der Zeit vor meiner Depression. Einmal spielt natürlich das Alter eine Rolle und dann musste ich bei allen Klinikaufenthalten (4 Monate stationär, 12 ½ Monate Tagesklinik, 6 Monate stationär- bzw. teilstationär) Gelassenheit vor allem auch im Umgang mit einigen meiner Mitpatienten lernen, da ich sonst kranker geworden wäre, als ich sowieso schon war. Die Worte meiner 1. Stationsärztin “Ganz ruhig bleiben, er/sie kann nicht anders, sein/ihr Verhalten sind krankheitsbedingt“ haben mir da wesentlich geholfen.

Wie oft denke ich heute, er/sie kann nicht anders ……..

Natürlich auch heute gibt es noch viele Dinge, die mich aufregen, zu denen ich meine „Klappe“ nicht halten kann und auch nicht will.

Und so war es auch bei Eduards postings, zu solchen „Thesen“ will ich nicht schweigen, da will ich meinen Mund aufmachen, will Emotionen zeigen, will nicht zur „schweigenden Mehrheit“ gehören. Solche Sätze dürfen nicht ohne Antwort bleiben, egal, wo sie stehen und wer sie gesagt hat.

Liebe Grüße

Birgit
tomroerich
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von tomroerich »

Hallo Antje,

OK,Thomas,ich bin eindeutig der Meinung,dass jedes Gefühl eine Berechtigung hat.Wie und ob man dieses zum Ausdruck bringt,ist eine andere Frage.In engen Beziehungen zu den Menschen,mit denen man zusammenlebt,halte ich es für sehr wichtig,deutlich zu sagen,welche Gefühle durch das Verhalten des anderen in mir ausgelöst wurden.Das hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun.Wie soll sonst der andere denn wissen,dass man beleidigt wurde,wenn man es nicht mitteilt?


Zustimmung in allen Punkten, Antje! Mitzuteilen, wie es mir mit anderen geht, ist natürlich wichtig, davon habe ich ja nicht gesprochen. Es ist das ärgerliche WIE, das ich meine. Dieses hat keine Berechtigung, weil es in sich eine Wertung trägt. Es ist wesentlich mehr als nur der Ausdruck des eigenen Gefühls von Betroffenheit- ausgedrückter Ärger ist ein Angriff auf den anderen, dem der Ärger gilt. Und weil es nur darum gehen kann, dass du dich angegriffen FÜHLST oder du dich betroffen FÜHLST ohne dass du wissen kannst, ob das der andere beabsichtigt hat, drückst du deine Verletztheit so aus, als sei sie die Absicht des anderen gewesen. Das kann nur in Rückzug enden!

Bitte mich nicht so zu verstehen, dass ich für Unterdrückung von verletzten Gefühlen wäre- diese auszudrücken stellt eine große Entlastung dar und macht Beziehungen erst authentisch. Bloß- der andere kann dich nicht mehr verstehen, wenn du Ärger ausdrückst. Er weiß dann nur noch, dass er was falsch gemacht hat und fühlt sich abgelehnt. Weil Ärger etwas ganz und gar Undifferenziertes ist- er ist ein Einheitsbrei des negativen Gefühls und tritt in genau der gleichen Form auf egal wodurch er verursacht wird. Ob mich ein Autofahrer genervt hat oder ich mich über eine Bemerkung eines Freundes verletzt fühle- Ärger macht aus den unterschiedlichsten Regungen ein und das gleiche. Und das ist vor allem auch für einen selber schlecht weil es mir der Ärger unmöglich macht, differenziert zu fühlen und zu erfassen, was wirklich das Problem ist- er überdeckt mit seiner Gewalt alles andere. Wie oft hast du dich schon gefragt, warum du dich eigentlich so geärgert hast? Du fragst es dich deshalb, weil der Ärger die wahren Gründe dafür verschleiert. Wenn man klar bleibt und die Aufgeregtheit des Ärgers nicht hat, kann man sofort fühlen, was nicht in Ordnung ist.

So ist es auch mit den anderen sog. neg. Gefühlen. Wut, Ärger, Ungeduld, Neid etc. sind ganz große Gleichmacher des Gefühls, die das wahre Fühlen verschleieren und einem die Chance nehmen, sich selbst zu fühlen. Nur deshalb- und nicht aus irgendwelchen moralischen oder sonstigen Gründen- sind sie negativ. Sie sind dumpf und undifferenziert, machen alles gleich.

Du hast Recht- jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Aber es bekommt seine Berechtigung eben nicht, wenn es im Ärger untergeht. Was haben wohl die einzelnen Leute bei Eduards Bemerkung für Gründe gehabt, so betroffen zu sein? Es sind sicherlich ganz verschiedene Gründe. Manche Frau hat ihre Liebe zu ihrem Kind gespürt oder vielleicht die Enttäuschung darüber, selbst keines zu haben. Oder andere fühlten die Grobheit, die die Bemerkung ihnen als Kranke gegenüber darstellt. Und Eduard hatte vielleicht nur eine statistische Zahl aus einem seiner vielen Büchern im Kopf und dachte überhaupt nicht an etwas Böses. Aber von all diesen Gefühlen war ja nicht die Rede oder nur vereinzelt- der Ärger hatte die Oberhand und machte aus einer Vielheit von Empfindungen alles gleich. Das ist meine Kritik am Ärger.

Gruß zur Nacht von

Thomas
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Mo
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von Mo »

@ Maria&all
>Andererseits denke ich, es gibt Situationen, wo man seine Gefühle zeigen muss. Z.B. bei der Erziehung von Kindern. Wenn ich meinem Kind gegenüber nie meinen Ärger auch gefühlsmäßig zeige, wird es nicht lernen, wie es mich und andere Personen, die Gefühle äußern, einschätzen muss und wichtiger noch, es wird nicht lernen, was es selber mit seinen Äußerungen anrichtet. Ich empfinde es sogar manchmal als sehr verletzend, wenn nicht auch gefühlsmäßig auf mich reagiert wird.<

Gerade das Beispiel der Kindererziehung zeigt doch die Bedeutung von Thomas Standpunkt.

Ich kann mich noch lebhaft an die Gefühlsäußerungen meiner Eltern erinnern, und rückblickend weiß ich daß ihr Ärger in vielen Fällen durchaus Berechtigung hatte. Aber die Art und Weise wie sie ihn ausdrückten empfand ich als erniedrigend, beleidigend, verletzend, teilweise auch körperlich schmerzhaft.Ich habe damals vieles nicht verstanden und es hat mit dazu geführt, daß ich mich völlig abgekapselt habe.
Hätten sie erst einmal darüber nachgedacht worüber sie sich wirklich ärgern und versucht mir das zu erklären wäre möglicherweise manches anders verlaufen. Vielleicht irre ich mich auch.
Jedenfalls versuche ich mich bei der Erziehung meines Kindes nicht von allzu großen Gefühlswallungen ungebremst leiten zu lassen. Gefühle ausdrücken ja, aber in einer Weise die mein Kind nicht als Person verletzt in Wort oder Tat und die den Ursprung meiner Gefühle hinterfragt.

Und das selbe gilt, denke ich, auch im Umgang mit anderen Menschen.

Natürlich ist das ein Anspruch dem ich auch nicht immer gerecht werde, aber ich gebe mir Mühe!

Liebe Grüße
Simone
Die Stimmen in meinem Kopf versichern mir, daß ich vollkommen normal bin!
tomroerich
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von tomroerich »

Liebe Simone,

ich wollte heute morgen schon eine Antwort an Maria schreiben weil ich irgendwie fühlte, dass es auch richtig sein kann, Kindern und manchen Erwachsenen gegenüber Ärger auszudrücken. Da kommen mir deine Gedanken zur Hilfe denn es ist, glaube ich, tatsächlich der entscheidende Punkt, ob ich mich von meinem Ärger hinreißen lasse (das meinte ich ja mit "sich gehen lassen") oder ob ich mir meines Ärgers bewusst bin und entscheide, ihn rauszulassen- und zwar kontrolliert rauszulassen und vor allem zielgerichtet. Unkontrollierter Ärger kann schnell etwas Vernichtendes haben- besonders Kinder gegenüber und er kann sehr schnell in Wut umschlagen, was einen dann vollends blind macht.

Ich treffe z.B. im Geschäftsleben immer wieder auf Menschen (am Telefon z.B.) die wirklich so dumpf sind in der Auffassung ihres Jobs, dass ich meinen Ärger zeige und damit Erfolg habe. Plötzlich geht dann was, was vorher nicht ging. Aber gerade hier zeigt sich sehr deutlich, dass der Ärger nicht 1 Sekunde vom Ziel abweichen darf- will sagen, mir muss die ganze Zeit über im Bewusstsein bleiben, was ich will. Oder anders gesagt, ich muss den Ärger beherrschen und nicht er mich. Denn sonst kippt die Situation sehr schnell ins Gegenteil- wenn ich z.B. sagen würde "Sie dumme Kuh, Sie" Dann habe ich verspielt und die Erreichung meines Ziels rückt in weite Ferne. Und das ist bei den Kindern sehr ähnlich. Setzt ihnen mein Ärger eine Grenze, ist es oK und vielleicht auch nicht anders zu erreichen. Kränke ich sie, tritt das Gegenteil von dem ein, was ich will.

Liebe Grüße von

Thomas
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emriye
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von emriye »

Liebe Maria,
deine letzten Worten habens in sich, genau so geht es mir!!! Gefühle sind soo was elementar wichtiges im Leben... und Wut und Zorn habe ich lange Zeit nicht gespürt, nicht zulassen dürfen und schon garnicht zeigen.
Liebe Grüße
emriye
deep
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von deep »

Hallo,

ich möchte mich heute auch noch einmal melden.

@Thomas
Es waren schon einige Missverständnisse unterwegs.

Wenn Ärger = Wut und entsprechende Aggression mit dem Ziel der "Vernichtung" bedeuten soll, dann ganz klar "ja" zu Deiner Auffassung. Ich persönlich mache da halt einen Unterschied zwischen diesen beiden Dingen. Und für mich gibt es als Drittes noch die Empörung, die für mich irgendwo dazwischen liegt und eine moralische Dimension hat.

Mit dem Einfachmachen meinte ich einfach diese Aussage an sich, die man auch so interpretieren kann wie es wohl auch Antje getan hat. Und das fand ich an dieser Stelle nicht passend, weil ich denke, dass alle hier durchaus an sich arbeiten. Ich persönlich fand mich an der Stelle im ersten Moment schon ein wenig "abgebügelt" nach dem Motto "Du reagierst auch mal sauer? Solltes mal an Dir arbeiten, aber das ist Dir wahrscheinlich zu schwer." Ich will damit nicht sagen, dass Du es an der Stelle so gemeint hast, es kam halt zunächst mal so bei mir rüber.
Ich glaube fast, Du warst ein bisschen sauer, weil ich Dir widersprochen habe
(soll hier wqirklich ein Scherz sein, keine wie auch immer zu interpretierende Anspielung!!!)
Für mich war das hier jetzt aber auch ein Beispiel dafür, dass man im WWW halt doch nur die halbe Wahrheit sieht, es fehlen einfach zu viele Dinge, die Kommunikation ausmachen und so passierts...
Andererseits erleichtert es diese Anonymität, auch mal Gefühle zu äußern, wozu man sich im RL nicht traut.

Schönes Wochenende

Karin
anna17
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von anna17 »

Lieber Thom,

ich bin ein bisschen spät dran mit dem Lesen, was ja durchaus seine Vorzüge hat .

Eigentlich wollte ich nur Danke sagen. Ich hab vorhin den Thread gelesen und ein Lächeln nicht unterdrücken können. Jetzt kloppt Ihr Euch schon ohne mich (Dich ausgenommen, versteht sich). Wobei ich allerdings zu der Erkenntnis gelangt bin, dass ich an Deiner Stelle vermutlich wieder kräftig in das nächstliegende Fettnäpfchen gestiefelt wäre ...

Folks, geht raus und übt. Lohnt sich. *duck*

Grüße an Dich, Thom.

Kämpferisch wie eh und je, aber ein bisschen erwachsener geworden,

Anna.
tomroerich
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von tomroerich »

Liebe Anna,

ach mir geht ja das Herz auf, dich mal wieder zu lesen Und sich zu kloppen ohne dich macht überhaupt keinen Spaß

Hmmm Anna, weißt du, dass mache von dir sagen, dass du sehr erwachsen seist für dein Alter? Achte aufs Tempo Und sonst?

Liebe Grüße an Anna,

Thomas
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tomroerich
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von tomroerich »

Hallo Karin,

nein, nicht sauer- nur überrascht und erstaunt. Ich hatte mir ja Mühe gegeben, mich ausdrücklich einzuschließen, um den Eindruck einer Kritik von oben herab nicht aufkommen zu lassen. Meine Absicht war wirklich eine andere. Ich war früher jemand, der sehr oft verärgert auf den größten Mist reagiert hat. Du glaubst nicht wie viele Gelegenheiten zum Ärgern es geben kann!
- Wenn die Schlange an der Kasse neben mir schneller vorankam
- Wenn das Auto vor mir ne Parklücke fand obwohl der nachweislich gerade erst zu suchen begonnen hatte
- Wenn ich "Ungerechtigkeiten" zu sehen glaubte
- Bei allem, was mir misslang
- Über mich, wenn ich vergesslich war
- Über die Kinder, weil sie die Spülmaschine nicht ausräumten
- Über die Katze, weil sie auf den Teppich gekotzt hatte
- Über die Schnecken, die junge Pflanzen fraßen

Na ja, du verstehst schon. Und in keinem einzigen dieser Fälle hat der Ärger je etwas anderes bewirkt als schlechte Laune und Energieverlust, Aufgeregtheit und Unkonzentriertheit. Weder hat er mir gezeigt, wie ich etwas besser machen könnte oder was andere besser machen könnten und er hat mir nicht eine einzige neue Erkenntnis beschert. Außer vielleicht, dass man sich wirklich über alles aufregen kann. Für mich war er eines von vielen Beispielen dafür, wie man sich das Leben schwer macht durch ganz und gar nutzlosen und fruchtlosen Stress. Deshalb war mir das Thema wichtig. Es ist m.E ein sehr wichtiges Thema nicht nur aber besonders für Depris.
Depris verteidigen ihre neg. Gefühle mit Händen und Füßen- ihre ständige Sorgerei, ihre Empörung über Ungerechtigkeiten, ihren Ärger über die Schlechtigkeit der Menschen und der Welt. Sie haben ja sehr oft Recht in der Sache und sie sehen vieles, worüber andere achtlos hinweggehen und das ist schön. Aber das Fatale an der Art ihres Fühlens ist, wie oben jemand formulierte, dass "Nur der Ärger (das neg. Gefühl) die Motivation geben kann, etwas zu tun". Das ist genau das, an was Depris glauben. Dass sie sich mit ihrer ganzen Kraft in alles reinhängen müssen und wenn es sich noch so besch.... anfühlt.
Daraus bin ich ausgestiegen bzw. bin noch fleißig dabei und das zählt zu den wichtigsten Erfolgen meiner Depri-Bekämpfung überhaupt. Ich weiß jetzt erst, was für unglaubliche Energiemengen dabei verpulvert werden, wenn man sich ärgert, ereifert und sich aufwühlen lässt. Mit Gleichgültigkeit hat das gar nichts zu tun- es erzeugt Klarheit und den nötigen Abstand, um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und spüren zu können, wo man wirklich etwas tun kann. Deshalb verstehe ich es mittlerweile nicht mehr, wenn jemand seinen Ärger als "notwendiges Gefühl" betrachtet. Ich verstehe, dass Depris in ihrem Ärger und der Wut vielleicht eine neue Entdeckung gemacht haben, wenn sie vorher zu angepasst und ängstlich dafür waren und sich das gar nicht trauten. Dann haben sie diese Emotionen weggedrückt, bis sie sie nicht mehr fühlen konnten, obwohl die immer da waren. Aber das meine ich nicht. Ich meine die bewusste Entscheidung gegen den Ärger und den Stress und nicht das Verleugnen und Wegdrücken.

Einen Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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gelberosen
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von gelberosen »

Oh je, ihr rennt mit diesem Thema bei mir offene Türen ein.

Ich meine, daß uns das so gut gefällt, weil wir es von Kindheit auf kennen. Es ist ein vertrautes Muster. Es wurde uns von den Eltern vorgelebt, wie sie miteinander umgegangen sind. Es hat etwas damit zu tun, welche Beziehung unsere Eltern zu sich selber in unserer Kindheit hatten, wie sie zueinander und zu uns Kindern hatten. So gestalten wir unser Leben und unsere Beziehungen – solange bis wir dieses Muster aufgeben können. Doch dazu müssen wir auch erkennen, was wir selber brauchen.

Ich denke dabei gerade an eine arme Freundin, die ich gerade ganz schön auf die Folter spanne und an meine arme Therapeutin, die zur Zeit unwahrscheinlich viele Aggressionen von mir abkriegt, bis ich es endlich mal in der letzten Stunde geschafft habe, tiefe Trauer zu zeigen.

Mehr kann ich dazu momentan nicht schreiben, es nimmt mich zu sehr mit.

Gruß
die Besserung
deep
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von deep »

Hallo Thomas,

wen Du das mit Ärger meinst, dann ein absolut uneingeschränktes "JA", der von Dir in Deinem letzten Post beschriebene Ärger ist genau das, was ich unter Wut verstehe - völlig unproduktiv und schmerzhaft.
So habe ich aber die Reaktionen auf gewisse Dinge im Forum eben einfach nicht verstanden.

Aber sich daraus zu lösen bedeutet auch den Mut zu haben, sich auf etwas Neues einzulassen und dieser Mut ist auch immer mit verdammt viel Angst verbunden. Eine ganz normale Angst, finde ich, die nichts mit Depression zu tun hat. Jeder Mensch hat Angst vor Veränderungen, erst Recht, wenn sie so tiefgreifend sind und will sie zunächst einmal nicht. Ich glaube, da fällt jedem was dazu ein. Es erscheint jedem erst einmal sicherer, sich in seinen bekannten Bahnen zu bewegen, anstatt etwas Neues auszuprobieren.
Und bevor ich richtig auf die Nase fliege, nur weil ich etwas anders mache als sonst, bleibe ich bei dem "Altbewährten", auch wenn es mir nicht gut tut.
Oder ich gehe ganz auf das Neue und schieße über das Ziel hinaus, weil ich mich in der Ecke noch nicht mit mir auskenne.

Ich denke, die Gratwanderung macht es, aber gerade in der fühlt man sich (wenn es eine miese Zeit ist) gerade so ungeübt, weil man sie nie wirklich gelernt hat.
Wichtig ist für mich, das Problem zu erkennen und es benennen zu können, nur dann habe ich eine Chance, irgendwie auszubrechen. Erst im Kleinen, dann im Größeren.

Aber dazu braucht es Zeit.

Liebe Grüße
Karin
pferdediebin
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von pferdediebin »

dear folks!


habe hier im neuen "psychologie heute" einen schönen artikel über emotionale intelligenz gesichtet.und das passt momentan ja zu einigen threads.außerdem drückt er das aus,wozu mir selbst grad die worte fehlen.
ich persönlich halte immerwährende gelassenheit für eine schöne theorie,aber glückwunsch jedem,dem sie gelingt.ich muß es wohl aufs nächste leben verschieben.

nun zum thema "emotionale intelligenz und ärger"...

Ärger ist eines der wichtigsten gefühlssignale,auf das wir aber gern verzichten würden.Denn es macht uns im Alltag immer wieder zu schaffen und trägt nicht wenig zu Streit,Unzufriedenheit und sogar gesundheitlichen Problemen bei.Wir ärgern uns,wenn jemand unsere Interessen oder unser Gefühl für Fairness verletzt.
Ärgerauslöser lauern überall.Umso wichtiger ist der kluge Umgang mit dieser Emotion.Was ist aber die angemessene,"intelligente" Reaktion auf eine ärgerliche Situation?Ist es sinnvoll,den Ärger zu zeigen,oder ist es gesünder,ihn zu unterdrücken?
Das ist ein Dilemma,findet Peter Salovey,denn manchmal ist das eine,manchmal das andere besser,bzw. schädlicher für Gesundheit und Wohlbefinden.Zum einen belegen Studien den engen Zusammehang von einem gewohnheitsmäßig heftigen Ausleben von Ärger,mit dem dadurch bedingten hohen Stresshormonspiegel im Körper und der Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.Zum anderen führt Salovey aber auch Untersuchungen an,die gegen ein Unterdrücken heftiger,negativer Affekte sprechen : Wer das zu oft mache,laufe Gefahr,an Krebs zu erkranken.Zwar sei dieser Zusammenhang bisher weit weniger gut belegt als der zwischen feindseligen gefühlen und Infarktrisiko,aber die Hinweise reichen aus,um uns vor dem "Ärger-Runterschlucken" zu warnen.
Intelligentes Gefühlsmanagement liegt vermutlich in der goldenen Mitte: Heftige Ausbrüche,die zudem leicht eskalieren,sollte man nach Möglichkeit vermeiden,aber auch heroische Selbstbeherrschung und Selbstverleugnung sind wenig ratsam,wenn uns jemand auf die Zehen getreten hat.
Emotionale Intelligenz besteht darin,zu wissen,was bestimmte Gefühlsausbrüche oder -verleugnungen körperlich und psychisch anrichten können,zu wissen,wann und wie welcher Gefühlsausdruck angebracht ist und wann eben nicht.
So hat das Zeigen von Gefühlen wie Ärger und Zorn nur dann einen posistiven,nämlich kathartischen (Karthasis-griech."Reinigung") Effekt auf psyche und Körper,wenn wir wissen,wie wir uns wieder "einkriegen",und auf unsere Fähigkeiten vertrauen,diese Emotionen zu regulieren und zu steuern...

...Das Reden über heftige Gefühle nach einer gewissen Abkühlungsfrist scheint der beste weg zu sein,um dem Dilemma "Gefühlsausbruch oder Gefühlsverleugnung" zu entkommen.Die physiologisch und psychisch entlastende Wirkung von Gesprächen über die eigenen Gefühle-die man in der konkreten Situation nicht gleich ausleben wollte,die man aber auch nicht einfach "aussitzen" und "vergessen" kann-ist in zahlreichen Untersuchungen nachgewisen worden.
Von besonderem Wert für die Gesundheit erweist sich die Fähigkeit,positive Emotionen wie Freude,Zuneigung,Neugier,Zufriedenheit bewußt zu kultivieren,zu mobilisieren und für die Problemlösungen im Alltag einzusetzen.Die Psychologin Barbara L. Frederickson hat in ihrer "broaden and build"-Theorie der positiven Emotionen den großen evolutionären Fortschritt beschrieben,der in diesen Gefühlen liegt: Sie verbreitern (broaden) unser Repertoire des Denkens und Handelns.Wenn wir positive Gefühle empfinden,sind wir entspannt und offen für Information aller Art,während negative Emotionen den Blick verengen,unser Denken auf eine einzige Lösung fixieren und uns zu eher reflexartigen Reaktionen veranlassen...


also,ich denke,die faszination der negativen gefühle liegt darin,daß wir genau wissen,was dabei herauskommt ...


grüß euch alle

pferdediebin
"Die Stimme des Fleisches verlangt: nicht hungern,nicht dürsten,nicht frieren.Wer dies erreicht und hoffen darf,auch künftig zu erreichen,kann sich selbst mit Zeus im Glücke messen"



Epikur





tomroerich
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von tomroerich »

Dear Pferdediebin!

Danke sääähr, ein feiner Beitrag und ganz mein Ding.

Da steht: Emotionale Intelligenz besteht darin,zu wissen,was bestimmte Gefühlsausbrüche oder -verleugnungen körperlich und psychisch anrichten können,zu wissen,wann und wie welcher Gefühlsausdruck angebracht ist und wann eben nicht.

Ganz genau. Also Kontrolle, oder? Wie erreicht man aber Kontrolle bzw. das Wissen, wann und wie welcher Gefühlsausdruck angebracht ist? Ich kenne nur einen Weg- man muss aussteigen können aus der Emotion und dazu muss sie BEWUSST sein. Ich muss mir im Moment des Ärgers oder der Wut lediglich darüber BEWUSST werden, dass ich ärgerlich oder wütend bin und es WISSEN. Ich glaube ganz sicher, dass dies in den meisten Fällen nicht so ist. Viele Menschen sagen z.B., wenn man sie fragt "Warum bist du jetzt ärgerlich?" ganz einfach: "Ich bin nicht ärgerlich, sondern ich finde...." und fangen dann an, herumzuvernünfteln. Aber jeder, der dabei ist, merkt sehr deutlich, dass der Ärger da ist. Und schon in dem Augenblick, wo der Ärger zugestanden wird, ist sein Macht gebrochen, deshalb gesteht man ihn eben nicht. Wenn man im Stande ist zu sagen "Ich war für einen Moment ärgerlich" obwohl der Ärger noch anhält und deutlich spürbar ist, wird man erleben, wie der Ärger abebbt. Und wie über die Gesichter der anderen Verständnis huscht. Das ist der Weg zur Kontrolle und zur emotionalen Intelligenz. Sie bedeutet einfach, sich selbst zu kennen und wie man funktioniert. BEWUSST sein heißt nicht einfach, den Ärger zu spüren sondern ihn gleichzeitig im Denken wahrzunehmen und frei zu sein, Alternativen zu finden, Bewertungen vorzunehmen, die Situation zu überschauen- also sich seiner selbst und der Umgebung bewusst zu bleiben. Genau das ist man nicht, wenn man vom Ärger übermannt wurde. Da ist Ärger und sonst nix.

Wegdrücken ist etwas ganz anderes und absolut schädlich (kann z.B. depri machen ) Wedrücken ist genau die Unbewusstheit des Ärgers und seine Verleugnung. Er darf dann nicht existieren, weil z.B. ein Verbot darauf lastet (Einschüchterung und Bedrohung von Kindern im Trotzalter z.B.) oder weil ein Vorgesetzter Auslöser des Ärgers ist oder jemand, den man einfach nicht verärgern darf. Da kommt es erst gar nicht zu der Frage, ob ich den Ärger zulassen will oder nicht, ich darf nicht.

Ende der Sonntagspredigt

Thomas
Betroffene für Betroffene

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pferdediebin
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von pferdediebin »

lieber thomäs


bei so viel lob setz ich noch eins drauf (Streeeber!),und noch dazu bestätigt es deine aussagen.anbei war u.a. eine liste,wie man denn nun emotionale intelligenz entwickelt,und das sieht so aus:

1.)Identifizieren Sie Ihre Gefühle (klingt doch ungleich besser als kontrolle ),statt Menschen oder Situationen zu etikettieren: "Ich bin ungeduldig" statt "Das ist doch lächerlich!" oder "So eine Schlafmütze!"


2.)Unterscheiden Sie zwischen Gedanken und Gefühlen: "Das verwirrt mich ziemlich,was du da sagst" (Gedanke) und "ich bin ziemlich down" (Gefühl)


3.)Vergewissern Sie sich immer wieder einmal,ob Sie die Gefühle anderer richtig erkennen (lesen).


4.)Nutzen Sie Ihre Gefühle bei Entscheidungen,indem Sie sich fragen: "Wie werde ich mich fühlen,wenn ich das mache?Und wie,wenn ich es nicht mache?"



5.)Fragen Sie auch andere Menschen: "Wie wirst du dich fühlen,wenn du dieses oder jenes tust/sein lässt?"



6.)Stehen Sie für Ihre Gefühle ein :"Ich bin eifersüchtig!" statt "Du machst mich eifersüchtig!"


7.)Üben Sie sich in der Kunst,Gefühle ins Positive zu wenden :"Wie fühle ich mich jetzt-und was könnte ich tun (oder unterlassen),damit ich mich besser fühle?"



8.)Meiden Sie Menschen,die Ihnen Ihre Gefühle absprechen oder sie "ummünzen" wollen :"Du bist jetzt bloß neidisch!" (wenn Sie in Wirklichkeit traurig sind)


...Ob es um Geld,Liebe oder Gesundheit geht : In allen wichtigen Lebensbereichen scheint emotionale Intelligenz uns zu klügeren Entscheidungen und Strategien verhelfen zu können: Sie ist die Metafähigkeit,die uns hilft,Gefühle zu sortieren,ihre Botschaft zu entziffern,ihre positive Kraft zu nutzen und ihre irreführenden Impulse zu konterkarieren (=hintertreiben).


whow,da lernt man eine menge fremdwörter


fröhliches gefühlsratespielen
wünscht
pferdediebin
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anna17
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Re: Die Faszination negativer Gefühle

Beitrag von anna17 »

Ach Thom.

Soso, man redet also über mich... Kann ja nur Gutes sein. Das mit dem Erwachsensein freut mich natürlich. Hat aber auch seine Nachteile.
Was das Kloppen angeht: Ich find schon noch eine Gelegenheit, keine Bange. Hähä.

Und sonst? Sonst gut. Normal. Leben lieben leiden. Wie immer. Nein. Nicht wie immer.

Ärgert Euch nicht.

Und an Dich liebe Grüße, Thom.

Anna.
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