Angst vor einer richtigen Therapie

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Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von Tinalesekatze »

An alle,
seit ein paar Tagen schreibe ich hier regelmäßig. Ich war glücklich, als ich diese Seite gefunden habe, da ich glaubte, wenn ich schreiben kann und von jemandem ein Feedback bekomme, dann geht es mir besser. Das stimmt ja auch, zumindest teilweise, aber leider nicht ganz.
Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob es nicht alles noch schlimmer macht. Sich mit jemanden auszutauschen, über Dinge die einen beschäftigen zu reden, das kommt im Alltag bei mir leider oft zu kurz. Längere Gespräche mit Freunden meide ich eigentlich, weil ich zum einen die meisten nicht unnötig mit meinem Seelenmüll belasten will und zum anderen deren gute Ratschläge nicht unbedingt hören oder befolgen möchte.
Ich habe aber auch Angst, vor einer richtigen Therapie. Was wenn die genau das wirklich rauskristallisiert, was ich gar nicht wissen will.
Mein Hausarzt hat einmal zu mir gesagt, ich hätte einfach in die falsche Familie geheiratet, darüber müsste ich mir klar sein.
Prima - wenn das des Rätsels Lösung wäre, müsste ich meinen Kram packen und gehen. Kann ich aber nicht, will ich vielleicht auch gar nicht, trau ich mich auch nicht.
Ich vermute, dass ich meine Depressionen von meiner Mutter geerbt habe. Sie hat heute noch Probleme. Allerdings wurde sie auch von Ihrer Mutter als Baby einfach bei der Oma sitzen gelassen und ihre Mutter suchte sich einen neuen Mann, gründete eine neue Familie - Vater war eh unbekannt. Also verblüfft es wohl niemanden, dass sie einen kleinen Knacks wegbekommen hat. Den habe ich aber scheinbar übernommen. Ich fühle mich irgendwie nie richtig zuhause. Habe ständig das Gefühl irgendwann aufwachen zu müssen und in meinem richtigen Leben zu sein. Dabei ist das hier mein richtiges Leben. Verheiratet, drei Kinder, gesicherte Verhältnisse, bis auf Streitereien mit meinen Schwiegereltern und der Tatsache, dass mein Mann mit meinen Eltern nicht spricht - alles Bestens. Könnte es jedenfalls sein, wenn ich nicht immer so am zweifeln wäre.
Es sind Phasen. Phasen in denen es mir gut geht und ich es schaffe eine Zeit lang über nichts nach zu grübeln und voll da bin. Und dann wieder Phasen, in denen ich zwar den Tagesablauf abspule, aber nicht da bin. Mal ist ein Wechsel alle 14 Tage mal kürzer. Mal drei, vier Tage depressiv, mal länger. Aber alles in allem geht es einfach nicht weg.
Einmal hat mir mein Hausarzt angeboten mir Valium zu geben und als ich nach längerem Überlegen beim nächsten Termin wieder darauf zurückkommen wollte zog er es wieder zurück.
Vielleicht wäre ein Stimmungsaufheller wirklich manchmal gut, aber ich sehe das meistens selbst gar nicht, dass es meine Phase ist, ich denke dann meistens, dass jetzt doch alles irgendwie anders ist und nicht ich schuld habe an dem wie ich es empfinde.
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll und ich habe Angst. Denn ich glaube nicht, dass mich noch jemand hier im Haus ernst nimmt, wenn ich zum Therapeuten gehe. Ihr glaubt nicht, welche Meinung die von einem dann haben. Der Meinung meiner Schwiegereltern nach, können nur Leute die zu wenig Arbeit und zu viel Zeit haben, überhaupt auf solche Gedanken kommen, dass irgendetwas nicht mit ihnen stimme. Und meine Mutter hat mir als Kinder immer den schlauen Satz : Hast Du Dein Gehirn verbogen, musst Du den Psychologen frogen! eingebleut - wahrscheinlich, weil sie selbst Angst davor hatte.
Weiß gerade nicht weiter im Text, aber vielleicht fällt noch irgendjemand anderem was ein.
Gruß, Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
Xavro
Beiträge: 807
Registriert: 12. Sep 2004, 21:22
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Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von Xavro »

Hallo Tina,

natürlich kann dieses Forum keine Therapie ersetzten. Das es dir jetzt sogar schlechter geht, kann ich gut nachvollziehen. Das ist bei einer Therapie auch oft so. Durch das Schreiben hier, arbeitest du ja alles im Kopf noch einmal durch. Da kommt einiges wieder hoch. Eigentlich ist das ein gutes Zeichen.

"Ich habe aber auch Angst, vor einer richtigen Therapie. Was wenn die genau das wirklich rauskristallisiert, was ich gar nicht wissen will."

Das klingt für mich so, als hättest du schon eine Ahnung was das sein könnte. Solange da was in dir gärt, wirst du deine Probleme nie lösen. Du musst schon den Mut aufbringen da hin zu sehen. In einer Therapie solltest du auch lernen, mit den Dingen umzugehen, die du eigentlich gar nicht wissen willst. Man tastet sich da ja langsam ran.

Wie das genau aussieht hängt natürlich von der Therapieform ab, die du auswählst. Ich persönlich würde aufgrund deiner Geescichte ja zu was tiefenpsychologischen raten, aber da wird u.U. wirklich in der Vergangenheit gebohrt.

Dagegen ist eine Verhaltenstherapie mehr in der Gegenwart verhaftet. Im Prinzip werden deine jetzigen Denk- und Verhaltensweisen angesehen und durch strukturiertem Arbeiten daran, kannst du dich von den depressionsauslösenden Mechanismen befreien. Normalerweise ist damit kein wühlen in der Vergangenheit verbunden.

Valium ist tatsächlich keine Dauerlösung. Du wirst deinem Arzt bestimmt mal dankbar sein dafür, dass er es zurück gezogen hat.

Die Einstellungen in deiner Familie tragen nur noch dazu bei, deine Depressionen zu verstärken. Das ist so typisch. Irgendwann bringt sich dann jemand in so einer Familie um wegen seiner Depressionen und dann heißt es: "Nein, Depressionen gibt es bei uns nicht. Er war doch glücklich. Hat alles gehabt. Der hatte doch keinen Grund sich umzubringen."

Da gibt es keinen leichten Weg raus. Du musst dich von deiner Familie emanzipieren, wenn du nicht vor die Hunde gehen möchtest.

Falls du dich wirklich nicht zu einer Therapie durchringen kannst, dann probiere es doch mal mit einem Antidepressivum. Besser als Valium & Co ist das allemal.

Gruß
Xavro
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Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von Tinalesekatze »

Hallo Xavro,
vielen Dank für die Antwort.
An so etwas Tiefenpsychologisches habe ich auch schon gedacht, aber ich traue mich halt einfach nicht. Habe vor Jahren mal eine Therapie gehabt, aber eher, wegen meiner damaligen Unzufriedenheit mit mir selbst. Allerdings hat sich dann rausgestellt, dass ich mehr Probleme im Umgang mit meiner Familie habe, als das das wirkliche Unzufriedenheit mit mir war.
Da ging es auch darum, sich ein dickes Fell zu zu legen (sprich sich zu emanzipieren) und eben nicht alles, was jemand sagt auf sich zu beziehen bzw. eben besser abzublocken als sich damit zu verletzen. Ich hatte dann auch bald das Gefühl, das in den Griff zu bekommen und habe die Therapie nach 10 Sitzungen abgebrochen - allerdings - wenn ich ehrlich bin - doch wieder um der Fragerei zuhause aus dem Weg zu gehen (was rausgekommen sei, wie oft ich noch hin müsse etc.)
Was mich auch interessieren würde, wäre z.B. Familienstellen (so heißt das glaub ich). Wo man herausfinden kann, wer in der Familie welche Funktion übernommen hat.
Ich weiß noch nicht, welchen Weg ich einschlagen soll. Vielleicht versuche ich es erst nochmal beim Hausarzt?!
Danke jedenfalls für die Antwort.
Gruß, Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
deep
Beiträge: 207
Registriert: 27. Sep 2004, 12:13

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von deep »

Hallo Tina,

Familienaufstellungen sind, zumindest was ich so mitbekommen habe, nicht ganz ungefährlich, die wenigsten Referenten haben eine Ausbildung, die ihnen ermöglicht, bei Problemen der Teilnehmer helfend einzugreifen. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist und würde mich an Deiner Stelle auf jeden Fall vorher versuchen so gut wie möglich zu informieren. Diese Veranstaltungen sind sehr umstritten.

Vielleicht solltest Du wirklich, wie Xavro ja auch meinte, mit Deinem Arzt über ein Antidepressivum reden. Und wenn Dein Arzt nur Valium kennt, solltest Du Dich nach einem anderen umschauen, Valium ist sicher nicht das Beste in Fällen wie Deinem.

Hinsichtlich der Therapie, puh, das ist sicher schwierig. Ist da wirklich niemand, den Du ins Vertrauen ziehen könntest (Dein Mann?) und der Dich stützen und manchmal auch schützen könnte?

Andererseits muss das ja auch niemand wissen, dass Du eine Thera machst, zumindest am Anfang nicht - ginge das vielleicht?

Auf jeden Fall viele liebe Grüße
und ein bisschen Kraft von mir an Dich

Karin
pferdediebin
Beiträge: 472
Registriert: 11. Jun 2004, 23:45

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von pferdediebin »

liebe tinalese!


beim lesen deines beitrages mußte ich drüber nachdenken,warum ich noch nie ernsthaft eine therapie in erwägung gezogen habe.immerhin nehme ich seit 4 jahren AD...
und ich kann gut verstehen,warum man sich innerlich wehrt dagegen.vor allem,wenn man dazu erzogen wurde,alles mit sich allein auszumachen.
ich hatte mir 2x akut-hilfe in krisen-interventionszentren gesucht,aber nicht mal dann hatte ich das bedürfnis nach therapie.
als alter bücherwurm suche ich mir immer alles aus büchern zusammen,ich hole mir anregungen,und dann denk ich solange darüber nach,bis die nächste frage auftaucht.
wenn es dich so verunsichert,vielleicht solltest mal in eine psychologie-reiche buchhandlung gehen,und sehen,welche bücher dich so anspringen...dann bekommst du vielleicht eine ahnung davon,was dein eigentliches problem ist.und ob du eventuell selber damit klarkommst,oder ob du hilfe dabei brauchst.oder es hilft dir,gedanken zu sortieren und zu artikulieren.
manche dinge können erst hochkommen,wenn man sich eben in einer "sichereren" lebenssituation befindet,dann ist einfach die richtige zeit dafür da.
und vielleicht sind die konflikte um dich herum nur als ansporn dazu gedacht,dich etwas bestimmtem zu stellen...

ich wünsch dir auf jeden fall alles gute dabei

pferdediebin
"Die Stimme des Fleisches verlangt: nicht hungern,nicht dürsten,nicht frieren.Wer dies erreicht und hoffen darf,auch künftig zu erreichen,kann sich selbst mit Zeus im Glücke messen"



Epikur





Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von Tinalesekatze »

Hallo Karin,
Danke für die Rückmeldung.
Bei uns ist es leider wirklich schwierig, irgendetwas zu unternehmen, das niemand mitbekommt. Wir wohnen mit meinen Schwiegereltern in einem Haus, haben ein Bestattungsinstitut das leider einen 24-Std. Telefondienst fordert und ich habe 3 Kinder zu versorgen. Also muss ich mich entweder wegen der Kinder oder wegen des Telefondienstes bei meinen Schwiegereltern abmelden.
Ich glaube nicht, dass mein Mann eine Therapie unterstützen würde. Er hat warscheinlich eher Angst, dass ich dann noch mehr Probleme sehe, wo seiner Meinung nach keine sind. Wir haben eine nicht ganz so unproblematische Beziehung. Leider.
Gruß, Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von Tinalesekatze »

Hallo Pferdediebin,
Bücher habe ich zu Hauf schon gelesen. Ist auch viel dabei, was mich beschäftigt, was mir hilft aber auch viel das mich noch mehr verunsichert.
Ich denke, ich brauche wirklich jemanden der mich führt.
Danke aber, für die Antwort.
Gruß, Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
deep
Beiträge: 207
Registriert: 27. Sep 2004, 12:13

Re: Angst vor einer richtigen Therapie

Beitrag von deep »

Hallo Tina,

okay, dass mit dem Abmelden macht es sicher schwieriger. Auch wenn ich es schon heftig finde, dass das überhaupt so ist - wäre so gar nicht mein Ding. Musst Du denn immer begründen, warum Du sie bittest, sich um die Kinder zu kümmern? Ein Bisschen kann man der Wahrheit doch immer ausweichen

Aber vielleicht solltest Du doch einmal mit Deinem Mann sprechen? Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass mein Mann diese Idee sehr gelassen und absolut positiv aufgenommen hat. Ich hatte üble Bedenken, das Thema überhaupt nur anzuschneiden aus lauter Angst, was er dazu sagen könnte und vor Allem, dass er dagegen sein könnte.
Gerade aber dieses Gespräch vor 2 Jahren hat unsere auch nicht immer leichte Beziehung wieder stabiler gemacht. Da kam sicher noch vieles Andere dazu, aber den Anstoß, überhaupt an unserer Beziehung zu arbeiten, war dieses Gespräch.
Ich denke, dass man in der Depression auch oft nicht mehr in der Lage ist, Menschen und ihre Reaktion richtig einzuschätzen, einfach weil man sowieso Alles schwarz oder bestenfalls grau-in-grau sieht.

Vielleicht hilft es Dir ja ein wenig.

Noch ein bisschen Kraft rüberschiebend
viele liebe Grüße
Karin
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