Hilfe zur Selbsthilfe

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Frettchen2525
Beiträge: 1
Registriert: 10. Jun 2025, 17:19

Hilfe zur Selbsthilfe

Beitrag von Frettchen2525 »

Hallo zusammen,

ich bin ganz neu hier, erst vor ein paar Minuten war meine Aktivierung. Gestern war ich voller Euphorie mich hier anzumelden, heute frag ich mich was genau ich hier soll.
Ich glaube ihr kennt das...
Ich war gestern (endlich nach 5 Jahren) zum Erstgespräch bei einer Therapeutin, ich denke ich mag sie. Leider muss ich - wie vermutlich viele anderen auch - 3 bis 6 Monate auf einen Platz warten. Aber auch das krieg ich noch hin, ging ja vorher auch, irgendwie. 5 Jahre mutlos a la "krieg ich schon hin" haben sich leider nicht als gut bewährt. Nun wurde mir nahe gelegt, eine Tagesklinik zu besuchen und zusätzlich zu den Therapeutischen Stunden noch an einer selbsthilfegruppe teilzunehmen. Gesagt, getan. Tagesklinik wird wohl eher was für später - das muss erst organisiert werden - man hT ja trotz Erkrankung auch noch ein Leben. Eine Selbsthilfegruppe vor Ort habe ich angefragt, geht natürlich auch nicht sofort. Und dann fand ich euch.
Doch was genau mach ich hier? Ich lese in manchen Posts vom Leid der Gleichgesinnten, das zieht mich noch mehr runter. Doch genau darunter kommen alle anderen, haben Tipps und Ratschläge, Mutbringende Worte und ein "Ohr" weil man hier verstanden wird und es werden Erfahrungen geteilt.

Schritt eins - ich bin nicht allein. Allein diese Erkenntnis war es schon wert.

Doch wie geht es weiter? Wie gehe ich den nächsten Schritt?
Hallo ich bin.....
Ich leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradige Episode.

Das klingt falsch. Es ist falsch. Ich habe eine Störung.... Als wäre ich nicht "normal" oder "anders". Kennt ihr dieses Gefühl, ein Fremder im eigenen Leben zu sein? Manchmal sogar im eigenen Körper oder Geist? Ich bin es so leid mich immer erklären zu müssen. Wieso schon wieder müde, wieso schon wieder krank geschrieben, wieso schon wieder nicht draußen gewesen oder mit Freunden/Familie getroffen, wieso schon wieder...... Und so geht es immer weiter. Manchmal bin ich echt dankbar, dass mein Körper das atmen von allein übernimmt und ich dafür nicht auch noch in ein Verhör voller Erklärungen muss....
Aber euch erzähle ich vermutlich nichts neues...

Erstmal genug, ich habe tatsächlich Fragen.
Ich möchte wieder leben. Richtig leben, ohne "Störung" oder zumindest eine kontrollierte Version davon.
Was sind Erfahrungsgemäß die besten ersten Schritte? Neue Routinen? Mehr Bewegung und rausgehen? Ein neues Hobby? Was kann ich tun / versuchen um einen kleinen Anfang zu bekommen? Ich muss gestehen, ich bin während meiner "Störung" (so ein hässliches Wort für uns 😔) nicht sehr diszipliniert. Verlange oft zuviel von mir und der Absturz bzw. die Enttäuschung über mein versagen fallen dann immer sehr groß aus.

Wie ich mich fühle, kann sich hier jeder denken, ich bin nicht nur krank. Ich bin müde vom Leben. Müde vom kämpfen. Ich möchte sehr oft einfach gern aufgeben. Aber hinter all der Düsternis in mir, bin ich eine berufstätige, liebende 37 jährige Mutter und Ehefrau. Aufgeben ist keine Option.
Der erste Schritt "Ich suche mir Hilfe" ist getan. Wie geht es weiter?

Lieben Dank an alle die sich die Mühe gemacht haben, meine verzweifelten Zeilen zu lesen.

Frettchen
Die dunkelste Stunde ist die, die dem Sonnenaufgang voraus geht. 🌼
Senif
Beiträge: 2729
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Hilfe zur Selbsthilfe

Beitrag von Senif »

Hallo Frettchen,

sobald der Leidensdruck sehr hoch wird, kann schon von Störung geredet werden, ohne es so zu bewerten, dass der Betroffene "gestört ist". Aber ich verstehe diese Bewertung schon. Meist sind es aber eigene Bewertungen.

Von den Schritte her, ist Therapie schon mal ein guter Ansatz. Je nach Schwere der Depression auch Medikamente. Sie waren bei mir Voraussetzung für Therapiefähigkeit. Sport hat mir geholfen, langfristig Anspannung los zu werden, oder zumindest auf ein erträgliches Maß zu senken. Und da in der Depression mein Selbstwertgefühl eingebrochen ist, dieses wieder aufbauen. Der erste Schritt war viel Selbstfürsorge - weil ich es mir wert war. Am Anfang war es erstmal ein zwingen - das andere kam erst später. Kann man aber trainieren.
Du sagst, du bist Mutter und berufstätig. Ich glaube da ist es besonders wichtig, sich kleine Auszeiten zu gönnen, auch mal für sich sein, sich um sich kümmern. Ich weiß nicht, ob das bei dir geht.

Es gibt hier auch einen Thread Werkzeugkasten. Da kannst du auch mal reinschauen. Hilfe zur Selbsthilfe finde ich gut :-)

Im übrigen ging es mir damals hier aus so. Ich kam in das Forum und suchte Hoffnung. Und ich fand sie nicht.

LG Senif
MaWe
Beiträge: 217
Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: Hilfe zur Selbsthilfe

Beitrag von MaWe »

Zum Begriff "Störung":

Sollte nicht so verstanden werden, dass du bescheuert bist, sondern im Sinne von "etwas stört dein Wohlbefinden".
Landalas
Beiträge: 13
Registriert: 11. Mai 2025, 00:01

Re: Hilfe zur Selbsthilfe

Beitrag von Landalas »

Hallo Frettchen2525!

Erste ein mal ein herzliches Willkommen.
Vor 14 Monaten habe ich die symbolische "weiße Flagge" gehisst und mich "ergeben".
Sprich, ich bin zum Hausarzt, weil ich immer so traurig und depressiv (das was man gemeinhin so darunter versteht) war. Der gute Mann hat sofort gesehen was Phase war und hat mich zu einem Psychater überwiesen.
Wie durch ein Wunder hatte der innerhalb von 3 (in Worten: drei) Tagen für mich Zeit. - HAMMER!
Nach keinen 10 Minuten Anamnese war für den Psychater klar, dass ich nicht über Los, sondern sofort in eine Klinik muss.
Dort war ich dann gut 5 Wochen, bis ich mich selbst entlassen habe. (Sehr lange Geschichte)

Was ich dort aber SEHR zu schätzen gelernt habe, war der Austausch mit anderen Patient*innen. Es hat mich getröset und mir sehr viel Kraft gegeben, dass ich erfahren und erlebt habe, dass ich nicht allein mit meiner Krankheit bin.
Da kann man nicht von Heilung sprechen, aber es hat sicherlich viel dazu beigetragen.

Mir hilft es, wenn ich meine Probleme einfach mal frei heraus sagen kann. Und wenn dann schon mal der Punkt kommt, wo die Worte nicht mehr ausreichen, dann dennoch auf Verständnis zu treffen ist für mich von unendlich großem Wert.
Und das kannst Du Dir hier holen. Du sprichst hier mit Menschen, die entweder (fast) die gleichen Leidenswege gegangen sind oder zumindest sehr genau wissen wovon Du sprichst; weil sie es selbst erlebt haben.
Es ist hier ein geschützter Raum, hier kannst Du ALLES sagen, was Dir in den Sinn kommt (so lange es den hiesigen Regeln entspricht). Was auch immer es ist, hier ist es gut aufgehoben, hier erreichst Du Leute, die wissen, aus eigener Erfahrung wissen wovon Du sprichst.
Am Anfang ist man noch etwas unsicher und zurückhaltend, aber das ist a) normal und b) verschwindet langsam.

Die "besten Schritte", die Du suchst, sind die welche DU machst. Am Anfang wird sich das wie Torkeln im Dunkeln anfühlen. DU weißt einfach nicht wohin und schon gar nicht wie Du da hingelangen kannst. - Willkommen im Club! :-)
Als ich in der Klinik war, hat es ein paar Tage gedauert bis ich wieder etwas spüren konnte. Es war Schutz und tiefer Frieden.
Die Klinik war meine uneinnehmbare Festung. Hier war ich sicher und beschützt.
Ich kam wieder zu Atem und auf langen Spaziergängen (Bewegung ist wirklich Trumpf!) habe ich viel mit mir selber gesprochen und mir zugehört. Jetzt hatte ich Zeit dafür und nach und nach kam die Kraft wieder zurück. Der Akku begann sich wieder aufzuladen.

Was mir auch sehr geholfen hat, war der Austausch mit den Mitpatienten und last, but not least, meine "unerbittliche Therapeutin".
Sie hat immer weiter gebohrt und gebohrt, bis sie irgendwann fast aufgegeben hat. Dann sagte sie zu mir, dass ich unglaublich schnell darin bin, alle Löcher, die sie versucht durch meine "Schutzwand" zu bohren, sofort und sehr nachhaltig wieder verschlossen habe. Das war mir nicht bewußt. So gut funktionierten meine Depressionen schon, dass sie Methoden entwickelt hatten sich selbst zu beschützen.
Bei der nächsten Sitzung habe ich dann mal darauf geachtet und die "Schilde" (vgl. Raumschiff Enterprise) unten gelassen. Meine Herren! Das gab einen Sprung in der Therapie nach vorne! Aber es hat mich UNGLAUBLICH viel Kraft gekostet. Nach der Therapiestunde bin ich in den Garten der Klinik gegangen und habe mich auf eine Bank gesetzt. Kurz vor dem Abendessen hat mich jemand geweckt. Aber das war eine Art Durchbruch und von da an ging es mir fast täglich besser.

Das ist ein Teil meiner Geschichte und ich habe nur ganz selten mal Ähnlichkeiten mit anderen Patienten festgestellt. Das ist alles SEHR individuell und das ist völlig in Ordnung.

... und so abgedroschen wie es klingt, aber so wahr ist es zumindest für mich: Mein Psychater sagte: "Sie müssen akzeptieren, dass sie schwer krank sind. Das ist kein Schnupfen!" Das habe ich mir öfters wieder ins Gedächtnis gerufen, wenn ich mal wieder mit meiner Ungeduld und dem nicht groß genug seienden Fortschritt meiner Genesung gehadert habe.
Wenn man eine schwere Verletzung hatte und nach einer schweren OP lange braucht wieder gesund zu werden, dann nutzt es gar nichts, wenn man nach 2 Tagen aus dem Bett springt. Bei Depressionen ist es ähnlich.
Das wird langsam besser. Meistens in recht kleinen Schritten. Mit etwas Geduld und Nachsicht mit sich selber kommt man unterm Strich schneller voran. Was nicht heißt, dass man die Zügel schleifen lässt.
"Du schaffst heute was Du kannst. Mehr geht nicht!" (T. Sträter) Aber das was ich heute schaffen kann, das mache ich auch.
Aber 8 Stunden durcharbeiten wie "früher" geht nicht mehr. Punkt. Nun, dann eben zwei Mal vier Stunden mit einer Pause. Eine Pause in der ich mich auch schon mal eine Stunde ins Bett lege und tief schlafe.

Aus meinen Erfahrungen und Beobachtungen kann ich nur sagen: Nimm den Druck raus. Mach mal halblang und warte geduldig bis Du Dich wieder spüren und in Dich hinein hören kannst. Das ist noch alles da. Es ist im Moment einfach nicht zugänglich. Aber deswegen ist es immer noch da und Du wirst es wiederfinden. Ganz sicher.
Und wenn Du wieder Zugang zu Deinem wirklichen "Ich" hast, wirst Du verstehen, was Du brauchst, um die Depressionen Stück für Stück loszuwerden.
Aber der Weg ist nicht gerade! Es wird Rückschläge geben. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Lässt man sich davon entmutigen oder versteht man den Hinweis der eigenen Seele und/oder Körper, dass das gerade keine glänzende Idee war, was man getan hat.
Es liegt an Dir. Und Du wirst es schaffen. Auch wenn das gerade wie eine total verrückte Utopie und dummes Gerede klingt.
"Du solltest akzeptieren, dass Du schwer krank bist!" Das wird wieder!!! Aber das dauert!
Aber aufgeben ist NIEMALS eine Option. Ausruhen, pausieren, Kraft schöpfen, sich neu sammeln, ... alles in Ordnung! Aber aufgeben ist nicht! Die Krankheit wird NICHT gewinnen. Punkt!

Speichere Dir diesen Thread mal ab und schau ihn Dir in einem Jahr wieder an. Dann wirst Du sicherlich etwas sehr Ähnliches anderen Kranken schreiben, in der Hoffnung, dass es ihnen hilft.
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