ich bin neu hier und lese schon seit ein paar Tagen hier mit. (Ich glaube es wird ein langer Text
Ich bin Angehörige von einem depressiven Mann.
Kurz zu mir: ich hatte schon Erschöpfungsdepression und leichte Depression, wurde 3 Jahre therapiert und bin seit 2021 stabil. Mit meinem Mann bin ich dieses Jahr 25 Jahre zusammen und 21 Jahre davon verheiratet. Wir haben eine junge Erwachsene Tochter die noch bei uns wohnt.
Wir führten immer eine liebevolle und respektvolle Ehe. Wir haben die gewonnene „Freiheit“ durch unsere große Tochter in den letzten Jahren immer mehr genossen und sind dadurch noch enger geworden.
In einem Gespräch 2023 sagte mein Mann das er sich nicht gut fühlt. Gereizt, alles nervt, antriebslos, er pamt zu Hause rum und meint es aber nicht so, gestresst… Wir haben überlegt ob er professionelle Hilfe braucht. Erste Anlaufstelle war meine alte Therapeutin, wo er zum Glück auch direkt unter kam. Von seinem Hausarzt bekam er Laif 900 als Stimmungsaufheller verschrieben. Beim Therapeuten hatte er ca alle 3- 4 Wochen ein Gespräch. Im letzten September war er in Reha und bekam dann seine endgültige Diagnose: rezidive mittlere Depression. Das es wiederkehrende Depressionen sind, daran hatte er natürlich zu knacken. Aus der Reha kam er richtig Stabil zurück. Er hat gelerntes Handwerkszeug angewandt und sich super an die Ernährung gehalten (Stressesser). Wie sehr wir uns vermisst haben, hat die Zeit danach gezeigt
Dann kam der November… Dieser Monat ist bei uns jahrelang grau, denn sein Vater ist damals gestorben. Bedrücktheit, Stress auf der Arbeit (Jahresende) und Gereiztheit standen wie die Jahre davor an der Tagesordnung. Also für mich ein normaler Zustand. Nur dann wurde es komisch. Mein Gefühl sagte mir das da was nicht stimmt. Ein Tag vor Weihnachten habe ich dann mit ihm gesprochen, erzählt wie ich mich fühle und das ich mich um ihn Sorge. Da platze es aus ihm heraus: Er hat für mich keine romantischen Gefühle mehr. Für mich brach eine Welt zusammen… Von gestern auf heute werde ich nicht mehr geliebt!
Es geht ihm so schlecht wie noch nie und ich habe es nicht gemerkt!
Durch meine Depression weiß ich natürlich zum größten Teil was Sache ist. Das hilft mir sehr das ganze direkt einzuordnen und nicht persönlich zu nehmen. Jedoch das einordnen fällt mir manchmal schwer. Ich muss zur Zeit immer Zweigleisig denken… Ok, das sagt er/ macht er. Aber es ist nicht absichtlich. Es ist die Depression.
Da ich während meiner Depression auch keine Liebe spüren konnte, weiß ich dass er nichts dafür kann.
Ich habe für ihn Verständnis und möchte den Weg gemeinsam mit ihm gehen ihn unterstützen und für ihn da sein. Ihn trifft keine Schuld. Es ist die Depression die ihn im Griff hat. Wir haben schon viele andere Dinge gemeistert. Das werden wir auch schaffen.
Mir ging es damit sehr schlecht. Ich habe kaum noch gegessen und viel geweint. Nach 2 Wochen wurde es besser. Wir redeten viel, hauptsächlich wie ich mich fühle. Er redet über sich kaum. Kann er nicht, trotzdem bin ich jederzeit für ihn da, wenn er mich braucht.
Erinnerungen, Fotos haben mich zum weinen gebracht.
Wir haben einen Umgang miteinander gefunden den ich langsam akzeptieren und leben kann. Der Umgang der körperlichen Nähe sieht zur Zeit so aus: Auf dem Sofa liegen das sich die Beine berühren, Umarmungen, und das ich mich im Bett an ihn kuscheln kann. Wenn ich ins Bett gehe bekommt er eine Umarmung und seit 3 Tagen kündige ich jedesmal an, dass ich ihm einen Kuss auf die Wange gebe werde. Wenn er sich in einer Situation unwohl fühlt, wird er es sagen. So die Absprache, hat er selber vorgeschlagen.- Zum Glück kam das noch nicht vor. Ich weiß aber, dass es jederzeit kommen kann.
Ich weiß das ich mich nicht beklagen kann, was die körperliche Nähe betrifft. Ich habe hier schon ganz anderes gelesen.
Seit 3,5 Wochen lebe ich jetzt mit/ in dieser Situation. Ich habe Kontakt zu einer Beratungsstelle aufgenommen und hatte dort schon mein erstes Gespräch. Das nächste ist Terminiert.
Zwischendurch kommen mir immer mal wieder Zweifel ob wir es wirklich schaffen. Ich weiß, ich muss für mich Sorgen, habe auch schon paar Sachen geplant, aber es fällt mir unglaublich schwer die Dinge anzugehen. Wir haben immer alles gemeinsam gemacht. Haben auch einen gemeinsamen Freundeskreis. Ein zusätzliches Problem ist, das mein Mann nicht möchte das es andere erfahren. Er ist da einfach noch nicht soweit. Dies schränkt mich jedoch ein, da ich immer gute Laune vorspielen muss, weil es keiner erfahren soll. Sowas kann ich nicht. Also beschränken sich gerade meine Kontakte auf meine Familie. Sie wissen Bescheid und sind immer für mich da.
Jetzt seit Januar geht es ihm leicht besser. Er ist fröhlicher als sonst, Arbeit ist grade auch ok, er wirkt ausgeglichener. Das freut mich für ihn. Therapie hat er zur Zeit nur alle 4 Wochen. Er braucht viel mehr. Was kann man da machen? Medikamente nimmt er nur das Lauf 900.
Aber was ich eigentlich Fragen wollte… Wie geht es Euch mit der Situation?
Wie lange hast du gebraucht um im Alltag als Angehöriger mit der Situation klar zu kommen? Wird es so bleiben bis mein Mann wieder „gesund“ ist? Weil ich muss den Umgang ja komplett neu mit ihm ausprobieren und lernen.
Mach ich mir selber zu viel Stress die Situation schnell anzunehmen? Für mich ist schon Mahlzeiten planen eine große Herausforderung. Heute habe ich in einem alten Rezeptetagebuch nach Ideen gesucht. Ich hab mich so schlecht damit gefühlt… Da war die Welt noch in Ordnung. Wir sind beide Genussmenschen und lieben leckeres Essen. Meine liebsten Gerichte schmecken mir zb gar nicht mehr. Ich verbinde das Essen mit der „alten“ Zeit.
Ich habe einfach die Sorge das ich wieder in eine Depression falle und was dann aus mir wird. Das es keine Freien Therapeutenplätze gibt und lange Wartelisten, ist ja bekannt.
Ich glaube, ich höre hier mal auf
Vielen Dank fürs lesen und über Antworten würde ich mich freuen.
Lie
Ich muss noch was ergänzen: Mein Mann ist wirklich bemüht alles zu machen wie vorher. Er schafft auch nach wie vor alles. Er ist keine Belastung oder fällt durch sein Verhalten nicht negativ auf. Traurig darf man sein und auch zeigen. Zwischendurch fallen mal ein paar Sprüche aber es ist nichts fieses oder verletzendes dabei. Es ist eher der Tonfall.Er macht alles mit sich selbst aus. Seine liebevolle und zuvorkommende Art blitzt zwischendurch immer mal durch. Die einzige Belastung die ich habe, ist das er zur Zeit keine Liebe für mich spüren kann. Ich glaube aber an uns! Er kommt auch auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Dinge die durch Konzentrationsmangel oder Antriebslosigkeit passieren, finde ich absolut nicht schlimm und nennenswert.