Kontaktabbruch während depressiver Phase

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GoodVibes
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Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von GoodVibes »

Hallo,

ich bin bisher nur stiller Mitleser, aber möchte nun doch gerne mal eure Meinungen/Einschätzungen zu folgenden Erzählung hören. Insbesondere würde es mich sehr freuen, wenn sich auch Betroffene dazu äußern könnten. :)

Seit etwas über einem halben Jahr führe ich (35) eine Fernbeziehung zu einem Mann (36). Von der Entfernung her kann ich leider nicht "mal eben so" bei ihm sein, da uns rund 600 Kilometer trennen. Die Beziehung ist für diesen Zeitraum natürlich noch frisch. Insgesamt kennen wir uns schon fast drei Jahre. Es fing zunächst relativ lose an und erst die letzten anderthalb Jahre wurde es zwischen uns immer intensiver. Wir schreiben hauptsächlich über WA, telefonieren viel miteinander, Videoanrufe inklusive. Er hat von Anfang mit offenen Karten gespielt und mir erzählt, dass er an Depression erkrankt ist. Er ist ein sehr empathie- und gefühlvoller Mensch, der sehr darauf bedacht ist, dass es den Menschen, die ihm am Herzen liegen, gut geht. Er hat für alles und jeden ein offenes Ohr, hört zu und versucht Rat zu geben, wo er kann. Kurzum gesagt: Er ist eine Seele von Mensch.

Berufsbedingt konnten wir uns leider noch nicht so oft treffen, haben aber bereits einen gemeinsamen Urlaub verbracht, der für uns beide die wohl denkbar schönste Zeit des Jahres war. Vor allem nachdem wir beide, aufgrund unserer Jobs, sehr viel Stress und Anspannung mit uns herumschleppten. Auch sonst lief jedes Treffen absolut harmonisch und liebevoll ab. In seiner Nähe fühle ich mich einfach pudelwohl und geborgen. Ich kann auch sagen: Wenn ich bei ihm bin, dann fühle ich mich zu Hause. :)
Er hat wie gesagt von Anfang mit offenen Karten gespielt, was seine Erkrankung betrifft. So hatte er mir z.B. einmal erklärt, dass die Depression bei ihm schlagartig von jetzt auf gleich eintreten kann und was das mit ihm macht. Er hat mich quasi damals schon gewarnt, dass er in diesen Phasen, je nachdem wie heftig sie ausfallen, u.U. komplett dicht macht und sich dann nur noch verkriecht (völliger Rückzug mit Kontaktabbruch). Aufgrund dieser Phasen hat er bereits viele Freunde verloren (die unter dem Gesichtspunkt nicht wirklich seine Freunde gewesen sind) und auch eine Beziehung ist in die Brüche gegangen ist weil seine Ex-Partnerin damit nicht zurechtkam. Dass alles war für mich kein Hinderungsgrund um letzten Endes eine Beziehung mit ihm einzugehen. Wir sprechen über seine Erkrankung ganz offen, vertrauen einander sehr und sind immer füreinander da, wenn es dem anderen schlecht gehen sollte. Eine Therapie und AD lehnt er bisher ab. Er hatte in der Vergangenheit bei den Therapeuten zwei Griffe ins Klo gehabt und dann aufgegeben.

Nun ist vor kurzem das eingetreten, wovor er mich bereits gewarnt hatte. Ich vermute es war ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren u.a. zu viel Stress, nicht aufgearbeiteter Erlebnisse aus der Vergangenheit etc. Ich bemerkte bereits, dass er sich in einer Abwärtsspirale befand und Aussagen wie z.B. dass er eine Last für alle sei und allen nur Probleme bereite, von sich gab. Die bekannten, sehr negativen Gedankengänge bei einer Depression. Von da an hörte ich dann auch schlagartig nichts mehr von ihm. Keine Reaktion auf Nachrichten oder Anrufe. Ich verstand sehr schnell, was da passiert war. Das alles ist nun etwas über 4 Wochen her. Zugegeben, die erste Woche war für mich ein emotionales Auf und Ab. Man rechnet damit, aber wenn es eintritt, bekommt es wieder einen ganz anderen Geschmack. Dennoch bedränge ich ihn nicht mir zu antworten und bombardiere ihn auch nicht mit Nachrichten. Ich zeige Verständnis für seine Situation und er weiß, dass er sich jederzeit bei mir melden kann, wenn er wieder kann. Auch melde ich mich nicht jeden Tag bei ihm, sondern einmal die Woche und dann auch nur mit einer kurzen Nachricht und auch hier, ohne jeglichen Druck auszuüben oder gar emotional zu werden. Die große Unbekannte ist natürlich nun die Frage: Wie lange wird es dauern? Das wird mir natürlich niemand beantworten können. Selbstverständlich vermisse ich ihn und habe bereits die eine oder andere Träne darüber verdrückt, aber es nützt weder ihm noch mir, wenn ich nun in Selbstmitleid versinke. Ich lenke mich ab und versuche mit meinen Gedanken nicht dauerhaft bei ihm zu hängen.

Natürlich ist die Versuchung bereits groß gewesen, einfach zu ihm zu fahren, aber das verkneife ich mir. Am Ende bleibt mir die Tür verschlossen und ich kann unverrichteter Dinge wieder wegfahren. Es ist ganz offensichtlich, dass er derzeit absolut keinen Kontakt haben möchte. Zumindest nicht zu mir. Und diese Zeit und den Raum gebe ich ihm gerne. Auf WA hat er mich nicht geblockt, was ich schon mal positiv einordne. In der ersten Woche habe ich es 2x versucht ihn anzurufen, aber das verlief sich ins Leere. Ich hege die leise Hoffnung, dass er wenigstens den Kontakt zu seinen Freunden vor Ort sucht (seine Familie ist ihm keine Stütze) und sich nicht auch da komplett abkapselt. Ich muss darauf vertrauen, dass er sich irgendwann wieder bei mir melden wird und sich darüber freut, dass ich noch da bin. Und nun kommt da eine Frage auf, zu der ich gerne mal eure Einschätzungen und/oder Erfahrungen lesen würde:

Warum sind es häufig gerade die nahestehenden Personen (Partner, Familie etc.), die von diesem plötzlichen Kontaktabbruch betroffen sind? Hat es etwas mit Selbstschutz zu tun, weil man gerade diesen geliebten Menschen einfach keine Angst machen bzw. keine "Belastung" für sie sein möchte? Dass sie die, die ihnen so nahe stehen, nur schützen wollen? Ich habe mich bereits sehr viel mit dem Thema Depression auseinandergesetzt und doch gibt es da noch genügend Fragen, auf die ich noch keine Antwort habe. Ich möchte dass alles noch besser verstehen können, allein schon aus dem Grund, damit ich damit noch besser umgehen kann. Daher wäre es für mich interessant, wie es andere Angehörige erlebt haben bzw. wie es sich für Betroffene darstellt. Ich danke euch, für eure Antworten. :)

Liebe Grüße
GoodVibes
bvs
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von bvs »

Warum sind es häufig gerade die nahestehenden Personen (Partner, Familie etc.), die von diesem plötzlichen Kontaktabbruch betroffen sind?
Vermutlich, zumindest hat mir das meine Partnerin so erklärt, ist es bei mir am schwierigsten, die Maske aufrecht zu erhalten, wegen der Nähe. Ich kann sie auch im allgemeinen gut Lesen und durchschaue dadurch die Maske und blicke hinter die Fassade.
Ihr Schutz davor ist dann einfach Rückzug. Das ist auch der Grund, warum ich mit der erste bin, der es zu spüren bekommt, während sie noch fröhlich mit ihren Freunden eine gute zeit haben kann.
Ich habe einige zeit gebraucht, das zu verstehen - am Anfang fühlte sich das so an (und sah oberflächlich betrachtet so aus), als wäre ich die Ursache gewesen. Das stimmt aber nicht.
Das macht es zwar nicht leichter, in der Situation zu sein (ich habe ja noch sowas wie Kontakt, aber wenn es reinkickt, ist sie sehr distanziert und fährt die Krallen aus, wenn ich dem nachgehe), aber immerhin brauche ich mich nicht mehr selbst infragestellen.

600km Distanz? Wow. Da würde mein Bindungstyp Amok laufen. Mich würde das krass unruhig machen und ich könnte auf der Basis keine Beziehung führen.
GoodVibes
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von GoodVibes »

@bvs

Hab Dank für deine Antwort. Es ist in der Tat wirklich so, dass ich mich hin und wieder dabei ertappe und mir die Frage stelle: Habe ich Schuld daran? Habe ich irgendetwas falsches gesagt oder getan, was ihn da wieder reingeschubst hat? Es gibt Tage, da kann ich damit gut umgehen und dann wieder die Momente, wie z.B. gestern Abend, in denen es mich vollkommen überrollt und ich einfach nur noch weinen muss. Man möchte so gerne für den anderen da sein, aber er lässt mich nicht. :(
Nixe02
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Nixe02 »

"Warum sind es häufig gerade die nahestehenden Personen (Partner, Familie etc.), ... "

Hallo GoodVibes,

ich frage mich oft, warum nerven mich gerade die nahestehenden Personen? Warum ziehe ich mich zurück?

Scheinbar wollen die etwas, was ich nicht will, sonst würde ich mich ja nicht zurückziehen?

Ich soll immer alles erklären ... wieso, weshalb, warum = ich möchte das bitte nicht (!) - kann man das nicht akzeptieren? Alles was mir behagt, fördere ich, ich tu' was dafür. Alles was mich bedrängt, verunsichtert, von dem nehme ich Abstand.

Bin ich deshalb krank, beziehungsunfähig, nur weil ich bestimmte Situationen meide? Wenn ich Vertrauen schöpfe/schöpfte, ja dann - doch dazu braucht es Zeit und Akzeptanz, so etwas muss wachsen.

Wìll man mir helfen oder nur sich selbst?
Regen Nacht
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Regen Nacht »

@Nixe02

Das ist in wenigen Zeilen die Essenz von dem, was mich als Angehörigen krank gemacht hat.

Es geht eben nicht (!) immer nur um die/den Depressiven! Wer als Angehörige/r diesen Fehler macht, hat
verloren.

Und das ist für Angehörige so wichtig zu verstehen: Man muss sich selbst helfen!

Die depressive Person hilft nämlich (nur) sich selbst.

Regen
Ach komm, geh mir weg.
GoodVibes
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von GoodVibes »

Bitte habt ein wenig Nachsicht. Ich stecke zum ersten Mal in einer solchen Situation und lerne noch damit umzugehen. Ich möchte nichts falsch machen und meine Gedanken derzeit sind: Ich möchte für ihn da sein, ihn unterstützen und ihn nicht alleine lassen wie es andere zuvor immer getan haben, die sich abgewendet haben als es schwierig wurde.
Nixe02
Beiträge: 82
Registriert: 6. Jun 2024, 14:59

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Nixe02 »

Viele wollen (einfach nur) helfen, schließen von sich auf Andere und meinen, dass was mir jetzt gut tun könnte/würde, würde auch dem Anderen helfen/gut tun.

Tut es das? Wirklich? Wenn mein Gegenüber sich zurückzieht, mich meidet, keinen Kontakt sucht, ist es doch kein Zeichen von Wohlbefinden. Wenn ich keinen Erfolg (Zuwendung) erreiche, muss ich meine Strategie ändern.

Bei Haustieren (Hund, Katze) ist es doch ähnlich, sie meiden uns/ziehen sich zurück, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Fühlen sie sich sicher/vertauen sie uns, wenden sie sich uns zu. Beim Menschen ist es doch nicht anders. Vertraue ich meinem Arzt, Vater, Mutter, Partner, Freund (die wollen alle nur helfen bzw. etwas Gutes tun), "folge" ich ihnen, doch dazu muss man sich kennen, wissen wie der Andere tickt. Auf seine speziellen Befürfnisse eingehen bzw. sie berücksichtigen, das nennt man, glaube ich, sich kennenlernen.

Machmal ist es eben auch gut, wenn man den Anderen einfach in Ruhe lässt, ähnlich wie bei Hund, Katze oder Kind. Keine Erwartungshaltung hat und einfach sieht, abwartet was passiert und dieses dann auch akzeptiert, selbst wenn man etwas anderes erwartete.

Bsp.: Mein Freund, sagt er liebt mich oder er mag mich, verhält sich aber völlig anders - anders als ich es mir vorstelle. Stimmt nun mit mir etwas nicht oder meinen Vorstellungen oder mit ihm?
Sicher haben beide Recht, jeder hat seine Vorstellungen, Erwartungen ... jeder sagt, das Gleiche oder sehr ähnliches, hat aber völlig andere Vorstellungen = das zu ergründen ist doch er Schlüssel jeglicher Kommunikation, die notwendige Grundlage für's Verstehen.
Manche Menschen können klar darüber reden, es so formulieren, dass auch ich es sofort verstehen kann, bei anderen dauert es Tage, Wochen, Jahre. Manche können oder wollen mich auch gar nicht verstehen, dann muss ich mich entweder einer anderen Sprache (Verhalten) bedienen oder ich schicke ihn zum Arzt, Therapeuten oder in die Hundeschule (Scherz!), wo dann da geübt wird. Doch das kann man nicht erzwingen!

Alle sagen immer "ich will", doch entscheident ist, wie bekomme ich den Anderen dazu, dass er auch genau das will? Dazu muss man sich wohl kennen, -lernen ...
und akzeptieren, mit all seinen Marotten.
Suchende2
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Suchende2 »

Regen Nacht hat geschrieben: 30. Sep 2024, 19:10 Die depressive Person hilft nämlich (nur) sich selbst.
Hallo Regen Nacht,

das sehe ich als Betroffene anders. Mein Mann hatte auch zum Teil den Eindruck, daß ich mich nicht für ihn und sein Leben interessiere.
Aber die Angehörigen bemerken häufig GAR NICHT, wenn man als Erkrankter über seine Grenzen geht, nur für seinen Partner.
Das kann in einer ganz schlimmen Phase bedeuten, daß ich auf dem Stuhl sitze und meinem Partner zuhöre. Alleine das auf dem Stuhl sitzen ist Hochleistungssport. Dann höre ich auch noch zu. Doppelter Hochleistungssport. Ich habe dann keine Kapazitäten mehr um zu antworten. Ich bin weit über meine Grenzen gegangen, habe meinen Partner gesehen und am Ende bekomme ich gesagt, ich kümmere mich nur um mich selber. Das ist nicht fair.
Mein Partner bemüht sich und auch für ihn ist die Situation nicht fair.
Die Krankheit habe ich mir nicht ausgesucht. Er auch nicht.

Du verlangst von einem Ertrinkenden, daß er sich um Dich kümmert. Viele haben nur noch die Möglichkeit, sich um sich selber zu kümmern oder um den Partner. Die Wahl, sich um den Partner zu kümmern bedeutet: Ertrinken. Für Beides reicht die Kraft nicht.


Hallo @GoodVibes,

einen Rat kann ich Dir nicht geben. Meine Meinung ist, daß Dein Partner auf lange Sicht dringend Hilfe benötigt. Ich habe auf meiner Suche nach einer passenden Therapeutin "viel Licht und viel Schatten" erlebt. Ich kann nachvollziehen, daß Dein Partner gerade in der akuten Situation nicht weiß, wo die Kraft für die Suche herkommen soll. Für mich hat sie sich gelohnt.
Du schreibst "Warum sind es häufig gerade die nahestehenden Personen (Partner, Familie etc.), die von diesem plötzlichen Kontaktabbruch betroffen sind?"
Ergänzend zu dem bereits geschriebenen kann ich noch sagen: Selbst wenn die engsten Angehörigen sagen, sie erwarten nichts, weiß ich doch, was deren eigentlichen Wünsche und Hoffnungen sind. Das ist für mich in dem Moment ein unsagbar großer Druck. Die zurückgestellten Wünsche, Bedürfnisse und Hoffnungen nur zu wissen und in dem Moment auch zu wissen, daß sie (depressiv gesehen) utopisch sind. Ich verbringe also mit einem Menschen Zeit, der sagt, er mache mir keinen Druck (und es auch so meint), in meinem Kopf ist aber ein extremer Druck, da ich weiß was dieser Mensch sich wünscht. Und ich weiß auch, daß ich es ihm nicht geben kann.
Bei Freunden ist es einfacher. Da gibt es weniger Erwartungen, die ich kenne und da konnte ich tatsächlich mal für ein paar Minuten den Alltag hinter mir lassen. Freunde verletzt man mit den depressiven Symptomen nicht so stark wie die engsten Menschen.

Alles Gute,
Suchende
DieNeue
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von DieNeue »

Hallo zusammen,
Suchende2 hat geschrieben: 1. Okt 2024, 15:09 Selbst wenn die engsten Angehörigen sagen, sie erwarten nichts, weiß ich doch, was deren eigentlichen Wünsche und Hoffnungen sind.
Ich fand es v.a. am Anfang, als ich angefangen habe als Betroffene bei den Angehörigen mitzulesen, sehr befremdlich, wenn Angehörige behauptet haben, sie hätten gar keine Erwartungen an die Betroffenen, während sie sich im gleichen Atemzug beschwert haben, was alles gerade schlecht läuft. Wie komisch der andere sich verhält, wie egoistisch sie sind, dass sie doch endlich dieses und jenes tun sollten, nicht mehr funktionieren, so lieblos sind, endlich wieder gesund werden sollen, mehr reden sollen usw.
Dem Betroffenen wird allerdings gesagt, man erwartet überhaupt nichts. Als wäre man als Betroffener zu blöd, um zu wissen, dass die Beziehung und man selbst grade nicht so ist, wie sie sein sollte und wie man sie sich eigentlich vorstellt. Wenn man keine Erwartungen hat, müsste man sich hier auch nicht austauschen, dann wäre ja alles paletti. Dessen sollte man sich auch bewusst sein, denn der Druck ist trotzdem da, auch wenn man bewusst noch so wenig Druck macht.

Liebe Grüße,
DieNeue
CapriSonne
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von CapriSonne »

DieNeue hat geschrieben: 1. Okt 2024, 15:49 Hallo zusammen,
Suchende2 hat geschrieben: 1. Okt 2024, 15:09 Selbst wenn die engsten Angehörigen sagen, sie erwarten nichts, weiß ich doch, was deren eigentlichen Wünsche und Hoffnungen sind.
Ich fand es v.a. am Anfang, als ich angefangen habe als Betroffene bei den Angehörigen mitzulesen, sehr befremdlich, wenn Angehörige behauptet haben, sie hätten gar keine Erwartungen an die Betroffenen, während sie sich im gleichen Atemzug beschwert haben, was alles gerade schlecht läuft. Wie komisch der andere sich verhält, wie egoistisch sie sind, dass sie doch endlich dieses und jenes tun sollten, nicht mehr funktionieren, so lieblos sind, endlich wieder gesund werden sollen, mehr reden sollen usw.
Dem Betroffenen wird allerdings gesagt, man erwartet überhaupt nichts. Als wäre man als Betroffener zu blöd, um zu wissen, dass die Beziehung und man selbst grade nicht so ist, wie sie sein sollte und wie man sie sich eigentlich vorstellt. Wenn man keine Erwartungen hat, müsste man sich hier auch nicht austauschen, dann wäre ja alles paletti. Dessen sollte man sich auch bewusst sein, denn der Druck ist trotzdem da, auch wenn man bewusst noch so wenig Druck macht.

Liebe Grüße,
DieNeue
Hi DieNeue,

ich finde deine Aussagen und Perspektiven super interessant und lässt einen nachdenklichen Eindruck bei mir zurück und ich habe eine Frage an dich: Wie sollen wir uns verhalten, wenn der Partner eine depressive Phase hat und sich zurückzieht?
Ich bin immer hin- und her gerissen zwischen „Ihn in Ruhe lassen und er wird sich schon melden“ oder ihm zwischendurch mal ein „Hab dich lieb“ oder so zu schicken oder halt versuchen so normal wie möglich zu sein, was bei z.B. zwei Wochen Funkstille (oder länger) schwierig ist.

Liebe Grüße 🫶🏼
DieNeue
Beiträge: 5839
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von DieNeue »

Hallo CapriSonne,

da kann ich leider auch schlecht eine Antwort drauf geben. Zum einen habe ich selber keinen Partner und zum anderen denke ich, dass man das auch gar nicht so pauschal, ohne denjenigen zu kennen, sagen kann. Es kommt auch darauf an, warum er sich zurückzieht.
Ich denke, ich würde auch ab und zu mal schreiben, aber nicht ständig.

Aber ich kann es auch verstehen, wenn einem irgendwann der Geduldsfaden reißt und man dann doch mal eine Antwort haben will, wenn nichts zurückkommt.
Ich denke, man kann da nicht immer alles richtig machen und es ist normal, dass es auch zu Konflikten oder Genervtheit auf beiden Seiten kommt. Es ist einfach eine Ausnahmesituation, in der man sich befindet, und man muss noch lernen, damit umzugehen. Das geht eigentlich fast nur durch Ausprobieren.

Das mit den Erwartungen kenne ich auch ohne Partner, denn die bestehen ja auch innerhalb einer Familie/Verwandtschaft. Man will keinen Druck machen, aber trotzdem hoffen alle, dass es bald bergauf geht und man merkt die Enttäuschung, wenn irgendwas doch nicht so (schnell) geht.

Liebe Grüße,
DieNeue
Mario81
Beiträge: 306
Registriert: 5. Mär 2023, 12:03

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Mario81 »

Hallo CapriSonne.

Ich versuch mal zu erklären was in mir (Betroffener) vorgeht, wenn ich Nachrichten von der Partnerin bekomme. Aber wie gesagt, das ist bei mir so... kann bei anderen ganz anders sein.

In den dunklen Phasen weiß ich nicht was ich denke, weil sich das Gedankenkarusell schnell dreht.
Wenn da eine Nachricht kommt bin ich erstmal überfordert, weil ich mit dem Karussell schon zu tun habe es zu sortieren. Also löst die Nachricht Druck aus. Meine Frau möchte ja eine Antwort, denke ich zumindest, vielleicht erwartet sie auch keine...
Dann gibt es Situationen wo ich über die Beziehung nachdenke, da nervt mich so eine Nachricht auch.
Dann gibt es Situationen, da fühle ich mich einsam... keiner denkt an mich. Ich bin nicht wichtig. Wenn es der Partner schafft in dieser Situation eine Nachricht zu schicken... das wäre super. Leider wird das nicht funktionieren, woher soll er wissen das ich gerade jetzt so eine Nachricht bräuchte.
Aber in diesen Situationen kann ich ja die Nachrichten lesen.

Ich hoffe es ist einigermaßen verständlich erklärt.

Fazit: Den richtigen Moment wird man kaum treffen. Du musst rausfinden ob er öfters eine Nachricht möchte oder eben nicht. Da hilft nur miteinander reden.
Ich hab zumindest die Nachrichten kurz beantwortet, manchmal etwas später, aber ich hab geantwortet. Ich weiß ja auch das sich meine Frau Sorgen macht und da versuche ich schon zu helfen und die Sorgen nicht noch zu vergrößern.

Liebe Grüße Mario
"Egoismus besteht nicht darin, zu leben, wie man möchte; sondern darin, von anderen zu verlangen dass sie leben, wie man es möchte"

Oscar Wilde
CapriSonne
Beiträge: 6
Registriert: 19. Jul 2023, 08:34

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von CapriSonne »

@Mario81 @DieNeue

Danke für eure schnellen Antworten - der Austausch mit Euch hilft einem sehr - danke dafür!
GoodVibes
Beiträge: 5
Registriert: 22. Sep 2024, 18:47

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von GoodVibes »

Zunächst einmal vielen Dank für eure Antworten. Es tut gut die unterschiedlichen Ansichten zu diesem Thema zu lesen und es erweitert definitiv den eigenen Horizont.

Die Situation ist für mich unbekanntes Terrain. Auch wenn ich im Vorfeld wusste, dass so etwas jederzeit passieren kann (weil ich mich mit ihm bereits darüber unterhalten habe), so kam dieser Kontaktabbruch im ersten Moment für mich doch erstmal aus heiterem Himmel und damit muss ich erstmal lernen klar zu kommen. Ja, ich bin deswegen verunsichert und frage mich: Was ist nun richtig und was ist falsch? Was ich weiß ist, dass ich ihn nun nicht jeden Tag mit Nachrichten bombardiere, denn dass wird ihn zu 100% unter Druck setzen. Ich schicke ihm sporadisch, ca. einmal in der Woche, eine kleine Nachricht, die aus zwei bis drei Emojis besteht (die wir für uns immer verwendet haben) um zu signalisieren: Ich denke an dich und ich bin immer noch da. Ob er die Nachrichten derzeit liest weiß ich nicht. Es kann auch gut möglich sein, dass er dahingehend auch alles auf stumm geschaltet hat, damit er erst gar nicht durch die Benachrichtigung unter Druck gesetzt wird. Dass er nun Zeit, Raum und Ruhe für sich benötigt akzeptiere ich voll und ganz und dass alles gebe ich ihm. Fakt ist jedoch wenn er sich irgendwann wieder bei mir meldet, ich mit ihm darüber sprechen werde wie wir in Zukunft diese Situationen händeln wenn es wieder passiert. Sprich: Was braucht/wünscht er in dieser Zeit von mir? Zum Beispiel ob er Nachrichten gesendet bekommen möchte und wenn ja in welcher Frequenz. Oder ob er wirklich einfach dann komplett seine Ruhe haben möchte und wenn dass der Fall ist, er mir dann evtl. einfach nur einen einzelnen Emoji (den man dann gemeinsam bestimmt) sendet damit ich weiß: Okay, es geht nun wieder in Richtung schwarzes Loch, er braucht seine Ruhe, also gebe ich ihm den Raum und warte bis er sich wieder meldet. Dass sind aber die Dinge, die nur er mir beantworten kann.

Ja, es ist sehr hart mit dieser Situation zurecht zu kommen, aber ich möchte ihn keineswegs aufgeben und bin willens an mir selbst zu arbeiten und um daran zu wachsen damit wir gestärkt daraus hervorgehen können.
bee18
Beiträge: 27
Registriert: 27. Aug 2024, 13:48

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von bee18 »

Ich glaube, dass es für Angehörige auch schlimm ist, weil man sich so hilflos fühlt.
Ich als Betroffene mache es meinem Partner auch nicht so leicht bzw ich kann nicht anders. Manchmal will ich unbedingt allein sein, dann fällt es mir schwer, überhaupt mit ihm zu reden. Manchmal will ich ganz viel von meinem Tag erzählen… Das schwankt täglich.

In meinen schwersten Tagen habe ich das Bett kaum verlassen, da hat er sich z.B. um das Essen gekümmert. Hätte ich alleine gewohnt, hätte ich vermutlich gar nichts gegessen.

Mittlerweile kann ich ihm schon sagen, was ich meine zu brauchen oder wie ich mich gerade (nicht) fühle.

Wenn es deinem Partner wieder besser geht, würde ich auch das Gespräch suchen. Ich finde es übrigens toll, dass du dir so Mühe gibst und ihn nicht verlassen möchtest.
SugarLea
Beiträge: 20
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Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von SugarLea »

Ich bin so betroffen von jeder einzelner dieser Geschichten hier, weil ich weiß wie viel unerträglicher Schmerz dahinter steckt, wenn man einen geliebten Menschen nicht mehr erreichen kann, nicht mehr an ihn herankommt und die Welt nicht mehr versteht.

Meiner hat sich vor zwei Wochen von mir getrennt, nachdem es ein monatelanges Hin und Her gegeben hat in ihm.
Die Begründung war, er könne einer Partnerin momentan nicht gerecht werden. Gab auch so Aussagen wie "Mal will ich dich unbedingt sehen, dann wieder lieber alleine sein". Und auch bei mir war es so, dass ich die Erste und Einzige gewesen bin, vor der er sich zurückgezogen hat. Treffen mit seinen Freunden und Familie klappen weiterhin. Aber mit der Nähe, emotional wie körperlich hatte er sehr große Probleme und hat sich permanent unter Druck gefühlt, weil er gemerkt hat, dass er die Beziehung einfach so nicht leben kann. Es war ein ständiges Hin und Her seiner Gefühle.

Ich weiß nicht was ich raten kann. Im Prinzip kann man es einfach nur aussitzen und schauen was kommt.
Und in der Zeit versuchen, sich selbst genug zu sein. Auf sich zu achten, innerlich ein wenig loszulassen....
GoodVibes
Beiträge: 5
Registriert: 22. Sep 2024, 18:47

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von GoodVibes »

@SugarLea

Es tut mir leid zu lesen, dass dein Ex-Partner für eure Beziehung keine Zukunft gesehen hat. :(

Da wir uns wiegesagt in einer Fernbeziehung befinden, kann ich nur hoffen, dass er sich wenigstens mit seinen wenigen Freunden, die er direkt vor Ort hat, noch trifft bzw. mit ihnen etwas unternimmt was ihn ablenkt. Er sagte auch mal, dass er so kaputt wäre, dass er kaum noch etwas genießen könne. Ich vermute, eine Beziehung fällt da genau so drunter. Ich würde ihm so gerne beweisen/zeigen, dass es noch Menschen auf dieser Welt gibt, die es ehrlich mit ihm meinen und aufrichtig für ihn da sind und er es wert ist geliebt zu werden, aber er steht sich so permanent selbst im Weg und macht sich da, wie SugarLea es schon beschrieb, selbst sehr großen Druck. Es tut halt einfach weh wenn man an den Lieblingsmensch nicht heran kommt. Aber wie du auch schon sagtest, Lea, ich muss es nun einfach aussitzen. So schwer es auch fallen mag, aber eine andere Möglichkeit habe ich derzeit nicht. Innerlich stelle ich mich darauf ein, dass er sich entweder melden wird und wir reden darüber, oder aber er meldet sich und beendet das Ganze. Ich muss mich emotional lösen und es auf mich zukommen lassen. :cry:
SugarLea
Beiträge: 20
Registriert: 7. Aug 2024, 16:06

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von SugarLea »

Das Schlimme ist, dass ich auch nicht sicher sein kann, ob das alles wirklich der Depression geschuldet ist, die er zweifelsohne hat oder ob er nicht doch eher eine Bindungsangst hat, die dann in einer depressiven Episode endet, weil er merkt dass er sich nicht mehr einlassen kann.

Wenn man sich mal Bindungsängste und das Verhalten mancher Depressiver ihrem Partner gegenüber anschaut, dann gibt es da nicht viel Unterschied.
Wenn das alles der Depression geschuldet ist, dann gibt es denke ich eine Hoffnung, dass man sich wieder annähern kann wenn die depressive Episode abflacht. Sollte es aber eine Bindungsangst sein, die da dahinter steckt, ist die Hoffnung gleich Null...

Ganz schwierige Kiste, die sehr, sehr viel Leid verursacht....
bvs
Beiträge: 166
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von bvs »

… aber auch an Bindungssystenen kann man arbeiten.
Man muss es nur erkennen und dann wollen.
Nixe02
Beiträge: 82
Registriert: 6. Jun 2024, 14:59

Re: Kontaktabbruch während depressiver Phase

Beitrag von Nixe02 »

Bindungsangst ... seine Freiheit verlieren, sich anpassen (müssen), etwas tun was man eigentlich nicht will oder man nicht sicher ist, ob man es überhaupt will ... in gewisser Weise überfordert sein, weil es eben nicht so läuft, wie man es gern hätte oder es sich vorstellte - macht einen das traurig, zurückhaltend, depressiv, aggressiv?

Ist es der (!) Depression geschuldet oder erzeugt unsere Unsicherheit die Depression?

Läuft alles nach Wunsch, ist man oft begierig nach mehr, weil es einen eben freut.

Doch warum zieht man sich zurück? Muss da der Mensch "behandelt" werden oder viel mehr die Situation/die Umstände? Ggf. das Verhalten, auch ich meines?
Wenn mein Partner sich zurückzieht, hat es doch einen Grund, eine Ursache!

Machen Partner neigen zur Vereinnahmung, andere mögen es "leicht und locker" ... wäre es da nicht interessant herauszubekommen, ob man überhaupt kompartibel ist?
Auf Dauer???

Mein letzter Lebensabschnittsbegleiter war so ein einnehmendes Wesen - am Anfang war so viel Aufmerksamkeit vielleicht (?) ganz schön, doch zunehmend nervte das. Sehr oft verfluchte ich Handy, whatsapp und Co. - immer musste, sollte ich reagieren. Reagierte ich nicht, "sollte" ich mich erklären oder es erklären.

Den Anderen einfach Mal in Ruhe lassen und warten bis er reagiert, schien unmöglich.
Und wenn er nicht reagierte, dann wollte er schlichtweg nicht. Kann man das nicht einfach akzeptieren?
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