Escitalopram und Gleichgültigkeit

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Yazhara
Beiträge: 9
Registriert: 7. Jan 2022, 11:18

Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Yazhara »

Hallo zusammen,
Nachdem ich lange überlegt habe, nehme ich jetzt seit etwa 5 Monaten Escitalopram.
Ich hatte am Anfang ein paar Nebenwirkungen, aber es hielt sich in Grenzen bzw. kann ich mit manchen leben.
Womit ich nicht gut leben kann, ist die einsetzende Gleichgültigkeit. Ich bin zwar nicht mehr so nah am Wasser gebaut und kann über einige Sachen scheinbar logischer nachdenken, aber leider wirkt sich diese, für die negativen Emotionen durchaus erwünschte Folge auch auf die positiven aus. Ich kann mich auch nicht mehr wirklich freuen. Ich weiß beispielsweise, dass ich mich freuen soll, wenn mein Sohn beim Fußball ein Tor schießt, aber fühlen tue ich nix (ich tue aber selbstverständlich so, als wenn ich mega stolz bin). Wenn wir im Urlaub am Strand sind und wirklich alles super ist (Wetter, gemeinsame Zeit, kein Stress etc.), frage ich mich nur, warum sich nicht das kleinste Glücksgefühl einstellt. Auch auf der Arbeit ist mir vieles einfach egal geworden, was sich negativ auf meine Motivation auswirkt.
Lange Rede kurzer Sinn: Muss ich das quasi akzeptieren, ist das "der Deal", den ich eingegangen bin? Weniger Verzweiflung,kaum Heul-Attacken und keine (ernsthaften) Suizidgedanken mehr auf der Haben Seite, dafür Gleichgültigkeit auf der Soll Seite?
Oder sollte ich etwas anderes ausprobieren?
Der Vollständigkeit halber: ich hin auch noch in Gesprächenstherapie, die aber nur so semi-gut ist. Escitalopram 10 mg täglich.
Für eure Erfahrungen bin ich dankbar!
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2865
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Nico Niedermeier »

Hallo von der Moderation,
wir würden jetzt eher denken, dass Sie das mit Ihrem Psychiater besprechen sollten.
Glaube auch, dass es eine häufige Zwischenstation ist..."Gefühllosigkeit" ist ja zum einen ein mögliches Symptom bei Depressionen, zum anderen kann dieses "egal" Gefühl auch einen Nebenwirkung der Medikamente sein...
Fazit: Bitte mit dem Profi der Sie kennt besprechen!
Beste Grüße
Die Moderation
Maxegon
Beiträge: 2528
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Maxegon »

Bedenkt man, daß AD ähnlich einem Breitbandantibiotika gegeben werden, ist die Verwunderung nicht groß, das diese Medikamente recht unterschiedlich anschlagen, so fern sie es überhaupt tun.

Niemand kann es explizid nachweisen, im Gegensatz zu den Nebenwirkungen. Depressionen basieren auf Gefühlen, Empfindungen, Stimmungen, die eben so wenig nachweiswar sind, man bestimmt sie am Verhalten des jeweiligen Individuums.
Man hofft irdgendetwas wird schon anschlagen. Das hat wohl jeder schon erlebt. Ebenso, wie wir erlebten, daß wenn wir die äußeren Bedingungen verändern und das Stressniveau erheblich sinkt, unsere Stimmung, unser Empfinden erheblich beeinflusst werden.

Es wäre vermessen zu behauten AD helfen nicht. Es wäre auch vermessen das Gegenteil zu behaupten.

Die Mediatheken der ARD und ZDF bieten da sehr gute Beiträge an, eine Meinung darf sich jeder selbst bilden.

Viele Grüße auch an die Moderation.
MySun
Beiträge: 646
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von MySun »

Maxegon hat geschrieben:Niemand kann es explizid nachweisen,....
@ Maxegon
Ja, ich denke da ähnlich. Niemand kann genau im voraus wissen, wie die ADs wirklich wirken.

Das Gespräch mit dem Psychiater ist wichtig.
Dennoch würde auch ich, nie auf zusätzliche (seriöse!) Informationen verzichten wollen,
um für mich selbstverantwortlich entscheiden zu können.
Und Selbstverständlich spielen meine Gefühle dabei eine große Rolle.

Da die Gefühle, Stimmungen und Empfindungen von jedem Menschen unterschiedlich erlebt, bewertet und gedeutet werden, ist es nur folgerichtig, dass jeder seine eigene Entscheidung treffen kann und muss.

Herzliche Grüße
MySun
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
Yazhara
Beiträge: 9
Registriert: 7. Jan 2022, 11:18

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Yazhara »

Hallo zusammen und danke für eure Beiträge.
Ich muss sagen, dass ich ein wenig verwirrt bin. Den ersten Beitrag verstehe ich leider kaum, "hängen" geblieben ist mir, dass diese Wirkung, wenn es denn eine Wirkung der AD sein sollte, bei dem Medikament eher ungewöhnlich ist.
Danke an die Moderation, mit meinem Psychiater habe ich das beim letzten Termin angesprochen, bis dahin war es aber noch nicht so extrem, der nächste Termin ist erst im November.
Ich erwarte keine Ferndiagnose oder gar Tipps zu anderen Medis, ich wollte lediglich eure Erfahrungen lesen, falls es ähnliche gibt, und wie ihr damit umgegangen seid. Wenn ich mit dieser Konstellation tatsächlich allein sein sollte, okay. Kann ich mir aber gar nicht vorstellen, so außergewöhnlich bin ich gar nicht. ;-)
Liebe Grüße an alle!
Maxegon
Beiträge: 2528
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Maxegon »

https://www.daserste.de/information/rep ... eo100.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Der tollste Tipp den ich hier bisher bekam!

Vielen Dank Winfried 123 !!!
MySun
Beiträge: 646
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von MySun »

Danke liebe Winfried,
dass Du dieses Video: Tabletten gegen Depressionen – helfen Antidepressiva?
hier erwähnt hast
LG MySun

Ergänzend sei noch erwähnt:

Die Mär vom Glückshormon
https://www.spektrum.de/news/depression ... el/1798331" onclick="window.open(this.href);return false;

scobel - Depression - alte Mythen, neue Wahrheiten
Depressionen sind laut WHO weltweit die zweithäufigste Krankheit. Und sie sind eine ernste, manchmal sogar lebensbedrohliche Erkrankung. Aber bislang weiß man wenig über Entstehung und Ursachen.
https://www.3sat.de/wissen/scobel/scobe ... n-100.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Neustart fürs Gehirn: Wege aus der Depression
Nach Schätzungen der WHO sind Depressionen bis zum Jahr 2020 der zweithäufigste Grund für Erwerbsunfähigkeit. Rund jeder Fünfte erkrankt einmal in seinem Leben daran
https://www.3sat.de/wissen/wissenschaft ... n-100.html" onclick="window.open(this.href);return false;
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
Maxegon
Beiträge: 2528
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Maxegon »

Ich könnt` ja auch mir eine eigene Meinung bilden, sofern möglich...
MySun
Beiträge: 646
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von MySun »

Erinnerung: Thread vom Oktober 2022
Wie aktuell sind diese Aussagen heute immer noch?
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
Senif
Beiträge: 1893
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Senif »

Ich kann für mich sagen, dass mir Antidepressiva: Stangyl und Escitalopram sehr geholfen haben. Sie waren ein Grundpfeiler, um aus schweren Episoden herauszufinden. Sonst hätte ich keine Therapie machen können.
Bei leichten Depressionen ist es laut Studien nicht notwendig, ADs zu nehmen, bei schweren schon.

Die Kritik an den ADs kommen meist aus Ecken, die entweder nie selbst welche genommen haben, oder die eben keine Wirkung hatten.
Ich habe die Wirkung am eigenen Leib erfahren - es fühlte sich sehr körperlich an. Das andere meine Körperempfindungen nicht messen können ist ja wohl klar. Somit bleibt ihnen die Erfahrung oder Beweis eben verborgen.

LG Senif :hello:
Mario81
Beiträge: 304
Registriert: 5. Mär 2023, 12:03

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Mario81 »

Ich kann mich Senif nur anschließen.
Mir hat Escitalopram auch aus einer schweren Episode geholfen. Wie Senif war auch ich nicht Therapiefähig...

Leider musste ich dann nach 5 Monaten wegen diverser Nebenwirkungen wechseln.

Liebe Grüße Mario
"Egoismus besteht nicht darin, zu leben, wie man möchte; sondern darin, von anderen zu verlangen dass sie leben, wie man es möchte"

Oscar Wilde
Mountainbiker
Beiträge: 235
Registriert: 19. Sep 2020, 18:15

Re: Escitalopram und Gleichgültigkeit

Beitrag von Mountainbiker »

Natürlich haben Psychopharmaka Wirkungen. Leider auch Nebenwirkungen und man sollte selbst abwägen, was man wie lange nimmt.
Ich habe selbst dieses Präparat über 3 Jahre lang genommen und die Nebenwirkungen hielten sich stark in Grenzen. Am stärksten machte sich eine zurückgehende Libido bemerkbar, was mir zu beginn allerdings gerade recht kam.
Vor einem halben Jahr habe ich nun das Medikament ausgeschlichen, weil ich es nicht mehr nehmen möchte und komme ganz gut ohne aus. Der Grund ist, ich will wieder alles fühlen und wenn ich dann halt mal mitten in der Stadt eine Träne verdrücken muss, dann ist das halt so, das bin ich und nicht ich, sondern die Anderen müssen das dann aushalten. Meist ist das für Umstehende schwerer damit umzugehen, als für mich selbst. Was ich allerdings sagen muss, ich hatte nie Suizidgedanken.
Klar denkt man manchmal, ok, dann wäre es halt vorbei. Aber Hand aufs Herz, wer denkt das nicht manchmal? Ich habe viele Freunde gefragt, und niemand hat gesagt, dass er das noch nie gedacht hätte. Sind nun alle depressiv? Mit Sicherheit nicht.
Es ist nicht immer einfach, Dinge zu akzeptieren, die unabwendbar sind und das einfach auszuhalten oder aushalten zu müssen. Ich habe mich dazu ausgiebig mit dem Thema absolute Akzeptanz beschäftigt und das hat mir sehr geholfen, auch von den Medikamenten weg zu kommen.
Nun werde ich dir nicht raten, die Einnahme der Tabletten zu beenden. Ich bin kein Fachmann/Arzt, weshalb es vermessen wäre, so was zu raten. Aber du kannst versuchen, ein Tag über den anderen, nur 5mg zu nehmen und zu kontrollieren, was das mit dir macht. Wenn es nicht geht, kannst du abends noch die andere Hälfte der Tablette nehmen. Wenn alles für ein paar Wochen gut läuft, versuche dann nach ein paar Wochen nur noch 5mg täglich zu nehmen. Wie gesagt, wenn es dir nicht gut dabei geht, kannst du immer die zweite Hälfte der Tablette nehmen. Nur keinesfalls mehr!
Viel Erfolg
Das Leben ist wie Radfahren. Man fällt nicht, solange man in die Pedale tritt.
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