Angst mit Fremden zu sprechen

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MissDKD
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Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von MissDKD »

Liebe Alle,

an jede/n von euch, der/die sich für eine Therapie entschieden hat: Wie schwierig war es für dich, dein/e Problem/e mit einem völlig Fremden zu besprechen? Musstest du dich sehr überwinden und was hat dich motiviert oder dir geholfen, es trotzdem zu tun? Wurde es besser/einfacher im Laufe der Sitzungen?

Und wenn du dich gegen eine Therapie entschieden hast: Warum? Ist es vielleicht auch diese große Angst? Schon probiert und daran gescheitert?

Und vielleicht an alle: wie gut/schlecht kann man sich da alleine, ohne professionelle Unterstützung wieder rauskämpfen? Oder muss man erst 'richtig tief' fallen, bevor man bereit ist, trotz aller Ängste Hilfe anzunehmen?

Ich selbst befinde mich wahrscheinlich im Anfangsstadium einer Depression o.ä. Mir geht es aber hauptsächlich um meinen Freund, dem ich gerne irgendwie helfen oder ihn besser verstehen würde. Ich weiß, dass die Einsicht von ihm selbst kommen muss, aber vielleicht mag jemand von euch einfach erzählen, was euch geholfen hat.

1000 Dank und viele Grüße!
Mario81
Beiträge: 297
Registriert: 5. Mär 2023, 12:03

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von Mario81 »

Hallo MissDKD.

Mir fiel es leichter mit einer fremden Person zu sprechen.
Ich wollte ja aus der Familie niemanden belasten, deswegen hab ich jahrelang alles in mich reingefressen.
Es war für mich befreiend mit einer fremden Person zu sprechen.
Ich bin froh das ich jede Woche eine Stunde Tiefenpsychologie hab. Auch wenn es manchmal echt weh tut... ich weiß das es mir hilft.

Ich hatte (was ich erst in während der Therapie erfahren hab), schon mind. 2 Jahre Depressionen die sich unbemerkt aufgebaut haben. Dann hatte ich den Zusammenbruch und hab mir sofort Hilfe geholt. Ich merkte das ich nicht ich bin...

Ich glaube nicht das man aus einer schweren Depression alleine rauskommt. Ich hätte es nicht geschafft.

Wenn du bemerkst, das du vielleicht in eine Depression rutschen könntest... pass auf dich auf. Tu was für dich.

Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute.

Liebe Grüße Mario
Zuletzt geändert von Mario81 am 7. Sep 2024, 22:31, insgesamt 1-mal geändert.
"Egoismus besteht nicht darin, zu leben, wie man möchte; sondern darin, von anderen zu verlangen dass sie leben, wie man es möchte"

Oscar Wilde
Ephemera
Beiträge: 110
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von Ephemera »

Hallo,

ich kann generell ganz schlecht über meine Gefühle und Gedanken sprechen, so dass mein erster Anlauf zu einer Therapie im frühen Erwachsenenalter tatsächlich daran gescheitert ist. Die anstehende Therapiestunde war plötzlich mein größtes Problem - ich hatte irrsinnige Angst vor jedem Termin und bin dann ab der dritten Stunde nicht mehr hingegangen…

Fast 20 Jahre später war dann das Leid durch verschiedene Umstände so groß, dass ich einen neuen Anlauf gewagt habe.
Ich hatte inzwischen zwei Kinder - und wollte den immer drängenderen Suizidgedanken darum keinesfalls irgendwann nachgeben. Ich muss gestehen: ohne die Kinder wäre ich vermutlich den anderen Weg gegangen.

So habe ich endlich - inzwischen auf die 40 zugehend - eine professionelle Behandlung begonnen.
Und auch nach inzwischen 4 stationären Aufenthalten und 3 Jahren ambulanter Psychotherapie fällt es mir immer noch extrem schwer, mich zu öffnen. Ich würde es immer noch gerne vermeiden - aber ich weiß, dass das nur kurzfristig bequemer wäre - langfristig aber zu nichts führt.
Denn gerade wenn die Erkrankung lange besteht - wenn Gedanken, Gefühle und Handlungsmuster schon lange bestehen - dann findet man ohne professionelle Hilfe nicht raus.

Über einiges kann ich nur mit dem „Fachpersonal“ sprechen. Mein Mann hat keine Ahnung, wie schlecht es zwischenzeitlich wirklich war… Ich würde ihn nie damit belasten. Das geht besser bei jemandem, bei dem ich zum einen weiß, dass er damit umgehen kann und dem ich zum anderen eigentlich „egal“ sein kann.

Aber für mich ist immer noch jede Sitzung ein Kampf mit mir selbst. Darum zu sprechen - über die schwierigen Dinge. Es wird nicht leichter. Leider.
Und ich halte es nur durch, weil es mein eigener Wunsch, meine Entscheidung und mein Wille ist etwas zu ändern - und das eben nur so geht.
DieNeue
Beiträge: 5805
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von DieNeue »

Hallo MissDKD,

ich hatte eigentlich nie Probleme damit, mit Therapeuten zu reden. Man muss auch nicht gleich am Anfang das allerpersönlichste erzählen. Ich habe auch nicht sofort über alles geredet, das Vertrauen musste sich erst mit der Zeit aufbauen. Später habe ich mich z.T. auch getraut über Sachen zu reden, die ich noch nie jemandem erzählt habe, aber das brauchte viel Zeit und Vertrauen.
Früher als ich Therapeuten gesucht habe, habe ich in den Erstgesprächen sehr ausführlich persönliches berichtet und mich sehr verletzbar gezeigt. Das würde ich jetzt so nicht mehr machen, sondern erstmal gucken, wie die Therapeutin drauf ist und was ich für ein Gefühl bei ihr habe. Dann kann man immer noch ins Detail gehen.

Ich bin immer gern in die Therapie gegangen und empfand es als große Hilfe.

Liebe Grüße,
DieNeue
mime
Beiträge: 1319
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von mime »

Hallo MissDKD,
MissDKD hat geschrieben: 7. Sep 2024, 11:49 Und vielleicht an alle: wie gut/schlecht kann man sich da alleine, ohne professionelle Unterstützung wieder rauskämpfen? Oder muss man erst 'richtig tief' fallen, bevor man bereit ist, trotz aller Ängste Hilfe anzunehmen?
Da jeder Mensch anders tickt und jede Erkrankung einen unterschiedlichen Schwerpunkt haben kann, ist das schwer zu sagen. Natürlich ist man gut beraten, sich baldmöglichst professionelle Unterstüztung zu suchen, bevor es noch schlimmer wird (manche müssen tatsächlich fast "zusammenbrechen", bis sie selbst bemerken, dass die Psyche in Not ist, andere bemerken es früher).

Wenn du schreibst, dass du dich am Anfang einer Depression siehst, kümmere dich bitte erst einmal um dich und deine Gesundheit. Ich verstehe ja, dass du deinem Freund helfen möchtest, aber achte bitte auch auf dich.

Einen Therapieplatz zu bekommen, ist nicht leicht. Aber einen Erst-Termin (Psychotherapeutische Sprechstunde) zur Klarheit über das eigene evtl. Krankheitsbild und/oder Behandlungserforderlichkeit zu erhalten, könnte zeitnaher möglich sein.
https://www.bundesgesundheitsministeriu ... echstunde/

Ich war zu Zeiten in Therapie, als die Gesetzeslage noch eine andere war (daher habe ich dir den Link reinkopiert). Therapie kann helfen. Wunder erwarten davon sollte man nicht, denn eine depressive Phase oder Erkrankung entsteht nicht von heute auf morgen und ist auch nicht schnell aus dem Weg geräumt - so zumindest meine Erfahrung.

Welche aktuellen Beschwerden dein Freund hat, weiß ich nicht. Meine erste Adresse war damals der Hausarzt, weil ich mich so kraftlos und erschöpft gefühlt habe (auch hier wurden erst einmal körperliche Symptome behandelt bzw. ausgeschlossen, z. B. Schilddrüse, Mangelerscheinungen usw.), danach begann dann der Weg zur psychiatrischen (d. h. medikamentösen) und psychotherapeutischen Behandlung.

Ich wünsche euch, dass ihr einen guten Lösungsweg für euch findet.
LG Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
MissDKD
Beiträge: 4
Registriert: 3. Sep 2024, 18:35

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von MissDKD »

Liebe Alle,
vielen lieben Dank für die bisherigen Antworten.
Mario81 hat geschrieben: 7. Sep 2024, 19:59 Ich wollte ja aus der Familie niemanden belasten, deswegen hab ich jahrelang alles in mich reingefressen.
Es war für mich befreiend mit einer fremden Person zu sprechen.
und
Ephemera hat geschrieben: 7. Sep 2024, 21:49 Über einiges kann ich nur mit dem „Fachpersonal“ sprechen. Mein Mann hat keine Ahnung, wie schlecht es zwischenzeitlich wirklich war… Ich würde ihn nie damit belasten. Das geht besser bei jemandem, bei dem ich zum einen weiß, dass er damit umgehen kann und dem ich zum anderen eigentlich „egal“ sein kann.
Das sind tatsächlich Perspektiven/Argumente, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Ich merke jetzt leider schon manchmal, dass ich an meine Grenzen stoße, wie ich 'am besten' mit ihm umgehen sollte. Und gleichzeitig versucht er sich mir gegenüber zu kontrollieren, weil er mich eben nicht belasten will... Wobei 'Argumente' hier eh das falsche Wort ist wahrscheinlich. Ich weiß, dass es nicht darum gehen kann, ihn zu überreden und dass er es selbst wollen muss.
mime hat geschrieben: 8. Sep 2024, 18:07 Einen Therapieplatz zu bekommen, ist nicht leicht. Aber einen Erst-Termin (Psychotherapeutische Sprechstunde) zur Klarheit über das eigene evtl. Krankheitsbild und/oder Behandlungserforderlichkeit zu erhalten, könnte zeitnaher möglich sein.
Zum Glück lernt man nie aus, danke für den Tipp, hab das jetzt mal explizit gesucht und auch in unserer Nähe gefunden.

Er sagt zwar, dass er zu einem Termin gehen würde, wenn ich ihn besorgen würde, aber leider fürchte ich, dass er kurz vorher einen Rückzieher machen würde, so wie er aktuell einer Therapie gegenüber eingestellt ist. Vielleicht wäre eine 'Sprechstunde' weniger angsteinflößend und könnte ihm trotzdem etwas die Augen öffnen.
mime hat geschrieben: 8. Sep 2024, 18:07 Meine erste Adresse war damals der Hausarzt, weil ich mich so kraftlos und erschöpft gefühlt habe (auch hier wurden erst einmal körperliche Symptome behandelt bzw. ausgeschlossen, z. B. Schilddrüse, Mangelerscheinungen usw.), danach begann dann der Weg zur psychiatrischen (d. h. medikamentösen) und psychotherapeutischen Behandlung.
Tja, wenn er sich denn mal zu einem Arzt trauen würde, das ist auch sehr schwierig und er hat seit etlichen Jahren keinen Arzt mehr aufgesucht und ich versuche ihn auch in dieser Richtung zu 'überreden'. Mein medizinisch vorgebildetes Herz schreit auch danach, ihn labormäßig auf links zu drehen, eben wie du sagst wegen Schilddrüsenwerten etc.
Ephemera hat geschrieben: 7. Sep 2024, 21:49 Denn gerade wenn die Erkrankung lange besteht - wenn Gedanken, Gefühle und Handlungsmuster schon lange bestehen - dann findet man ohne professionelle Hilfe nicht raus.
Je nachdem könnte die Depression bei ihm schon seit 12-20 Jahren bestehen. Es ist furchtbar, akzeptieren zu müssen, dass ich das in unserer Jugend nicht bemerkt habe und dass er so viele Jahre allein damit kämpfen musste... :cry:
mime hat geschrieben: 8. Sep 2024, 18:07 Wenn du schreibst, dass du dich am Anfang einer Depression siehst, kümmere dich bitte erst einmal um dich und deine Gesundheit. Ich verstehe ja, dass du deinem Freund helfen möchtest, aber achte bitte auch auf dich.
Ich weiß. Ich versuche es...

Danke nochmals für eure hilfreichen Antworten, Einblicke und Perspektiven!!
LG MissDKD
Katerle
Beiträge: 11375
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von Katerle »

Hallo MissDKD,

hatte vor meiner Therapie vieles mit mir alleinausgemacht. Ab und zu hatte ich aber auch ein paar Gespräche mit mir näheren Bekannten. Später, als ich dann den Zusammenbruch hatte, war ich nicht mal fähig zu weinen und es ging mir auch körperlich sehr schlecht, so dass ich auch Angst hatte zu sterben. Manchmal wünschte ich es mir sogar...
Aber da waren auch meine Kinder und ich wollte mir helfen lassen. Kümmerte mich nach meinem ersten Klinikaufenthalt um einen ambulanten Therapieplatz auf Empfehlung des Klinikarztes. Und ich hatte Glück. Doch ich war anfangs sehr zurückhaltend und vorsichtig, mich einer fremden Person zu öffnen, was sich aber im Verlauf der Therapie änderte. Es gelang mir nach und nach mich zu öffnen und auch in einer Klinik gelang es mir dann auch, meine Trauer zuzulassen und Wut... Ich ging auch gerne zu meinen Terminen, weil mir die Gespräche sehr guttaten.
Zur Zeit mache ich auch ne Therapie und es tut mir gut und wir haben auch als Paar die Möglichkeit, miteinander zu reden. Das ist positiv.

LG Katerle
ardFR62
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Registriert: 21. Aug 2024, 17:08
Wohnort: Düsseldorf

Re: Angst mit Fremden zu sprechen

Beitrag von ardFR62 »

Hallo MissDKD,

mit Fremden sprechen....
Direkt oder indirekt?
In einer Gruppentherapie oder Selbsthilfegruppe sitzen zwar Fremde - doch so lange dir mir auch Fremd bleiben kann ich sehr gut über meine Erlebnisse sprechen - besser als wenn ich die Menschen auch außerhalb treffen oder gar kennen würde. Denn dann wären da ganz andere Ängste und irgendwie Kopfkino....
Ob also eine Therapie (Egal ob Gruppe) kann nur jeder für sich entscheiden - aber ohne professionelle Unterstützung kannte ich nur den Weg nach unten - immer Tiefer und Tiefer. Erst als ich bereit war zu akzeptieren das ich Hilfe brauche war ich auch bereit professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Aber das sind natürlich nur meine eigenen Erlebnisse und keines Weg die Lösung für alles....
Und diese Reise des Lebens
ist noch lange nicht zu Ende...
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