Brauche dringend einen Rat und Hilfe

Antworten
lama03
Beiträge: 6
Registriert: 6. Jun 2024, 23:56

Brauche dringend einen Rat und Hilfe

Beitrag von lama03 »

Ich versuche mich möglichst kurz zu fassen. Ich habe einen Partner mit mittelschwerer rezidivierender Depression. Bekannt ist das schon seit 5-8 Jahren, er ist jetzt Ende 30. Richtig in Behandlung ist er aktuell nicht - war er auch nie. Er ist sehr kritisch und hinterfragt vieles und war deswegen auch Antidepressiva gegenüber sehr skeptisch eingestellt. Aktuell hat er seit dem Frühjahr Milnacipran, das wirkt aber meiner und seiner Meinung nach nicht wirklich und bringt hauptsächlich Nebenwirkungen mit sich. Ich habe neulich versucht in die Richtung mit ihm zu sprechen, weil ich eine Therapie, die ihm empfohlen wurde, nach wie vor für sinnvoll halte. Auch einen Medikamentenwechsel. Seine letzten Aussagen dazu waren aber, dass er keine Therapie möchte, die bringt ihm eh nichts und Medikament will er erstmal absetzen, wegen der Belastung für Herz-Kreislauf und Nebenwirkungen.

Die letzten 3-4 Wochen befinden wir uns wieder in einer schlechteren Phasen, mit kleinen Ups, aber mehr Downs. Generell läuft es bei ihm in der Arbeit aktuell nicht so gut, er hat eine geringe Frusttoleranz und eine innere Nervostität und Wut, die dann vermehrt rauskommen.
Wir streiten in letzter Zeit sehr oft, oft wegen Dingen die meiner Meinung nach keinen Streit wert sind. Ich habe aktuell das Gefühl, dass er mich als Einengung und Kontrolle wahrnimmt und auch dass er negative Gefühle und Wahrnehmungen auf mich projiziert. Generell nimmt er meiner Auffassung nach aktuell einige Dinge anders wahr, hat sehr emotionale und oft wutgeladene Reaktionen und bezieht vieles auf sich. Gestern hab ich zum Beispiel gemerkt, dass er mir tagsüber immer nur sehr kurz angebunden antwortet, auf einige meiner Nachrichten gar nicht eingeht und vermutlich keinen so guten Tag hatte. Ich hab mir trotzdem so gut es ging Mühe gegeben, und ihm nett geantwortet. Abends hatte er ein Event von der Arbeit aus, zu dem er dann aber eigentlich nicht mehr gehen wollte - er hat zwei mal geschrieben, dass er keine Lust mehr hat. Ich hab ihm gesagt, das ist auch ok, er kann ja mal schauen und dass er mir dann Bescheid geben soll wie die Lage ist. Hab dann meine Pläne geändert und dachte ich schau nach der Arbeit erst kurz heim, da er auf meine Frage was jetzt sein Plan ist auch keine Antwort kam. Hab ihm dann noch Bescheid gegeben, dass ich gleich losfahre. Gerade als ich zuhause in die Garage gekommen bin, kam dann die Nachricht von ihm, er macht sich jetzt auf dem Weg. Ich hab ihm dann geschrieben, dass es schön gewesen wäre, wenn er das etwas eher gesagt hätte, weil ich dann direkt zum Sport und nicht heim gefahren wäre, dass ich schon da bin und dass er viel Spaß und eine schöne Zeit haben soll. Er hat mir nicht mehr geantwortet, aber als ich an der Wohnung angekommen bin, ist unten im Haus die Tür ins Schluss gefallen - er hat also bewusst nicht mehr kurz auf mich gewartet und ist gegangen. Als er später am Abend nach einigen Bier wieder zurück kam, war er immer noch sehr distanziert. Ich habe ihn gefragt wie es war und habe schon gemerkt, er hat eigentlich gar keine Lust mir irgendwas zu erzählen. Er meinte dann im Laufe des Gesprächs noch, dass ich ja den ganzen Tag schon schlecht drauf sei.

Das stimmt aber gar nicht und ich weiß auch nicht wie ich ihm den Eindruck vermittelt habe! Schließlich war er es, der wenig und kurzangebunden geantwortet hat und auf meine Nachrichten gar nicht eingegangen ist. Morgens konnte er mir auch eigentlich nicht in die Augen sehen und war sehr still. Ich bin echt am verzweifeln, und kann mir das nur erklären in dem er irgendwas auf mich projiziert. Zudem hat er dann gemeint, dass ich ihn ja angegangen habe, dass ich nicht zum Sport gefahren bin. Klar war ich in dem Moment frustriert, weil ich ihn gefragt hatte wie die Lage ist, was er vor hat und dass er Bescheid geben soll. Das hat er halt nicht gemacht, aber ich habe ihm ja nur geschrieben, dass ich nicht heim wäre wenn er es etwas eher gesagt hätte und dass er viel Spaß haben soll. Vielleicht hätte ich meine Pläne auch nicht nach ihm richten sollen, aber ich hatte eben den Eindruck ihm geht’s nicht so gut und wollte schauen ob er eventuell später Lust auf einen gemeinsame Unternehmung hat. Wir haben uns dann noch wegen was anderem gestritten, und ich hatte das Gefühl, dass er meinen Emotionen keinen Raum und keine Darseinsberechtigung gibt. Er bezieht alles direkt auf sich, zeigt auch keine Empathie mir gegenüber. Ich habe versucht noch ein Gespräch zu suchen bevor wir schlafen gegangen sind, wieso er denn dachte, dass ich den ganzen Tag schlecht drauf war, weil ich es nicht verstehe. Da ist nichts sinnvolles rausgekommen und er meinte „Er hätte schon geschlafen“. Ich bin dann ins Wohnzimmer gegangen, ich konnte sowieso nicht schlafen und habe meinen Platz und Abstand gebraucht. Seit dem haben wir nicht mehr als 2-3 Wörter gewechselt.

Ich bin sehr verletzt und weiß nicht was ich machen soll und wie lange ich das noch durchhalte.
bvs
Beiträge: 162
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Brauche dringend einen Rat und Hilfe

Beitrag von bvs »

Das hat er halt nicht gemacht, aber ich habe ihm ja nur geschrieben, dass ich nicht heim wäre wenn er es etwas eher gesagt hätte und dass er viel Spaß haben soll. Vielleicht hätte ich meine Pläne auch nicht nach ihm richten sollen
Hallo Lama,
als es bei meiner Partnein auch "schlimm" war, war das auch so.
Ich wünschte mir mehr Verbindlichkeit und Information, auch damit ich mich nach ihr richten kann.
Sie hingegen engte das ein, sie fühlte sich regelrecht kontrolliert.

Das liegt auch an der Depression, in diesen Phasen ist den Betroffenen alles zu viel und es werden Ausweichstrategien gesucht (und gefunden, teils verletzende wie hier), sich nicht damit befassen zu müssen. Schuldumkehr ist da wohl ein verbreitetes Muster.

Geholfen hat hier, dass ich (im Rahmen einer Eheberatung) mehrfach thematisiert habe, dass ich einfach mehr Verbindlichkeit und Planbarkeit brauche, um mich sicher und gebunden zu fühlen. Und parallel dazu habe ich daran gearbeitet, "mehr mein Ding" zu machen, d.h. nicht mehr in dem Maß zu versuchen, meine Pläne nach ihr zu richten. Wenn ich heimkomme und sie ist da, fein. Wenn nicht, ist das ihr Ding.
Wenn ich spazieren gehen möchte, frage ich ob sie mit mag. Wenn nein: fein, gehe ich alleine (das ist wichtig!)

Diese "Strategie", dass ich freundlich/offen/einladend aber nicht mehr "herumbiegend" war, hat dann innerhalb Monaten dazu geführt, dass die Lag entspannter wurde und sie von sich aus daran gearbeitet hat, mehr an mich zu denken und mich in ihre Pläne/Aktivitäten einzuweihen.
Bei uns war das teils wirklich schwierig, weil wir ja gemeinsame Kinder haben und da einfach auch Absprachen fürs allgemeine Leben notwendig sind. Da musste ich allein einiges auffangen (und hab dann auch, nach einer Frist, alleine entschieden, wenn von ihr nichts kam; z.B. "was gibts heute zu Essen").

Das birgt dann auch manchmal Zündstoff, wo dieses vorgehen und "bei mir bleiben" in Frage gestellt wird (oder besser: auf die Probe); beispielsweise:
  1. Ich: "Was wollen wir heute essen?"
  2. Sie: "keine Ahnung"
  3. Ich: "Mach dir bitte Gedanken, auf was du Lust hättest" (erfahrungsgemäß kommt dann in schlechten Phasen nichts, weil da einfach keine Kapazität dafür da ist)
  4. ...Warteschleife um Zeit zu geben...
  5. Erneute Nachfrage, langsam wirds Zeit, dass sich wer kümmert... wieder nichts
  6. Ich entscheide heute also "Dosvenravioli": "Ok, dann mach ich jetzt Ravioli warm".
  7. Das aber nicht das, worauf Sie Lust hat, entscheidet Sie jetzt (aus meiner Sicht) spontan: "ne, auf Ravioli ha ich keine Lust" oder auch "Ne, Ravioli ist doch nichts gescheites für die Kinder"
  8. Jetzt war für mich wichtig: Nicht in die Diskussion einsteigen, sondern die Konsequenz ihrer nicht-Entscheidung bei ihr lassen. Nicht retten, nicht schlechtes Gewissen haben. Es ist OK: es gab die Chance zu Entscheiden, das ist nicht passiert, jetzt entscheide ich, weils Handlungsbedarf gibt: "Das verstehe ich, Schatz, aber ich hab vorher als noch Zeit war, extra gefragt. Die Kinder und ich haben hunger, und jetzt mache ich Ravioli. Ich würde ich freuen, wenn du dir vielleicht bis morgen konkreter Gedanken machst, was d dir morgen Abend wünschst."
Früher bin ich bei Punkt 5 oft in Diskussionen und Streitgespräche eingestiegen (was natürlich nicht klappen konnte) und hab auch meiner Frau vorwürfe und die Schuld gegeben, dass wir oft nicht wussten, was es zum Essen geben sollte. Ich hab mich dadurch auch aktiv sabotiert gefühlt. Das lag aber an mir: Ich habe mich gescheut, die Verantwortung alleine zu übernehmen und wollte Sie in der Entscheidung mit an Bord haben. Das geht aber nicht bei Entscheidungen mit zeitnahem Handlungsbedarf und nicht-entscheiden führt dann ins Dilemma. Das musste ich erst lernen.

Auch bei Punkt 8, wo ich dann die Verantwortung übernommen hatte, gab es früher einen leider sehr verlässlichen "Einstiegstrigger" für fruchtlose Diskussionen, in denen es darum ging, wer das jetzt eigentlich entscheidet, was es zu essen gibt. Aber ich muss erkennen: An Punkt 6 habe ich die Verantworung übernommen, weil sie ihren Tel nicht wahrnehmen kann. Logische folge ist, dass sie ihn bei Punkt auch nicht mehr zurück bekommen kann, weil wir sonst in Schleife bei Punkt 1-5 festhängen; und das ist sehr destruktiv, weil ich dann logischerweise sehr genervt werde, weil nichts vorwärts geht.


Das soll einfach illustrieren, wie dieses "bei dir bleiben" in der Realität konkret aussehen kann.
Einfach freundlich dein Leben leben, einladen, aber nicht mehr erwarten, dass der andere sich nach dir richtet.
Das schmerzt, weil man (ich) sich Beziehung anders vorstellt. Aber du musst mehr in die Autonomie kommen, wenn es sich entspannen soll.
Bei meiner Partnerin hat mein "ich will dich im Boot haben" schlicht zu Überforderung geführt und aus ihrer Perspektive unerfüllbare Erwartungshaltung. Und das verstärkt die Lähmung enorm.

Die Möglichkeit, solche Situationen mit jemandem Professionellem und auf neutralem Boden ansprechen zu können (bei uns eben Eheberatung), ist Gold wert und hilft (zumindest bei uns) den betroffenen, eigene Anteile an der Dynamik anerkennen zu können. Und das ist Voraussetzung dafür, dass es besser werden kann.
Wenn er nicht in Therapie gehen will, ist das für mich ein dickes Brett. Aber das kannst du nicht verändern, du kannst hier nur wählen zwischen "love it" und "leave it". Du kannst aber selber Hilfe suchen (und das empfehle ich sehr), solange du temporär "akzeptanz" übst. Und das hilft vielleicht schon, dass er Einsicht hat, das wirklich er wirklich auch Hilfe braucht.
Antworten