Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

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Philomena
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Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Hallo zusammen,

ich bin jetzt 65 Jahre und habe ein sehr schwieriges Leben hinter mir. (schwere Kindheit, Trennung, Heroinabhängigkeit Tochter, seit 10 Jahren clean)
Ich nehme seit 14 Jahre Psychopharmaka, welche mich stabilisieren. Meine 2 Töchter, inzwischen 37 und 41 Jahre alt, haben vor wenigen Jahren den Kontakt abgebrochen, vollständig. Darunter leide ich so extrem, dass ich richtige quälende "Sehnsuchtsschübe" habe.

Ich war als Mama psychisch gestört, was ich im Nachhinein erst richtig registriert habe. Also, ich habe gegeben, was mir damals möglich war.
Es war zu wenig und ich kann leider nichts mehr rückgängig machen. Mich schmerzt aber, dass die Mädels nicht registrieren, dass auch ihr Vater zugeschaut hat. Es wäre richtig gewesen, hätte er mich rechtzeitig in eine Klinik gebracht. Ich merkte damals nicht, wie krank ich bin.

Diese Härte meiner Töchter, die ich doch immer so geliebt habe, raubt mir die letzte Kraft. Ich kann sie nicht mehr erreichen.
Soll ich alles wieder hoch holen, wo ich doch sämtliche Fotos und Briefe, Kindergartenerinnerungen usw. außer Sichtweite geräumt habe?
Ich bin ratlos!
Hat jemand von Euch, liebe Leser, ähnliche Erfahrungen bzw. Schicksalsschläge und wie geht ihr damit um?

Liebe Grüße und Danke fürs Lesen

Philomena
Mariesa
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Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Mariesa »

Liebe Philomena,
Dein Post hat mich sehr berührt. Ich fühle mit Dir und sende Dir viel Kraft und Zuversicht.
Ich habe Kontakt zu meiner Tochter. Dieser gestaltet sich aber von jeher schwierig und ich habe vor kurzem bemerkt, das wir uns gegenseitig nicht gut tun. Ich kann das jetzt nur so ausdrücken. Ich war auch immer anders als Mutter, habe vieles nicht gemacht. Konnte ich nicht wahrscheinlich, wenn ich heute drauf schaue. Meine Stärke war zuhören. Das hat immer funktioniert.
Ich denke, das auch meine Tochter unter Depressionen leidet, allerdings ist sie nicht in Behandlung. Aber in Beratung.
Dies macht wie gesagt den Umgang schwierig und heute hat sie mir zum ersten Mal einen Satz geschrieben, der mich verletzt hat. Ich hoffe, das ich nicht irgendwann den Zugang zu ihr verliere.
Meine Therapeutin sagt immer, jeder hat seine eigene Wahrheit. Du sagst über Dich, Du hast alles gegeben. Dann ist das Deine Wahrheit und Du kannst auch stolz darauf sein, wirklich. Es ist so schwer als depressive Mama zu funktionieren.
Vielleicht erkennen das Deine Mädchen auch noch, deshalb mein Wunsch nach Zuversicht. Die Sehnsucht kann ich Dir leider nicht nehmen, nur mitfühlen und versuchen zu trösten. Leider finde ich manchmal nicht die richtigen Worte, aber fühle Dich von mir verstanden.
Bilder von Menschen, die mein Leben freiwillig verlassen haben kann ich nicht anschauen. Aber es handelt sich hier um ehemalige Partner. Ich würde es ausprobieren, mal ein Bild aufstellen. Und wenn's nicht geht, wieder weg stellen. Ist das komisch ? Oh ich weiß nicht. Vielleicht weiß hier jemand einen Rat.
Alles Liebe Dir 🙏🏼
Suchende2
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Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Suchende2 »

Liebe Philomena,

darf ich Dir aus Sicht einer Tochter eines psychisch schwer kranken Vaters antworten?

Vorab, ich bin überzeugt, daß das, was wir (meine Familie) erlebt hat sich deutlich von Dir und Deiner Familie unterscheidet. Aber vielleicht ist das emotionale Erleben in Teilbereichen ähnlich.

Mein Vater war psychisch schwer krank. Er hat bei uns schwere psychische und körperliche Gewalt ausgeübt.
Er hat sich so daneben benommen, daß er erst das Besuchsrecht verloren hat und hinterher auch ein gerichtliches Kontaktverbot hatte (an welches er sich nie gehalten hat).
Meine Mutter hat uns mit der Trennung gerettet, sie war nicht perfekt (welches Elternteil ist das schon?), aber sie hat ihr bestes gegeben, um uns unter diesen Bedingungen vernünftig groß zu bekommen.

Bei jedem Kontakt mit unserem Vater hat er unsere Mutter (welche die einzige verläßliche Komponente im Kinderleben war) schlecht gemacht. Das kam bei uns nicht gut an. Auch konnte er nie zu seinen Fehlern stehen (ich denke, daß ist bei Dir deutlich anders).
Wir hätten uns nur einmal im Leben einen ehrlich gemeinten Satz wie: Es tut mir leid, daß ich Euch kein guter Vater war. Oder Es tut mir leid, wie Eure Kindheit und Jugend verlaufen ist. Oder etwas ähnliches gewünscht. Uns ist bewusst, daß er aufgrund seiner damaligen Alkoholabhängigkeit vieles nicht weiß. Dieser Satz hätte nicht dazu geführt, daß ich wieder Kontakt mit ihm gehabt hätte. Aber ein paar Wunden hätten anfangen können zu heilen oder wären schneller / einfacher geheilt. Und danach hätte es eventuell eine Chance auf einen Kontakt gegeben. Dieser wäre aber nicht einfach gewesen, da ich bei dem leisesten Anzeichen wieder in den Rückzug gegangen wäre, um mich zu schützen. Es hätte lange gedauert, bis in irgendeiner Art und Weise wieder genug Vertrauen für "normalen" Kontakt da gewesen wäre.

Natürlich hat auch Dein Mann Fehler gemacht. Aber er war genauso wie Du und die Kinder in der Situation gefangen und von der Situation überfordert und hat sie eventuell auch falsch eingeschätzt. Aber er war wahrscheinlich für Deine Kinder die verläßlichere Komponente im Leben.

Ich wünsche Dir von ganzen Herzen, daß Deine Kinder und Du wieder einen Weg zueinander findet. Und falls dieses nicht funktioniert, wünsche ich Dir, daß Du einen Weg findest, mit diesem großen Schmerz in Deinem Leben umgehen zu können.

Alles Gute,
Suchende
Philomena
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Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Liebe Mariesa,
ich danke dir ganz herzlich für die ehrlichen und feinfühligen Worte. Deine Nachricht zu lesen tat mir gut. Ich wünsche Dir, dass du den Kontakt zu deiner Tochter nicht verlierst und es dir nicht so geht wie mir. Glaube mir, es gibt nichts Schlimmeres als den totalen Kontaktabbruch. Der Schmerz und die Sehnsucht ist immer da, auch wenn ich versuche, mich abzulenken. Ich bin auf die weiteren Therapiestunden gespannt. Ich denke aber, ich muss damit leben. Es ist möglich, ja, aber es ist ein so ganz anderes Leben als mit Kindern und Enkelkindern.

Alles Gute und liebe Grüße
Philomena
Philomena
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Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Liebe Suchende,
auch dir danke ich von Herzen für die einfühlsamen und klaren Worte. Vieles, was du schreibst, sehe ich genauso. Ich kann mich gut in deine Situation als Kind hineinversetzen und nachspüren was das für eine kleine Kinderseele bedeutet. Ich frage mich, was musste dein Vater erleben, dass er so abrutschte? Es soll ihn nicht entschuldigen, jedoch weiß man, dass Traumata und ihre Auswirkungen weitergegeben werden. Meine Großeltern erlebten 2 Weltkriege, die Eltern als Kinder den 2. Weltkrieg. Es gab keine Aufarbeitung, sondern Verdrängung. Ich danke, dass du dir Gedanken über meine Zeilen gemacht hast und mir gleich geschrieben hast.
Ich wünsche Dir deshalb gute und verlässliche Beziehungen, in denen du dich gut aufgehoben fühlst.

Liebe Grüße
Philomena
HeyHo
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Registriert: 8. Aug 2024, 03:37

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von HeyHo »

Ich geb dir den Ratschlag, fang klein an..."Ich kenne deine Tochter b.z.w ihr Alter nicht... und wie du sie erreichen kannst.

Aus einem "Hey, wie geht es dir" oder "wie gehts deinen Kindern" b.z.w "Wie ist es auf der Arbeit?" . Egal wie gemein manche antworten sein können, aus kleinen Worten kann viel wachsen. Mit wenig Worten viel Interesse zeigen...das ist meisstens eine gute Option.


Mir geht es schlecht und meine Vergangenheit war von Drogesucht bestimmt, so etwas aufjedenfall meiden...das kann man später aufarbeiten. Letztendlich musst du immer daran denken das es ihnen wahrscheinlich auch nicht gut damit geht b.z.w ging. Wirklich die wenigsten Menschen wollen so etwas hören vor allendingen nicht wenn es auch ihr eigenes Leben belastet. Einfach etwas Interesse an ihrem Leben zeigen. Sowas entwickelt sich.

Aber erwähne erstmal nicht deine Probleme. Das kommt alles mit der Zeit. Es geht erstmal darum sie zu verstehen und darüber nachzudenken wie es ihnen mit dieser Lebenssituation erging. Aus eigener Erfahrung weiss ich das es sehr schwer ist ohne Vater aufzuwachsen....das ist wirklich ein groooooßes Päckchen und eine schwere Bürde. Auch deine Töchter müssen darüber nachdenken. Wahrscheinlich dauert es auch sehr lange bis es etwas zurück kommt. An dieser Stelle seih dir geraten sehr viel Geduld mitzubringen.

Ich wünsch dir viel Glück dabei. Sorry das ich keine einfühlsamen Worte finde, aber manche Dinge sind wie sie sind und man muss lernen damit zu arbeiten. Das wichtigste ist es nie aufzugeben.!!!!!!!!!!!!!!!!!! Aber mit einer gewissen zurückhaltung.

"ich vermisse euch wirklich sehr" ist eine klare kurze Aussage die deine Gedanken gut beschreiben, und es ist etwas das man auch nach einem kurzen Dialog sagen darf. "Guten Moregen" "Gute Nacht"...alles kleine Dinge die dir helfen werden. Aber niemals übertreiben oder einem Rede b.z.w Schreibfluss hingeben.
Katerle
Beiträge: 11375
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Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Katerle »

Philomena hat geschrieben: 14. Aug 2024, 16:35 Hallo zusammen,

ich bin jetzt 65 Jahre und habe ein sehr schwieriges Leben hinter mir. (schwere Kindheit, Trennung, Heroinabhängigkeit Tochter, seit 10 Jahren clean)
Ich nehme seit 14 Jahre Psychopharmaka, welche mich stabilisieren. Meine 2 Töchter, inzwischen 37 und 41 Jahre alt, haben vor wenigen Jahren den Kontakt abgebrochen, vollständig. Darunter leide ich so extrem, dass ich richtige quälende "Sehnsuchtsschübe" habe.

Ich war als Mama psychisch gestört, was ich im Nachhinein erst richtig registriert habe. Also, ich habe gegeben, was mir damals möglich war.
Es war zu wenig und ich kann leider nichts mehr rückgängig machen. Mich schmerzt aber, dass die Mädels nicht registrieren, dass auch ihr Vater zugeschaut hat. Es wäre richtig gewesen, hätte er mich rechtzeitig in eine Klinik gebracht. Ich merkte damals nicht, wie krank ich bin.

Diese Härte meiner Töchter, die ich doch immer so geliebt habe, raubt mir die letzte Kraft. Ich kann sie nicht mehr erreichen.
Soll ich alles wieder hoch holen, wo ich doch sämtliche Fotos und Briefe, Kindergartenerinnerungen usw. außer Sichtweite geräumt habe?
Ich bin ratlos!
Hat jemand von Euch, liebe Leser, ähnliche Erfahrungen bzw. Schicksalsschläge und wie geht ihr damit um?

Liebe Grüße und Danke fürs Lesen

Philomena
Hallo Philomena,

kann mir auch gut vorstellen, wie sehr du darunter leidest. Aber gib bitte die Hoffnung nicht auf, nie wieder Zugang zu deinen Töchtern zu bekommen.
Hole deine Fotos und Briefe usw. wieder hervor, falls es dir hilft. Es gibt doch bestimmt auch noch schöne Erinnerungen.
Meine Mutter wollte damals plötzlich zu allen ihren Kindern den Kontakt abbrechen und mein Bauchgefühl sagte mir schon damals, dass da was nicht stimmte. Wir brachen in Tränen aus und es war für uns einfach unbegreiflich, wie das geschehen konnte. Deshalb machte ich mich sofort auf den Weg zu ihr, um mit ihr zu reden. Und es fühlte sich richtig an. Möchte natürlich jetzt nicht alles reinschreiben, denn ich hatte da auch so meine Vermutungen... Das war natürlich auch sehr belastend für uns.
Du könntest auch deinen Kindern evtl. einen Brief schreiben?

Wünsche dir auch weiterhin ganz viel Kraft und Zuversicht,
LG Katerle
Katerle
Beiträge: 11375
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Katerle »

Suchende2 hat geschrieben: 14. Aug 2024, 19:21 Liebe Philomena,

darf ich Dir aus Sicht einer Tochter eines psychisch schwer kranken Vaters antworten?

Vorab, ich bin überzeugt, daß das, was wir (meine Familie) erlebt hat sich deutlich von Dir und Deiner Familie unterscheidet. Aber vielleicht ist das emotionale Erleben in Teilbereichen ähnlich.

Mein Vater war psychisch schwer krank. Er hat bei uns schwere psychische und körperliche Gewalt ausgeübt.
Er hat sich so daneben benommen, daß er erst das Besuchsrecht verloren hat und hinterher auch ein gerichtliches Kontaktverbot hatte (an welches er sich nie gehalten hat).
Meine Mutter hat uns mit der Trennung gerettet, sie war nicht perfekt (welches Elternteil ist das schon?), aber sie hat ihr bestes gegeben, um uns unter diesen Bedingungen vernünftig groß zu bekommen.

Bei jedem Kontakt mit unserem Vater hat er unsere Mutter (welche die einzige verläßliche Komponente im Kinderleben war) schlecht gemacht. Das kam bei uns nicht gut an. Auch konnte er nie zu seinen Fehlern stehen (ich denke, daß ist bei Dir deutlich anders).
Wir hätten uns nur einmal im Leben einen ehrlich gemeinten Satz wie: Es tut mir leid, daß ich Euch kein guter Vater war. Oder Es tut mir leid, wie Eure Kindheit und Jugend verlaufen ist. Oder etwas ähnliches gewünscht. Uns ist bewusst, daß er aufgrund seiner damaligen Alkoholabhängigkeit vieles nicht weiß. Dieser Satz hätte nicht dazu geführt, daß ich wieder Kontakt mit ihm gehabt hätte. Aber ein paar Wunden hätten anfangen können zu heilen oder wären schneller / einfacher geheilt. Und danach hätte es eventuell eine Chance auf einen Kontakt gegeben. Dieser wäre aber nicht einfach gewesen, da ich bei dem leisesten Anzeichen wieder in den Rückzug gegangen wäre, um mich zu schützen. Es hätte lange gedauert, bis in irgendeiner Art und Weise wieder genug Vertrauen für "normalen" Kontakt da gewesen wäre.

Natürlich hat auch Dein Mann Fehler gemacht. Aber er war genauso wie Du und die Kinder in der Situation gefangen und von der Situation überfordert und hat sie eventuell auch falsch eingeschätzt. Aber er war wahrscheinlich für Deine Kinder die verläßlichere Komponente im Leben.

Ich wünsche Dir von ganzen Herzen, daß Deine Kinder und Du wieder einen Weg zueinander findet. Und falls dieses nicht funktioniert, wünsche ich Dir, daß Du einen Weg findest, mit diesem großen Schmerz in Deinem Leben umgehen zu können.

Alles Gute,
Suchende
Hallo Suchende,

auch du hast viel Schweres erlebt mit deinem alkoholabhängigen Vater..., fühle mit dir und wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft und Gesundheit.

LG Katerle
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Liebe HeyHo,
vielen lieben Dank für deine Zeilen. Ja, "ich vermisse Euch wirklich sehr" ist eine gute "Nachricht", mit der man wirklich nichts falsch machen kann.
Ich werde diese - ich denke in meine Weihnachtspost - einbringen. Weißt du, ich bin ja schon sehr unsicher geworden, was richtig und was falsch ist. Deshalb ist es immer wieder hilfreich, eure Meinungen anzuhören und sich darüber Gedanken zu machen. Es kam mir auch der Gedanke nach einer Selbsthilfegruppe "Verlassene Eltern" zu suchen. Da ich aber auf dem Land wohne, dürfte dies schwer sein.
Ich bin froh, dass auch du dich gemeldet hast und sende ganz liebe Grüße
Philomena
malu60
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Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von malu60 »

Hallo Philomena,
bin in den letzten Tagen mal wieder lesend im Forum und an deinem Post hängengeblieben. Bes.herzliche Grüsse an bekannte Mitglieder!

Ich fühle mit Dir,es ist schwierig zu raten,bei diesem Thema.Wenn Deine Sehnsucht Dich so quält hilft es Dir vielleicht Fotos und Briefe hervorzuholen.

Den Rat, die Töchter nicht mit Erklärungen,sondern mit liebevollen,kleinen Angeboten ins aktuelle Leben einzuladen ,finde ich sehr gut.

Es geht ja um die Kinder,die bei einer kranken Mutter Mangel genug hatten.Aufarbeiten muss ich das selbst.Mein Sohn muss mich da nicht entschulden,er darf sich entziehen und auch klagen........so seh ich das.

Ich bedaure es sehr,dass meine jahrelangen Depressionen auch für meinen Sohn Leid und Entbehrungen gebracht haben. Unterm Strich habe ich
schon alles gegeben,was z.d.Zt.ging. Ich war sehr jung,voll berufstätig,zwar voller Liebe aber wenig da und jahrelang depressiv.Heute kann ich das nicht rückgängig machen.Wir haben eine gute,aber distanzierte Beziehung.Die ersten Jahre ,wohl die Wichtigsten ,war sein Papa Hausmann,und nach der Trennung kümmerte er sich nicht mehr um seinen Sohn,weder finanziell,noch als Vaterfigur,da war auch Alkohohl ein Grund.Schlimm fürs Kind.

Meine Schwiegertochter meinte mal,mein Sohn sei viel alleine gewesen,deshalb auch verschlossen.Ich sei ja entweder arbeiten gewesen oder krank.
Beide Einzelkinder,wollen keine Kinder,sagen: "Für Kinder müsse man reif sein,Verantwortung tragen,dasein,gesundsein,Vorbild sein......"

Das hat mir sehr weh getan.

Mein Sohn ist das Beste in meinem Leben und ich hab ihn gewollt und liebe ihn.Dennoch weiß ich nach vielen Therapien,z.Zt.mache ich eine sehr gute Gruppentherapie,dass mein Sohn das Recht hat ,mir zu sagen,was er entbehren mußte.Er ist nicht dafür verantwortlich.Es geht nicht darum wie ich mich fühle,darum muss ich mich selbst kümmern.Wir haben Kontakt,den such meist ich,weil ich ihn liebe und Interesse an ihm habe.In der Gruppe sind Männer seines Alters und da krieg ich viel mit,wie sie über ihre Mütter und Väter denken.
Wenn ich mich um meine Gesundheit kümmere,ein zufriedenes Leben führe,tut das der Beziehung zum Sohn/Schwiegertochter auch gut.
Wenn sie mich hin und wieder um Rat fragen,bin ich immer da.Mein Sohn macht leider das Meiste mit sich allein aus,so ist er seit seiner Kindheit.das macht mich traurig,ich sehe da meinen Anteil..........Er lebt so,wie es ihm gut tut,ist wohl auch glücklich mit wenig Kontakt,ein Kopfmensch eher.

Wichtig erscheint mir,das Gute hochzuhalten und da gabs auch ganz,ganz viel,das ist als Basis immer da......anderes lasse ich los,was ich nicht ändern kann..........Heute bin ich eine gute Mutter,lasse ihm seine Freiheit..........

Danke fürs Thema,liebe Philomena,Ich wünsche Dir Kraft und Vertrauen darauf,dass Deine Töchter wieder einen Weg zulassen.Du kannst Ihnen nah sein,auch wenn Du an sie denkst und gut zu Dir selbst bist.
Ich ruf meinen Sohn gleich mal an,wie das Wetter in Köln ist,ob er joggen war,was der Garten macht .....etwas an seinem Alltag teilnehmen,geht immer.......Forderungen,Sehnsucht nach Besuchen fragen,sowas blockt er ab.....liebe Grüße ins Forum malu
Leben ist mehr
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Hallo Malu,
ich lese aus deinen Worten, dass du nachfühlen kannst, wie schwer und schmerzhaft diese Situation ist. Du musstest wohl ähnliches durchleiden. Ich spüre bei dir, wie auch beim Lesen der Texte anderer Teilnehmerinnen, wie kritisch wir Mütter mit uns und unserer Vergangenheit umgehen ohne uns zu schonen. Wir lieben unsere Kinder und versuchen jeden Tag deren Abstand oder Kontaktabbruch zu akzeptieren, zu verstehen.
Deshalb tut mir und bestimmt auch Euch dieses Forum gut, weil ich mich dadurch mit diesem Problem nicht so allein fühle.
Alles Gute und viel Kraft liebe Malu von
Philomena
Nixe02
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Registriert: 6. Jun 2024, 14:59

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Nixe02 »

malu60 hat geschrieben: 17. Aug 2024, 14:28
Den Rat, die Töchter nicht mit Erklärungen,sondern mit liebevollen,kleinen Angeboten ins aktuelle Leben einzuladen ,finde ich sehr gut.

... Mein Sohn muss mich da nicht entschulden,er darf sich entziehen und auch klagen........so seh ich das.
So seh' ich das auch! Warum meidet ein erwachsenes Kind seine Mutter/Vater?
Warum mied ich meine Mutter (mittlerweile verstorben)? Ich fühlte mich einfach nicht wohl.

Liebe Eltern, ihr kennt doch eure Kinder am besten, zumindest am längsten.
Warum fühlen sich Kinder unwohl? Warum gehen Kinder oder jeder Mensch gern zu einem Menschen oder lieber nicht?

Früher war früher. Was kann ich heute, jetzt anders machen? Ich kenne mein Kind, ich kenne mich.

Jammern, Wehklagen, Bitten, Betteln hat noch nie jemanden begeistert!

Es klingt zwar hart und unheimlich gefühllos und doch ist es die Realität - alles was mir Unbehagen bereitet, das meide ich. Ich als Kind, ich als Elternteil.
Geht mir mein Kind gehörig auf den Zeiger, bin ich froh, dass es nicht da ist ... warum sollte dem Kind es anders gehen???
GuntherBandel
Beiträge: 170
Registriert: 29. Dez 2020, 13:07

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von GuntherBandel »

Hallo Philomena,
ich kann aus Sicht aus der Rolle eines Sohnes berichten
Meine Kindheit war teils überbehütet, teils emotional arm. Meine Eltern konnten nicht gut über Gefühle sprechen. Ihre Ehe war aus meiner Sicht eher von
Rationalität geprägt.
Ich habe zwar noch Kontakt zu meinen Eltern, aber dieser gestaltet sich schwierig.
Ich würde Ihnen gerne ins Gesicht sagen, was ich von Ihrer Erziehung halte und was dies für mich auch jetzt noch an Auswirkungen hat. Aber ich habe keine Hoffnung, dass das noch irgendetwas bewirkt.
Immer wenn ich das Thema andeute, kommt nur
sowas wie, es ist Vergangenheit und die Frage, was meine Therapeutin dazu sagt.
In der Therapie versuche ich gerade, alles zu verarbeiten, aber das wird noch ein langer Weg werden.

Ich hoffe, dass es mir irgendwann wieder zufrieden zu sein mit dem, wie ich bin und friedlich zu leben.

Ich drücke Dir die Daumen, dass Du auch einen Weg für Dich findest, mit der derzeitigen Situation mit deinen Töchtern klarzukommen.

Viele Grüße

G.
Winterkind04
Beiträge: 393
Registriert: 27. Sep 2020, 06:52

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Winterkind04 »

Hallo zusammen,

ich bin auch mit einer depressiven Mutter aufgewachsen.
Und, ich hatte immer noch die schlimmen „Vorfälle“ im Kopf. Ich habe auch viel Schuld an meinen Problemen lange meiner Mutter zu geschoben.

Ich hatte eine sehr gute Therapeutin dazu.
Ich habe tatsächlich auch sehr viele positive Erlebnisse aus meiner Kindheit. Aber wie so oft - dass, will man nicht sehen, sondern immer nur das negative. Bzw. Das negative hat das positive auch überlagert.

Meine Therapeutin sagt auch immer man muss sich auch die Kindheit unsere Eltern vorstellen - wie diese aufgewachsen sind usw.
Ich hab dazu einfach mal mich getraut viel zu fragen und ich habe Antworten bekommen. So konnte ich plötzlich auch viel nachvollziehen.

Und, ein Satz hat mir viel geholfen - schuld ist niemand, man bekommt den Rucksack mit und was man dann daraus macht ist jeder selbst verantwortlich.
Als Kind kann man diese Erkrankung einfach nicht verstehen.
Ich hab das erst jetzt wo ich selber betroffen bin, verstanden was das heißt.

Ich habe einen räumlichen Abstand zu meinen Eltern.
Wir telefonieren unregelmäßig und ich bin unregelmäßig mal ein Wochenende zu Besuch.

Und, jetzt wo ich älter bin und ich ja auch nee chronische körperliche Krankheit habe, haben sie mir ohne wenn und aber viel geholfen. Was ich so nicht erwartet hätte. Weil in meiner Kindheit war das anders.

Mir hat einfach das Aufarbeiten viel gebracht und das für mich vieles verstehen.

Aber ich wusste für mich - in meiner Situation das ich mit einem Kontaktabbruch nicht glücklicher geworden bin.
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Hallo Winterkind,
über deine Worte habe ich viel nachgedacht und bin dir sehr, sehr dankbar, dass du das "Ganze" einmal von einer anderen Seite aus betrachtest. Auch ich hatte eine Mutter, die schwer einzuschätzen war und zu heftigen Wutausbrüchen neigte. Nach vielen Jahren bekam sie dann Psychopharmaka und siehe da, meine Mutter war ein völlig anderer Mensch. Jetzt konnte ich das Wort "MAMA" wieder aussprechen und sie umarmen. Das heißt nicht, dass der Schmerz über die Vergangenheit plötzlich weg ist. Ich habe durchaus Phasen, wo ich "wütend" auf sie bin, aber es ist kein Hass mehr wie früher. Auch ich habe meine Kindheit gut aufgearbeitet und es gibt zwei entscheidende Hilfestellungen für mich:
Erstens, ich stelle mir meine Mutter als Kind vor, als Kriegskind. Was hat sie erleben müssen?
Zweitens, ich stelle mir meine Lebensbegleiter, angefangen von Eltern, Geschwister usw. in einem Kreis vor. In der Mitte dieses Kreises sind die Menschen, die mir wirklich ganz Nahe stehen, nur die lasse ich ganz nahe an mich heran, die anderen vielleicht ein bisschen weiter weg und - "Problemfälle", am Rande. D.h. ich will meine Mutter nicht ganz aus meinem Lebenskreis verbannen, bestimme aber doch den Abstand, damit ich gut damit leben kann.
Es ist halt so, wenn ich hasse, gehts mir selber nicht gut und - auch ich bin nicht fehlerfrei und stets auf andere angewiesen. Gleichzeitig wünsche auch ich mir, dass andere mir vergeben können.

Nur am Rande: Es gibt Fälle, wo auch Ärzte usw. raten, den Kontakt sofort abzubrechen. Diese Fälle sind aber hier in unserem Austausch nicht gemeint.

Winterkind, ich finde, du machst dies ganz richtig und deine Eltern können stolz auf dich sein. Es ist ein guter Weg, den du gewählt hast, denn Hass und Rache führen nie zu etwas gutem, wir sehen das derzeit in der aktuellen Weltsituation.

Jetzt habe ich doch ein bisschen zu viel geschrieben, sorry

liebe Grüße Philomena
malu60
Beiträge: 4143
Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von malu60 »

Hallo Zusammen,
gestern war Thema : Eltern/Schuldgefühle,Kontaktabbruch in der Gruppentherapie.
ich hatte ja hier geantwortet als depressive,alleinerziehende Mutter,die auch Schuldgefühle hat.

Ganz ausgeblendet hatte ich meine eigene Rolle als vernachlässigtes,missbrauchtes Kind.
Auch wenn wenig bis keine Elternliebe erfahren wurde,bleibt dieses merkwürdige Gefühl,an die Eltern gebunden zu sein.
Besonders wenn sie alt und hilflos werden.Es bleibt so ein Gefühl der Pflicht /Schuld.....Vater Mutter ehren......

Ich hätte nie gedacht,wie sehr Menschen auch körperl.leiden,unter Eltern,die das bestimmt nie so gewollt haben.Leider geht es
vielen Menschen in Therapie so,dass es sehr viel aufzuarbeiten und zu verstehen/verzeihen gibt.Es belastet die Gesundheit,macht wütend,einsam....

Bei mir war es so,dass ich mich aus meiner toxischen Ursprungsfamilie schon früh total rausgezogen habe.Meine Mutter stab als ich Ende 20Jahre war
und danach gab es keine Verbindung mehr.Brüder kümmerten sich um den später dementen Vater.Durch viele Therapien habe ich mich mit der Familie abgefunden.Es ist ein großes Loch,eine Leere und Kälte.Gutes,was mich dankbar sein lässt fand ich auch.Elternliebe nicht.Vieles liegt in der Biografie der Eltern,dem Krieg,der Gefangenschaft begründet.G.s.D.konnte ich irgendwann fühlen,dass es nicht an mir als Kind/Mensch liegt,dass ich nicht geliebt,gesehen,gewertschätzt wurde.....ich dachte immer ich sei falsch,,,,, meine Eltern waren miteinander auch sehr unglücklich.......

Ich sah tatsächlich nur meine eigene Rolle als Mutter ,aber wir alle sind Kinder, und wurden teils "vernachlässigt "in unseren Grundbedürfnissen.
Wer sich dem stellt,Therapie macht,an sich arbeitet,kann diesen fatalen Kreislauf durchbrechen und anders mit den eigenen Kindern sein.Unbewußt hab ich auch für meinen Sohn einen Vater gewählt,der nicht liebesfähig war.Auch er starb früh und so hat mein Sohn ähnliche schwere Verhältnisse erlebt.Leider geht das leiden oft weiter in den nächsten Generationen.Familie kann schrecklich sein,aber ohne ElternLiebe ist da eine leerstelle

Gestern fühlte ich mich sehr leer und verloren,brauchte sogar eine Einzeltherapiestunde.Es hatte mich erschüttert was ich hörte und ich war so mitten in eigenem Leid.Ich hatte es vergessen,die Wunde des Ungeliebten bleibt,auch wenn ich gut für mich sorgen kann und auch dankbar bin für Gutes in meinem Leben......Schweres Thema,herzl Grüße von malu
Leben ist mehr
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Lieber Gunther Bandel,
komme erst jetzt dazu, dir zu antworten. Du schreibst, dass deine Kindheit z. T. überbehütet war und deine Eltern teilweise keine Emotionen zeigen konnten. Ich könnte mir vorstellen, dass deine Mama und dein Papa auch in ihrer Kindheit vieles vermissen mussten, was mit Liebe und Zärtlichkeit zusammenhängt. Sie haben es nie gelernt, wie man Gefühle ausdrückt und wahrscheinlich war auch ihre Partnerschaft in dieser Hinsicht geprägt. Es ist eine der Spätfolgen der Kriegsgeneration. Insofern kann ich mich in die Lage deiner Eltern gut hineinversetzen. Sie haben dich gut versorgt, bestimmt sehr geliebt, aber leider konnten sie dir diese Liebe nicht so zeigen, wie du es vor allem als Kind gebraucht hättest.
Ich finde es gut, Gunther, dass du mit einem Therapeuten im Gespräch bist. Letztendlich liegt es jetzt an dir, ob du es schaffst, deinen Eltern - trotz so manchen Mangel in der Kindheit - mit Verständnis und Liebe zu begegnen. Ich denke, ganz langsam wird sich dann auch in dir wieder ein Stück Frieden ausbreiten.
Alles Gute für dich
Philomena
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Liebe Malu,
soeben las ich auch deine Zeilen. Ich bin froh und dankbar darüber. Denn du schreibst mir aus der Seele. Aus vernachlässigten Kinder werden oft - nicht immer - auch Eltern, die ihren Kindern nicht die Liebe geben können, die sie bräuchten. Das Wort "können" ist mir dabei sehr wichtig. "Sie haben gegeben, was Ihnen damals möglich war", so sagte eine Therapeutin zu mir. Denn auch ich litt und leide heute oft noch unter schweren Selbstvorwürfen, bin gnadenlos zu mir selbst. Aber dieser eine Satz und die Erkenntnis, dass auch meine Mutter einen schweren Rucksack von ihrer Kindheit mitbekommen hat (Kriegskind!) trösten mich, wenn ich mal wieder in Selbstvorwürfen gegenüber meinen beiden Töchtern fast zerbreche. Meine Krankheit (Depression, Anteile von Borderline). Ich selbst habe es geschafft mit meiner Mutter in Frieden zu leben.
Ob es meinen Töchtern mal gelingt, weiß ich nicht. Du stellst dich deinem Schmerz, deinen inneren Verletzungen; Super! Ich wünsche dir, liebe Malu, dass du gestärkt aus der Therapie gehst und ein kleines Stück Frieden in dir findest. Die Schmerzen werden nie ganz vergehen aber du siehst ja, wir sind nicht allein (Forum!!) Alles Liebe und Gute Philomena
mime
Beiträge: 1319
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von mime »

Hallo Philomena,

kannst du denn über deine innerlichen Schuldvorwürfe therapiebegleitend sprechen? Selbstvorwürfe können einen nahezu zerfressen. Weder dir noch deinen Töchtern ist damit geholfen - klar, man die Vorwürfe nicht einfach so abstellen, aber sie sich immer wieder vorzuhalten ist doch keine Lösung.

Du hast getan, was du konntest. Deine Töchter sind erwachsen und haben ihr eigenes Leben, egal, ob du dir Vorwürfe machst oder nicht. Es geht hier erst einmal um dich und dass es dir wieder besser geht. Sich selbst verzeihen oder die Dinge so annehmen wie sie sind / waren ist schwer und manchmal eine Lebensaufgabe.

Bei meiner Familiengeschichte lief/läuft auch nicht alles glatt - und es gab auch zu einem Familienmitglied lange Kontaktlosigkeit (weil er eine neue Familie gegründet hatte und die alte sich auch verändert hatte). Wir haben uns aber wieder angenähert, als er mir, als ich erwachsen war, Hilfe anbot, die ich tatsächlich gebraucht und angenommen habe - ich musste dazu sehr über meinen Schatten springen und meinen Stolz hintenanstellen. Im Laufe der Jahre hat sich ein relativ "gutes" Verhältnis (im Rahmen unserer Möglichkeiten) entwickelt. Wir können auf sachlicher Ebene gut Probleme lösen und zusammenarbeiten, wenn es erforderlich ist. Und das hätte ich vor 20 Jahren nie für möglich gehalten.

Wir sind alle irgendwie schwierig, meine Eltern sind Nachkriegskinder - ich habe mich auch immer wieder fragen müssen: was haben sie von ihren eigenen Eltern (Kriegsgefangene / Heimatvertriebene) mitbekommen können? Da ist es doch kein Wunder, dass auch bei ihrer Erziehung emotional einiges im Argen lag.
Wenn mir psychiatrisch nahegelegt wird, dass sich traumatische Bestandteile und emotionale Vernachlässigung in meiner Vita finden würden - vielleicht, vielleicht aber auch nicht - ich kann und möchte dahingehend keine Vorwürfe machen. Was geschehen ist, ist geschehen.

Was ich damit sagen möchte: Es kann sein, dass es wieder zu einem Kontakt kommen kann auch bei dir und deinen Töchtern (doch sie müssen ihn wollen). Mehr kann ich leider nicht dazu schreiben. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du dir verzeihen kannst und dass wieder (innerlicher) Friede einkehren kann. Du schreibst ja selbst, wie und unter welchen Umständen du aufgewachsen bist, das hast du ja auch mitgenommen in dein Muttersein. Wir sind alle nicht perfekt und vielleicht gibt es da noch Veränderungspotenzial zum Guten für sich selbst (und seine Lieben).

LG Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Philomena
Beiträge: 131
Registriert: 21. Sep 2019, 20:27

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von Philomena »

Hallo mime,

habe soeben auch deine Zeilen gelesen. Ja, ich bin derzeit in Therapie, leider aber nur jede 2. Woche ein Termin, wobei dieser 50 Min. dauert.
Laut einer Klinik bräuchte ich eine Traumatherapie. Habe gut 1 Jahr gesucht, jedoch ohne Erfolg. So habe ich vor kurzem den Therapieplatz zur Verhaltenstherapie angenommen. Fühle mich aber gut aufgehoben.
Ja, das mit den Schuldgefühlen usw. ist schwer zu ertragen. Ich darf einfach nicht aufgeben und jeder Tag ist eine neue Herausforderung.
Du hast ja bestimmt auch die anderen Kommentare schon gelesen, Meinungen, persönliche Erfahrungen.

Danke liebe mime, dass du dir die Zeit genommen hast, um mir zu schreiben!

Für Dich alles Gute
Philomena
mime
Beiträge: 1319
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Schuldvorwürfe im Alter, was ist noch möglich?

Beitrag von mime »

Hallo Philomena,

danke für deine Antwort. Die anderen Beiträge habe ich zumindest "überflogen", meine Lese-Konzentration ist derzeit nicht die beste.

Oh, ich wünsche dir, dass du noch in die richtige Therapieform für dich kommst; es freut mich aber zu lesen, dass dir die jetzige Therapie auch schon etwas hilft. Vielleicht können dort auch deine Schuldgefühle und Selbstvorwürfe ihren (Bearbeitungs-) Platz finden.

Mir wurde vom Facharzt auch eine Traumatherapie empfohlen, allerdings male ich mir 0 Chancen aus, daher habe ich noch nicht gesucht.

Alles Gute auch dir
LG Mime
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(Dietrich Bonhoeffer)
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