Konntrollverlust/Depression

Antworten
Momoali
Beiträge: 1
Registriert: 6. Jul 2024, 16:16

Konntrollverlust/Depression

Beitrag von Momoali »

Hallo zusammen,

ich stelle mich mal kurz vor. Mein Name ist Momo und ich bin 25 Jahre alt.

Das Leben war nie wirklich gut zu mir. Meine Mutter ist abgehauen, als ich 6 war, und mein Vater hat mich die 16 Jahre, in denen ich in seiner Obhut war, täglich beleidigt und geschlagen. Einen guten bzw. überhaupt irgendeinen Draht zu jemandem aus meiner Familie habe ich nicht, deshalb habe ich auch seit 9 Jahren mit niemandem aus meiner Familie gesprochen.

Ich war mit 18 arbeitslos, ohne Schulabschluss, ständig high oder betrunken und habe allein in einem kleinen Pensionszimmer gelebt. Die Decke fiel mir auf den Kopf und nachdem ich zum x-ten Mal in mein Waschbecken gepinkelt habe, weil ich nicht um 3 Uhr nachts auf den Gang ins Bad gehen wollte, entschied ich, mein Leben beenden zu wollen, und habe es versucht.

Am nächsten Tag habe ich mich selbst in die Psychiatrie eingewiesen, wo ich dann ein Jahr stationär war. Ich meine, wirklich geholfen hat es mir nicht, ich habe mich nicht besser gefühlt. Aber irgendwie habe ich eine Ausbildung als Elektroniker angefangen und abgeschlossen. Ich bin die letzten 7 Jahre halbherzig und wie ferngesteuert durch mein Leben gegangen, in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird oder ich zumindest lerne, besser mit mir selbst umzugehen. Ich habe meine schlechten Gefühle versucht, mit Arbeit zu ertränken, und habe einen kleinen Nebenjob angefangen, um zumindest das Gefühl zu haben, dass es in meinem Leben bergauf geht. Aber dieses Gefühl kam nie.

Ich habe mich schon vor Corona immer wieder dabei ertappt, wie ich mich selbst in die Isolation befördert habe, konnte mich aber immer irgendwie herausziehen. Corona hat mich definitiv belastet. Aber in den letzten 2 Jahren bin ich immer tiefer und tiefer in dieses Loch gefallen. Ich habe all die Jahre so getan, als ob alles gut ist, als ob ich nicht nach der Arbeit in meinem vermüllten Zimmer sitze und mir hirnlos Video nach Video irgendwo im Internet anschaue, als ob ich nicht den ganzen Tag nichts esse oder trinke. Ich habe so getan, als ob ich alles im Griff habe. Ich habe so getan, als ob ich glücklich bin.

Das geht aber leider nicht mehr. Ich bin müde geworden. Sehr, sehr müde.

Seit einem halben Jahr kann ich nicht mehr so tun, als ob ich es kann, und ich will es auch nicht mehr. Ich will gar nichts mehr. Ich will mit niemandem reden. Niemanden sehen. Ich will nicht aus dem Haus. Ich will nicht zu Hause bleiben. Ich will nicht essen. Ich will nicht trinken. Nicht aufstehen. Nicht liegen.

Ich will mir nicht helfen. Ich habe keine Kraft mehr.

Dass ich das ändern muss, weiß ich. Momentan bin ich krankgeschrieben und ich schaue gerade, dass ich in Therapie komme, bevor es zu spät ist und ich alles verliere, was ich bis jetzt geschafft habe. Ich erkenne, dass ich etwas geschafft habe in meinem Leben. Ich erkenne, dass ich mich ganz allein von der Straße geholt habe, aber es fühlt sich nicht so an, als hätte ich etwas geschafft. Ich fühle einfach gar nichts mehr. Ich bin nicht mal wirklich traurig. Ich bin einfach da und beobachte mein eigenes Leben von außen.

ich weiß nicht ob diese Nachicht so hier rein passt. ich wollte nur mal aufschreiben was mir momentan auf dem herzen liegt.
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1696
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Konntrollverlust/Depression

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Momo,
willkommen hier im Diskussionsforum Depression. Schön dass Sie uns gefunden haben.
Bitte bleiben Sie auch unbedingt dran und begeben sich vor Ort in Behandlung. Die Selbsthilfe hier kann zusätzlich wirklich viel, aber nicht alles.
Ich stelle Ihnen hier auch nochmal unsere Krisenhinweise ein: https://www.diskussionsforum-depression ... iner-krise
Herzliche Grüße
Anne Blume
Moderation
Senif
Beiträge: 1812
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Konntrollverlust/Depression

Beitrag von Senif »

Hallo Momo,

die Momo von Michael Ende ? Ich liebe dieses Buch.

Erstmal willkommen hier im Forum. Tut mir leid zu lesen, dass du so viel durchmachen musstest. Ich weiß, alles erscheint in der Depression hoffnungslos. Aber das ist es nicht. Ich finde gut, dass Du Dir einen Therapeuten suchst. Das kann unter Umständen etwas schwierig sein, aber es lohnt sich auf jeden Fall da dran zu bleiben. Es gibt noch andere Anlaufstellen, was v.a. Sinn macht, wenn nicht gleich ein Therapieplatz in Sicht ist. Der Sozialpsychiatrische Dienst z.B., oder auch psychosoziale Beratungsstellen - Diakonie betreibt sowas z.B.

Ich finde es bewundernswert, dass du dich von der Straße geholt hast. Das allein ist schon sehr schwer und du hast es geschafft.
Die Gefühllosigkeit ist leider ein typisches Symptom der Depression. Mir haben am Anfang auch wirklich Antidepressiva geholfen - dadurch wurde ich überhaupt therapiefähig.
Wie lief denn dein Klinikaufenthalt damals ab ?

LG Senif :hello:
Slin97
Beiträge: 55
Registriert: 28. Jun 2024, 21:25

Re: Konntrollverlust/Depression

Beitrag von Slin97 »

Einen kraftvollen-dich stärkenden Sonntagmittag, Momo!

Ich habe mir deinen Beitrag durchgelesen (eben schon eine Antwort verfasst)- diese wurde aber leider nicht gesendet.
Dein Leben hat dich vor sehr starken Herausforderungen gestellt, und in jungen Jahren fehlte dir eine feste/konstante echte zwischenmenschliche Verbindung. Es stimmt mich traurig, dass du diese nicht aus deinem Elternhaus heraus erfahren konntest.

Es ist dann (aus meiner Perspektive) die logische Konsequenz, dass du durch deine negativen Glaubenssätze, dich selbst so sehr abgewertet hast, das du nicht mehr am Leben bleiben wolltest. Durch dein äußeres Umfeld hast du früh lernen müssen, dass du nicht "Willkommen" bist.
Ich habe starken Respekt vor dir, dass du selbst aus deinen eigenen Kräftern heraus, den Weg in die Psychatrie gegangen bist.
Das ist kein leichter Schritt. Aus eigener Erfahrung heraus, ist auch der Aufenthalt in der Psychatrie kein "Allheilmittel".
Der schlussendlich (aus meiner Sichtweise) Lebenswille, muss von der betroffenen Person selbstwirksam wieder hergestellt werden.
Durch eigene minimale "Erfolgserlebnisse".

Keine Gefühle mehr zu haben, dass kenne ich aus eigener Erfahrung!
Es ist die absolute Hölle auf Erden, der Mensch existiert nur noch, lebt aber nicht. Alles menschliche ist verloren, verblasst..
Es ist aber ein Schutzmechanismus des Gehirns, um die tiefen Wunden, die so schmerzlichen negativen Gefühle auszublenden.
Ein "Ein Shutdown", im Fachjargon nennt es sich "Dissoziation". Dabei werden sämtliche Gefühle abgespalten, eben auch alle positiven, wie zum Beispiel Freude.

Es tut mir unfassbar leid, dass du diese Hölle erleben musst!

Ich finde es sehr beachtenswert, dass du dich dafür entschieden hast- dir Hilfe zu holen.
Hier in diesem Forum ist Platz, hier in diesem Forum können wir Menschen sein, wie wir sind.
Es ist okay, auch mal tagelang nichts produktives zu "erschaffen".
Das ist sowieso das Narrativ der westlichen, kapitalisierten Gesellschaft.

Ich rate dir aus Erfahrungen heraus folgendes:
Kontaktiere den sozialpsychiatrischen Dienst, dieser kann dir weiterhelfen.
In akuten Fällen gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116/117).
Die Telefonseelsorge, könnte dir helfen, einfach einen zwischenmenschlichen Kontakt herzustellen.
Es gibt eine APP (Ambulant psychatrische Pflege), diese kann beantragt werden. Ein Mensch welcher dich nach deinen Kapazitäten unterstützt (Gespräche,Haushalt etc). Das dauert allerdings, und muss durch einen Facharzt (Psychiater,Neurologe) beantragt werden!.

Ich denke, erst wenn jegliche zwischenmenschliche Bindung zerbrochen oder getrennt ist, dann rutscht ein Mensch in dieses tiefe,trostlose,schwarze,depressive Loch. Ein verdammter Teufelskreis. Sich als Mensch mit keinen anderen Menschen verbunden fühlen, dass führt auch zu suizidalen Krisen.

Einen dich umarmenden, annehmenden-zuversichtlich stimmenden Gruß,
Slin.

PS: Du hast einen wunderschönen Namen, ich liebe ebenfalls das Buch von Michale Ende "Momo". Habe darüber eine Facharbeit geschrieben. Es ist sehr lehrreich.
Antworten