Schnuckerzecke hat geschrieben: ↑9. Jul 2024, 12:27
Hallo Henni,
wenn ich dich lese, dann spüre ich, wie sehr du mit deinem Schmerz gesehen und verstanden werden möchtest und wie sehr es dir nicht gelingt, egal, wie sehr du dich bemühst und dich erklärst.
Ich lese, dass dein familiäres Umfeld Dinge sagt oder tut, die bei dir ein Gefühl von "unter Druck" erzeugen. Und du wehrst dich, wehrst dich immer wieder aber es scheint nicht zu helfen.
Wenn dann eine Therapeutin, von der Hilfe erhofft wird, keine Hilfe ist, würden sich bei mir Ohnmacht, Wut und Wachsamkeit zeigen.
Sollte bereits eine Vertrauenbasis bestehen, wäre das DIE Gelegenheit, herauszufinden, was der Ursprung meiner Empfindungen ist.
Denn ich habe für mich herausgefunden, dass die Inhalte der Situationen variabel sind.
Person A, B, C, oder D können jeweils etwas Anderes sagen oder tun - das Ergebnis bei mir ist zB. immer Kränkung, Wut usw.
DANN ist egal was die Personen gesagt haben. WICHTIG ist, wieso ich so darauf reagiert habe und später ging es dann um "gesunde" Strategien, wie ich für mich einstehen kann, Grenzen setzen kann. Irgendwann hat mich nicht mehr gekränkt, was andere gesagt haben, ich konnte deren Meinung einfach stehen lassen, weil ihre Meinung nicht mit mir zu tun hatten.
Das kann ich nach vielen Jahren Therapie sagen. Du bist am Anfang und - so unglaublich es klingen mag - deine Therapeutin zeigt dir gerade auf, was deine Themen sind. Das kann auch eine riesen Chance sein - vielleicht bekommt ihr nochmal die Kurve, denn es ist mittlerweile verdammt schwierig, Therapeuten zu finden. Wenn es allerdings gar nicht mehr für dich passen sollte, dann breche die Therapie ab und investiere die Energie für die Suche nach einer geeigneteren Thera.
Als ich meine erste Therapie abbrach, hat die Krankenkasse nichts gesagt. Aber wenn es dir sicherer ist, kannst du bei deiner nachfragen.
****** Mal was aus meiner Therapiezeit
Ich hatte schon einige Therapeuten und am "Besten" waren immer diese speziellen Fragen.
Ich: "Wieso, weshalb, warum...."?
Thera: "Das ist eine gute Frage, Frau Schnuckerzecke. Was meinen Sie denn?"
Ich: "Wenn ich das wüsste, würde ich nicht fragen!"
Therapie war bei mir nicht:
A sagt was Blödes, das mich zB. kränkt, verletzt, traurig, verzweifelt macht. Ich lerne verbal zurückzuschlagen.
Selbst wenn das Erfolg hätte und A sprachlos ist, kleinbeigibt, sich auch gekränkt fühlt usw.
Mein Gefühl der Kränkung, Traurigkeit, Wut usw. wäre doch noch immer da - selbst, wenn dazu jetzt auch ein anderes Gefühl käme wie zB. Überlegenheit, ein "So-mit-mir-nicht".
Therapie war bei mir so:
Herauszufinden, wieso sich Kränkung, Traurigkeit, Wut, Verzweiflung usw. überhaupt zeigen. Es gibt Gründe und die liegen meist weit zurück.
So blöd das klingen mag. Es ist häufig der Weg, den Therapeuten gehen. Natürlich wurden auch Fragen konkret beantwortet aber bei Fragen, die "meine Themen" betrafen, stellten sich die Theras immer besonders unwissend an. Ich musste da selbst drauf kommen und meistens geht es nicht um den Inhalt einer Situation, wer im Recht/Unrecht war sondern darum, was das Erlebte mit mir machte.
Es ging darum, dass ich mich verstehe, die Ursprünge meiner seelischen Wunden, die Mechanismen und Reaktionsmuster erkenne. Diese auch zu betrauern, dass ich das erleben musste - als schützungswürdiges Kleinstkind.
Therapie war für mich fast immer anstrengend, aufwühlend und manchmal war ein heilloses Chaos im Kopf, das sich erstmal setzen musste.
Wie oft ich nach der Therapie mit Sonnenbrille mit den Öffis nach Hause gefahren bin...unzählige Male.
Natürlich gab es auch Situationen, wo es nicht darum ging, welchen Ursprung das Erlebte hat. ZB. wurde ich auf dem Weg zur Thera fast Opfer eines Diebstahls; jemand versuchte auf einer Treppe meinen Rucksack zu öffnen...ich bemerkte es, drehte mich um und schrie den Dieb zusammen. Ich war komplett außer mir.
Ein anderes Mal ging auch darum, wie ich gut zur Thera komme. Mit den Öffis gibt's schon mal Verspätungen oder Ausfälle und für mich war immer ganz schlimm, wenn ich Gefahr lief, irgendwohin zu spät zu kommen. Wir stimmten eine Strategie ab und damit klappte das auch.
Dann war zB. der Fußweg von der Bahnstation zur Praxis für mich schlimm. Aber darauf kam ich erst allmählich, dass der Straßenlärm, Menschen usw. mich irgendwie "aus der Haut" fahren lassen - ich lief wie auf Wolken und war nicht bei mir. Zukünftig umging ich diese Überflutung, indem ich einen kleinen Umweg über ruhigere Parallelstraßen lief.
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