Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

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BesorgteMama
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Registriert: 25. Mai 2024, 07:28

Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von BesorgteMama »

Hallo Ihr lieben,

Mein Sohn besucht die neunte Klasse eines Gymnasiums. Zu Beginn des Schuljahres bekam ich den Verdacht, dass er an einer Depression leiden könnte. Ich kommunizierte es offen der Klassenlehrerin gegenüber und leitete alles weitere in die Wege. Es ging alles relativ schnell, wir hatten Glück, schnell einen Termin bei einer Psychiaterin und auch bei einer Therapeutin zu bekommen.
Vor einem Monat stand dann auch aus ärztlicher Sicht fest, dass er eine „mittelschwere Depression“ hat (laut „Punktesystem zur Diagnostik fehlt nur ein Punkt zur schweren Depression). Dies teilte ich auch der Schule umgehend mit. Wir haben die Therapeutin auch von ihrer Schweigepflicht entbunden, was schulische Belange betrifft.

Natürlich hat er auch recht hohe Fehlzeiten, mal fehlt er ganze Tage, mal nur die erste Stunde. Dies und die nur sporadische Teilnahme am Unterrichtsgeschehen führten dazu, dass er insgesamt in acht Fächern eine „5“ hat. Da er die achte Klasse schon wiederholt hat, steht für ihn fest, dass er nach diesem Schuljahr die Schule wechseln möchte. Auch dies teilte ich der Lehrerin mit!

Am Donnerstag erhielt ich eine Mail der Lehrerin, dass er nun eine Attestpflicht hat und es nicht mehr reicht, wenn ich ihn entschuldige, um ihn so zum Schulbesuch zu „motivieren“ wie sie es nannte… Er fühlt sich nun mit seiner Depression nicht ernst genommen…

Ich muß gestehen, dass ich mich auch äußerst unwohl damit fühle… Zum einen waren wir stets offen und ich frage mich, wieso die Lehrerin mich vorher nicht darauf angesprochen hat, zumal ich ihr gegenüber auch meine Sorge über evtl Bußgelder geäußert habe. Zum anderen kostet uns jedes Attest auch drei Euro. Die Kinderärzte sind eh schon überlastet…

Wieso der ganze Aufwand, wenn er doch eh in sechs Wochen die Schule verlassen wird? Wie seht ihr die Situation?

Liebe Grüße
Schlumpffine
Beiträge: 429
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo, besorgte Mama,
ich kann Deine Befürchtungen und Ängste nachvollziehen.Zunächst ist die Lehrerin keine Entscheidungsträgerin, da sie abhängig ist von Vorgesetzten, "höherrangigen" Dienststellen und Anweisungen.
In der Regel sind Lehrkräfte keine Fachleute für Erkrankungen aller Art und benötigen sogenannte Handlungshilfen. Das spricht aber nicht gegen eine offene Kommunikation.
Wende dich bitte an den zentralen Schulpsychologischen Dienst in deinem Landkreis/Stadt.
Da dein Sohn eine F- Diagnose hat, können hier auch begleitende Hilfen für Ihn und auch Anweisungen für den Schulträger der jeweilige Schule generiert werden.
Ein Schulwechsel würde nach meiner Meinung nicht zur "Auflösung" der Erkrankung führen, sondern nur zu einer
Verlagerung auf eine andere Örtlichkeit. Die eigentliche "Problematik" würde fortbestehen.
Nur gemeinsam mit dem Schulträger, den begleitenden Ärzten und der Schule läßt sich ein sinnvolles Konzept erarbeiten.
Freundliche Grüße
Schlu
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
BesorgteMama
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Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von BesorgteMama »

Liebe Schlumpffine,

Danke für deine Antwort und den Tip :-)

Was ist eine „F-Diagnose“?

Mein Sohn möchte gern die Schule wechseln, es war nicht meine Idee. Ich will ihn aber so gut es geht unterstützen. Wir wissen, dass die Erkrankung weiterhin besteht, wenn er die Schule wechselt. Ich hoffe bei dieser Thematik auch, dass seine Therapeutin uns unterstützen kann…

Was die Lehrerin betrifft: ich hätte es echt nett von ihr gefunden, wenn sie das Gespräch mit mir gesucht hätte, zumal wir zu Beginn des Monats noch miteinander gesprochen haben.

Liebe Grüße
Schlumpffine
Beiträge: 429
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Schlumpffine »

hallo BesorgteMama,
Ärzte und Ämter sprechen gerne in Ihrer eigenen Sprache.
Jede Erkrankung wird nach dem internationalen Code (ICD-10) verschlüsselt.
Bspw. F 32.1 mittelgradige Depression; F32.2 schwere Depression; F 33.2. rez.schwere Depression etc.
Somit ist eine "genauere Diagnose" beschreibbar.
Zur Lehrerin:
Sie ist abhängig beschäftigt und damit nicht weisungsbefugt oder gar ENTSCHEIDUNGS - befugt.
Da ist ein Gespräch mit der Schulleitung sicher effektiver und sicher auch Zielführender.

Gruß
Schlu.
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Constance
Beiträge: 27
Registriert: 11. Apr 2024, 12:24

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Constance »

Hallo Besorgte Mama,

ich kenne die Situation auch aus der Vergangenheit.
Die Lehrerin hat mir immer gesagt, das würde so reichen und der Stufenlehrer hat mich dann angeschrieben, sie brauchen ein Attest. Da habe ich mich auch bisschen frustriert gefühlt, zum einen weil es ersichtlich war, warum meine Tochter damals nicht mehr zu Schule konnte und man es doch dann einfach sagen und nicht über dritte kommunizieren sollte. Aber so ist die Bürokratie.
Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt dann schon in einer Institutsambulanz KJP zur Behandlung mit Warteliste auf einen stationären Aufenthalt und da haben die dann einen Brief geschrieben was die Diagnose ist und ihr deshalb der Schulbesuch schwer fällt, sie aber trotzdem empfehlen zu versuchen weiter zur Schule zu gehen blablabla...
Das hat dann gereicht.
Der Kinderarzt bei uns stellt auch nur gegen Bares Atteste aus und ich habe dann Hausarztpraxen angefragt, ab wieviel Jahre die Patienten aufnehmen.
Das war ganz unterschiedlich und wir haben eine gefunden, die ab 14 Jahren aufnimmt und die stellen auch mal eine Bescheinigung für ein paar Tage aus, wenn es ihr mental schlecht geht und da muss man nichts bezahlen.

Ich hoffe, ihr findet eine gute Lösung, denn ich finde als Eltern hat man ja schon den Kopf voll mit der Krankheit des Kindes und der ganzen Organisation und dann kommt die Schule daher und will aufgrund von Gesetzlichkeit noch irgendwelche Atteste. Da fehlt einem als Elternteil das Verständnis dafür, weil man in der Situation eigentlich Verständnis und Geduld erwartet.
Aber weit gefehlt.
Ärgere Dich nicht drüber. ☀️
BesorgteMama
Beiträge: 5
Registriert: 25. Mai 2024, 07:28

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von BesorgteMama »

„Wende dich bitte an den zentralen Schulpsychologischen Dienst in deinem Landkreis/Stadt.
Da dein Sohn eine F- Diagnose hat, können hier auch begleitende Hilfen für Ihn und auch Anweisungen für den Schulträger der jeweilige Schule generiert werden.“

Kannst du mir sagen, welche Hilfen und Anweisungen da in Frage kommen könnten?

Liebe Grüße
BesorgteMama
Beiträge: 5
Registriert: 25. Mai 2024, 07:28

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von BesorgteMama »

Liebe Constanze,

Du hast ja so recht, der Kopf ist schon voller Sorge um mein Kind, zudem leide ich selbst auch unter Depressionen, was die Sache gerade nicht einfacher macht…

Die Lehrerin möchte jetzt schriftlich die Diagnose, mal sehen, ob es auf der Basis bei der Attestpflicht bleibt… Ich befürchte es aber…

Danke für die aufmunternden Worte :-)
Schlumpffine
Beiträge: 429
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo BesorgteMama,
ich möchte mich den Worten von Constanze anschließen.
Bei Dir ist etwas schwieriger, da hier verschiedene unterschiedliche Erkrankungen im Spiel sind.
Zunäscht hast du gepostet, selber unter Depressionen zu leiden.
Eine Depression ist eine ernste Erkrankung, die auch zu einem Grad der Behinderung, zu negativen Leistungsvermögen oder zu einer Pflegeeinstufung führen kann.
Wir müssen zwischen Deiner und der deines Sohnes unterscheiden.
Unabhängig von seiner Erkrankung, MUSS dein Sohn seine Erkrankung Fachärztlich begleiten lassen und mit den Ergebnissen dieser Begutachtung können dann individuelle Hilfen organisiert werden. Zu nennen wäre z Bsp. die Einzelbetreuung, Schulbegleitung, Feriencamp oder sogar Schulassistenz.
Das alles ist aber immer eine Einzelfallentscheidung, aufgrund der vorliegenden Daten.
Voraussetzung für die Gewährung all dieser Leistungen, ist
a) eine vorhandene Erkrankung
b) ein Leistungsantrag, welcher sehr gut begründet sein muss.
c) Bescheide/Gutachten über das vorhandene negative Leistungsvermögen
d) Ggf. Bescheid GDB
Leider erfordert das alles sehr viel Kraft, kostet Emotionen und fordert VIEL Geduld.
Man MUSS sich Hilfe holen UND Informationen besorgen und sehr gut für sich SELBST sorgen( Selbstfürsorge)
Gute Informationen gibt es hier:https://www.deutsche-depressionshilfe.d ... er-schulen

Gruß
Schlu
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BesorgteMama
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Registriert: 25. Mai 2024, 07:28

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von BesorgteMama »

Hallo Schlumpfine,

Danke für den Link. Du hast mir insgesamt schon sehr geholfen :-)
Ich bin sehr überrascht, dass uns die Psychiaterin nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir noch mehr machen können, als ihn zu einer Therapeutin zu schicken und zu einer Familientherapie gehen können…

Machst du das beruflich oder sprichst du aus eigener Erfahrung? Ich hoffe, ich trete dir damit nicht zu nahe…

Liebe Grüße
Constance
Beiträge: 27
Registriert: 11. Apr 2024, 12:24

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Constance »

@Schlumpffine super Informationen über den Link 😃 hätte ich damals auch haben müssen. Aber ich habe mich auch durchgewurschelt und versuche nun meine Erfahrungen weiterzugeben, damit andere nicht die gleiche Odyssee durchmachen müssen. 😊
@BesorgteMama, ich finde Schlumpffines Vorschlag sehr gut. Gerade wenn Du selbst an Depressionen leidest, dann ist längerfristig euch beiden geholfen, wenn ihr direkt mehr Unterstützungsmöglichkeiten ausschöpft.

Ich muss Dir sagen, bei meiner jüngsten Tochter waren es über 2 Jahren dann doch mehr als Anfangs gedacht: Sozialberatung, Erziehungsbeistandschaft, Nachteilsausgleich in der Schule (allerdings macht sie gerade ihren Abschluss auf einer Schule für Kranke, die kennen sich aus, was man wo beantragen kann bzw. bereiten das alles schon vor und kommen von sich aus auf uns zu, das ist bei "normalen" Schulen nicht unbedingt der Fall), Schulbeförderung. Wenn wir dies alles von Anfang gewusst und gehabt hätten, wäre ihr viel erspart geblieben.

Übrigens hatte ich damals auch ein unwohles Gefühl bzgl. Bußgeld oder so. Aber dann habe ich mir auch gesagt, mein Kind ist krank und kann aufgrund der Depression nicht in die Schule und ich schicke sie auch nicht, nur weil die Schule diese Bürokratie hat. Dann sitzen ich es halt aus. Soll doch mal jemand kommen, da kriegen die aber was von mir zu hören. Ist eh nichts passiert. Mach Dir keinen Kopf.
Schlumpffine
Beiträge: 429
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Teenager bekommt Attestpflicht bei diagnostizierter Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo,
ich bin nicht beruflich in dem Bereich tätig aber Moderatorin einer SHG.
Außerdem steht eine Dysthymie in meiner Vita. Daraus resultieren leider viele Erfahrungen, die ich eigentlich nicht machen wollte.
Eine -für mich-sehr wichtige Erfahrung war, nur du selbst kannst etwas an deiner Situation ändern.
Therapeuten,Reha-oder Klinik bieten zwar Unterstützung,können aber den Willen zur Veränderung nicht ersetzen.
Ohne diesen Vorsatz/Willen gehen die meisten immer wieder in die sogenannte Vermeidung-man will sich der Situation und den damit verbundnen Konsequenzen nicht aussetzen-und drehen sich dann im "Kreise."
Das führt dann meist zu Aussagen, die Therapie hat nichts gebracht oder der/die Therapeutin war schlecht,konnte mich nicht öffnen etc. Sorry,kleiner Frustanfall
Gruß
Schlu
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
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