Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

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Lumi
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Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von Lumi »

Liebes Forum,

bisher habe ich still mitgelesen und bin froh, dass es eine solche Plattform für Betroffene und Angehörige gibt.

Ich selbst bin Betroffene und versuche gerade meinen Alltag hinzubekommen und mich nicht zu sehr in Grübeleien zu verlieren. Klappt mal mehr, mal weniger gut.

Es gibt eine Sache, die mich aktuell sehr beschäftigt und die ich gerne mit Euch teilen möchte bzw. mich Eure Sicht der Dinge interessieren würde.

Mir ist bewusst, dass Depressionen für alle Parteien nicht einfach sind. Weder für Betroffene, noch für Angehörige und Freunde. Aber es gibt Menschen in meinem Umfeld, die mir, seit sie wissen was bei mir los ist, dauernd sagen

wie schlecht es ihnen damit geht, dass ich betroffen bin
wie blöd sie es finden, dass man sich nicht mehr in der Häufigkeit trifft wie früher
wie blöd es ist, im Moment keine ausgiebigen Telefonate führen zu können mit mir wie früher
welche Sorgen sie selbst haben
Und wie sie mich zu irgendwas motivieren wollen usw.

Manchmal finde ich solche Aussagen seltsam, gleichzeitig fühle ich mich direkt wieder schlecht, weil ich denke meine Wahrnehmung ist verzerrt und ich sollte froh sein über Anteilnahme.

Aber wenn ich das alles regelmäßig höre, fühle ich mich noch schlechter bzw. hab noch mehr Schuldgefühle.

Wie seht ihr das? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und vielleicht Tipps für mich, wie man damit umgeht?

Liebe Grüße,
Lumi
GuntherBandel
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von GuntherBandel »

Hallo Lumi,

ich glaube, es ist normal, dass Du solche Gedanken hast als Betroffene.

Mir ging dies vor allem bei meiner Ersterkrankung so oder so ähnlich. Da war ich 17.

Mittlerweile bin ich 46 und denke etwas "lockerer" darüber nach. Gut gemeinte Ratschläge von gesunden Menschen helfen eh meist nur bedingt bis garnicht, wenn man in einer Depression steckt aus meiner Sicht. Denn man kann viele davon nicht oder nur sehr bedingt umsetzen.

Und Schuldgefühle den anderen gegenüber sind sicher ein Stück weit normal, helfen einem aber auch nicht weiter, sondern verstärken die Abwärtsspirale.

Hast Du professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie z.B. ? Oder versuchst Du es momentan noch ohne?

Viele Grüße
G.
Undjetzt
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von Undjetzt »

In den tiefen, schlimmen Momenten fühle ich mich ganz mies. Ich denke immer ich bin eine nervende Klette, die alles, wo sie dabei ist kaputt macht. Nur Nerven kostet.
Das hängt mit dem fehlenden Selbstwertgefühl zusammen. Man nimmt sich selbst nur noch als Last wahr. Aber dem ist nicht gänzlich so. Ja, die Erkrankung belastet auch die Angehörigen, aber keiner zwingt diese, bei einem zu sein, sich einzuschränken. Mein Therapeut hat mir das so erklärt: "Die Depression macht ihnen nichts vor, was nicht da ist. Sie verzerrt jedoch alles ins Negative und Dinge die negativ angehaucht sind, werden in der Wahrnehmung bis ins Unwirkliche verschlimmert." Also nein, wir bilden uns nichts ein, wir nehmen die Dinge aber depressiv wahr, wir erleben depressiv.

Das muss man sich, so gut es geht immer wieder ins Gedächtnis rufen. Das gelingt nicht immer, aber es ist wichtig dran zu bleiben.
DieNeue
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von DieNeue »

Hallo Lumi,
Lumi hat geschrieben: 22. Mai 2024, 12:34 Aber es gibt Menschen in meinem Umfeld, die mir, seit sie wissen was bei mir los ist, dauernd sagen

wie schlecht es ihnen damit geht, dass ich betroffen bin
wie blöd sie es finden, dass man sich nicht mehr in der Häufigkeit trifft wie früher
wie blöd es ist, im Moment keine ausgiebigen Telefonate führen zu können mit mir wie früher
welche Sorgen sie selbst haben
Und wie sie mich zu irgendwas motivieren wollen usw.

Manchmal finde ich solche Aussagen seltsam, gleichzeitig fühle ich mich direkt wieder schlecht, weil ich denke meine Wahrnehmung ist verzerrt und ich sollte froh sein über Anteilnahme.
Hallo Lumi,

hast du zum ersten Mal Depressionen und wie lange gehen die schon? Was sind das denn für Leute, die dir sowas sagen? Sagen die gleichen Leute das tatsächlich immer wieder oder summieren sich die Äußerungen von verschiedenen Leuten, so dass es so viel und oft wird?

Ich glaube nicht, dass deine Wahrnehmung verzerrt ist. Bei manchen Äußerungen ist es klar, dass das ein schlechtes Gewissen verursachen kann. Natürlich ist es für sie auch nicht schön, wenn man irgendwas nicht mehr machen kann, aber das dem anderen immer wieder aufs Brot zu schmieren, finde ich schon etwas unbedacht, v.a. wenn der andere gar nichts dafür kann. Dass man bei Depressionen schneller oder intensivere Schuldgefühle wahrnimmt, ist anderen wahrscheinlich nicht ganz klar. Aber auch wenn du irgendeine andere körperliche Krankheit hättest, wäre das Verhalten nicht das beste, denn auch da können Schuldgefühle entstehen. Es sollte eigentlich klar sein, dass der Kranke es auch blöd findet, wenn er nicht mehr so kann wie früher. Sowas muss man demjenigen dann nicht ständig aufs Brot schmieren.

Meine frühere beste Freundin meinte auch immer wieder, sie versteht ja, dass ich grade nicht so fit bin, aber ob ich sie nicht doch in der Großstadt besuchen kann - nachdem ich ihr x-mal gesagt hatte, dass das bei mir grade nicht möglich ist.
Ich erzähle ihr, ich kann etwas nicht und sie bittet mich genau um das, was ich gerade gesagt habe. Da habe ich mich auch manchmal gefragt, ob ich Chinesisch rede. Grade im Zusammenhang mit der Aussage, sie würde es ja verstehen, fand ich das total schräg. Man sagt doch auch nicht zu einem Rollstuhlfahrer, dass man versteht, dass er mit vielen Barrieren zu kämpfen hat, und fragt ihn im gleichen Atemzug, ob er nicht trotzdem mit einem querfeldein durch den Wald rollen könnte.

Bei der Sache mit der Motivation kommt es, denk ich, drauf an, ob du überhaupt von ihnen motiviert werden willst. Meine Erfahrung ist leider auch, dass wenn Leute helfen wollen, sie manchmal nicht unbedingt vorher fragen, ob man überhaupt Hilfe will oder braucht. Dann bekommt man einfach irgendwas übergestülpt, was nicht passt, und ist am Ende noch die Böse, weil man sich dagegen wehrt. Da braucht es meiner Meinung eine klare Ansage. Es ist auch ein Unterschied, ob sie dich motivieren wollen, damit es dir besser geht oder ob sie einfach nur wollen, dass du z.B. mit ihnen irgendwas unternimmst, weil sie grad mit dir was unternehmen wollen. Bei ersterem müssen sie irgendwann verstehen, dass sie nicht deine Therapeuten sind und du auch nicht nach ihrer Pfeife tanzen musst.

Wenn es ihnen so schlecht geht, weil du Depressionen hast, kommt hier auch der Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid zum Tragen. Wenn Leute wirklich mitleiden, dann müssen sie was unternehmen, um sich besser abzugrenzen. Ich finde es manchmal furchtbar, wenn sich Leute so in meine Probleme reinsteigern, obwohl sie gar nicht so viel Kontakt mit mir haben. Es ist doch mein Problem, nicht ihres, und um das kümmere ich mich, genauso wie sie sich um ihre eigenen Probleme kümmern.

Gleichzeitig ist es auch gut, wenn man als Betroffener auch ein bisschen aufpasst, was man anderen erzählt und auch Verständnis hat, dass andere auch nicht unendlich belastbar sind. Eine neutrale außenstehende Person als Ansprechpartner zu haben ist auf jeden Fall zu empfehlen.

Liebe Grüße,
DieNeue


Edit: Ich glaube, es ist generell für viele Leute schwierig, mit kranken Menschen angemessen umzugehen. Ich hab mir mal Foren für Betroffene von körperlichen chronischen Krankheiten oder Behinderungen angesehen. Die Leute kämpfen teilweise mit genau den gleichen Sachen.
Lumi
Beiträge: 3
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von Lumi »

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Antworten.

Vor sechs Monaten wurde es richtig schlimm bei mir, dennoch habe ich eine Weile gebraucht um mir Hilfe zu suchen. Seit vier Wochen bin ich in Therapie.

Vor vielen Jahren ging es mir schon einmal ähnlich, deswegen hatte ich einfach Angst, weil ich ja wusste, was kommen kann.

Was die Leute in meinem Umfeld angeht, die solche Sachen sagen, ja - es sind tatsächlich immer die selben Freunde.

Das mit dem Aufs Brot Schmieren war auch mein Gedanke. Das erzeugt noch mehr Druck.

Ich habe auch nicht viel Details an mein Umfeld weitergegeben, ich bin es gewohnt, Dinge mit mir selbst auszumachen. Allerdings wollte ich fair sein und ihnen sagen was los ist, damit sie wissen, warum ich mich gerade zurückziehe.

@DieNeue: Ich habe oft das Gefühl, dass man, weil die Leute einem helfen möchten, einfach Sachen ungefragt übergestülpt bekommt. Das ist natürlich eher kontraproduktiv, weil es, zumindest bei mir, noch mehr Druck erzeugt. Ich möchte für nichts motiviert werden und ich möchte auch nicht ständig 27000 Fragen beantworten oder gar ständig gefragt werden warum ich angespannt oder anders bin als sonst. Oft sage ich dann nur, weil die Dinge sind, wie sie sind. Ich kann und möchte mich nicht erklären.

Aber Du hast recht, klare Ansagen sind wichtig. Das habe ich in letzter Zeit häufiger gemerkt. Ich bin es nur (noch) nicht gewohnt für mich selbst einzustehen, das muss ich noch lernen.

Liebe Grüße
Lumi
DieNeue
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von DieNeue »

Lumi hat geschrieben: 23. Mai 2024, 15:41 Aber Du hast recht, klare Ansagen sind wichtig. Das habe ich in letzter Zeit häufiger gemerkt. Ich bin es nur (noch) nicht gewohnt für mich selbst einzustehen, das muss ich noch lernen.
Ich habe damit auch noch Probleme. Ich bin dann manchmal überrumpelt und weiß nicht, was ich sagen soll. Ich ziehe mich dann eher zurück. Irgendwie muss man es den Leuten ja auch so verklickern, dass es klar genug ist, dass sie verstehen, was man (nicht) will, aber gleichzeitig auch so freundlich, dass sie nicht gleich beleidigt o.ä. sind.

Vielleicht weiß ja jemand von den Angehörigen, wie man sowas am besten formuliert, dass es ankommt?
bvs
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von bvs »

Was für mich zb schwierig ist, ist wischiwaschi und relativieren und Gründe suchen, warum etwas nicht geht.

Das triggert in mir sofort meinen Helfer/Möglichmacher/Problemlöser, weil ich Spielraum sehe, wo keiner ist. Und das führt dann schnell in eine unfruchtbare Diskussion, die sich für meine Frau sicherlich noch viel mehr nach „Ich kann nichtmal das, obwohl er mir sogar sagt, wie es ginge“ an.
Ich erkenne das leider viel zu oft nicht…

Einfach kurz und klar benennen, was Sache ist, das ist viel einfacher für mich als Angehörigen. Liebevoll vorgetragen kann ich beim Gefühl „das ist schade“ bleiben und das hilft mir viel mehr im Mitgefühl zu bleiben.
DieNeue
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von DieNeue »

bvs hat geschrieben: 23. Mai 2024, 23:57 Was für mich zb schwierig ist, ist wischiwaschi und relativieren und Gründe suchen, warum etwas nicht geht.
Hättest du da vielleicht ein paar Beispiele, damit ich mir bisschen was drunter vorstellen kann?

Ich habe manchmal das Gefühl, ich muss es manchmal mehrmals sagen, dass ich irgendwas nicht möchte, bis Leute kapieren, dass ich etwas tatsächlich nicht will.

Beispiele:
Wenn z.B. die Aussage kommt, dass ich Sport XY machen soll, denn Sport sei ja so gut gegen Depressionen und ich sage, dass das bei mir nicht so ist, weil es mir danach psychisch immer schlecht geht, kommt: "Aber das kann doch nicht sein blabla..." Ich so: "Doch, bei mir ist das anders. Ich diskutiere da auch nicht mehr drüber."
Dann kommt die Antwort "Aber du könntest doch mal das und das probieren. Das wär doch gut blabla."
Ich wieder: "Nein, ich diskutiere da nicht mehr drüber."
Und dann gucken sie erstmal blöd. Im Normalfall ist dann aber meistens Ruhe. Ich habe jahrelang über dieses Thema diskutiert, mich ständig rechtfertigen müssen, weil mir das keiner glaubt, mich öden diese ewig gleichen Diskussionen so an, also diskutiere ich da mittlerweile gar nicht mehr. Aber manchmal dauert das irgendwie, bis das ankommt.

Ich mache grade etwas gestresst meinen Haushalt. Will aber alles in meinem Tempo und eins nach dem anderen machen, weil ich weiß, dass es so hinhaut. Ich kann nebenbei nicht noch andere Leute koordinieren, die sich bei mir nicht gut auskennen, und tausend Sachen erklären.
Person X will helfen.
Ich sage: "Nein, lass mich bitte, ich will das selber machen"
Person X guckt sich um und fragt:
Soll ich XY wegräumen?
Ich: Nein!
Person X: Wo gehört denn XY hin?
Ich (schon leicht genervt): Das ist doch jetzt egal!
Person X: Wo gehört es denn hin?
Ich: Aaaaargh! (muss mich schon sehr zusammenreißen, nicht auszuflippen) Hör auf mich zu stressen!
Person X: Aber...
Ich: Nein! Lass mich jetzt einfach in Ruhe!!! :evil:
Und schon sind alle genervt.

Ist das tatsächlich zu undeutlich?
bvs
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von bvs »

Hättest du da vielleicht ein paar Beispiele, damit ich mir bisschen was drunter vorstellen kann?
Ich versuche es unten mal; zuvor will ich gerne deine Beispiele aufgreifen.
Wenn z.B. die Aussage kommt, dass ich Sport XY machen soll,
[...]
Ich wieder: "Nein, ich diskutiere da nicht mehr drüber."
Das ist in meinem Verständnis "klare Kommunikation". Und wie du beschreibst, wirkt das auch.
Ich mache grade etwas gestresst meinen Haushalt. Will aber alles in meinem Tempo und eins nach dem anderen machen, weil ich weiß, dass es so hinhaut. Ich kann nebenbei nicht noch andere Leute koordinieren, die sich bei mir nicht gut auskennen, und tausend Sachen erklären.
[...]
[Schlagabtausch]
Das ist schon ein gutes Beispiel für unklare/dysfunktionale Kommunikation.
Oben im Beispiel ist der Unterschied, dass du dein Bedürfnis ("ich möchte das selber Regeln und möchte nicht drüber reden") sehr klar benennst.
Hier ist das nicht der Fall: Es wird zwar klar benannt, von Person X aber nicht erkannt (weil sie helfen will - das ist an der Stelle dann aber übergriffig).

An der Stelle (und folgend):
Soll ich XY wegräumen?
Ich: Nein!
Fehlte dem Gegenüber wohl die Erkenntnis der Bedeutung dessen, was du oben schon gesagt hast.
Es wäre gut gewesen, genau da nochmal ruhig und ungerührt den gleichen Satz zu benutzen: "Nein, lass mich bitte, es ist mir wichtig, das selber zu machen".


--------
Das ist aber insgesamt nicht direkt was ich meinte, bzw. womit ich kämpfe.
Mein Beispiel sieht so aus:

Ich: Ich würde gerne wieder was gemeinsam machen, lass uns morgen Abend ins Kino gehen.
Sie: Können wir machen... (man merkt da eigentlich schon "Unlust" in der Stimme, aber keine direkte Abneigung. Sie will eigentlich viel lieber Billardspielen gehen, sagt das aber nicht, das fand ich erst später raus)
Ich: Ok, welchen Film wollen wir sehen? Es gibt A und B.
Sie: ..... es gibt noch X!
Ich: Hm, X interessiert mich aber nicht so. lass uns A gucken, letztes Mal hast du ausgesucht, eigentlich bin ich dran.
Sie: Aber das Popcorn ist mir dann zu süß.
Ich: Nimm doch Erdnüsse!
Sie: Ne, die mag ich jetzt nicht.
Ich: Und was ist mit Flips?
Sie: Die sind zu teuer...
Ich: Und wenn du Gummibärchen nimmst?
Sie: Ne, da werd ich dick!

Und so geht das dann weiter. Statt einfach zu sagen "Ich hab lieber Lust auf Billard" kreisen wir um einen Stellvertreterkonflikt. Und sind dann beide so genervt davon, dass wir weder Kino noch Billard haben. Teil des Problems ist sicherlich auch, dass sie innerlich für sie nicht klar zur Entscheidung kommt, und es mir recht machen will.
Das geht leider mit recht vielen Themen so.

Und nicht nur mir.
Gerade gestern gab es wegen non-commitment und Aufschieberei wieder ein Problem mit ihrem Vater...
Suchende2
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von Suchende2 »

bvs hat geschrieben: 24. Mai 2024, 12:11 --------
Das ist aber insgesamt nicht direkt was ich meinte, bzw. womit ich kämpfe.
Mein Beispiel sieht so aus:

Ich: Ich würde gerne wieder was gemeinsam machen, lass uns morgen Abend ins Kino gehen.
Sie: Können wir machen... (man merkt da eigentlich schon "Unlust" in der Stimme, aber keine direkte Abneigung. Sie will eigentlich viel lieber Billardspielen gehen, sagt das aber nicht, das fand ich erst später raus)
Ich: Ok, welchen Film wollen wir sehen? Es gibt A und B.
Sie: ..... es gibt noch X!
Ich: Hm, X interessiert mich aber nicht so. lass uns A gucken, letztes Mal hast du ausgesucht, eigentlich bin ich dran.
Sie: Aber das Popcorn ist mir dann zu süß.
Ich: Nimm doch Erdnüsse!
Sie: Ne, die mag ich jetzt nicht.
Ich: Und was ist mit Flips?
Sie: Die sind zu teuer...
Ich: Und wenn du Gummibärchen nimmst?
Sie: Ne, da werd ich dick!

Und so geht das dann weiter. Statt einfach zu sagen "Ich hab lieber Lust auf Billard" kreisen wir um einen Stellvertreterkonflikt. Und sind dann beide so genervt davon, dass wir weder Kino noch Billard haben. Teil des Problems ist sicherlich auch, dass sie innerlich für sie nicht klar zur Entscheidung kommt, und es mir recht machen will.
Das geht leider mit recht vielen Themen so.
Hallo bvs,

für mich hört sich Dein Beispiel wie folgt an:
Sie weiß, daß es für Dich wichtig ist und deshalb sagt sie Ja zum gemeinsam etwas machen. Aber eigentlich hat sie nicht genug Kraft dafür. Billiard wäre einfacher für sie, aber da sie auf Deine Bedürfnisse eingehen möchte, sagt sie Ja zum Kino. (Schließlich hat sie ein permanent schlechtes Gewissen, da sie Deine Bedürfnisse zur Zeit nicht erfüllen kann).
Wenn sie schon ihre ganze Kraft für diesen Kinobesuch ausgibt, dann zumindest für einen Film, mit dem sie zur Zeit einigermaßen gut umgehen kann. Und das ist halt zur Zeit Film X.
Es wirft sie nur zurück, wenn sie etwas macht, was ihr zu dem Zeitpunkt nicht wirklich gut tut. Mit einem zumindest für sie einigermaßen passenden Film wäre es einfacher (Billard wäre noch einfacher, aber das stellt sie Dir zu Liebe zurück).

Vielleicht kannst Du es ihr vorübergehend leichter machen, indem Du etwas offener an das Thema gehst.
Ich habe Lust etwas mit Dir zu unternehmen, Du auch?
Ja.
Was passt bei Dir gerade, worauf hast Du Lust?
Billard oder Weiß nicht.
Bei weiß nicht, kannst Du dann Kino anbieten, aber es ihr leichter machen, indem Du auf ihren Filmvorschlag eingehst.

Das ist zwar blöd für Dich, aber hauptsächlich geht es Dir doch um eine gemeinsame Aktivität und nicht um Film A oder B.
Wenn es Dir um Film A oder B vordergründig geht, dann kannst Du eindeutiger kommunizieren:
Ich möchte Film A oder B sehen, gerne mit Dir. Hast Du Lust darauf?
bvs
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von bvs »

Danke für den Perspektivwechsel.
Es ist für mich schwer, da aus meiner subjektiven Brille rauszugucken - danke dafür!
Suchende2
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Lumi,

ich denke alle Betroffenen kennen es in irgendeiner Form.
Zum Teil ist es Unbeholfenheit, zum Teil Unbedachtheit, zum Teil Ignoranz.

Meinen Freunden hat geholfen, daß ich klar kommuniziert habe, was ich kann und was nicht.
So habe ich, als es mir schlecht ging, gesagt, ich kann gerade keinen Kontakt halten, den müßt ihr zur Zeit halten.
Das hat bei fast allen auch funktioniert.

Deine Wahrnehmung ist nicht verzerrt. Vertraue Dir und schaue, wo weitere Kommunikation sinnvoll ist.

So habe ich in der Schwiegerfamilie zum Beispiel ein älteres Mitglied, daß mir einfach nur alles Gute wünscht, aber dann solche Aussagen, die liebevoll gemeint sind, wie "Vergiß Deine Vergangenheit, dann geht es Dir wieder gut" zu mir sagt.
Da habe ich keine Kraft für Erklärungsversuche aufgewendet, da ich weiß, daß es mitfühlend gemeint war und das Verständnis einfach fehlt.
An anderen Stellen habe ich aber auch, sobald meine Kraft es zuließ eine klare Grenze gezogen.

Auch Deinen Freunden darf es, unabhängig von Deiner Depression, schlecht gehen. Und zu einer Freundschaft gehört für mich auch dazu, daß dieses einer depressiv erkrankten Person mitgeteilt werden darf und sollte.
(Eine Freundin wußte nicht, ob sie mir erzählen soll, daß ihr Vater verstorben ist, den ich kenne. Für mich ist und war es aber selbstverständlich, egal wie schlecht es mir geht, daß mit ihr zu teilen).
Allerdings sollte es niemals als "Stell Dich nicht so an, anderen geht es auch schlecht" genutzt werden.

Versuche (ich weiß wie schwer das ist), deren Gefühle bei denen zu belassen. Nehme nur daß an, was für Dich zur Zeit geht.
Du kannst nicht lange telefonieren?
O.k. dann sagst Du, wie schade auch Du es findest, daß es zur Zeit nicht so lange geht. Aber Du freust Dich, wenn sie den Weg zu längeren Telefonaten mit Dir zusammengehen. (Eine gute Freundschaft sollte auch eine Durststrecke aushalten).
Wenn sie sich darüber Beklagen, daß sie Dich motivieren wollen, aber Du darauf nicht eingehst. Dann sage Ihnen, daß Du dankbar bist, daß sie sich Gedanken über Dich machen. ABER Du hast nicht um Motivation gebeten und es setzt Dich zusätzlich unter Druck, der Kontraproduktiv ist. Viel mehr würden sie Dir helfen, wenn sie ...

Ich wünsche Dir die notwendige Kraft und Abgrenzungsfähigkeit und viele gute Erfahrungen.

Alles Gute,
Suchende
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von DieNeue »

Hallo bvs,

danke für dein Feedback.
Der Unterschied zwischen beiden Beispielenvon mir ist, dass ich im ersten Beispiel nicht gestresst war, im zweiten schon. Außerdem hatte ich mir bei der ersten Situation schon Gedanken gemacht, was ich beim nächsten Mal sage, wenn das Thema aufkommt, bei der anderen nicht. Denn eigentlich sage ich ja, was ich will, aber es kommt nicht an, selbst wenn ich es dreimal wiederhole. Da war ich dann mit meinem Latein am Ende. Aber vielleicht ist mein Stress für die andere Person ein Zeichen, dass sie trotzdem helfen soll. Ja, wahrscheinlich wäre es besser, da ruhig zu bleiben. Ist nur schwierig, wenn man schon am Anschlag ist. Vielleicht wäre es sinnvoll, sowas mal in Ruhe anzusprechen, wenn die gleiche Situation immer wieder vorkommt.
Im ersten Fall ist es auch jemand außerhalb der Familie, im zweiten Fall jemand aus der Familie.

So eine Situation, wie du sie beschreibst, kenne ich auch ein bisschen von mir, aber eher von früher. Da hab ich manchmal auch nicht klar reagiert und fand mich plötzlich in Situationen, wo ich eigentlich nicht wirklich Lust drauf hatte und dann schwer wieder rauskam.
Ich glaube, das lag daran, dass ich gar nicht schnell genug gespürt habe, was ich will bzw. wenn, dann war das ein Gefühl, das ich nicht so ernst genommen habe, und/oder dass ich mich nicht getraut habe, zu sagen, was ich will, denn was andere wollen, war wichtiger bzw. andere hatten mehr zu sagen als ich, ich wollte nicht, dass sie sauer sind u.ä. Die Beziehungen waren teilweise nicht so ganz auf Augenhöhe, weil ich mich mehr an anderen orientiert habe als an mir selber. Entweder liegt sowas am schlechten Selbstwertgefühl oder aber auch daran, dass man es gar nicht so gelernt hat, auf sich selbst zu hören, einem da Vorbilder gefehlt haben, die einem vorgelebt haben, wie man auf sich selbst hört und zu sich selbst steht usw. Wobei ich auch nicht der klassische Mitläufer war, ich hatte zu manchen Sachen schon eine andere Meinung als andere und hab nicht alles mitgemacht.

Liebe Grüße,
DieNeue
bvs
Beiträge: 130
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von bvs »

dass ich mich nicht getraut habe, zu sagen, was ich will, denn was andere wollen, war wichtiger bzw. andere hatten mehr zu sagen als ich, ich wollte nicht, dass sie sauer sind u.ä. Die Beziehungen waren teilweise nicht so ganz auf Augenhöhe, weil ich mich mehr an anderen orientiert habe als an mir selber. Entweder liegt sowas am schlechten Selbstwertgefühl oder aber auch daran, dass man es gar nicht so gelernt hat, auf sich selbst zu hören, einem da Vorbilder gefehlt haben
Hier ist es genau das. Das ist identifiziert und nun kann dran gearbeitet werden. Das ist gut. Aber ein weiter Weg.
Aus verschiedenen Gründen klappt das aber hier nicht so oft wie nötig, das ist ein uraltes eingefahrenes Muster, tief eingeprägt durch die Eltern in der Kindheit.

Das Problem mit der Augenhöhe ist auch, dass man sie auf zweierlei Wegen verlassen kann: Zum einen, indem der eine Gesprächspartner sich erhebt (das ist wohl die "sichtbarere" Variante), und zum anderen, indem sich der andere selbst "nach unten stellt" (und das ist unsichtbarer).
Ich möchte das aber gar nicht, dass man mir schön tut. Ich möchte Augenhöhe und ehrlichen Austausch, und da ist es mit eigentlich lieber, festzustellen, dass wir nicht zusammenkommen, als dass sie sich unsichtbar unterordnet und das dann gärt. Im Ersten Fall kann man nämlich trotzdem auf Augenhöhe respektvoll auseinandergehen: "We agree to not agree". Und jeder macht dann sein Ding (das aber eben dann sichtbar und "abgesprochen".).
DieNeue
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von DieNeue »

@ bvs: Ja, sowas ist nicht leicht loszuwerden. Ich war früher auch eher so. Mittlerweile bin ich eher allergisch, wenn Leute mich nicht auf Augenhöhe behandeln. Aber es dauert, bis man überhaupt merkt, wann solche Situationen sind, wo man sich wieder "wegduckt" und auch zu verstehen, dass es Vorteile hat, wenn man autonomer ist.
Es ist gut, dass du da offen bist, dass sie auch sagen soll, was sie will. Meiner Erfahrung nach reagieren manche Leute auch nicht so gut drauf bzw. kommen nicht damit zurecht, wenn man sich verändert und autonomer und selbstbewusster wird. Eine Freundschaft hat das bei mir leider nicht überlebt und bei einer weiteren bin ich mir auch nicht sicher, ob das nochmal was wird.
bvs
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Re: Schuldgefühle weil es anderen schlecht geht

Beitrag von bvs »

Mich ärgert das, und manchmal (wenn es wichtige Dinge sind), macht es mich auch wütend.
Mein Umgang damit ist sicher auch ausbaufähig.

Aber für mich ist das dann, wenn ich entdecke, dass meine Frau sich wieder selber bremst, vermeintlich für mich, auch eine Art Sackgasse.
Durch dieses Verhalten, wird mir ja auch Augenhöhe verwehrt, und ich in eine Ecke gestellt, ohne zu erfahren, dass das so ist (ich muss das ja quasi selber herausfinden, dass das Muster aktiv war, weil es sich selbst maskiert).

Es gab auch schon Situationen (sehr heftige), wo sie mir das dann danach zum Vorwurf macht.
So in etwa vom Ablauf:
- Sie bekommt eine interessante Möglichkeit im Leben
- Ein Schein-Beni kommt ihr in den Sinn, der das nicht gut findet, wenn sie das macht (ohne zu wissen, wie das wirklich in mir aussieht!)
- Daraufhin verweigert sie sich selbst die Möglichkeit
- Und ist dann enttäuscht und sauer, dass ich(!) ihr das nicht erlaube.
Wohlgemerkt, ohne echte Interaktion mit mir.

Ich sehe dann, dass sie ein Bild von mir hat, das wesentlich über sie bestimmt, und ich kann da aber nichts dagegen tun, weil ich gar nicht die Chance auf Richtigstellung und Austausch bekommen habe. Selbst in Situationen wo ich mich noch erklären kann und ihr klar sage "dasundas halte ich davon" oder auch "klaro, go for it!", oder "wenn du X machen willst, brauche ich Bedingung Y dafür" kommt das nicht durch.
Ich hatte da auch schon die Theorie, dass sie selbst die Möglichkeit unterbewusst nicht wahrnehmen möchte, aber gleichzeitig nicht "schuld" dran sein will (auch eine größere Baustelle bei ihr, verbunden mit dem Thema hier / People-Pleasing), abzusagen, und mich deshalb als "Vorwand" missbraucht.

Jedenfalls beides weckt Gefühle wie Ärger, Wut und auch Resignation in mir hervor. Ich möchte nicht missbraucht werden, ich möchte nicht in eine Ecke gestellt werden und ich möchte auch nicht "so ist er halt" behandelt werden.
Ich wünsche mir echten Austausch mit mir und meiner Meinung, und ein ehrliches Einbezogen werden. Auf Augenhöhe. Immer wieder neu.
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