Beziehung ja/nein?

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NeuerGast
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Beziehung ja/nein?

Beitrag von NeuerGast »

Hallo zusammen,

ich bräuchte mal euren Rat.

Ich habe da eine Frau kennengelernt (Anfang 30). Wir haben uns jetzt schon paarmal getroffen. Neulich hat sie mir geschrieben, dass es ihr nicht so gut geht. Als ich nachgehakt habe, meinte sie „rezidivierende depressive Störung mittelgradige depressive Episode“. Sie könne es verstehen, wenn das zu viel für mich ist…

Ich konnte damit um ehrlich zu sein nichts mit anfangen. Ich kenne in meinem Umfeld keinen mit Depressionen. Wir haben dann etwas hin und her geschrieben und sie konnte sich „aufraffen“ zu einem persönlichen Gespräch. Sie meinte, dass sie schon Anfang 20 die erste Depression hatte, auch mit Gedanken sich was anzutun. In so ein Loch möchte sie nie wieder fallen und nimmt seither Medikamente. Allerdings hatte sie seither mindestens zwei weitere solche depressive Phasen (wenn man das so nennen kann). Eine solche Phase kann bei ihr ca. 3-4 Wochen gehen. Wir haben auch zusammen gelacht und sie erschien mir jetzt nicht „so stark“ depressiv. (Ein paar depressive ironische Kommentare sind von ihr schon gefallen, das fand ich aber eher süß.) So wie es geklungen hat, geht sie auch trotz ihrer Depression weiterhin arbeiten, was bestimmt viel Kraft kosten muss.

Nun könnt ihr euch vielleicht denken womit ich euren Rat brauche. Bisher waren es nur freundschaftliche Treffen, es ist noch keine Beziehung. Wir sind aber beide auf der Suche nach einem festen Partner. Meine verzwickte Situation ist nun, ob ich von meiner Seite aus Richtung Beziehung steuern soll. (Was sie für mich empfindet kann ich natürlich nicht sagen, aber wir verstehen uns eigentlich doch relativ gut.) Mein Bild von ihr aktuell: super netter und sympathischer Charakter. Aber ich weiß halt nicht, wie sich das in einer depressiven Episode verändert. (Und sagen wir mal so, hier im Forum hab ich nun schon das ein oder andere gelesen). Zudem bin ich auch etwas verunsichert, ob es von Episode zu Episode schlimmer werden könnte. Im Netz heißt es z.B., dass je früher die erste Depression auftritt und je mehr Depressionen auftreten, die „Heilungschance“ sinkt. Zudem nimmt sie ja aktuell schon Medikamente und hat dennoch mehrere Rückfälle gehabt. Was, wenn die Medikamente irgendwann nicht mehr wirken? Ein weiterer Punkt ist das Thema Familienplanung (aktuell noch nicht, aber ich könnte mir gut vorstellen einmal Kinder zu haben). Sie meinte, dass sie noch nicht sagen kann, ob sie Kinder will. Ich stelle mir das natürlich als zusätzliche Belastung für sie vor (auch bei der Erziehung).

Wie dem auch sein, ich denke, dass ein „Auseinandergehen“ für Sie (und auch für mich) zum aktuellen Zeitpunkt einfacher fallen würde, als wenn unser Kontakt zueinander wächst. Andererseits finde ich sie aber auch super nett. Da ich aber wie gesagt keine Erfahrung mit Depressiven habe, habe ich großen Respekt vor der Krankheit. Ich kann auch nicht sagen, ob mir das alles direkt nach der ersten Depression von ihr zu viel wird. Ihr merkt, es ist ein Hin und Her …

Ich weiß, es gibt da nicht die eine Antwort. Mich würde aber mal interessieren was ihr dazu denkt? Was würdet ihr mir in meiner Situation raten: Lieber bei der Freundschaft bleiben oder doch eine Beziehung versuchen? Sehe ich das alles zu eng? Auf was muss ich mich einstellen, wenn es doch Richtung Beziehung gehen sollte? Jeglicher Kommentar ist wertvoll. Würde mich über Input von eurer Seite freuen.
Blackrabbit
Beiträge: 149
Registriert: 14. Feb 2024, 18:56

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Blackrabbit »

Schwierige Frage.
Mit dem Kenntnisstand und dem erlebten bis zum heutigen Tage, würde ich wohl keine Beziehung mehr eingehen wollen.
Man hat es mir ganz am Anfang erzählt und ich hab mir null Gedanken gemacht.
Nun Sitz ich in meinem persönlichen Chaos, in einer Beziehung die eigentlich beendet wurde aber irgendwie doch keiner so richtig loslassen kann & niemand weiß wie es weitergeht.
Ich vermisse ihn und er ist eher mit sich selbst beschäftigt aber sorgt sich trotzdem um mich.
Gefühle wo niemand weiß, wie weit es alles reicht und wo niemand weiß, was im nächsten Moment passiert.
Ich vermute eine pauschale Antwort wirst du nicht erhalten.

Überlege dir gut, ob es das ist, was du auf Dauer möchtest.
Du bekommst hier im Forum gute Einblicke über die Probleme die auftreten können (nicht müssen) und bei denen es gut geht, die sind wohl weniger hier.

Ich wünsche dir aber alles Gute, egal für welchen Weg du dich entscheidest.
Helgaline
Beiträge: 91
Registriert: 25. Mär 2021, 12:47

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Helgaline »

Hallo Neuergast,

ich kann mich Blackrabbit voll und ganz anschließen.

Mit meinem heutigen Wissen und den vielen Erfahrungen muss ich sagen, ich würde es nie wieder machen. Leider.

Trotzdem wünsche ich dir, dass du sie für dich richtige Entscheidung triffst.

Les dich noch ein, damit du etwas besser weißt, worauf du dich ggf einlässt.

Liebe Grüße Ellen
DAS LEBEN IST SCHÖN, VON EINFACH WAR NIE DIE REDE! :?
DieNeue
Beiträge: 5461
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von DieNeue »

Hallo NeuerGast,

also ich würde mich da gar nicht unbedingt jetzt auf die Depression versteifen, sondern auch das Thema Kinder anschauen. Das fände ich persönlich ausschlaggebend. Wenn du Kinder willst, solltest du eine Partnerin haben, die auch Kinder will. Wenn sie keine will, ist die Beziehung eigentlich sehr wahrscheinlich früher oder später zum Scheitern verurteilt. Könntest du ohne Kinder leben? Könntest du wirklich für immer (!) ohne Kinder leben?
Wenn sie mit Anfang 30 nicht weiß, ob sie Kinder will oder nicht, weiß ich nicht, ob das so toll ist... Diese Überlegung fände ich jetzt bei der Entscheidungsfindung vielleicht eher hilfreich, zumindest pragmatischer, als sich über eine Krankheit Gedanken zu machen, die man nicht kennt und deren Auswirkungen man sowieso nicht vorhersehen kann.

Depressive ironische Kommentare... kann sein, dass sie trotz der Depression ihren Humor behalten hat und Humor ist auch wirklich eine gute Hilfe zum Umgang mit der Krankheit. Aber solche Kommentate haben ja auch ihren Grund... und ob du das im Ernstfall dann tatsächlich auch mit Humor sehen kannst, ist die Frage.

Wenn du wirklich mit ihr eine Beziehung eingehen willst, wäre für mich ein Kriterium, dass ihr sehr gut miteinander kommunizieren könnt (auch bei Problemen) und dass ihr beide euch selbst reflektieren könnt und bereit seid, euch auch notfalls professionelle Hilfe zu suchen. Ich bin selber Betroffene, aber auch Angehörige, und für mich sind das mittlerweile mit die wichtigsten Kriterien, damit eine Beziehung funktioniert, v.a. wenn einer oder beide psychische Probleme hat/haben. Mein Vater hat auch Depressionen und meine Mutter meinte mal, dass sie die Zeit nur so gut überstanden haben, weil sie schon vorher gelernt haben, gut miteinander zu kommunizieren. Zudem macht mein Vater auch eine Therapie und meine Mutter musste lernen, dass sie nicht seine Therapeutin ist und ihm nicht bei allem helfen kann.
Auch bei den Problemen, die hier im Angehörigenforum zur Sprache kommen, ist das Problem oft, dass die Kommunikation nicht funktioniert oder dass sich Leute keine Hilfe suchen wollen. Das Problem, dass sich Leute keine Hilfe suchen wollen oder sich nicht reflektieren können, gibt es allerdings sowohl auf Angehörigen- als auch auf Betroffenenseite.

Wenn man im Internet zu dem Thema recherchiert, muss man ein bisschen aufpassen, was man sich durchliest.
Manchmal wird hier auch von Betrug, Fremdgehen, Lügen, Gewalt u.ä. geschrieben, wo sich Leute oft nicht sicher sind, ob das von den Depressionen kommt oder nicht. Meines Erachtens hat das mit Depressionen nichts zu tun und muss man sich nicht antun, auch wenn der andere krank ist. Durch eine Depression verändern sich die Moralvorstellungen eines Menschen nicht automatisch zum Negativen. Nur weil jemand Depressionen hat, wird er nicht automatisch in seinen depressiven Phasen lügen und betrügen.
Manchmal treten auch Probleme auf, weil jemand auch noch eine andere psychische Erkrankung hat, die nicht bekannt ist und alles wird der Depression zugeschrieben.
Dass eine Depression das Leben nicht leichter macht, ist klar, aber in manchen anderen Foren wird ganz schön über depressive Menschen hergezogen und alles mögliche an psychischen Krankheiten in einen Topf geworfen, wo einem dann nur noch die Haare zu Berge stehen, wenn man etwas genauer hinguckt und man sich ein bisschen auskennt.
Da finde ich das Forum hier noch ganz human im Vergleich zu anderen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Freiwasser
Beiträge: 49
Registriert: 16. Jan 2024, 12:26

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Freiwasser »

Hi neuer Gast,
Einerseits würde ich idealerweise nicht ein Leben mit jemandem aufbauen, der eine rezidivierende Depression hat, andererseits weiß ich, dass ich mich als junger Mensch bestimmt nicht davon hätte abhalten lassen, wenn mir an der Person etwas gelegen wäre. Es kommt darauf an, wie sehr Du sie magst, was Du bereit bist zu investieren und auch zu riskieren, um das mit Euch Beiden zu versuchen.
Wenn Du da eher pragmatisch rangehst, dann ist, gerade mit Blick auf eine Familiengründung, eine Partnerin ohne Depression besser. Das ist ja dann auch für die Kinder eine Belastung, auch genetisch.
Finde doch noch mehr über die Frau raus. Wie tief sind ihre Tiefs? Wie häufig? Hat sie Suizidgedanken oder sogar schon Versuche gemacht? Möchte sie beziehungstechnisch überhaupt dasselbe wie Du? Vielleicht schließt sie es aus, Kinder zu bekommen? Wie stellt sie sich eine Beziehung in ihrem depressiven Phasen vor? Inzwischen findet Ihr auch heraus, wieviel Ihr einander bedeutet. Dann weißt Du besser, worum es geht und ob sie es Dir wert ist, die Schwierigkeiten zu handhaben.
Wenn ein Suizidthema besteht, würde ich (persönlich) mich rausziehen. Auch bei Wahn/Psychosen oder Borderline.
Wenn jemand weiß, dass er/sie ab und zu eine Krankheitsphase hat, aber damit umgehen kann, wäre es kein NoGo.
Alles Gute!
Freiwasser
DieNeue
Beiträge: 5461
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Blackrabbit,
Blackrabbit hat geschrieben: 14. Mai 2024, 19:25 Man hat es mir ganz am Anfang erzählt und ich hab mir null Gedanken gemacht.
Es ist jetzt ein bisschen off topic, aber darf ich fragen, warum du dir da keine Gedanken gemacht hast?
Ich würde mich nämlich gar nicht trauen, mich auf jemanden einzulassen, der sich so gar keine Gedanken macht, weil ich Angst hätte, dass derjenige sich selbst überschätzt.

Liebe Grüße,
DieNeue
Undjetzt
Beiträge: 341
Registriert: 15. Feb 2024, 11:13

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Undjetzt »

Also ich kann dir nur ganz klar davon abraten, hier zu versuchen irgendetwas zu festigen. Wenn sie gerade mitten in einer Episode ist, hast di sie selbst vielleicht noch nicht einmal kennengelernt.
Nichts, was sie innerhalb einer Episode entscheidet, muss außerhalb für sie genauso sein.
Und Planung bzgl. Kinder etc? Du bist schon sehr weit, hast einen Plan, ein Ziel vor Augen. Das hat ein depressiv erlebender Mensch nicht.
Sie könnte sich da unter Umständen von dir mitreißen lassen, bleibt aber komplett verunsichert.
Dann ist die Frage, inwiefern sie überhaupt Gefühle empfinden kann, oder ob du gerade nur eine Art Glücks-Droge bist. Verliebtsein geht nämlich durchaus in einer Depression.

Ich selbst bin gerade mitten in einer riesigen Krise, aufgrund psychischer Erkrankungen bei mir und meiner Partnerin und kann nur abraten, in so etwas hineinzustarten. Am Ende wird in dir der Helfer geweckt. Du kannst ihr aber nicht helfen.
GuntherBandel
Beiträge: 45
Registriert: 29. Dez 2020, 13:07

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von GuntherBandel »

Hallo,

finde es ist ein sehr schwieriges Thema.
Denn wenn man als Gesunder eine Beziehung mit einem depressiv kranken Menschen nicht eingehen sollte,
stellt dies ja irgendwie eine Art Ausgrenzung dar und wertet diese Krankheit ab.
Würde dann ja bedeuten, dass nur noch Depressive unter sich eine Beziehung eingehen sollten oder vielleicht sogar gar keine Beziehung.

Ich bin selbst Betroffener und habe selbst bereits eine Beziehung wegen meiner Krankheit beendet, da ich nach einer ersten Krankheitsphase eine lange gesunde Phase (über 20 Jahre) hatte, habe ich, als ich meine jetzige Frau kennengelernt habe, in der Zeit nicht so viel über meine damalige Erkrankung nachgedacht, zumal mir eine gute Prognose von den Ärzten gegeben wurde. Bin mittlerweile 16 Jahre verheiratet und habe drei Kinder und bin leider während Corona wieder in eine Depression gerutscht. Aber diese Ehe und Familie wegen der Erkrankung aufzugeben,
fällt mir nicht leicht. Man hat ja trotzdem Hoffnung auf bessere gesundheitliche Zeiten.

Viele Grüße
G.
DieNeue
Beiträge: 5461
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von DieNeue »

GuntherBandel hat geschrieben: 15. Mai 2024, 10:41 Denn wenn man als Gesunder eine Beziehung mit einem depressiv kranken Menschen nicht eingehen sollte,
stellt dies ja irgendwie eine Art Ausgrenzung dar und wertet diese Krankheit ab.
Würde dann ja bedeuten, dass nur noch Depressive unter sich eine Beziehung eingehen sollten oder vielleicht sogar gar keine Beziehung.
Das sehe ich auch so. Pauschal würde ich davon auch nicht abraten. Deshalb würde ich auch erstmal schauen, ob man von den prinzipiellen Zukunftswünschen (siehe Kinder) zusammenpasst. Denn die bleiben, ob gerade depressiv oder nicht.

Liebe Grüße,
DieNeue
Undjetzt
Beiträge: 341
Registriert: 15. Feb 2024, 11:13

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Undjetzt »

Ich riet nicht unbedingt pauschal von der Beziehung ab, bzw. davon eine zu beginnen. Jedoch davon sich zu schnell zu binden, im Gedanken, dass alles immer auf festem Fusse steht. Aus meiner Erfahrung heraus, ist das nämlich innerhalb der Episode überhaupt nicht der Fall. Und das, nach vielen Jahren Beziehung. Auf dieser Grundlage eine Beziehung zu beginnen, stell ich mir daher schwierig vor.
Blackrabbit
Beiträge: 149
Registriert: 14. Feb 2024, 18:56

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Blackrabbit »

Klar darfst du fragen.
Als wir uns privat kennengelernt haben, hat er es mir vorsichtig erzählt. Ich kannte Depressionen immer nur von Erzählungen oder von Berichten in den Medien. Quasi diese Vorurteile. Die Leute haben einen an der Murmel, Suizid etc. Es hat mich persönlich als nicht Betroffene nie interessiert. Ich kannte niemanden in meinem direkten Umfeld, also hatte ich nie Berührungspunkte. Für mich war es eine Krankheit und ich hatte null Ahnung, was da alles hinter steckt.
Er hat auch nicht viel davon erzählt. Nur wie schwer die Zeit damals war und was da so los war. Ich dachte ok, das war damals etc.
Dieses nichts zu fühlen, erschöpft zu sein, keine Kraft und was ihr nicht alles berichtet, war für mich völlig fremd.
Die letzte Episode war zu dem Zeitpunkt sehr lange her. Ich denke auch er hat nicht damit gerechnet, wieder betroffen zu sein. Zumindest war er ziemlich am Boden zerstört, als er irgendwann die Erkenntnis der erneuten Depression hatte.
Als sie dann zurück waren, dachte ich auch eine Zeit, ich wäre evtl. der Auslöser. Nein, bin ich nicht. Das weiß ich. Ich habe viel im Nachhinein „gelernt“
NeuerGast
Beiträge: 2
Registriert: 13. Mai 2024, 21:00

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von NeuerGast »

Hallo zusammen,

wow, vielen Dank für eure Ratschläge und Einblicke!

Was nehme ich aus den bisherigen Antworten mit?:
Falls ich die Frau näher kennenlernen möchte, dann auf jeden Fall nichts überstürzen und möglichst auch tiefe und ehrliche Gespräche über ihre Krankheit führen um abzuschätzen wo sie steht und ob wir abgesehen von der Depression auch so zusammenpassen könnten.

Ich bin natürlich offen für weitere Antworten :)
Constance
Beiträge: 27
Registriert: 11. Apr 2024, 12:24

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von Constance »

Hallo NeuerGast,
wahrscheinlich bin ich eine hoffnungs(lose) Romantikerin und natürliche eine Betroffene (leide selbst unter Depressionen) und eine Angehörige (Mutter von 2 Töchtern mit Depressionen, ist in unserer Familie genetisch bedingt, betrifft alle weiblichen Mitglieder bekannt seit meiner Oma).

Deshalb kann ich keine Erfahrungen aus der Partnersicht teilen.
Aber ich denke, es gibt ja auch gesunde Menschen, die im Laufe ihres Lebens an Depressionen erkranken oder Menschen, die andere Krankheiten haben. Man weiß doch nie, was passiert.
Ja klar, Du weißt es bei Deiner Bekanntschaft, aber das heißt ja auch nicht, das es irgendwann so verläuft wie oft beschrieben. Kann ja auch mild verlaufen und es gibt nie akute Krisen.

Andererseits wurde hier auch das richtige Stichwort genannt, man darf nicht in die Helfer-Rolle verfallen. Aber dafür wirkt Deine Bekannte sehr reflektiert.

Ich selbst habe seit meinem 12 Lebensalter mit Depressionen zu kämpfen und habe das immer mit mir selbst ausgemacht. Meine Umwelt hat sicherlich in schwierigen Phasen an meiner Lethargie, Wortkargheit oder Rückzug gelitten. Aber ich habe mich da immer selbst rausgekämpft. Meine Familie hat mir in schwierigen Phasen mit der Übernahme von Arztterminkoordination oder dem Haushalt/Einkauf geholfen. Aber es ist nie soweit gekommen, das ich in die passive Rolle gefallen bin. Liegt vielleicht auch an meinem Wesen. In meinen schwersten depressiven Zeiten empfand ich auch meinen Mann und meine Kinder als einzigen Halt und als die Personen, wo ich mich anlehnen kann und wo ich keine Angst hatte. Da war und bin ich sehr dankbar für ihre Unterstützung und Geborgenheit.

Die Zeiten haben uns, im Gegensatz zu vielen anderen Leidensgeschichten hier, noch mehr zusammen geschweißt.
Aber natürlich kann das, wie man es hier häufig liest, auch genau das Gegenteil sein.

Also die hoffnungslose Romantikerin in mir drin sagt Dir: hör auf Dein Herz und wie Du es ja selbst bereits geschrieben hast: nichts überstürzen. Aber ich kann Dir nur sagen, auch Menschen mit Depressionen können ehrlich und intensiv lieben. Sie haben auch Gefühle und wollen vollwertig behandelt und respektiert werden. Und auch wenn es an manchen Stellen nicht für eine Beziehung reicht, können Freundschaften entstehen und auch dafür sind Menschen mit Depressionen offen und dankbar.

Liebe Grüße, das war das Wort zum Freitag Abend.
hopstobs
Beiträge: 95
Registriert: 17. Jul 2023, 14:28

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von hopstobs »

NeuerGast hat geschrieben: 15. Mai 2024, 19:58 Was nehme ich aus den bisherigen Antworten mit?:
Falls ich die Frau näher kennenlernen möchte, dann auf jeden Fall nichts überstürzen und möglichst auch tiefe und ehrliche Gespräche über ihre Krankheit führen um abzuschätzen wo sie steht und ob wir abgesehen von der Depression auch so zusammenpassen könnten.
Daraus entsteht dann schnell Mitgefühl und Verständnis und du bist dann schon mit beiden Beinen in der Helferrolle. Ich sehe, dass sie sich unklar ist in dem was sie will (z.B. Kinder), das führt dazu, dass das auf ewig aufgeschoben wird. Wenn dir Stabilität in einer Beziehung wichtig ist, so wirst du auf Sand bauen, Nähe in gesunden Bahnen, konkrete Pläne, Zuverlässigkeit, das wirst du so nicht finden. Willst du auf immer vorn Karren gespannt sein und all das ziehen? Oder ist es nicht viel schöner eine Beziehung zu haben, in der beide am gleichen Strang ziehen und du auch Unterstützung erfährst? Lass dir kein schlechtes Gewissen einreden, dass du damit jemanden ausgrenzt. Du triffst eine Wahl, die auch dein Leben auf längere Sicht maßgeblich mitentscheiden wird. Du darfst wählen und auch nein sagen.
DieNeue
Beiträge: 5461
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von DieNeue »

hopstobs hat geschrieben: 21. Mai 2024, 10:52 und du auch Unterstützung erfährst?
Ich finde nicht, dass man pauschal sagen kann, dass depressive Menschen andere nicht unterstützen können. Ich habe seit Jahren Depressionen und war z.B., als meine Oma gestorben ist, bei meiner Mutter mit am Sterbebett und habe sie sehr unterstützt. Sie war sehr dankbar, dass ich da war und mich so um sie gekümmert habe. Auch mein Vater, der ebenfalls Depressionen hat, hat ein Händchen dafür, für Menschen, denen es schlecht geht oder die trauern, da zu sein und sie zu unterstützen. Mein Vater war immer der Ruhepol, wenn etwas Schlimmes in der Familie passiert ist. Er hat die Sache in die Hand genommen, während andere noch nicht mal reagieren konnten. Als meine Oma mal im Krankenhaus war, hat sie gemeint, dass sie froh ist, wenn mein Vater da ist. Dann weiß sie, dass ihr nichts passiert.
Als mein Opa (Pflegefall) mal zuhause in seinem Rollstuhl Schaum gespuckt hat und meine Oma völlig verängstigt war, dass er jetzt stirbt, habe ich den Notruf gerufen, alles mit den Sanitätern und dem Notarzt geregelt, meine Oma beruhigt und anschließend Sachen für meinen Opa ins Krankenhaus gefahren. Auf der Intensivstation habe ich alles mit den Ärzten geklärt und das dann an meine Eltern weitergegeben, da diese nicht da waren. Mein gesunder Bruder dagegen war völlig überfordert und hat sich lieber in seinem Zimmer verkrochen. Er hat mir damals gesagt, er hat das sehr bewundert, wie ich damit umgegangen bin.
Als meine Mutter vor ein paar Monaten an der Schulter operiert wurde, hat mein Vater sie zu jedem Arzt- und Physiobesuch gefahren, etliche bürokratische Sachen geregelt, ihr ein Trainingswerkzeug für ihre Physioübungen selbstgebaut usw. Nebenbei hat er nach Anleitung meiner Mutter gekocht, die Wohnung einigermaßen in Schuss gehalten und ist zu seiner Therapie gegangen. Ich könnte noch mehr aufzählen, wo wir als Familie uns gegenseitig unterstützt haben.

Ich wäre auch vorsichtig, wenn jemand so gar nicht weiß, was er will, v.a. auch was die Familienplanung angeht, wie ich weiter oben schon schrieb. Depressionen sind auch echt nicht ohne und es ist sicherlich schwer für Angehörige. Aber ich wüsste nicht, wieso man seinen Partner gar nicht unterstützen und für ihn da sein können sollte.
Ja, depressive Menschen schaffen oft nicht viel, aber meiner Erfahrung nach können manche gerade, wenn wirklich Not am Mann ist und es drauf ankommt zur Höchstform auflaufen und manchmal besser unterstützen als manche gesunde Menschen. Es kommt sehr drauf an, wie stark die Krankheit ausgeprägt ist, wie der Betroffene mit seiner Krankheit umgeht, wie reflektiert er ist und welche Charaktereigenschaften er hat.

Was die Helferrolle angeht: Ich kann es z.B. gar nicht leiden, wenn Leute nur noch meine Krankheit und mich als die sehen, die Hilfe braucht. Ein Partner, der sich ständig in die Helfer- und Therapeutenrolle begeben würde, würde mich auf Dauer wahnsinnig machen.
Ja, ich brauche Hilfe, aber ich kann auch sagen, wann ich welche Hilfe brauche und den Rest mache ich selber. Ich schaue auch darauf, dass ich meine Angehörigen nicht zu sehr mit meinen Problemen belaste und sorge dafür, dass ich professionelle Hilfe habe.
Sicher ist es unterschiedlich, wie viel Hilfe jemand braucht. In den schlimmsten Zeiten ist es mehr Unterstützung als in besseren. Ich habe auch schon sehr viel Hilfe gebraucht und manchmal hätte ich auch mehr Unterstützung gebraucht. Aber dass depressive Menschen andere generell nie unterstützen können werden, das kann ich nicht unterschreiben.
hopstobs
Beiträge: 95
Registriert: 17. Jul 2023, 14:28

Re: Beziehung ja/nein?

Beitrag von hopstobs »

DieNeue hat geschrieben: 21. Mai 2024, 12:54
Liebe DieNeue,

das was du beschreibst ist, wie du in Notsituationen reagierst/funktionierst, was ich gut finde, dass du dabei bei dir sein kannst und somit agieren kannst. Andere empfinden Angst und reagieren mit Angriff, Flucht oder Erstarrung. Man kann sich auf dich in der Not verlassen, das beschreibst du eindrücklich. Eine Beziehung besteht aber hoffentlich nicht nur aus Notsituationen. Hier geht es um alltägliche Dinge wie Haushalt, Einkäufe, Kinderbetreuung und -erziehung, gemeinsame Unternehmungen, Urlaubspläne, Kommunikation (und das meine ich nicht in der Menge in der sie passiert, aber ob sie auch klar und deutlich ist, ob sie offen und ehrlich ist, ob sie erwünscht ist und nicht abgewehrt wird), Zärtlichkeiten, Sexualität, wechselseitige Bedürfnisse. Allein schon nicht zu wissen wer man ist oder was man will, ist hier in dem geschilderten Fall eine große Hürde. Unterstützung erfordert auch Zuverlässigkeit. In einem heute so, morgen so ist das aus meiner Sicht schwer zu erreichen. Mein Vater war depressiv, er hat mich wenn es darauf ankam nie im Stich gelassen, jedoch im Alltag durch seinen Rückzug und dadurch, dass er oft emotional nicht verfügbar war, in der Hinsicht wenig unterstützt. Soweit mein Versuch das zu differenzieren, ich hoffe, es ist mir gelungen.
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