Neuer Job und mental bereits am Limit

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castorp
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Neuer Job und mental bereits am Limit

Beitrag von castorp »

Hallo,

nach mehr als einer Dekade ohne einen Job habe ich es doch noch einmal probiert, weil ich mir endlich etwas beweisen wollte. Ich bin direkt mit einer 30-Stunden-Woche eingestiegen. Jeden Tag arbeite ich von 7 Uhr bis 13 Uhr. Es ist eine reine Bildschirmarbeit ohne Kunden- oder Telefonkontakt. Ich sitze mit drei Kolleginnen im Büro. Eine davon arbeitet uns ein. Es ist nun die vierte Einarbeitungswoche und ich habe das Gefühl, dass ich keinen Fortschritt mache, bzw. ich bekomme ständig vor Augen geführt, dass es faktisch so ist. Eigentlich ist der Job relativ entspannend: Kleines Team, kein Lärm, man kann auch mal kurz vor die Tür, wenn einem die Augen vom Bildschirm wehtun etc. Mit den reinen 30 Stunden komme ich gut klar, habe ich gemerkt. Der frühe Beginn gefällt mir und da ich um 14 Uhr daheim bin, kann man den Tag auch noch anderweitig nutzen.

Die Tätigkeit möchte ich nicht im Detail nennen. Man bekommt quasi eine Datei, bearbeitet sie und danach bekommen wir zum Vergleich die Datei unserer Vorgesetzten und vergleichen, um zu sehen, wo wir übereinstimmen und wo nicht. So sehen wir, wo wir Fehler gemacht haben. Danach korrigieren wir die Datei dementsprechend und dann fangen wir die nächste Datei an. Grob gesagt geht es darum, Fotoaufnahmen bestimmter Objekte nach Merkmalen abzusuchen und dementsprechend mit der Spezialsoftware zu markieren.

Jedenfalls mache ich einfach keine Fortschritte. Ich hatte zwei, drei Dateien die ganz ordentlich waren, aber jetzt wieder Dateien, die so aussehen, als hätte ich das alles zum ersten Mal gemacht. Die Korrektur ist auch eine Qual, denn da waren heute so viele Fehler, dass ich gar nicht mehr dazu in der Lage war, sie zu erkennen. Stellt euch vor, dass ich auf den Fotos No. 600 bis 700 40 Merkmale übersehen habe und dann verzweifelt vor den Fotos saß und nicht gesehen habe, was meine Vorgesetzte da markiert hat. Ich war wie ausgebrannt und konnte mich gar nicht mehr konzentrieren. Vielleicht ist die Arbeit einfach nicht das Richtige für mich oder meine Augen sind einfach zu schwach. Ob ich mit Brille oder ohne arbeite, macht keinen Unterschied. Die Fehlerquoten bleiben gleich. Vielleicht bin ich auch zu blöde dafür, dabei ist der Job für Ungelernte.

Dazu kommt, dass die eine Dame, die mit mir angefangen hat, mittlerweile so gut ist, dass ihre Auswertungen grün, also korrekt sind. Das demotiviert mich noch mehr und ich fühle mich minderwertig, weil es ja indirekt einer Bewertung von meiner Leistung und Person ist. Darüber hinaus arbeitet sie auch noch sehr schnell, während ich sehr langsam und dazu noch schlecht bin. Die letzte Datei habe ich mal so schnell, wie sie es tut, gemacht, um zu sehen, wie mein Ergebnis so aussieht und das waren dann eben viel zu viele Fehler.

Mir graut es schon vor morgen, weil ich dann die Datei weiterkorrigieren muss und ich ja heute schon nichts mehr gesehen habe. Teilweise rate ich nur noch. Als Ausgleich hatte ich heute nach der Arbeit einen Binge-Eating-Anfall. Dabei war ich stolz darauf, dass ich das nun zwei Wochen lang nicht hatte.

Der Job klang ganz interessant, bzw, die Branche und ich habe mich wirklich darauf gefreut.

Irgendwann werden wir noch geprüft. Wir bekommen also wieder eine Datei und wenn das Ergebnis grün ist, dann dürfen wir auch endlich richtig arbeiten, d. h. wir werten aus und die Ergebnisse fließen dann auch in das Projekt ein. Also keine Übungsvideos mehr. Es hieß, irgendwann machen wir 100 Bilder pro Stunde. Das kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich das jemals schaffe. Zu Anfang fragte eine der Frauen, was denn mit Leuten passiert, die die Prüfung nicht schaffen. Es hieß, dass die bisher jeder geschafft habe, bis auf zwei, drei wohl Lernresistente.

Nun weiß ich gar nicht, was dann ist. Ob ich dann trotzdem dableiben darf und weiterüben muss oder ob sie sagen, wir können sie nicht gebrauchen.

Ich wollte schon Anfang der zweiten Woche das Handtuch werfen, weil ich nicht klarkam. Eine Freundin hatte mich davon überzeugt, zu kämpfen. Jetzt zwei Wochen später bin ich wieder an diesem Punkt und weiß nicht weiter.

Mit einem schlechten Gefühl zur Arbeit zu gehen wollte ich eigentlich nicht mehr. Das hatte mich damals schon krank gemacht. Ich fühle mich mittlerweile energielos und hoffnungslos und würde am liebsten morgen früh im Bett liegen bleiben. Ich habe keine Lust mehr auf diese Anspannung, die ich vor dem Bildschirm erlebe. Ich fühle mich da wie in einem Wettstreit und kann nicht mehr. Ein Mal musste ich mir die Tränen verkneifen, als meine Auswertung so mies war.

Faktisch ist es also gerade so, dass mich die Arbeit krank macht. Hier daheim sitze ich den Rest des Tages nur vor dem PC oder lege mich ins Bett und döse ein paar Stunden, um mich zu erholen. Ich will mich schon seit einer Woche im Gesicht rasieren oder den Haushalt machen, aber ich schaffe es nicht, da ich wie gelähmt bin ob meiner Arbeit. Das alles kenne ich noch von damals, als ich in die Depression gerutscht bin.

Was meint ihr, soll ich es noch weiter probieren?
candi
Beiträge: 5
Registriert: 24. Mär 2024, 16:06

Re: Neuer Job und mental bereits am Limit

Beitrag von candi »

Das tut mir sehr leid für dich. Du hast dir sicher große Hoffnungen gemacht, dass es diesmal klappen wird und du wieder in die Berufswelt einsteigen kannst.
Es hört sich an als würde dir zum einem das Aufgabengeiet doch nicht passen (beziehungsweise Spaß machen) zum anderem als würdest du dich im Team nicht gut angenommen fühlen.
Ich würde dir vorschlagen mit der einen Kollegin zu reden die zur gleichen Zeit wie du angefangen hat. Vielleicht könnte Sie dir ja paar Tipps geben? Wenn du aber merkst, dass der Job an sich dir keinen Spaß macht würde ich das lassen und....weiter suchen.
Christopher
Beiträge: 38
Registriert: 17. Feb 2024, 20:13

Re: Neuer Job und mental bereits am Limit

Beitrag von Christopher »

Hallo,

Candi hat schon gut etwas geschrieben zu Deiner Situation.

Ich möchte noch etwas ergänzen.

Es gibt ja die Frage, die Du Dir ganz persönlich stellen darfst:

Wie gehst Du Mit Dir um?

Hörst Du auf Deine Willenskraft, die gewiss vorhanden ist.
(Sonst wärst Du wahrscheinlich weiter zuhause, ohne Job und so fort.) Und kämpfst Dich „gegen“ Deine Leistungsfähigkeit durch?

Oder: Magst Du auf Deine Körpersignale schauen:

Kopfschmerzen, Konzentrationsvermögen, Ergonomi vom Arbeitplatz und Rüchmeldungen wie Sitzbeschwerden und noch viele andere Wahrnehmungen die Dich dort begleiten.

Wenn Du all das für Dich mit der Situation überein bringst, die optimal wäre….. dann bekommst Du als Ergebnis sozusagen alle Mängel ziemlich exakt herausgearbeitet.

Dann stellt sich die Frage: ist der „Preis“den Du bezahlst ok? Oder eventuell zu hoch?

Oder ist der Preis der, das Du langsam aber sicher da landest, wo es Dir schon mal nicht so gut ging.

Was bleibt? ist es realistisch das auf Dich Rücksichtsvoll geschaut wird, und Du damit akzeptiert wirst?

Die Idee von candi ist doch so aus der Ferne betrachtet brillant.
Wenn’s geht dableiben, und als neues kurzfristiges Ziel nach etwas neuem gucken.

Ich bin mir völlig bewusst, das ich hier mit schlauen Ideen aufwarte, natürlich kenne ich Deine Situation nicht, und das kann jetzt das Risiko beinhalten, danneben zu liegen, zu dem was Du hören möchtest. Dann vergiss meine Schreiberei bitte einfach.

Es ist nun natürlich alleine Deine Sache, wie Du vorgehst.

Ich wünsche Dir jedenfalls viel Kraft die Fragen in Deinem Sinne und für DICH gut zu entscheiden. Alleine das Du den Einstieg wieder gewuppt hast, ist ja schon großes Kino!!! Deswegen glaube ich auch, das Du hiermit auch fertig wirst!!!

Ich für mich sage mittlerweile: es ist nur ein Leben das ich habe, und damit glaube ich das Recht zu haben es mir so gut wie irgend möglich einzurichten. Natürlich auch im Job!

Alles Gute für Dich!

Liebe Grüße
Christopher
Christopher
Schlosser.
Andere sagen ich sei krank.
Ich sage: Ich bin genau richtig wie ich bin.
Und:
Ich mache das es geht.
Warum?
Weil ich es kann.
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