Schwierige Partnerschaft

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Wildwanderer
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Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Wildwanderer »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und erhoffe mir einen Austausch über meine Situation und ggf etwas Hilfestellung.

Zur Situation: Ich bin 35 und lebe seit November mit meinem Partner zusammen. Kennen gelernt haben wir uns im Februar 23 auf der Arbeit. Die Situation war von Anfang an etwas speziell, da ich seine Chefin war, ihn eingestellt hatte und wir durch die Begebenheiten des Jobs auf dem gleichen Gelände auch gewohnt haben. Wir haben uns erst freundschaftlich angenähert, gemeinsame Ausflüge unternommen und viel viel geredet. Ich wusste von Beginn an, dass er eine sehr schlimme Scheidung hinter sich hat. Die Ex hat ihn finanziell ausgenutzt, zig mal betrogen und im Laufe des Scheidungsverfahrens die Tochter als Druckmittel genutzt.

Nun wir haben uns schnell angenähert und für mich war recht schnell klar, dass ich mehr als Freundschaft möchte. Für ihn wohl auch, aber er hat einen Rückzieher gemacht von wegen “er ist noch nicht so weit und kann mir nicht das geben, was ich will”. Im Sommer letzten Jahres wurde mir dann auch klar, dass er unter Depressionen leidet und ich habe ihn zu den Ärzten begleitet. Er hat Antidepressiva, Schlaftabletten und etwas gegen Angststörungen bekommen. Wir wollten dann erstmal freundschaftlich weiter machen, mit mäßigem Erfolg, da doch immer mehr war. Letztendlich hat er mir im Oktober gesagt, dass er lange dagegen angekämpft hat aber er sich in mich verliebt habe und es gerne versuchen möchte. Da meine Gefühle für ihn nach wie vor da waren, wurden wir ein Paar. Durch berufliche Veränderungen sind wir dann relativ schnell auch zusammen gezogen, was auch soweit gut funktioniert. Ich würde insgesamt sagen, dass wir ein gutes Team sind, wir unterstützen uns Gegenseitig und sind auch sehr liebevoll….wenn ja wenn da nicht die Depressionen wären….

Zusätzlich kam noch eine Alkoholabhängigkeit hinzu, welche die Symptome verstärkt haben und die Spirale ist in Selbstmordgedanken geendet. Dann ist er für 4 Wochen in eine Entzugsreha mit psychologischer Betreuung. Nun zurück merkt man deutliche Verbesserungen auf der einen Seite aber auch Stagnation auf der Anderen.
Er ist sich der Krankheiten sehr bewusst und kommuniziert manchmal sehr offen darüber, manchmal aber eben auch gar nicht. Dann kommt nur “ich habe einen sehr schlechten Tag” und sonst nichts. Er schläft viel bzw vergräbt sich im Bett, wohl auch ein klassisches Symptom, wie ich erlesen habe. Er formuliert, dass Selbstmordgedanken allgegenwärtig sind, er sich für alles schuldig fühlt und an gar nichts mehr Freude hat. Dies sei natürlich durch die Alkoholabstinenz nicht besser geworden.

Er hat in diesem Zuge aktiv erwähnt, dass er mit der Freudlosigkeit nicht unsere Beziehung meint aber eben an alten Hobbys keine Freude mehr findet. Wir haben zudem getrennte Schlafzimmer (was ich nicht als so schlimm empfinde, da er einen chaotischen Schlafrhythmus hat) und auch physische Nähe kommt quasi kaum vor.
Da die Depressionen ja durch die Ex-Frau ausgelöst wurden, haben sich bei mir Gedanken entwickelt, ob er “nur” ein Trauma durch ihren Missbrauch hat oder ob er nicht auch der Familienzeit nachtrauert. Anscheinend denkt er Tag und nacht auch über diese Ehe nach, wahrscheinlich auch über eigene Fehler und er hat einmal geäußert, er würde sie wahrscheinlich immer irgendwie Lieben, er sei aber nicht verliebt….nunja als Partnerin möchte man so etwas natürlich nicht hören. Vor allem, da die Beiden seit 5 Jahren in Scheidung leben.

Ich war nie verheiratet und habe keine Kinder und hatte auch nie Depressionen, so dass mir das Verständnis vielleicht an vielen Stellen schwer fällt. Es kommt mir vor wie ein Teufelskreis: Rein logisch müsste er mit der Vergangenheit abschließen, um die Depressionen loszuwerden aber die Depressionen lassen dies nicht zu. Schätze ich das so korrekt ein? Haben andere ähnliche Erfahrungen mit ihren Partnern bzw. können Betroffene berichten, wie man sich diese Gedankenspiralen vorstellen kann?

Lieben Dank an alle, die sich das durchgelesen haben und vielleicht ein wenig Rat für mich haben!
Ergo
Beiträge: 56
Registriert: 13. Apr 2024, 12:04

Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Ergo »

Wildwanderer hat geschrieben: 20. Apr 2024, 15:33 Hallo zusammen,

Rein logisch müsste er mit der Vergangenheit abschließen, um die Depressionen loszuwerden aber die Depressionen lassen dies nicht zu. Schätze ich das so korrekt ein? Haben andere ähnliche Erfahrungen mit ihren Partnern bzw. können Betroffene berichten, wie man sich diese Gedankenspiralen vorstellen kann?

Lieben Dank an alle, die sich das durchgelesen haben und vielleicht ein wenig Rat für mich haben!
Hallo Wildwanderer,
ich habe selten einen so gut strukturierten Text gelesen, in dem jemand den Status der eigenen Probleme beschreibt.
Respekt.
Was verstehst Du mit der von mir rot markierten Anmerkung?
Wir nehmen doch alles, was wir erleben, in unsere Zukunft mit, oder?
Was sollten wir da abschließen?
Herzliche Grüße
Ergo
Wildwanderer
Beiträge: 6
Registriert: 19. Apr 2024, 16:45

Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Wildwanderer »

Hallo Ergo,

lieben Dank für das Kompliment! :-)
Nun manchmal hab ich das Gefühl, dass mir diese Strukturiertheit es noch erschwert, die Depressionen oder das daraus folgende Verhalten nachzuvollziehen....

Zu dem von dir markierten Textabschnitt: Ich meinte es eher im Sinne, dass man ja akzeptieren muss, dass manche Dinge eben die Vergangenheit und somit abgeschlossen und unwiederbringlich sind. Also in seinem Falle, dass es eben dieses (vermeintlich) perfekte Familienleben nicht mehr geben wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man gerade bei Ex-Beziehungen ja auch nachträglich mal dazu neigt etwas zu idealisieren, was so vielleicht gar nicht oder nur teilweise da war. Natürlich nehmen wir alle Erfahrungen und Erinnerungen immer mit uns mit aber ich denke, dass man eben die Vergangenheit auch als vergangen akzeptieren muss, um sich auf die Gegenwart/ Zukunft zu konzentrieren.

Macht es so mehr Sinn? Vielleicht suche ich auch nur Erklärungen, um für mich etwas mehr Logik in das Ganze zu bekommen....eine Logik die ggf bei Depressionen nie da ist?

Liebe Grüße
Ergo
Beiträge: 56
Registriert: 13. Apr 2024, 12:04

Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Ergo »

Wildwanderer hat geschrieben: 21. Apr 2024, 11:44 Hallo Ergo,

lieben Dank für das Kompliment! :-)
Nun manchmal hab ich das Gefühl, dass mir diese Strukturiertheit es noch erschwert, die Depressionen oder das daraus folgende Verhalten nachzuvollziehen....
Hallo Wildwanderer,
wenn Du mit ihm sein willst, wirst du seine Depressionen annehmen müssen, solange sie bestehen, ob du sie nun nachvollziehen kannst oder nicht.
Wildwanderer hat geschrieben: 21. Apr 2024, 11:44 Hallo Ergo,


Zu dem von dir markierten Textabschnitt: Ich meinte es eher im Sinne, dass man ja akzeptieren muss, dass manche Dinge eben die Vergangenheit und somit abgeschlossen und unwiederbringlich sind. Also in seinem Falle, dass es eben dieses (vermeintlich) perfekte Familienleben nicht mehr geben wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man gerade bei Ex-Beziehungen ja auch nachträglich mal dazu neigt etwas zu idealisieren, was so vielleicht gar nicht oder nur teilweise da war. Natürlich nehmen wir alle Erfahrungen und Erinnerungen immer mit uns mit aber ich denke, dass man eben die Vergangenheit auch als vergangen akzeptieren muss, um sich auf die Gegenwart/ Zukunft zu konzentrieren.

Macht es so mehr Sinn? Vielleicht suche ich auch nur Erklärungen, um für mich etwas mehr Logik in das Ganze zu bekommen....eine Logik die ggf bei Depressionen nie da ist?

Liebe Grüße
Wenn ich meine eigenen Partnerschaften posthum heute betrachte, es waren drei größere, dann prägt mich diejenige am meisten, bei der ich ein Kind mit der Frau hatte, obwohl das schon 35 Jahre her ist. Ein gemeinsames Kind, vor allem, wenn man es wenigstens eine Zeit lang gemeinsam betreut und erzogen hat, gibt einer Partnerschaft oft eine Art heiligen Stempel, wie ich finde. Vermissen tu ich aber am ehesten meine letzte Partnerin, wo ich es heute bereue, dass ich sie eines Tages recht rabiat vor die Tür setzte.

Ergo
Wildwanderer
Beiträge: 6
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Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Wildwanderer »

Vielen Dank, Ergo, für deine persönlichen Erfahrungen.

wenn Du mit ihm sein willst, wirst du seine Depressionen annehmen müssen, solange sie bestehen, ob du sie nun nachvollziehen kannst oder nicht.

Hiermit hast du natürlich vollkommen Recht! Ich muss wohl noch den richtigen Mittelweg finden, es einfach zu akzeptieren und dabei mit selbst nicht zu sehr einzuschränken.

Ein gemeinsames Kind, vor allem, wenn man es wenigstens eine Zeit lang gemeinsam betreut und erzogen hat, gibt einer Partnerschaft oft eine Art heiligen Stempel, wie ich finde.
Mit dem "heiligen Stempel" hast du es wohl sehr treffend formuliert. Das ist als neue Partnerin nicht immer leicht, Depressionen hin oder her.

Hier ist es ein stetiges Auf und Ab. Wir sind gerade gemeinsam im Urlaub. Er kam nach dem Wochenende bei seiner Tochter sehr gelöst wieder, was auch einige Tage erhalten blieb aber nun wieder eingebrochen ist. Ich weiß, es ist nicht fair aber ich würde mir so wünschen, dass er diese Hochphasen auch mehr bei mir hat. Er benennt nun den "Schlaf" wieder als seinen heiligen Gral... so viele Komplimente wie sein Bett würde ich mir mal wünschen.... :lol:

Und so sitze ich nun hier und schreibe diese Zeilen anstatt bei einem gemeinsamen Frühstück in den Tag zu starten. Ich weiß, es gehört dazu aber es ist einfach diese innere Zerrissenheit, weil ich weiß, wie er sein kann, wenn er nicht völlig von den Depressionen überlagert ist. Und so sehr ich seine Bemühungen auch anerkenne und während seiner Rückzugsphasen alleine losziehe, so sehr würde ich mir halt auch einen "normalen" gemeinsamen Alltag wünschen, in welchem nicht jede Aktivität irgendwann für ihn nervig und zu lang wird und die Unzufriedenheit überhand nimmt. Ich muss mich wohl noch weiter abgrenzen, dass eine Kritik an gemeinsamen Aktivitäten, welche ich auch tw. nach seinem Geschmack plane, nicht an mich persönlich geht.

Grüße vom Strand, den ich jetzt gleich wohl mal alleine unsicher mache.
Pineapple_Pizza
Beiträge: 21
Registriert: 25. Mär 2024, 12:25

Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Pineapple_Pizza »

Ich finde, bei Euch kommt in sehr kurzer Zeit sehr vieles zusammen. Alkoholabhängigkeit, schwere Depressionen, Suizidalität…
Ich kenne das alles aus meiner Familie und weiß, wie belastend die dauernde Bedrohung durch die nicht greifbare Katastrophe ist und die bedrückende Verantwortung, weil man sich immer fragt, ob man jetzt zum Wohlbefinden beigetragen hat oder ob man die Verschlechterung zu verantworten hat.
Ich finde das für eine so junge Beziehung verdammt viel. Ihr habt noch nicht viel gemeinsame Geschichte(vor allem abseits seiner Erkrankung), was lässt Dich das alles auf Dich nehmen? Die meisten haben erst mal ein paar schöne Jahre und die Depression schleicht sich ein. Du hast gleich das schwere Paket genommen. Hast Du Dir win Limit, eine Grenze gesetzt, ab wann Du Dich schützt und abspringst? Auch mit einer richtig guten Therapie dauert es Jahre, bis man sowas überwunden hat. Und Alkoholiker ist er für immer, nur dann eben trocken. Wenn ich mir vorstelle, was Du da aushältst Tag für Tag und wie beängstigend es sein muss, wird mir ganz anders. Wärt ihr Freunde, wäre es schon hart. Aber als Partnerin kann man nur schwer den Abstand wahren, bzw. sich nehmen, den man gerade bräuchte, wenn es wieder richtig hart kommt.
Andererseits finde ich es wirklich übel, wie ihm mitgespielt wurde. Und da kann er sich glücklich schätzen, an jemanden so einfühlsames und liebevolles wie Dich geraten zu sein.
Wildwanderer
Beiträge: 6
Registriert: 19. Apr 2024, 16:45

Re: Schwierige Partnerschaft

Beitrag von Wildwanderer »

Hallo Pineapple_Pizza,

danke für deine Antwort und deine lieben Worte!
weil man sich immer fragt, ob man jetzt zum Wohlbefinden beigetragen hat oder ob man die Verschlechterung zu verantworten hat.
Das kenne ich wirklich nur zu gut... Heute bspw. hat er einen sehr schlechten Tag und teilt mir das zum Glück auch mit. Nur fühlt man sich halt hilflos und mir fällt oft nicht viel mehr ein zu sagen als "Okay, danke"... Wir wollten Besorgungen machen und er wollte erst nicht mit. Hat mir dann sicherlich meine Enttäuschung angemerkt und sich dann doch aufgerafft. Und ich weiß nun nicht ob es eigentlich gut ist, dass er sich ein bisschen motiviert oder ob das nur Pflichterfüllung ist und ihn eigentlich nervt, dass ich "was erwarte".
Und wenn ich auf der anderen Seite dann sage er muss nicht mit oder wir können Sachen verschieben, dann wird er fast beleidigt und sagt nein natürlich schließt er sich an.....irgendwie manchmal jedes Wort falsch :|
was lässt Dich das alles auf Dich nehmen?
Gute Frage, nächste Frage.... ;) Ich hab mich halt in ihn verliebt und bin ohnehin ein sehr loyaler Mensch. Ich kann ihn nicht so einfach fallen lassen, da ich mir sicher bin, dass auch er mich liebt und er wann immer er kann auch viel für mich tut. Ich weiß, was für ein fantastischer Mensch er ist. Auch wenn das für Außenstehende vlt. nicht nachvollziehbar ist.
Hast Du Dir win Limit, eine Grenze gesetzt, ab wann Du Dich schützt und abspringst?
Limits wären für mich definitiv, wenn er Therapien ablehnt, nicht weiter dran arbeitet oder auch sich gegen mich wendet, sei es durch verbale Abwertungen oder gar Aggressionen. Das sind für mich No Gos. Oder eben, wenn ich merke, dass es mir doch alles zu viel wird. Noch ist es zwar belastend aber ok. Abstand wahren ist, wie du beschrieben hast, nur sehr sehr begrenzt möglich.
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