Einfach Liebe

[Stummer Schrei]

Hallo zusammen, hab mich hier schon sehr eingelesen und bin erstaunt, wie ähnlich und doch auch wie unterschiedlich die Krankheit Depression hat.
Nun zu mir: ich, weiblich, (56) bin jetzt seit drei Jahren mit meiner Partnerin zusammen, nach einem halben Jahr bin ich zu ihr gezogen, ca. 500 km von meiner Familie entfernt!
Die ersten eineinhalb Jahre waren traumhaft, ich hab mich noch nie so geliebt gefühlt!
Die Probleme, die ihre Depression hervorrufen haben, hatte sie damals schon, aber da hat sie sich noch erlaubt, glücklich zu sein.
Schleichend wurde das anders, und seit ca. einem Jahr ist es anders.
Es ist nicht so, wie bei vielen anderen, dass sie genervt von mir ist, oder keine Zeit mit mir verbringen will:
Es ist einfach so, dass ich mich als gute Freundin sehe!
Wir halten kein Händchen mehr, nehm ich ihre Hand, zieht sie sie zwei Sekunden später wieder weg!
Armnehmen, zärtliche Berührungen, Sex Fehlanzeige!
„Ich liebe dich“wag ich gar nicht mehr zu sagen!
Wenn sie jetzt generell so wäre, könnte ich das annehmen, aber zu a l l e n anderen ist sie anders!
Ihre Kinder und den Hund liebt sie über alles, denen sagt sie das täglich!
Auch Freunden sagt sie „hab euch gern“
Sie pflegt ihre/unsere sozialen Kontakte, also vergräbt sich nicht!
Das alles macht es für mich unheimlich schwer!
Die Psychologin hat mir erklärt, dass ich ihr „Safe Place“ bin, dass sie sich bei mir sicher fühlt und sich deshalb nicht zusammen reißen muss! Na toll!
In diesem Jahr habe ich schon dreimal von Trennung gesprochen, das will sie auf keinen Fall!
Aber selbst in so einer Situation kann sie nicht „ich liebe dich“ sagen! Sie sagt, sie hat auch keine Kraft, um zu kämpfen aber sie will mich nicht verlieren!
Aber ich brauche doch auch Liebe! Und ich will auch Liebe geben, will meine Partnerin in den Arm nehmen, wenn mir danach ist!
Ich bin hin und hergerissen, ob ich durchhalten soll oder mich trennen soll! Sie ist meine große Liebe aber man muss doch auch n sich denken! Ich weine bei der kleinsten Kleinigkeit!
Ich hoffe, ihr versteht, was ich ausdrücken möchte und bin gespannt auf eure Meinungen
PS: sie ist in Therapie und nimmt seit 3 Wochen auch antidepressiva, arbeitet also daran

[Undjetzt]

Hallo.
Ich verstehe dich sehr gut.
Bei mir ist es noch etwss stärker ausgeprägt.
Wenn meine Partnerin unter Leuten ist, ist sie fast schon eine Stimmungskanone.
Zuhause, da werden wemige Worte gewechselt.
In dem Sinne, so dumm es klingt. Da muss man fast schon froh drüber sein. Sie verstellt sich nur für andere. Zuhause ist sie so wie sie jetzt ist.
Und mal ehrlich. Willst du ein gelogenes " Ich liebe dich", "Eine halbherzige Umarmung ? Gestellte Liebe?
Du kannst dir sicher sein, deine Partnerin macht sich selbst schwere Vorwürfe, weil sie nicht an ihre Gefühle für dich herankommt.
Ob und wie lang du das durchhältst, das kannst allein du entscheiden.

[Stummer Schrei]

Aber woher weiß man, ob die Liebe noch irgendwo steckt?

[Undjetzt]

Das weis man nicht. Aber die wird nicht mal eben verschwunden sein.
Man merkt es an Kleinigkeiten. Und sie will ja auf keinen Fall die Trennung, das hat ja auch einen Grund.
Glaub mir, der Kampf den sie kämpft, ist noch mal eine ganze Spur schlimmer.

[Stummer Schrei]

Und warum kann sie für andere Liebe empfinden?
Es nagt ziemlich an meinem Selbstwert und es ist für mich halt einfach schwer zu verstehen!
Selbst für ihren Exmann empfindet sie noch was…

[Maxegon]

Liebe ... ein niederländischer Dichter verglich sie einmal mit einem Garten oder einem heranwachsenden Kind.

Wir wünschen, es bliebe immer so, doch nicht nur der Garten verändert sich tagtäglich, auch wir verändern uns.

Wir sehen aber nur den Garten, unsere eigene Verwandlung bemerken wir nicht.

[Pineapple_Pizza]

es scheint ja nicht ums liebe empfinden, sondern eher ums liebe geben und nehmen zu gehen. wenn du es wissen möchtest, frag sie. und das könnt ihr ja auch vorher so verabreden. dass wenn du gerade nicht sicher bist, nicht spürst, dass da noch etwas ist, du es dir bestätigen lassen kannst.
dass das körperliche komplett auf sparflamme steht, finde ich(auch aus eigener erfahrung) schwierig. einerseits spielt da vielleicht ganz viel angst vor erwartung rein(wenn wir jetzt kuscheln, will sie bestimmt mehr) und auch schuldgefühle.

neulich hat jemand einen, wie ich finde, sehr schlauen satz gesagt: eine depression ist eine egozentrische erkrankung. und genauso fühlr es sich als partner/partnerin auch an. da ist alles auf vermeidung und nur die eigenen bedürfnisse sind im fordergrund. wenn du willst, dass deine eigenen nicht untergehen, mache sie sichtbar. du hast das recht darauf, glücklich zu sein und bist keine ehrenamtliche pflegekraft in einer betreuten wg.
wir diskutieren seit jahren über eine adäquate lösung und ich bin es jetzt endgültig leid. eine depression ist kein freifahrtschein für die komplette emotionale ausbeutung des partners/partnerin. eine zeitlang übersteht sowas jede gute beziehung, aber irgendwann muss man als angehörige auch mal wieder auf sich schauen, bevor man sich verliert.
die frage, die ich mir immer wieder stelle, ist: was unterscheidet unser zusammenleben noch von einer wg? und wenn die antwort „nichts“ ist, kann man eigentlich genauso gut als freundin beistehen, aber sich partnerschaftlich dahin orientieren, wo man nicht an letzter stelle steht.

[Stummer Schrei]

Wenn ich sie frage, sagt sie, sie liebt sich ja selber nicht, wie soll sie mich dann lieben?
Manchmal sagt sie aber auch, sie weiß, das sie mich noch liebt!
Hat nicht jeder das Recht, geliebt zu werden? Und auch zu lieben? Seinen Partner in den Arm zu nehmen, wenn einem danach ist?
Mein Selbstwert hat sich auf jeden Fall schon lange verabschiedet!

[Maxegon]

du hast das recht darauf, glücklich zu sein

Mal 'ne Frage:

Erwirbt man es sich?
Hat man es einach so?
Muss man darum kämpfen?
Wird es einem geschenkt?

[Pineapple_Pizza]

im sinne der körperlichen selbstbestimmung, kannst du deine partnerin nicht einfach in den arm nehmen, wenn sie das nicht will und das auch nicht einfordern. aber du kannst dich entscheiden, dass ihr euch mal unter bestimmten voraussetzungen auf die beziehung geeinigt habt, die jetzt nicht mehr erfüllt sind. und wenn das so weit geht, dass es für dich nicht mehr tragbar ist, weil du selbst darunter leidest, darfst du dich trennen und dein glück woanders suchen.

ganz ehrlich, ließ dir die beiträge im betroffnenbereich doch mal durch. kaum jemand macht sich gedankenbum seine beziehung. es wird nur darüber gesprochen, dass die angehörungen entweder zu viel erwarten/druck machen oder sich getrennt haben. die krankheit scheint keinen raum zu lassen(zumindest in den stärkeren ausprägungen) für empathie. und wenn du glück hast, findet sich eine behebbare organische ursache oder ein medikament, das anschlägt. wenn du pech hast, bringt alle therapie nichts und die bist der alltagsbegleiter, der all seine bedürfnisse zurückstellt und irgendwann selbst depressiv wird. es ist unheimlich schwer, sich da abzugrenzen und wenigstens ein bisschen sein eigenes ding zu machen, damit du dich selbst nicht verlierst.

[Stummer Schrei]

Es ist unheimlich schwer, seine Bedürfnisse zurückzustellen und es taucht bei mir immer mehr die Frage auf: wofür?
Ich kann sehr viel mittragen, aber das Grundgefühl für eine Beziehung muss doch Liebe sein!
Ich kann einfach nicht verstehen, warum man Liebe für Kinder und Hund empfinden kann, für seine Partnerin aber nicht?

[Freiwasser]

Liebe Stummer Schrei,
Deine Überschrift „einfach Liebe“ bringt mich zum Nachdenken. Es klingt erst einmal so richtig, dass Liebe das Wichtigste ist und nicht hinterfragt wird. Für mich mit das Traurigste an meiner Geschichte ist, dass ich aufgehört habe, an die Liebe zu glauben, jedenfalls an die Romantische. Meine Geschichte ist anders als Deine, sie enthält Untreue und massive psychische Gewalt. Was aber eine Gemeinsamkeit sein KÖNNTE (ich weiß es natürlich nicht): Dass Du missbraucht wirst, solange Du bedingungslos liebst und irgendwo auf die Liebe Deiner Partnerin vertraust. Meine bittere Erfahrung ist, dass ich knallhart und konsequent für mich einstehen muss, sonst geht er über jede Grenze.
Was Du über die äußeren Umstände geteilt hast, klingt unsymmetrisch. Du bist für sie von Deiner Familie weggezogen. Sie hat ihr Umfeld, Kinder, Freunde, Haustier. Du hast sozusagen alles auf eine Karte gesetzt. Die Liebe zu ihr. Und das nach nur einem halben Jahr Beziehung. Meine Freundinnen und ich haben eine Liebe/Ehe mal scherzhaft mit dem Begriff aus dem Finanz-Investment verglichen: ein Klumpenrisiko.
Du solltest dringend Dein Investment diversifizieren. Pflege Deine Freundschaften, Deine Hobbys, Deinen Beruf, Deine Familie. Die unzähligen verschiedenen Geschichten in diesem Forum haben vielleicht diese eine Gemeinsamkeit: wir Angehörigen können die Krankheit nicht ändern.
Vielleicht ist es nötig, dass Du wieder in Deine frühere Umgebung ziehst, wenn da Deine Familie und Freunde sind. Für eine Weile. Und mit ein bisschen Distanz Deine Partnerin für sich rausfinden lässt, wie sie leben und sich um ihre Gesundheit kümmern möchte, und wann und wo da Raum für eine Beziehung ist, die auch Deine Bedürfnisse würdigt.
Es ist SO schwer. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute!
Freiwasser