Neuzugang

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AllegraLuna
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Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Hallo, ich die neue hier :3

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Zeilen schreibe... aber ja...

Nachdem ein anderes Forum geschlossen worden ist, wo ich mich immer mal austauschte, bin ich auf dieses hier gestoßen.
Manchmal half es in bestimmten Situationen ja ein wenig mit anderen über diverse Thematiken zu plaudern.

Ich bin Fabienne, 36, und befinde mich seit ich denken kann in einer Spirale aus einer Form von Selbsthass und -zweifel. Mal stärker, mal weniger stark, mal bin ich frei. Tatsächlich kommt es 1-2 Mal im Jahr als Schub seit fast 20 Jahren, mit einem Drang zur Selbstverletzung. Meistens bekomme ich es irgendwie hin mich nach 2-3 Wochen davon zu lösen, indem ich zb. Lieder schreibe, um mich mit den erlebten Gefühlen auseinanderzusetzen, mit Freunden musiziere oder einfach mit anderen rede, die ähnliches durchmachen. Das ist so das Schema F, was ich in solchen Situationen stark vertiefe. Leider trage ich auch da jedes mal Cuts davon... In diesen Momenten fühlt es sich einfach richtig an, zumindest suggeriert das mein Kopf.

Manchmal hilft es aber auch absolut nicht, mich davor zu bewahren. Vor 17 Jahren bin ich auf der Geschlossenen gelandet. Was dort passiert ist, weiß ich kaum noch. Die Ursache sehe ich aber heute noch auf meiner Haut. Meine Ausbildung hatte ich beinahe verhauen, da die Phase gefühlt ewig war.

Vor zwei Jahren dann ein Dejavu meiner Kindheit. Ich war auf einer Probe, sang eines dieser Lieder von denen ich sprach und bekam einen Flashback und eine Attacke sondergleichen. Es brodelte zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Tage. Ich wurde extrem hysterisch, schlug alles was mir zu nahe kam, suchte mir anschließend einen ruhigen Platz an welchem ich mir Dinge antat wie einst vor 17 Jahren. Alles was in Folge dessen passierte, weiß ich allerdings wie als wäre es erst gestern gewesen. Jemand aus der Band rief den Notarzt. Nach der Erstversorgung fand ich mich alsbald isoliert und beschränkt in meiner Bewegungsfreiheit in einer Klinik wieder. Nachdem ich anfangs noch herumschrie mein Werk vollenden zu wollen, kam ich vergleichsweise schnell zur Ruhe. War wohl der Situation geschulden. Es half mir irgendwie über den Berg. Das hat bisher nicht einmal ein Psychologe geschafft. Diese ganzen Eindrücke die ich bekam und bewusst aufgenommen habe. Helles Zimmer, ein paar hässliche Möbel und ein Bett mit Schnallen... und ich Teil dessen. Mit einem Gefühl von "genau hier gehörst du hin"
Nach 3 Tagen, so glaube ich, war der Drang so gut wie weg. So ein mulmiges Gefühl blieb zwar, wie ein heftiger Kater, aber damit konnte ich leben. Ich muss dazu sagen, dass mein Knacks glücklicherweise nicht darauf abzielt von der Bildfläche zu verschwinden. Ihm geht es um die "verschlimmbesserung" meines Körpers.

Und warum bin ich jetzt hier gelandet? Aus dem einfachen Grund, dass ich so ein Gefühl habe, dass es bald wieder losgeht. Vorgestern dachte Ich bereits es ist soweit. Also schrieb ich wieder. Dieses Mal einen Text jenseits von gut und Böse. Jemand laß Korrektur und meinte darauf, ich solle mir mal jemanden zum Reden suchen. Ironisch war das schon irgendwie.
Und heute bei der arbeit ist da schon wieder diese Stimme, die mir sagt, komm such dir was zum verschönern. Stimmen höre ich natürlich nicht, aber es fühlt sich an fremdgesteuert zu sein.

Ein echt eigenartiges Gefühl. Als würde ich die ganze Zeit unter Strom stehen, aufgepumpt mit Adrenalin, zitternd am ganzen Leib. Das Herz rast und Konzentration gegen 0, als wäre gleich ein Auftritt vor 1000en Menschen. Und alles was vorher schlecht war, ist auf einmal gut. Schmerz? Klar, kein Ding. Immer her damit. Blut? Auf jeden Fall. Narben? Wer das eine will, muss das andere mögen.

In all den Jahren versucht man ja trotzdem dahinterzukommen, was es damit auf sich hat bzw. wo es herkommt. Man ist ja doch irgendwie wohlbehütet aufgewachsen, oder? Zumindest war das die Annahme, bis man die Kindheit resümiert. Da waren also mehrere Väter, die verlassen worden sind und ne Mutter die sich das Leben nehmen wollte. Ich wurde von meinem Stiefvater misshandelt. Angebliche Bestrafungen für Dinge, die ich allerdings niemals tat. Das hat sich eingebrannt. Meine Mutter ignorierte es nur was er tat. Diese Szenen waren tief begraben bis sie im Teenageralter wieder zu Tage traten. In jenem Zeitraum wo ich das erstmal in die Psychiatrie kam - Kreis geschlossen. Mehr Anhaltspunkte bieten diese 18 erste Jahre leider nicht, oder ich habe es schlichtweg vergessen...
In jedem Fall bin ich mir ziemlich sicher, dass mich all das für den Rest meines Lebens begleiten wird. Am Ende des Tages bin die meiste Zeit trotz dieser Umstände echt lebenslustig. Ist ja nicht so, dass man nichts erreicht hat. Im Gegenteil.

Dann und wann triggert mich irgendwas und dann geht's bergab. Und ich weiß bis heute nicht was der Trigger ist. Mein Psychologe ist was das angeht auch ziemlich ratlos. Es soll wohl eine bipolare Störung sein, in Kombination mit PTBS. Kurzzeitig stand auch Borderline im Raum. Würde ich persönlich aber eher nicht behaupten.
Ich versuche inzwischen nur noch dagegen anzukommen, bis ich mich möglicherweise geschlagen gebe.
Es ist ein echt anstrengender Kampf. Genauso mich in diesen Situationen gegenüber meinen Mitmenschen zu verhalten, als ginge es mir blendend, wenn es gerade nicht der Fall ist.
Tatsächlich habe ich aufgehört zu versuchen diesem Ding einen Namen zu geben, denn abgesehen von diesem Knacks, läufts hervorragend. Im Job und Daheim. Ich bin von netten Menschen umgeben und habe nichts auszustehen. Vielleicht bin ich ja auch besessen, in der GothicSzene soll sowas schon mal vorkommen 🫣

Lange Rede, kurzer Sinn.
Hier bin ich 🤌

Ich mag Rock und Metal, depressive und sakrale Gedichte, Lieder und... Dinge eben :roll: :hello:
Zuletzt geändert von AllegraLuna am 28. Mär 2024, 06:46, insgesamt 1-mal geändert.
Aurelia Belinda
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Re: Neuzugang

Beitrag von Aurelia Belinda »

:hello:

Hallöchen und Willkommen hier,

ich mag auch Liedtexte, Texte u. Gedichte.. und dem zerstörerischen Hass habe ich "LEB WOHL" gesagt. Es war der Befreiungsschlag schlechthin.

LG Aurelia
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Ephemera
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Re: Neuzugang

Beitrag von Ephemera »

Auch von mir ein kleines „Hallo“!

Wenn ich jetzt schreibe, „schön, dass hier noch jemand mit selbstverletzendem Verhalten im Erwachsenenalter ist“ klingt das merkwürdig. Denn nichts daran ist schön.
Aber es beruhigt mich doch jedes Mal, wenn ich erfahren darf, dass nicht nur ich nicht im Stande bin das ganz abzulegen.
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Wie hast du es geschafft?

Ich würde es bei mir einen Zustand des Rausches beschreiben. Es kündigt sich an, bricht in den meisten Fällen jedoch nicht komplett aus, weil ich versuche es aktiv zu bekämpfen. und dennoch mit gewissen "Kampfspuren". Im "Rausch", mache ich einfach nur noch. Bis dato wie erwähnt 2 mal erlebt.
Aurelia Belinda hat geschrieben: 27. Mär 2024, 17:25 :hello:

Hallöchen und Willkommen hier,

ich mag auch Liedtexte, Texte u. Gedichte.. und dem zerstörerischen Hass habe ich "LEB WOHL" gesagt. Es war der Befreiungsschlag schlechthin.

LG Aurelia
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

:hello:
Natürlich freut man sich Leidensgenossen kennenzulernen :) 99% aller anderen Menschen, können sich da nicht unbedingt reindenken. Man ist halt mehr so die psychotante.
Ephemera hat geschrieben: 27. Mär 2024, 17:57 Auch von mir ein kleines „Hallo“!

Wenn ich jetzt schreibe, „schön, dass hier noch jemand mit selbstverletzendem Verhalten im Erwachsenenalter ist“ klingt das merkwürdig. Denn nichts daran ist schön.
Aber es beruhigt mich doch jedes Mal, wenn ich erfahren darf, dass nicht nur ich nicht im Stande bin das ganz abzulegen.
Aurelia Belinda
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Re: Neuzugang

Beitrag von Aurelia Belinda »

Zur Frage wie ich es geschafft habe...

mit Verzeihen, Akzeptanz, Annehmen meines Schicksales, Distanz zu meinen Peinigern, letztendlich war der größte Baustein die Selbstliebe, Selbstachtung. Es war ein enorm harter Weg und langer Prozess.
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Das ist der Clou dieser Geschichte. Ich liebe mich so wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten. Ob meines Laster bin ich doch ziemlich normal. Das Ist mit der Grund warum man sich fragt wie es möglich ist in anbetracht eines doch recht normalen Verhaltens solche Totalausfälle zu haben. Gut, ich wurde vom Stiefvater verprügelt nach Strich und Faden, wegen Dingen die ich nie tat. Sicher spielt das alles irgendwie in dieses Verhalten. Obwohl dieser Mensch mir auch stets das Gefühl vermittelte eine Versagerin zu sein, habe ich es geschafft... besser als er. Und ich habe ihm verziehn. Heute bereuen er und meine Mutter diese Misshandlungen. Ende 20 bin ich dann sogar regelmäßig mit diesem "Vater" einen trinken gegangen. Er hat mir am Ende sogar geholfen wenn ich Hilfe brauchte. Aber ich fürchte, diese Erfahrung als Kind haben ein paar Synapsen gegrillt, die bis heute nicht mehr richtig funktionieren.

Aurelia Belinda hat geschrieben: 27. Mär 2024, 22:04 Zur Frage wie ich es geschafft habe...

mit Verzeihen, Akzeptanz, Annehmen meines Schicksales, Distanz zu meinen Peinigern, letztendlich war der größte Baustein die Selbstliebe, Selbstachtung. Es war ein enorm harter Weg und langer Prozess.
Anne Blume
Moderator
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Re: Neuzugang

Beitrag von Anne Blume »

Hallo von der Moderation,
ich muss an der Stelle darauf hinweisen, dass es sich hier um eine Selbsthilfe-Plattform für Patienten/Angehörige zum Thema Depression handelt.
Ratschläge und Erfahrungen, die hier geteilt werden, beziehen sich auf das Thema Umgang mit der Depression.
Und fast noch wichtiger, wir können und dürfen hier keine Krisenintervention leisten. Bitte beachten Sie unsere Hinweise zum Thema und lesen Sie diese gründlich durch. Wir weisen deutlich darauf hin, dass wir ggf. einen Rettungseinsatz mit Hilfe der Polizei auslösen müssen.
beste Grüße
Anne Blume
Ephemera
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Re: Neuzugang

Beitrag von Ephemera »

Ähm.

Bisher habe ich diese Hinweise von Seiten der Moderation immer nachvollziehen können. Hier weniger.
Ich lese im Ausgangspost keinerlei suizidale Tendenzen heraus.
Und für jemanden, der nicht-suizidales, selbstverletzendes Verhalten in sein Repertoire an Bewältigungsmechanismen aufgenommen hat ist dessen bloße Anwesenheit auch kein Anzeichen für eine außergewöhnliche Krise.
Es ist ein Bestandteil des Lebens, der, so destruktiv er auch ist, irgendwann als entlastend empfunden wurde und seinen Sinn erfüllt hat und darum Teil der eigenen Normalität geworden ist.

Wäre ich immer in einer akuten Krise, wenn ich mich mal wieder aus Gewohnheit nichts anders reguliert bekomme…

Und das was ich da reguliere, sind oft negative Emotionen oder Anspannungszustände, die der Depression entspringen… das ist für von beidem Betroffene untrennbar miteinander verbunden und hat eine wechselseitige Dynamik.

Für einen Hinweis auf ein Forum, in dem sich erwachsene Menschen austauschen die dieses Problemverhalten seit Jahrzehnten praktizieren wäre ich nebenbei bemerkt überaus dankbar. Ich fand bislang nur Foren in denen hauptsächlich Jugendliche unterwegs sind, mit deren Lebenswelt und Erfahrungshorizont… dort passt man als 40jährige nicht wirklich „rein“
Senif
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Re: Neuzugang

Beitrag von Senif »

Ich bin mir nicht sicher, ob diese negativen Bewältigungsmechanismen der Depression entspringen oder eher der Persönlichkeitsstörung.
Ephemera
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Re: Neuzugang

Beitrag von Ephemera »

Beides ist möglich.
Man muss keine Persönlichkeitsstörung haben um sich selbst zu verletzen - es erhöht aber natürlich die Wahrscheinlichkeit extrem.
Ich habe bei meinem letzten stationären Aufenthalt Menschen getroffen, die „nur“ depressiv waren und trotzdem autoagressive Handlungen durchgeführt haben.
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Hach, ich und Hinweise :3
Jetzt musste ich glatt mal kurz raus. Sätze die Wörter wie "Rettungseinsatz" und "Polizei" enthalten, gehören mit zu DEN Dingen die mein Kopf nicht interpretieren muss, vorallem nicht vor diesem Hintergrund
Und doch tat er es gerade. Triggergefahr. Schnelle Kippe.

Tatsächlich bin ich gerade vergleichsweise stabil, vorallem nachdem ich thread um thread wälzte, man hat eben was zu tun. Und wenn es wirklich Not tun sollte - ich habe immer Menschen um mich herum :)
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Ich würde sagen ... Es ist kompliziert. Ich würde es wie einen Mantel beschreiben, der mich umgibt. Der Mantel ist eine Form der Depression. Innerhalb dieses Mantels erlebe ich die ein oder andere Begleiterscheinung wie Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit, Gefühlslosigkeit, Aggression, und jene die ich beschrieb. Da drin fühle ich mich auch nicht sonderlich gut, und empfinde Dinge für richtig, die es nicht sind, obwohl ich selbst dann besser weiß.
Ich versuche stets aus diesem Mantel auszubrechen, dass in den meisten Fällen ganz gut funktioniert. Zweimal ist es mir nicht gelungen, denn innerhalb dieses Mantels bin ich angreifbar. Am Ende bedingt das eine das andere und führt unterm Strich zum nicht erwünschten Ergebnis.

So und jetzt sind wir wieder positiv. Ohrläppchen rubbeln und ab dafür *wuzah
Senif hat geschrieben: 28. Mär 2024, 15:36 Ich bin mir nicht sicher, ob diese negativen Bewältigungsmechanismen der Depression entspringen oder eher der Persönlichkeitsstörung.
Aurelia Belinda
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Re: Neuzugang

Beitrag von Aurelia Belinda »

Ich bin da völlig bei Ephemera....
auch wenn keine Persönlichkeitsstörung vorliegt, kann natürlich ein Kontroll Verlust der Gefühle statt finden, ganz klarer Fall...welcher dann letztendlich selbstschädigendes Verhalten beinhalten kann....
Unterdrückte Gefühle jeglicher Art, sei es Wut, Hass, Ohnmacht, spiegeln sich in der Seele und brauchen Ausdruck...
der Schwierigkeitsgrad, diese zerstörerischen Gedanken, Gefühle...bändigen zu wollen, ist sowohl bei Depression, als auch PS ähnlich, denke ich.
Bei mir selbst liegt "nur" Depression vor.
Wobei das Wort NUR natürlich wie Hohn klingt.
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Aurelia Belinda
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Re: Neuzugang

Beitrag von Aurelia Belinda »

@ AllegraLuna,
du schriebst im Eingangsposting:
"man ist doch behütet aufgewachsen, scheinbar"....
mit dieser Frage ob es nur scheinbar so war, beschäftigte ich mich auch oft...
nun ja, die Empfindung welche ich als Kind hatte, deckt sich nicht mit der, wie ich es heute sehe.
Dennoch möchte ich mir nicht vorwerfen, so empfunden zu haben.
In der Pubertät nahm ich langsam wahr, hoppla, da stimmt was gewaltig nicht und setzte mich fortan damit auseinander.
Viele, viele Jahre ohne Therapie.
Das mal bloß zu dem "scheinbar behütet".
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Ephemera
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Re: Neuzugang

Beitrag von Ephemera »

Selbstverletzung kann eine Vielzahl von Funktionen haben.

Bei mir sind es mindestens die folgenden:
- Mich selbst wieder spüren, mich lebendig fühlen, „sehen“ dass ich lebe, durch den Schmerz die Taubheit und Leere überwinden oder gar aus der Dissoziation/Depersonalisation/Derealisation herauskommen
- Mich bestrafen für „Fehler“, das Schuldgefühl ausleben um es danach nicht mehr zu fühlen
- Wenn ein leistungsfordender Anteil mich immer weiter über meine Grenzen treibt ist es manchmal auch ein Hilferuf eines anderen Teils von mir, der verlangt gesehen und beachtet zu werden - der seine Not und Überforderung mitteilen möchte
- Mir selbst beweisen, dass es mir nicht gut geht, wenn ein Teil von mir versucht, sich das einzureden und anfängt alle negativen Gefühle (und damit ALLE Gefühle) zu verdrängen

Und viele dieser Funktionen greifen unmittelbar an depressiven Symptomen an. Der Leere… der Emotionslosigkeit… der Überforderung… den Schuld- und Versagensgefühlen…

Und wenn man seinem Gehirn einmal „beigebracht“ hat, dass diese Strategie funktioniert ist das Umlernen ein wirklich sehr langwieriger und frustrierender Prozess.
Aurelia Belinda
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Re: Neuzugang

Beitrag von Aurelia Belinda »

Ja, sehr gut beschrieben Ephemera....
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Senif
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Re: Neuzugang

Beitrag von Senif »

Bei mir war die Slebstverletzung auch wie du beschrieben hast Ephemera. Aber es war trotzdem ein Symptom von Borderline und nicht von Depressionen. Ich habe auch die Diagnose rezidivierende Depression. Und wenn ich in einer depressiven Episode steck(t)e, dann war von der Persönlichkeit nichts mehr da. Sprich, ich habe auch kein SVV betrieben. Es hätte rein nichts geholfen. Und die Depression ging über Monate, in denen ich schwer depressiv war. Da gab es keine Schwankungen, hätte es auch nicht gegeben, wenn ich mich selbst verletzt hätte.
AllegraLuna
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Re: Neuzugang

Beitrag von AllegraLuna »

Wie hat sich deine Depression geäußert? Wenn ich das fragen darf? Und wie hast du sie in den Griff bekommen? :3
Senif hat geschrieben: 28. Mär 2024, 21:02 Bei mir war die Slebstverletzung auch wie du beschrieben hast Ephemera. Aber es war trotzdem ein Symptom von Borderline und nicht von Depressionen. Ich habe auch die Diagnose rezidivierende Depression. Und wenn ich in einer depressiven Episode steck(t)e, dann war von der Persönlichkeit nichts mehr da. Sprich, ich habe auch kein SVV betrieben. Es hätte rein nichts geholfen. Und die Depression ging über Monate, in denen ich schwer depressiv war. Da gab es keine Schwankungen, hätte es auch nicht gegeben, wenn ich mich selbst verletzt hätte.
Senif
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Re: Neuzugang

Beitrag von Senif »

Ich hatte starke innere Unruhe und war aber nach außen hin erstarrt. Ich dachte ich bin körperlich schwer krank, hatte auch so was wie einen hypochondrischen Wahn, dachte das Leitungswasser ist vergiftet etc... Ich hatte Zwangsgedanken, z.B. vor ein Auto zu laufen, oder die Brücke runter zu springen. Und diese Gedanken hätte ich eben nicht durch SVV beeinflussen können. Die Zeit verging unendlich langsam, ich konnte mir nichts mehr merken, mich nicht mehr konzentrieren. Ich dachte, ich habe Alzheimer. Später erfuhr ich, dass das Pseudodemenz genannt wird, die reversibel ist. Ich hatte das berühmte Morgentief, ich konnte nicht aufstehen. Und ich hatte das Gefühl, ich bewerte nichts mehr, sprich ich konnte auch keine Entscheidungen mehr treffen. Der Antrieb sank auf nahezu null, selbst eine Mail mit einer Zeile zu schreiben, war fast unmöglich.

Wie bin ich da raus kommen: nun, als erstes bekam ich ein Medikament was anschlug: Trimipramin. Davor hatte ich viele probiert, die keine Wirkung hatten. Dadurch wurde ich überhaupt erstmal therapiefähig. Ich machte erst Verhaltenstherapie, was mir aber nicht geholfen hat. Und kam dann die PIA eines Krankenhauses und dort zu einer tiefenpsychologisch arbeitenden Therapeutin. Es war alles ein sehr langer Prozess, der jetzt hier in ein paar Zeilen zusammen gefasst ist. Ich lernte wohlwollender mit mir zu sein, und Mitgefühl (nicht Mitleid) zu entwickeln. Ich versuchte durch Aktivität wieder Freude empfinden zu können. Aktivität angepasst an mein Leistungsvermögen (welches sich dann auch wieder vergrößerte mit der Zeit). Lange Zeit tat ich ohne Freude und irgendwann verspürte ich aber was. Ich hatte mir einen neuen Sport gesucht, der mit heute sehr viel Freude bereitet. Ich spürte wieder mehr Selbstwirksamkeit und merkte, dass ich es in der Hand habe. Ein Gefühl, was in der Depression ja völlig abhanden gekommen war. Ich dachte immer in den Episoden, ich werde nie wieder gesund. Es ist hoffnungslos. Aber das ist die Depression, die das suggeriert und nicht die Realität. Und ganz am Ende habe ich es geschafft meine Opferrolle zu verlassen und mein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Verantwortung für mich und für andere zu übernehmen. Das war ein sehr langer Weg, aber er hat sich gelohnt.

LG Senif :hello:
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