Hallo, mein Name ist ...

Antworten
santix91
Beiträge: 4
Registriert: 18. Feb 2024, 13:14

Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von santix91 »

Jan und ich komme aus Baden-Württemberg.

Diagnosen habe ich einige, aber lieber würde ich schreiben wie es mir geht, zumindest erstmal.

Ich empfinde keine Gefühle ... ich nehme nur die körperlichen Anzeigen wahr. Das Bedeutet, ich bekomm z.b. feuchte Augen oder einen dicken Hals und schließe dann darauf, das ich wohl traurig oder wütend sein muss.

Ob das jemals anders war, kann ich nicht sagen. Ich bin jetzt 32 und hadere schon seit 10 Jahren mit der Wahrnehmung. Meine Partnerin ist das genaue Gegenteil von mir. Sie erlebt Gefühle (für mich und andere) extrem stark und lebt diese auch voll aus. Über die Jahre wurde mir mein "Defizit" immer bewusster.

Ich habe immer wieder den Job gewechselt, hatte nie spaß bei der Arbeit und konnte mich auch zu nichts geselligen, sozialen oder überhaupt zu etwas motivieren.

Auch hier habe ich mich nur angemeldet und schreibe diese Zeilen, weil ich den Eindruck habe etwas tun zu müssen um wieder zu funktionieren. Ein Leben ohne Gefühle kann ich mir nicht vorstellen ... vor allem weil ich ja noch ca. 50 Jahre vor mir habe (im besten; oder schlechtesten Fall ?)

Dinge die erledigt werden müssen, werden auch nur deswegen erledigt. Aber nur aus der Notwendigkeit heraus, nicht weil ich es will oder so.
- Ich Arbeite um Geld zu verdienen, um dinge kaufen zu können.
- Ich kaufe Konsumgüter um vor anderen anzugeben, die es aber mangels soz. Umfeld nicht gibt.
- Ich versuche bei kompetitiven Spielen der beste in der Rangliste zu sein, um der beste zu sein.
Hab aber nichts davon. Und wenn das Spiel zu schwierig ist, lass ich es.
- Vieles tue ich in Erwartung bestätigt zu werden.

Es ist mir auch unmöglich etwas zu Genießen. Ich Esse um mich zu ernähren, dabei gibt's leckerere und weniger leckere Dinge. Wenn Lecker, ess ich mehr davon. bei Pizza kann das ein ganzes Blech (selbstgemacht) sein, oder auch eine Packung Spaghetti mit einer Packung Soße und einer Packung Reibekäse als Mittag+Abendessen. Meist ess ichs auf einmal, brauch dann abends aber nix mehr oder nur eine kleinigkeit.

Für mich gibt es keine Wunder ... ein Regenbogen ist in Wasser gebrochenes Licht ... mir fällt spontan nichts ein, das ich mir nicht erklären könnte.

Ich steh morgens auf und warte auf den Abend, damit ich wieder schlafen gehen kann. Tätigkeiten, bei denen die Zeit schnell vorbei geht sind gut.

Dazu kommen noch diverse Kognitive Einschränkungen ...

- Brainfog
- mieses Gedächtnis
- Konzentration- und Aufmerksamkeitsprobleme
- Desinteresse an Mitmenschen
- langsames Denken

Diagnosen habe ich folgende:
- atypischer Autismus
- Dysthymie (chronische Depr. Verstimmung)
- mittelgradige bis schwere Depr. Episode
- ADS

Dazu kommt dann noch das ich scheinbar Therapieresistent bin
... mehrere ambulante Therapien die letzten 10 Jahre
... mehrere stationäre und teilstationäre Aufenthalte
... zig verschiedene Antidepressiva, die komplett ohne Wirkung blieben oder nur Nebenwirkungen bei der max-Dosis hatten
... ADS-Medikation war auch ohne Wirkung
... EKT und esKetamin stehen mir nicht zur Verfügung. Die Klinik aus deren Einzugsgebiet ich bin, bietet es nicht an und alle anderen Kliniken sagen, das nur Pat. aus dem Einzugsgebiet die Therapie erhalten.

Mangels der Gefühlswahrnehmung fällt auch der konventionelle therapeutische Ansatz weg, den bisher alle Kliniken und Therapeuten verfolgt haben ... tue etwas, das dir "Gut" tut und sensibilisiere dich dafür ... das bringt mir nix. Bei mir gibt's kein "Gut", eig. gibt nur "nicht schlecht".

Und bei vielem fällt es mir auch schwer mich zu motivieren ... wozu auch ... ich hab ja nix davon, keinen spaß, keine Freude, ... nur aufwand und Enttäuschung; bzw. Bestätigung in meinem erleben.

Mir gehen die Optionen aus ... kann nur noch auf Cannabis oder den Herbst zum Pilze sammeln warten. Aber was, wenn das auch nichts bringt?

Krankengeld und ALG sind ausgeschöpft. Mir bleibt nur noch Bürgergeld, und damit in einen anderen Kreis zu ziehen um EKT und esKetamin zu probieren, wird schwierig.
Mayana
Beiträge: 265
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von Mayana »

Hallo Jan,

Das, was du schreibst, klingt auch für mich nach schwerer Depression, ich finde mich darin wieder.
Was mir spontan einfällt, kannst du dich nicht an deine Krankenkasse wenden, dass sie dir Adressen weitergeben für EKT oder die Ketamintherapie? Man weiß ja nie, was dabei noch rum kommt.
Charlotte13
Beiträge: 157
Registriert: 25. Mär 2023, 16:27

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von Charlotte13 »

Hallo Jan,
es tut mir leid, aber hierbei musste ich schmunzeln:
santix91 hat geschrieben: 15. Mär 2024, 11:05- Bei mir gibt's kein "Gut", eig. gibt nur "nicht schlecht"
Ich komme aus Westfalen, für uns ist das hier das höchste Lob was man erhalten kann.

Zum Rest:
Mit dem Regenbogen hast du Recht. Sternenhimmel sind realistisch gesehen auch nichts besonderes, aber halt wie Regenbogen "nett anzusehen". Man muss bei solchen Dingen auch nicht zwangsläufig mehr fühlen. Ich z.b. schaue mir Gerne Sternenhimmel an, weil mich das auf eine gewisse Weise beruhigt. Aber muss man dabei denn unbedingt was empfinden? Ich finde nicht.
Regenbogen sind auch hübsch, Physik kann halt auch geil sein, wenn sie Sichtbar wird.
Ich bin hier schon ne Weile unterwegs und zumindest in einem Teil der Diagnose haben wir eine Übereinstimmung. Meine emotionale Wahrnehmung ist auch eher spärlich, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei dir. Mikse schrieb mir dazu was schönes, eine gute Frage "Suchst du vielleicht zu sehr?"
Sie hatte Recht. Mein Gefühlsspektrum ist deutlich eingeschränkter als das von anderen, und manchmal verzweifel ich daran. Wirklich! Aber: muss das denn immer schlecht sein? Sehen wir die Dinge einfach anders als andere? Müssen wir vor Freude Tränen in den Augen bekommen wenn wir einen Regenbogen sehen oder dürfen wir auch einfach denken "geil, sichtbare Physik" oder ein emotionsloses "hübsch"?
santix91
Beiträge: 4
Registriert: 18. Feb 2024, 13:14

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von santix91 »

Wie motivierst du dich für irgendwas ohne bzw. mit eingeschränkter Gefühlswahrnehmung? Wozu tust du dinge, die du nicht tun musst?
Charlotte13
Beiträge: 157
Registriert: 25. Mär 2023, 16:27

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von Charlotte13 »

Puh...
Es gibt Dinge die ich gerne mache. Und es gibt Verpflichtungen die ich eingegangen bin. Bei mir spielt Verantwortung eine große Rolle. Ich bin zum Beispiel für meine Tiere verantwortlich. Zu 100%. Ich habe nicht immer die Lust, oder Motivation oder die Kraft - aber es ist meine verdammte Verantwortung! In dem Bereich ist es also einfach.
Ansonsten probiere ich Dinge aus.
Manchmal Male ich, wenn es mir nichts gibt, lasse ist es sein. Eigentlich lese ich gerne und viel, aber wenn es mir nichts gibt, lasse ich es halt. Sport - zwinge ich mich zu. Warum? Ich will wieder besser in meine Hosen passen, weil ich zu geizig bin neue zu kaufen.
Ein pragmatischer Ansatz kann sehr hilfreich sein.
Aber: ich will auch wieder im Spiegel sehen mögen was ich sehe.

Du schaffst es offensichtlich eine Beziehung zu führen und das schon länger. Wie schaffst du das? Was ist dein Antrieb in Bezug auf diese Beziehung? Deine Partnerin?
Das schaffst du offensichtlich auch, was einige von uns zum Teil überhaupt nicht hinbekommen.
santix91
Beiträge: 4
Registriert: 18. Feb 2024, 13:14

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von santix91 »

Ich bin verheiratet, ja. Aktuell vermutlich nur aus Angst eine falsche Entscheidung zu treffen und aus Angst jemanden zu verletzten. Außerdem sind da noch die Schuldgefühle, weil ich es ihr schuldig bin zu kämpfen, und ohne gekämpft zu haben mich nicht trennen darf. Außerdem die lange Zeit die wir zusammen waren... und kommt sie ohne mich klar? Wirkliche Hoffnung hab ich keine.

Angst und Schuldgefühle sind meine motivation mich nicht zu trennen ... sehr vielversprechend.
Charlotte13
Beiträge: 157
Registriert: 25. Mär 2023, 16:27

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von Charlotte13 »

Lektion Nummer 1: in einer Episode sollte man keine fundamentalen Entscheidungen treffen

(Lies meinen Thread, dann darfst du gerne laut lachen).

Aber im Ernst. Das ist realistisch betrachtet nicht dein größtes Problem oder?

Angst vor Veränderung ist bei uns genetisch verankert. Hat über Jahrtausende unser überleben gesichert. Du hast einen Haufen an Diagnosen und hast es bis jetzt geschafft nicht völlig durchzudrehen, eine Beziehung zu führen und zu heiraten.
Vielleicht Mal die Perspektive in der Betrachtung ändern.
Ich finde das beeindruckend!

Viele Menschen verstehen nicht, das Kleinigkeiten für uns manchmal schon zu viel sind. Meinen wir stellen uns an etc. Tun wir aber nicht. Wir gehen den selben Weg nur halt mit Marschgepäck. Da gelegentlich mal durchzudrehen ist irgendwo auch legitim.

Bei all den Therapien die du gemacht hast, getestet hast, hast du immer einen Weg gefunden diese zu machen.
Warum denn jetzt damit aufhören?

Und: was willst du erreichen? Besser mit den Einschränkungen klar kommen? Deine Gefühle wahrnehmen? Leistungsfähiger sein?
Du hast ja ein Ziel warum du es machen möchtest, nochmal versuchen möchtest - go for it!
santix91
Beiträge: 4
Registriert: 18. Feb 2024, 13:14

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von santix91 »

Das ich keine wichtigen entscheidungen treffen sollte weis ich. wurde mir oft genug gesagt, hab ich oft genug gelesen.

Mein größtes Problem ist, das ich nicht weis was ich tun soll. EKT und esKetamin geht nicht, Umschulung weiter machen scheint nicht zu gehen weil man sich streitet wer nicht zuständig ist, ich hab kp. woher ich langfristig geld bekomme und wie mein Leben weitergehen soll ...

Veränderung ist nicht das problem. Entscheidung ist es.

Ich möchte einen Sinn im Leben haben. Etwas wo es sich zu leben lohnt. 50 Jahre mich jeden Tag zu allem zu zwingen um irgendwann den letzten Tag zu erleben kanns ja nicht sein.

Es gab 2 Situationen in denen ich zumindest beim ADS und Anspannung fast symptomfrei war.
- Urlaub in McPomm und
- nach 1,5-2t Erde ausm Keller graben, mit Eimern hochtragen und das gleiche wieder mit Sand auffüllen, verdichten und Platten legen. Aber ich kann nicht 2 tage schuften um 1 tag symptomfrei zu sein.

Wenn ich das deute, bedeutet das für mich wegziehen, irgendwohin mit weiten flächen, wind und wasser. und eine physische Arbeit.
Suchende2
Beiträge: 1207
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Hallo, mein Name ist ...

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Jan,

gerade für Menschen im Spektrum gibt es inzwischen für die berufliche Suche mehr gute Anlaufstellen. Dort ist das erste Beratungsgespräch in der Regel kostenfrei. Wenn Du dann den richtigen Träger für Dich gefunden hast, ist die Eingliederungshilfe, die Rentenversicherung oder das Jobcenter für den weiteren Verlauf der Kostenträger. Wer dafür zuständig ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Frage bei Deinem Landesverband nach, ob sie Dir Anlaufstellen nennen können.

Hast Du schon mal eine Autismustherapie gemacht (In der Regel zahlt diese die Eingliederungshilfe)? Hast Du eine Ergotherapie in einer auf Autismus spezialisierten Praxis gemacht?
Beides könnte Dir eventuell auch bei Deinen Problemen helfen.

Alles Gute,
Suchende
Antworten