Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

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DunklerSchleier
Beiträge: 4
Registriert: 22. Feb 2024, 13:21

Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von DunklerSchleier »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier im Forum und würde mich freuen, wenn mir einige erfahrene Hasen einige gute Tipps mit auf den Weg geben könnten.

Kurz zu mir:
Ich bin weiblich, Mitte 40, haben einen erwachsenen Sohn, der schon als es richtig schlimm wurde eine eigene Wohnung hatte und bin Vollzeit berufstätig.

in meinen 20ern wurde ich gerne als Sonnenschein beschrieben, war immer gut drauf, aktiv und gesellig. Aber schon seit langer Zeit haben sich phasenweise dunkle Schleier über die Sonne gelegt und heute gehe ich davon aus, dass es sich um depressive Episoden mit steigender Intensität handelt und mittlerweile hat sich wohl auch noch eine Angststörung dazugesellt.

Die ersten drei Wellen gingen über mehrere Monate, ließen sich aber noch ganz gut bewältigen. Ich habe versucht die Niedergeschlagenheit mit viel Sport zu kompensieren, habe eh schon lange Yoga praktiziert und die Atemtechniken und Entspannungsverfahren haben mir sehr geholfen.

Danach kam aber eine Welle über mich, die mir den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Ich war phasenweise nicht in der Lage aufzustehen, habe mich immer mal wieder zwischendurch kurz krankgemeldet. Manchmal habe ich es nicht unter die Dusche geschafft, massiv an Gewicht verloren, ich habe vorher gekaufte Konzertkarten verfallen lassen, weil ich es nicht geschafft habe hinzugehen, einen lange geplanten Urlaub storniert und in dieser Zeit nahezu mein komplettes soziales Umfeld verloren, da ich es nicht geschafft habe diese Kontakte zu pflegen.

Es ging eine Weile wieder bergauf. Ich habe zwar das Gefühl, dass diese Wellen mich grundlegend verändert haben, mir die Leichtigkeit verlorengegangen ist, aber ich hatte dann tatsächlich fast drei richtig gute Jahre. Ich habe mir ein Hobby suchen können und darüber einen kleinen, lockeren Freundeskreis aufbauen können und dort sogar meinen heutigen Partner kennengelernt. Zuvor habe ich mir 13 Jahre lang keine Beziehung erlaubt und auch hier hatte ich sehr große Probleme mich einzulassen, ich war immer auf der Hut, auf dem Sprung, insbesondere um ihn zu schützen, da er seine langjährige Frau viel zu jung durch Krankheit verloren hatte. Nach und nach gelang es mir aber, mich einzulassen, wir leben zusammen und werden in Kürze heiraten. Er weiß nur in Teilen von meiner Situation. ich war so stabil und habe gehofft, dass nie wieder eine solche Welle über mich hineinbricht und wollte ihn nicht belasten.
Nun war es aber vor einigen Monaten so weit.
Diesmal verlief es nochmal anders. ich habe versucht, mich zuhause am Riemen zu reißen und zu funktionieren. Dies hat natürlich nur bedingt geklappt. Meine ehemalige Wohnung bestand noch und ich konnte mich zwischendurch zurückziehen, wenn es ganz schlimm war. Dieses Verbergen zuhause hat dazu geführt, dass ich Panikattacken auf der Arbeit bekommen habe, als würde dort alles rauskommen, was unterdrückt war. Meine Konzentrationsfähigkeit hat massiv nachgelassen, ich hatte Augendruck, Schwindel, Herzrasen und oft das Gefühl, ich kann hier nicht eine Sekunde länger sein. Ich hatte wieder vereinzelte Ausfalltage und war glücklicherweise wegen einer orthopädischen Sache gut zwei Wochen am Stück zuhause. Mir war Kontinuität auf der Arbeit immer sehr wichtig, da diese mir Struktur gegeben hat und ich ansonsten befürchtet habe richtig tief in ein schwarzes Loch zu fallen. In dieser Welle fehlten mir aber ja nun andere Ruhephasen und ich habe meine Aufgaben nicht mehr konzentriert erfüllen können und habe starke Ängste vor möglichen Konsequenzen gehabt, die dann wiederum die Depression verstärkt haben. Ich hatte massive Schlafstörungen und nachts hat sich mein Gedankenkarussel so stark gedreht, dass ich kaum geschlafen habe und wenn dann früh wieder aufgewacht bin, weil mich Alpträume gequält haben. In dieser Welle waren erstmals Suizidgedanken da und sehr stark ausgeprägt, ich habe mich nur noch durch das Hinarbeiten von einem Ereignis zum nächsten über Wasser gehalten.
Hilfe holen war mir gar nicht möglich auf dem Höhepunkt. Ich bin schon an simplen, alltäglichen Telefonaten gescheitert. Ich habe das Gefühl, diese Welle geht gerade vorbei. Die Suizidgedanken sind völlig verschwunden, es ist noch nicht alles wieder gut, aber es gibt vermehrt gute Tage.

Ich möchte nie wieder an diesen Punkt und weiß, dass ich mir jetzt Hilfe holen muss. Auch wenn ich hoffe, dass ich nie wieder solch eine Phase erleben muss, sollte ich schon den Grundstein für ein Hilfepaket gelegt haben, denn wenn ich so tief drin bin, schaffe ich es nicht mehr.

Ich musste mir durch den Umzug eine neue Ärztin suchen, sprich es gibt hier noch kein Vertrauensverhältnis und ich bin so unsicher, was ich sagen soll und habe keine Vorstellung davon, wie denn Ärzte mit so etwas umgehen.

Ich hoffe darauf, dass dies vielleicht wirklich die letzte Welle war und kann es mir nicht vorstellen, jetzt prophylaktisch Medikamente zu nehmen. Andererseits macht es mir Angst, dass ich diese Wellen nicht kommen sehe, es ist kein gravierendes Ereignis, das diese auslöst.
Gibt es jetzt zum Ende der Welle die Möglichkeit einer Bedarfsmedikation, wenn es mit dem Schlafen wieder gar nicht klappt oder bei Panikattacken?
Ist meine neue Hausärztin die richtige Ansprechpartnerin? Ich habe Bedenken, alles wirklich zur Sprache zu bringen. Die suizidalen Gedanken sind seit einigen Wochen komplett weg. Wenn ich diese erwähne, kann sie mich gegen meinen Wilen stationär einweisen lassen? Das ist für mich keine Option, da wir wie gesagt in Kürze heiraten und ich mich jetzt endlich wieder richtig darauf freue.

Wie ist euer Erstgespräch verlaufen und was erwartet mich?
SonneundDunkenheit
Beiträge: 702
Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo DunklerSchleier,

wenn du nicht akut suizidgefährdet bist, wird dich auch niemand gegen deinen Willen in eine Klinik einweisen.

Du hast bereits eine lange Leidensgeschichte. Vieles kommt mir sehr bekannt vor.

Für mich war mein Hausarzt erster Ansprechpartner und dem habe ich auch nur ein Teil der Symptome erzählt wie die Schlafstörungen und den Konzentrationsmangel. Er hat zunächst einmal grundlegende Untersuchungen durchgeführt und als diesbezüglich alles im grünen Bereich lag, hat er mich an Fachärzte vermittelt. Nicht dass er mich loswerden wollte, aber er meinte ich sei dort in besseren Händen.
Über eine Psychiaterin bin ich in eine ambulante Psychotherapie gekommen. Die Gespräche waren sehr hilfreich. Medikamente habe ich ausprobiert, aber Antidepressiva waren nicht wirklich hilfreich. Ein Schlafmittel hingegen schon.
Dein Hausarzt kann Bedarfsmedikamente verordnen.
Prinzipiell ist es natürlich hilfreich zu ergründen, was deine Wellen in Gang setzt. Dafür reicht die Zeit beim Hausarzt aber nicht.
Du kannst dich auch direkt an einen Psychiater wenden, aber meist dauert es mehrere Wochen bis zum Ersttermin.
Ich wünsche dir alles Gute und eine tolle Hochzeit.
Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
Bittermandel
Beiträge: 2288
Registriert: 10. Apr 2021, 09:32

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo Dunkler Schleier

Herzlich willkommen im Forum. Ich würde dir empfehlen zu deiner Hausärztin zu gehen und offen mit ihr reden. Sie soll dir einen dringenden Termin beim Psychiater machen. Das ist wichtig weil der besser entscheiden kann welche Medikamente für dich passend sind.

Ich würde die Medikamente einige Zeit nehmen bis du wirklich stabil bist. Antidepressiva können gut gegen Angst und Panikattacken helfen. Es gibt Präparate die sedierend wirken und zum schlafen gedacht sind.

Da wäre das Mirtazapin oder Trazodon. Ich persönlich nehme Trazodon abends und ich kann damit sehr gut schlafen. Das Trazodon kannst du mit 25 mg beginnen und wenn das nicht reicht pro Woche um 25 mg erhöhen. Ich nehme 150 mg Trazodon zum schlafen. Tagsüber wäre ein Antidepressivum gut, das den Antrieb etwas steigert. Da ist die Auswahl groß und der Facharzt kann aufgrund deiner Beschwerden das passende Medikament auswählen.

Diese Medikamente machen nicht abhängig und man muss die Dosis langsam steigern. Ich würde sie wirklich lange einnehmen. Niemand muss solche schlimmen Zustände aushalten.

Liebe Grüße Bittermandel
Maxegon
Beiträge: 2446
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von Maxegon »

DunklerSchleier hat geschrieben: 26. Feb 2024, 09:51 Ist meine neue Hausärztin die richtige Ansprechpartnerin? Ich habe Bedenken, alles wirklich zur Sprache zu bringen. Die suizidalen Gedanken sind seit einigen Wochen komplett weg. Wenn ich diese erwähne, kann sie mich gegen meinen Wilen stationär einweisen lassen?

Wie ist euer Erstgespräch verlaufen und was erwartet mich?
Hallo DunklerSchleier,

deine Hausärztin ist dein erster Ansprechpartner, sie weiß, an wen du ich wenden kannst, bei psychischen Problemen.
Wenn du einmal Suizidgedanken hattest, erwähne es ruhig, niemand kann dich zwingen oder einweisen lassen!
Ich ging einmal freiwillig in eine Klinik mit ebensolchen Gedanken, ich konnte jeder Zeit wieder gehen und tat es dann auch, als ich feststellte, dass ich da fehl am Platz war.

Vor einem Erstgespräch braucht man keine Furcht haben, im Gegenteil, es hilft sehr oft Vorurteile abzubauen - niemand wird dich zu etwas zwingen, dir aber viele Möglichkeiten aufzeigen.
DunklerSchleier
Beiträge: 4
Registriert: 22. Feb 2024, 13:21

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von DunklerSchleier »

Ich danke euch allen für die Ermutigungen.
Ich werde es auf jeden Fall angehen und berichten
DunklerSchleier
Beiträge: 4
Registriert: 22. Feb 2024, 13:21

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von DunklerSchleier »

Hallo zusammen,

ich möchte mal ein kurzes Update geben.

Ich habe eine Termin mit meinem neuen Hausarzt gemacht und diesen auch wahrgenommen.
Er war tatsächlich sehr verständnisvoll, hat aber schon intensiv nachgehakt, was die Suizidgedanken betrifft, was natürlich wichtig und richtig ist.

Da eine erbliche Vorbelastung bei mir besteht und die Schübe nicht durch äußere Einflüsse ausgelöst werden spricht er von einer endogenen Depression, die gut medikamentös behandelt werden kann.

Die erste Überlegung von ihm war Citalopram, aber gerade weil ich mir auch Sorgen wegen der Arbeit (Konzentration, Merkfähigkeit) mache, hat er zu Brintellix geraten, das ich aber selbst zahlen und muss, da es in Deutschland vom Markt genommen wurde, da es keine Einigung wegen der Kostenerstattung gab. Es ist wohl signifikant teurer als andere Antidepressiva, er bewertet es aber als sehr gut geeignet und verträglicher.

Nun ist es über die Apotheke aus Finnland bestellt und wird in 8-12 Tagen ankommen.

Sobald es da ist soll ich einen Termin für 7-10 Tage später machen um zu besprechen, wie ich es vertrage.

Hat von euch jemand Erfahrungen mit Brintellix?
Mayana
Beiträge: 278
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von Mayana »

Hallo Dunkler Schleier,

Ich weiß nur, dass Brintellix zur Gruppe der SSRI gehört. Wieso da nicht zuerst andere Wirkstoffe ausprobiert werden erschließt sich mir nicht ganz, denn Konzentration und Merkfähigkeit müssen nicht unbedingt mit Medikamenten in Zusammenhang stehen, sondern können bei Depressionen an sich schon beeinträchtigt sein. Muss das Medikament jedes Mal aus Finnland geordert werden?


7-10 Tage ist auf jeden Fall ein sehr vorsichtiges Vorgehen, ich würde zu dem Zeitpunkt noch keine großen Sprünge erwarten.
Ist irgendwann geplant, einen Facharzt (Psychiater) hinzuzuziehen?
DunklerSchleier
Beiträge: 4
Registriert: 22. Feb 2024, 13:21

Re: Ich möchte mir ärztliche Hilfe holen. Was erwartet mich?

Beitrag von DunklerSchleier »

Hallo Mayana,

er hat mich schon drauf hingewiesen, dass es länger dauert, bis die Wirkung einsetzt. Es geht ihm wohl um ein Feedback zur Verträglichkeit.
Er hat dies schon verordnet und gute Rückmeldungen bekommen.

Ich habe ihm gesagt, dass ich Sorgen wegen der Nebenwirkungen mache und natürlich auch bei unserer Hochzeit nicht neben mir stehen möchte.
Auch die Sorge um die Konzentrationsfähigkeit im Job habe ich betont und er hat gesagt, dass es ein Antidepressiva gibt, dass diese merklich steigert, eben Brintellix. Zudem soll es weniger Nebenwirkungen haben als andere Antidepressiva. Er ist damit eher auf meine Sorgen eingegangen, hat es mir nicht "angequatscht". Er hätte mir wie gesagt auch Citalopram aufgeschrieben. Er hat ja nichts davon, dass ich es selbst zahlen muss.

Es muss auf jeden Fall immer importiert werden, weil es hier ja wie gesagt vom Markt genommen wurde. Es wird wohl in skandinavischen Ländern und Österreich verordnet, auch in Amerika unter einem anderen Namen. Ich konnte aber hier mit dem Privatrezept in die Apotheke gehen und darüber wurde es für mich aus Finnland bestellt.

Heute war von einem Facharzt nicht die Rede, das kann aber ja noch kommen.
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