Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

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Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Ephemera »

Hallo zusammen,

da ich gerade nach über 2,5 Jahren in meiner Therapie wieder an einem Punkt bin, an dem ich vor jeder Sitzung Angst habe und gegen einen starken Widerstand ankämpfen muss, um die Termine wahrzunehmen, wollte ich einmal fragen, wie es Euch so damit geht.

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die meisten Menschen gerne zu ihren Therapiestunden gehen, da sie dort ja einem Menschen begegnen, der ihnen wirklich zuhört und sie mit ihren Nöten und Sorgen an- und ernstnimmt.
Ist das hier bei jemandem so?

Ich schätze meine Therapeutin sehr. Sie hört mir zu. Sie reagiert immer einfühlsam und verständnisvoll. Es ist sehr wertschätzend. Ich halte sie für fachlich gut und finde sie sympathisch.
Und trotzdem fühle ich mich immer unbehaglich, wenn ich über mich, meine Gedanken, Gefühle oder Verhalten sprechen muss.
Da ist extrem viel Angst und Scham mit im Spiel. Oft kann ich nicht das sagen, von dem ich denke, dass ich es eigentlich sagen sollte - kann Themen nicht ansprechen… einfach, weil SPRECHEN ein riesen Problem für mich ist.
Aufschreiben und Vorlesen geht auch nicht, weil ich dann beim Vorlesen „zensiere“ und nicht alles vorlese, was ich zuvor aufgeschrieben habe. Und aufschreiben und ihr geben habe ich bisher nur in zwei oder drei wirklich entscheidend wichtigen Dingen getan, die ich einfach nicht ansprechen konnte, die sie aber meiner Meinung nach wissen „musste“.
Sonst denke ich oft: wenn ich nichtmal schaffe es zu erwähnen, dann ist es wohl nicht wichtig genug - dabei ist es glaube ich eigentlich genau umgekehrt: je stärker die Sprachbarriere bei einem Thema ist, desto wichtiger wäre es, genau darüber zu sprechen.

Also ihr Lieben: wie geht es Euch mit der Therapie?
Könnt ihr über das sprechen, was Euch gerade wirklich bewegt?
Habt ihr vielleicht Tipps gegen Angst und Scham für mich?

Viele Grüße
Schlaflos24
Beiträge: 71
Registriert: 5. Feb 2024, 21:21

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Schlaflos24 »

Hi 🙋🏼‍♀️
Bei mir ist es nicht so ganz wie bei dir. Mache mir allerdings vor jeder Stunde auch einen Kopf (und das schon Tage vorher) und habe Probleme zur Stunde hinzufahren. Man weiß ja nie, was und welche Gefühle in einem hochkommen.
Ich denke gerade bei tiefenpsychologischen Sitzung ist das bei vielen der Fall. Bestimmt wird das mit der Zeit einfacher.
Letztendlich ist der Therapeut jemand, der dir helfen will und deine Probleme Ernst nimmt und schon viel Schlimmeres gehört hat.
Tipps kann ich dir leider keine geben.
BadewanneVollGeld
Beiträge: 86
Registriert: 7. Okt 2015, 11:34

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von BadewanneVollGeld »

Hallo Ephemera,

sicherlich hilft es, eine einfühlsame Therapeutin zu haben, aber ich kann absolut nachvollziehen, dass über schwierige Dinge sprechen schwierig bleibt, ganz unabhängig vom Gegenüber.
Ich hatte auch gute Therapeuten, aber so Gedanken wie: "Ja, bisher war er verständnisvoll, aber was, wenn er bei dieser Aussage kein Verständnis mehr hat?"
Oder auch: "Was, wenn sie denkt meine Gefühle sind falsch und traut sich nicht das zu sagen, weil sie zu professionell ist?"
Alle Therapeuten haben mir über die Jahre versichert, dass es ok ist, diese und jene Gefühle/Gedanken zu haben. Nicht einer hat mir jemals etwas vorgeworfen, sich komisch verhalten oder mir irgendwie einen Strick draus gedreht.
Ich glaube auch mittlerweile nicht mehr, dass sie mir über Jahre was vorgespielt haben und in Wirklichkeit dachten, dass ich die schlimmste Person auf der Welt bin...
Das ist allerdings eine Erfahrung, die ich über viele Jahre immer und immer wieder gemacht habe, von daher wird dir das wohl nicht helfen, deine eigenen Ängste zu überwinden.

Du schreibst, du hättest gelesen, dass es Menschen gibt, die gerne zur Therapie gehen. Ich denke solche Menschen kann es durchaus geben, wenn man sonst niemanden hat. Ich z.B. fahre mittlerweile gerne zu meiner Ergotherapie, weil sie mir gut zuhört und mich lobt, was ich sonst nirgends bekomme. Aber während meiner Psychotherapien, wo es ja wirklich ums Eingemachte geht, da bin ich nicht so gerne hin. Ich wusste, es ist notwendig. Ich wusste, langfristig ist es gut für mich. Aber kurzfristig bedeutet es erst mal Angst, Scham, Nervosität, an mir arbeiten, viel Weinen. Alles anstrengende Sachen..

Wobei ich auch teilweise aus anderen Gründen nicht mehr gerne zur Therapie gegangen bin. Ein Therapeut hat immer und immer wieder nach meiner Kindheit gefragt, ich habe aber nur sehr sehr wenige Erinnerungen daran, sodass meist die Antwort "weiß ich leider nicht" lautete. Das war für ihn unbefriedigend und ich fühlte mich enorm unter Druck gesetzt, bin auch irgendwann geplatzt und einfach gegangen. In der nächsten Stunde haben wir darüber geredet und er sagte, er würde es künftig versuchen zu akzeptieren, wenn mir Erinnerungen fehlen und ich seine Fragen daher nicht beantworten kann.
Ein paar Jahre später bin ich nicht gerne hingegangen, weil ich das Gefühl hatte, die Therapie bringt mich nicht mehr weiter, obwohl ich alles versuche - irgendwann habe ich dann auch die Therapieform gewechselt.

Ich wünsche dir viel Glück und Erfolg für den weiteren Verlauf deiner Therapie.

Liebe Grüße
BvG
Mayana
Beiträge: 268
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Mayana »

Nun ja, wer geht schon gerne zur Psychotherapie. Interessant, aufschlussreich ist es im besten Falle, aber der Weg dahin ist steinig.
Ich mache mir jedenfalls keine Gedanken, ob ich etwas bestimmtes sagen sollte oder nicht, ich blende für die Dauer der Sitzung größtenteils aus, dass da ein Fremder vor mir sitzt. Für mich ist das die gleiche Sparte wie ein Arzt, der ja auch möglichst genaue Informationen braucht - nur in der Therapie hat man mehr Zeit, etwas genauestens aufzudröseln.
DieNeue
Beiträge: 5339
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Ephemera,

ja, ich bin gerne zu meiner Therapeutin. Bei einem Therapeuten, zu dem ich nicht gern gehe, würde ich keine Therapie mache. Man kann auch gern zur Therapie gehen, auch wenn es ans Eingemachte geht und auch wenn es schwierige Gespräche sind, man sich überwinden muss etwas zu erzählen. Natürlich ist es anfangs ungewohnt und eine Überwindung, aber sowohl meine Therapeutin als auch meine aktuelle Beraterin sind für mich Vertrauenspersonen geworden, wo ich weiß, dass die nichts schlechtes für mich wollen, dass sie ehrlich sind und nicht blöd reagieren. Im Normalfall schauen die auch drauf, dass sie mich nicht total überfordern und ich nicht in einem schlechteren Zustand nach Hause gehe als ich ankam.
Man muss auch nicht alles auf einmal auf den Tisch legen, wenn man noch zu wenig Vertrauen hat. Dann muss das Vertrauen halt noch wachsen. Manchmal dauert es auch Monate, bis man an den Punkt kommt, an dem man darüber reden kann. Vielleicht ist es einfach auch noch nicht an der Zeit über manches zu reden? Bei mir war/ist es auch nicht so, dass ich mir denke, ich will oder sollte mit der Therapeutin über Thema X reden und dann mache ich das gleich. Das dauert dann auch manchmal ein paar Termine, bis man sich dem Thema angenähert hat. Da kann man dann Schritt für Schritt testen, wie die Person reagiert und wie es einem auch selbst damit geht, das Thema anzuschneiden. Und irgendwann ist dann der Tag, wo es sich dann entweder im Gespräch ergibt oder wo ich hingehe mit dem Vorsatz, dass ich darüber reden will.

Sich wirklich jedesmal hinquälen sollte man sich meiner Meinung nach nicht zu einer Therapie. Ich war eher oft sehr froh, wenn ich einen Termin hatte.
Ich sehe Therapie aber auch als etwas Positives an. Ich will mich weiterentwickeln, ich will vorankommen, mich verändern. Ich kann mir aber vorstellen, dass es v.a. für traumatisierte Menschen schon auch sehr schwer sein kann eine Therapie zu machen.
Was für mich wichtig ist, ist, dass ich merke, die Therapeutin mag mich und arbeitet gerne mit mir. Dann fällt es mir auch leichter mich zu öffnen.

Fällt dir das Sprechen mit anderen oder das Sprechen über persönliche Dinge generell schwer oder nur bei ihr?
Und hast du schon mal angesprochen, wie schwer dir das Sprechen in der Therapie wirklich fällt?

Liebe Grüße,
DieNeue
Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Ephemera »

Vielen Dank für Eure Antworten!
Sie bedeuten mir viel.

Ich gehe seit über 2,5 Jahren außerhalb von Urlaub und Krankheit wöchentlich zu ihr. Wir sind bei Sitzung 93 oder so.
Also mit „das gibt sich“ oder es wird einfacher, wenn Vertrauen aufgebaut ist, wird das nichts mehr werden.

Auch ich sehe Therapie als etwas Positives. Als eine Hilfe dabei mich und meine Schwierigkeiten zu verstehen und meine Gedanken und Handlungen zu hinterfragen und allmählich verändern zu können. Ich habe eine hohe „Therapiemotivation“ - wurde mir schon an verschiedenen Stellen bescheinigt…

Und ich bin mir 99,99%ig sicher, dass sie niemals auf eine für mich ungute Art auf etwas reagieren würde. Ich schätze sie sehr und bin sehr froh sie zu haben.

Ich kann mit niemandem über meine Gefühle und Gedanken sprechen. Schreiben ja, sprechen nein.
Insofern ist schon das, was ich dort schaffe, ein Kraftakt für mich. Weil ich immer gegen Angst und Scham ansprechen muss.
Wenn ich mit jemandem persönlich zusammensitze bin ich fast immer hinter einer Fassade. Selbst bei meinem Mann. Freunde habe ich keine. Zur Familie so gut wie keinen Kontakt. Ich bin nur dann wirklich ich wenn ich alleine bin - unbeobachtet. Und wenn ich schreiben kann. Denn dann hält mich kein automatischer Schutzmechanismus davon ab, mich zu öffnen und mitzuteilen.

Meine Sprechhemmung wird immer mal wieder Thema.
Da sie uns das Arbeiten natürlich schwer macht.
Vom Kopf her verstehe ich, woher sie kommt und wie sie entstanden ist… ich weiß, wovor sie mich beschützen möchte. Aber das ich das verstandesmäßig erfasst habe ändert nichts an meiner Unfähigkeit und Überforderung, wenn ich stumm bleibe obwohl ich etwas zu sagen hätte. Obwohl ich es sagen will. Obwohl ich weiß, dass es notwendig und richtig wäre.
Das Gefühl und der Vermeidungsreflex sind viel stärker und schneller als ich. Manchmal fühle ich mich wie gefangen hinter dieser Barriere, durch die es kein Durchkommen gibt.

Manchmal habe ich sogar ausformulierte Sätze im Kopf… sage sie mir innerlich immer wieder… aber es ist, als wäre die Verbindung zu Mund, Zunge und Stimmbändern durchtrennt. Ich kann dann einfach nicht sprechen.
07cat
Beiträge: 5
Registriert: 15. Feb 2024, 09:16

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von 07cat »

Liebe Epherma,
bei allem, was ich hier bis jetzt gelesen habe, denke ich, dass es Dir vielleicht helfen könnte, wenn Du entweder mit Deiner Therapeutin chattest,
oder Du mailst ihr Deine Gedanken zu einem Thema, wenn es Dir in den Sinn kommt. So umgehst Du den Impuls, Deine Worte zu zensieren.
Sie sind ja dann schon bei Deiner Therapeutin im Email Posteingang. So kann sie sich auch viel besser auf die nächste Sitzung vorbereiten.
Dadurch musst Du auch nicht alles laut aussprechen, was aber für die Therapie wichtig ist.
Sie soll Dir ja helfen, z.B. innere Ängste und Scham nach und nach abzubauen.

Ich weiß selbst, wie schwer es manchmal in einer Therapie sein kann, genau das zu formulieren, was einen wirklich im Innern bewegt.
Da es Dir tatsächlich leichter fällt, Deine Gedanken auf zu schreiben, nutze diese Möglichkeit doch einfach für Dich.
Liebe Grüße,
07cat
doreen1
Beiträge: 5
Registriert: 8. Apr 2024, 18:06

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von doreen1 »

Hallo, ich hatte wohl sehr viel Glück mit meiner Therapeutin, freue mich jedes Mal und die Aufregung legt sich allmählich. Wir haben auch schon Therapiestunden per Zoom gemacht, ich fand es richtig gut, keine Parkplatzsuche und Anfahrtsstress und eine entspannte Atmosphäre, eigene Wohnung, das kann auch helfen, meine Erfahrung , sich sicher zu fühlen und die Beziehung langsam aufzubauen.LG
Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Ephemera »

Ich habe bei Online-Sitzungen spannenderweise und leider ganz gegenteilige Effekte.

Zunächst muss ich mit einem Post-It das Fenster auf dem Bildschirm überdecken, auf dem ich mich selbst sehen würde - sonst geht nämlich schon mal gar nichts.

Durch die fehlende Anfahrtszeit mit Parkplatzsuche und anschließendem Fußweg habe ich zuhause zu viel Zeit, mich schon im Voraus komplett in nervöse Anspannung hinein zu steigern. Wenn es dann Zeit für die Sitzung ist, muss ich mich regelrecht zwingen und überwinden, um mich in diese einzuloggen - weil mein Körper komplett im Fluchtmodus ist.

Außerdem geht viel Köpersprache, Mimik und Gestik und Feinheiten in der Sprache verloren. Das verunsichert mich stark, da ich mein Gegenüber nicht mehr gut einschätzen kann.

Vielleicht bin ich doch einfach irgendwo zu beschädigt, um genügend Vertrauen und Sicherheit aufbauen zu können.
Denn ich wüsste nicht, was sie anders oder gar besser machen könnte. Ich bin das Problem.
Carlchen65
Beiträge: 2
Registriert: 10. Apr 2024, 09:19

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von Carlchen65 »

Ja ich gehe gerne dorthin. IEs ist auch so ein Ritual. Gleiches Parkhaus, gleicher Stellplatz, kurz in die Drogerie (die ist nämlich größer wie meine vor Ort). Das Ambiente ist schön, denn es ist ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert und ist so schön verwinkelt.
Wenn ich keine Stunden mehr habe, wird mir echt was fehlen.
GuntherBandel
Beiträge: 17
Registriert: 29. Dez 2020, 13:07

Re: Geht ihr gerne zu Euren Therapiestunden?

Beitrag von GuntherBandel »

Hallo in die Runde, hallo Ephemera,

ich gehe gern zu meiner Therapeutin. Das mit dem besser schreiben als sprechen können kenne ich auch.

Ich gehe bisher davon aus, dass da einiges aus meiner Kindheit kommt, da meine Eltern auch wenig gesprochen haben.
Oder ich bin vielleicht auch einfach ein introvertierter Typ.

Das alles versuche ich momentan nach und nach mit der Therapeutin rauszufinden (tiefenpsychologischer Ansatz)

Mit meiner Frau geht es mir auch ähnlich, dass es mir eher schwer fällt, darüber zu sprechen, was mich so beschäftigt u.s.w.,
was sie dann wiederum manchmal aufregt und zu Konflikten führen kann.

Aber ich habe das Gefühl, dass ich mit der Therapeutin auf einem guten Weg bin, herauszufinden, wer ich bin und was mich ausmacht und was ich verändern kann, um besser durchs Leben zu kommen.

Viele Grüße
Antworten