Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

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Michi123
Beiträge: 2
Registriert: 6. Feb 2024, 20:59

Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Michi123 »

Hey,
Ich bin neue in diesem Forum und wollte euch gerne um einen Rat fragen ... Denn ich weiß langsam nicht mehr weiter.

Vorab erstmal ein paar Infos zu mir.
Ich bin 27 Jahre, und kämpfe seit Jahren immer wieder mit Depressionen. Ich bin seit einiger Zeit in regelmäßiger Therapie und mit Antidepressiva eingestellt. Vor gut einem Jahr war ich 13 Wochen in einer Tagesklinik für Psychotherapie. Dort habe ich die Diagnosen Rezivierende Depressive Störung, Kindheitstraumata und Soziale Phobie bekommen. Außerdem gehen die Ärzte davon aus das ich seit meinem 6 Lebensjahr immer wieder Depressive Episoden hatte. Ich wurde in meiner Kindheit stark gemobbt und bin hochsensibel.
Seit dem ich mich daran erinnere kann ist jeder Tag ein Kampf für mich. Klar habe ich gute und schlechte Tage aber auch an guten Tagen fühlt sich mein Leben an wie ein Kampf. Ich lebe seit einiger Zeit wieder bei meinen Eltern, da ich alleine nicht in der Lage bin alles auf die Reihe zubekommen. Trotz meiner Erkrankung übe ich einen Vollzeit Job aus, in dem ich mich zurzeit eher so durchschlage. Denn ich habe seit einiger Zeit das Gefühl meine Antidepressiva auf die ich eigentlich super eingestellt war, wirken nicht mehr. Die Ärzte haben mir zwar gesagt dass das passieren kann, doch trotzdem rutsche ich gerade wieder ziemlich ab...
Ich dachte ich hätte mich mit meiner Krankheit abgefunden und es wäre, soweit das überhaupt möglich ist, ok für mich. Doch seit einigen Tagen macht sich in mir das Gefühl breit das ich keine Kraft und auch keine Lust mehr habe ständig kämpfen zu müssen. Und es kommen mir Gedanken in den Sinn dass das ständige kämpfen doch keine wirkliche Lebensqualität hat und dass ich nicht weiß wie lange ich die Kraft dafür noch habe. Und das macht mir eine riesen Angst.
Wie schafft ihr es nicht die Kraft und den Mut bei diesem ständigen Kampf zuverlieren?
Mayana
Beiträge: 268
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Mayana »

Hallo Michi,

Du bist nicht alleine. Meine Depressionen starteten ungefähr im gleichen Alter wie bei dir und mittlerweile ist auch bei mir jeder Tag ein Kampf. Auch meine AD versagten, seitdem probiere ich Medikament nach Medikament aus. Auch zur Psychotherapie bin ich gegangen und werde auch bald wieder gehen.

Mein letzter Nothebel ist ein Anti-Suizidvertrag, den ich mal mit einer Therapeutin eingegangen bin. Darin habe ich mich verpflichtet, wenn diese Gedanken aufkommen entweder zu meinem Arzt oder direkt in die Notfallambulanz zu gehen.
Katerle
Beiträge: 11231
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Katerle »

Hallo Michi,

herzlich Willkommen im Forum. Auch ich kenne dieses Gefühl...
Fühlte mich jetzt länger stabiler, doch in letzter Zeit habe ich auch immer mal wieder ein paar Einbrüche, trotz Therapien und Klinikaufenthalte. Und ja, manchmal habe ich auch Angst, diesen Kampf zu verlieren, wenns mir mal wieder sehr schlecht geht. Dann mache ich mir bewusst, was mir in solchen Phasen geholfen hatte und wende das Gelernte weiter an. Ausserdem lasse ich mir dann auch wieder einen Termin von meiner Psychologin geben, denn diese Gespräche sind auch ganz hilfreich für mich.
Und ich versuche mich auf das zu besinnen, was noch gut läuft in meinem Leben. Tue mir was Gutes, wenn möglich. Mehr Lebensqualität wünsche ich mir auch, für uns. Mein P. möchte seinen Arbeitsstress etwas runterfahren, was ihm zwar noch nicht so gelingt und ich wünsche ihm, dass er es hinbekommt.

Alles Gute und Durchhaltevermögen,
Katerle
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1666
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Michi123,

herzlich willkommen hier im Forum. Ich bin mir sicher, dass Sie ganz wunderbar aufgenommen werden und hoffentlich von der tollen Community hier profitieren werden. Das Diskussionsforum ist vielen hier eine wertvolle, zusätzliche Unterstützung.

Mayana und Katerle haben es schon empfohlen und auch von der Moderation der Hinweis an Sie: ärztlich/therapeutische Unterstützung ist ganz wichtig. Wie Mayana schreibt, es ist wichtig dass Sie wenn diese Gedanken aufkommen, direkt Ihren Behandler oder aber die Notfallambulanz aufsuchen. Im Rahmen der Behandlung kann auch Ihre Medikation überprüft werden, das haben Sie in Ihrem Beitrag ja schon angesprochen.

Unterstützende Grüße
Anne Blume
Ralfk
Beiträge: 4
Registriert: 20. Jan 2024, 09:15

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Ralfk »

Moin zusammen,
ich habe auch seit Jugend diese rezidivierende Depression, meinte früher, älter als 40 werde ich damit nicht. Nun bin ich fast 61.
Es kommen immer wieder solche Phasen, man versteht eigentlich garnicht mehr welchen Sinne sie machen. Ist neidisch auf andere, bei denen (offenbar) alles toll ist, die ohne was durchs Leben kommen.
Das Problem ist auch, das man sich mit der Zeit immer mehr selbst abwertet, was aber falsch ist. Die Gedanken dazu sind Gedanken und ich habe gelernt dass sie oftmals nicht mit der Realität übereinstimmen. Man lebt dadurch auch sehr viel im negativen Focus.
Was mir immer etwas geholfen hat sind auch so kleine Erfolge und wenn es nur die 20 Bahnen schwimmen sind, das hilft erstmal anzuerkennen, dass ich etwas schaffen kann. Mein soziales Umfeld, in dem ich offen sage, es geht mich nicht gut und ich weiss, ich bin nicht allein damit. Partnerschaften sind manchmal sehr schwierig wenn Depressionen vorhanden sind. Man muss aufpassen, dass man nicht zu negativ wird und muss sich selbst auch noch in den Griff bekommen.
Ich würde an Deiner Stelle mir einen "Grübelstuhl" zuhause hinstellen, wo ich immer dann rauf muss, wenn diese Gedanken kommen, wo man sich immer gerne reinsteigert. Fange ich an zu Grübeln, muss ich da rauf.
Medikamente solltest Du auch natürlich immer im Auge behalten und dass mit dem Arzt fortlaufend besprechen wenn sich etwas ändert.
Wünsche Dir alles Gute.
Ralf
Maxegon
Beiträge: 2426
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Maxegon »

Ralfk hat geschrieben: 8. Feb 2024, 10:17
ich habe auch seit Jugend diese rezidivierende Depression

...

Ich würde an Deiner Stelle mir einen "Grübelstuhl" zuhause hinstellen, wo ich immer dann rauf muss, wenn diese Gedanken kommen, wo man sich immer gerne reinsteigert. Fange ich an zu Grübeln, muss ich da rauf.
Der Grübelstuhl ... da musst du drauf! ... wie gruselig!
So erhält man die Angst am Leben.

Ebenso die Ausssage: du bist (psychisch) krank oder rezidivierend ... wiederkehrend.

Solche Gedanken pflanzen leider oft schon die Eltern bei ihren Kindern ein ... " der schwarzen Mann" oder "wenn du nicht, dann kommt ... "

Alles Respektpersonen, Personen denen man vertraut, man kommt gar nicht auf die Idee, dass sie schwindeln könnten.
Schließlich sind sie ja groß und erfahren oder gebildet und anerkannt.

Sie pflanzen Gedanken in meinen Kopf, die ich meist nie wieder loswerde und je mehr Menschen dem zustimmen, weil ihnen ähnliches widerfuhr, desto fester verankern sie sich in meinen Kopf.

Es wird zu Realität!

Sie wollen mir ja nur helfen, sie wollen, dass ich so denke wie sie.

Vielleicht bin ich ja nur etwas sensibler, habe andere Vorstellungen, empfinde anders, passe eben nicht in die allgemeine Standartform Mensch.

Doch zum Glück kann das ja behandelt werden. Welch Ironie!

Das erinnert mich sehr an den Film (Buch) "Einer flog übers Kuckucksnest".

Will ich mit anderen Menschen zusammenleben, muss ich mich anpassen - keine Frage, mal mehr, mal weniger.

Angst funktioniert immer, bei jedem Menschen, bei jedem Tier.

Aus Angst entsteht Unsicherheit, Angst verhindert das Wachsen von (Selbst-)Bewusstsein, Angst hält klein, macht gefügig.

Das macht mir Angst.

Viel Freude auf dem Grübelstuhl!
Mayana
Beiträge: 268
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Mayana »

Maxegon hat geschrieben: 8. Feb 2024, 13:11
Ebenso die Ausssage: du bist (psychisch) krank oder rezidivierend ... wiederkehrend.

Solche Gedanken pflanzen leider oft schon die Eltern bei ihren Kindern ein ... " der schwarzen Mann" oder "wenn du nicht, dann kommt ...
Bei der Feststellung von rezidivierenden Depressionen geht es ja aber einfach nur um die tatsächliche Feststellung, dass es mehr als eine Episode gab. Da geht es nicht um irgendwelche Gedankeneinpflanzung.
Maxegon
Beiträge: 2426
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Maxegon »

Mayana hat geschrieben: 8. Feb 2024, 14:03 Bei der Feststellung von rezidivierenden Depressionen geht es ja aber einfach nur um die tatsächliche Feststellung, dass es mehr als eine Episode gab. Da geht es nicht um irgendwelche Gedankeneinpflanzung.
Ist ja alles schön und gut!
Doch wenn ich weiß ... wiederkehrend, können gern alle rechthaben und tatsächlich feststellen, doch hilft es mir?

Oder beflügelt es meine Angst vor der Wiederkehr und nährt diese, Wiederkehr?
Mayana
Beiträge: 268
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Mayana »

Maxegon hat geschrieben: 8. Feb 2024, 14:14
Mayana hat geschrieben: 8. Feb 2024, 14:03 Bei der Feststellung von rezidivierenden Depressionen geht es ja aber einfach nur um die tatsächliche Feststellung, dass es mehr als eine Episode gab. Da geht es nicht um irgendwelche Gedankeneinpflanzung.
Ist ja alles schön und gut!
Doch wenn ich weiß ... wiederkehrend, können gern alle rechthaben und tatsächlich feststellen, doch hilft es mir?

Oder beflügelt es meine Angst vor der Wiederkehr und nährt diese, Wiederkehr?
Mir hilft es, achtsam zu sein bei möglichen Triggerpunkten, gegenzuwirken und neue Episoden hinauszuzögern. Ich weiß, wenn diese oder jene Aspekte auftreten, wird es Zeit mich um einen Arzttermin/ Psychotherapieplatz zu kümmern.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von MissMikse »

Hallo Michi und willkommen im Forum!

Ich verstehe, was du meinst. Ich komme auch immer wieder mal an den Punkt, wo ich mich frage: macht das überhaupt noch Sinn, weiter zu kämpfen? Hab ich dafür überhaupt noch Kraft? Ich fühle mich manchmal, als wäre ich ein einsamer Soldat mitten im Krieg, der von allen Seiten um mich rum tobt. Und ich liege allein im Schützengraben und muss irgendwie dagegen ankämpfen, mich schützen, überleben. Dabei kann ich es mir leider nicht leisten, mich zwischendurch auszuruhen, Kraft zu sammeln, weil ich eben alleine die Stellung halten muss. Und dabei bin ich doch so furchtbar müde... Wie soll man das auf Dauer schaffen???

Ich gönne es mir dann auch, mit mir selbst Mitleid zu haben, mich dafür zu bedauern, mein Schicksal zu beweinen - das ist vielleicht auch ein Stück weit das, was Ralf mit dem Grübelstuhl meinte. Wir dürfen unsere schlechten Gefühle zulassen. Sie zu unterdrücken bringt nichts, weil sie sich sonst wann anders ihren Weg suchen, um gehört zu werden. Wir dürfen nur nicht zu lange bei den schlechten Gefühlen bleiben.
Wenn ich also in Selbstmitleid gebadet hab und spüre, dass der größte Druck raus ist, dann lenke ich ganz bewusst den Blick auf die guten Dinge. Dann sehe ich auch wieder, wie sehr sich das Kämpfen bisher doch schon gelohnt hat, weil es mir in vielerlei Hinsicht besser geht als noch vor 10, 15 Jahren. Und es hilft, in Aktion zu kommen, auch so wie Ralf das geschrieben hat. Egal ob es 20 Bahnen schwimmen ist, oder im Haushalt was erledigen, oder sich aufraffen und raus gehen an die frische Luft. Das lenkt vom Grübeln ab. Und hinterher kann man stolz drauf sein, weil man was geschafft hat. Und dann darf ich mich auch selbst loben und mir sagen: "Das hast du gut gemacht."

Mein Motto ist: "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Und die ein oder andere verlorene Schlacht entscheidet noch lange nicht darüber, ob wir den Krieg gewinnen oder nicht. Deswegen raffe ich mich immer wieder auf. So lange ich nicht aufgebe, ist alles noch möglich.
Ralfk
Beiträge: 4
Registriert: 20. Jan 2024, 09:15

Re: Mir geht die Kraft zum kämpfen aus

Beitrag von Ralfk »

Ein großes Problem, was wir doch alle haben und auch ich, dass ich mich sehr oft damit beschäftige, warum dass eigentlich alles so ist und warum die vielen Änderungen im Leben die Depression nicht beenden konnten.
Momentan mache ich eine Gruppentherapie, in der die Thearapeutin über den Weg der Aufklärung - also was genau bei Depressionen vor sich geht, wie sie entstehen können und welche Mittel man kurzfristig anwenden kann - versucht, dass die Teilnehmer etwas mitzunehmen haben. Ein wenig Hilfe habe ich aktuell tatsächlich erlangt, dass ich jetzt eine Strategie habe, mit der ständigen Grübellei etwas anders umzugehen. Was vorher etwa 5 - 10 mal am Tag so war, ist jetzt nur noch 2 - 3 mal so. Ich setze mir Grenzen, die ich immer dann anwende, wenn ich merke es geht wieder los und ich fange an "Nachzudenken"... an dessen Ende meistens nichts positives entsteht.
Eine weitere Erkenntnis ist, das das meiste, das ich mir oft zurechtgrübel, dann doch nicht passiert und das bestätigt mir auch ein bisschen das Erlernte aus der Therapie.
Dann habe ich vor kurzen mal jemand aus meinem Bekanntenkreis gefragt, ob er mich auch so sieht, wie ich mich selbst sehe und er verneinte es und hat mir ein etwas anderes Bild, wesentlich positiveres, von mir geschildert und jetzt versuche ich, es auch mal anzunehmen, weil es die Wahrheit ist. Mit dem Rest, also auch so wie es der Threadstarter Michi beschrieben hat, muss ich mich wohl auch abfinden. Einen Teil der Psychosomatik und der Depression werde ich nicht weg bekommen, also muss ich mich damit irgendwie arrangieren. Nicht weil ich es will, sondern - weil dieser Teil ZU MIR gehört.

Beste Grüße
Ralf
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