Mann depressiv nach Geburt der Tochter

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Meike2012
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Mann depressiv nach Geburt der Tochter

Beitrag von Meike2012 »

Hallo zusammen,

ich bin noch gar nicht sicher, mir welcher Intention ich hier genau schreibe. Vielleicht brauche ich einfach nur die Bestätigung, dass ich was richtig mache, vllt will ich es nur mal alles loswerden und vllt findet sich ja jemand wieder und man lernt Gleichgesinnte kennen. Vielleicht wird es mir aber auch bis zum Ende dieses Beitrags klar.

Mein Mann und ich kennen uns jetzt gute drei Jahre. Wir lernten uns damals in der Psychiatrie kennen. Wir waren beide an Depressionen erkrankt. Irgendwie waren wir sofort auf einer Ebene und hatten das Gefühl, durch den anderen wieder stärker zu werden und uns gegenseitig helfen zu können.

Die letzten Jahre waren ein ständiges auf und ab. Obwohl wir beide dieselbe Erkrankung haben, fehlt es uns doch oft an dem letzten Rest Verständnis für den anderen. Ich habe mich in den letzten Jahren gut gefangen. Ich nehme keine Medikamente, befinde mich auch nicht in Therapie. Mir geht es gut.
Mein Mann ist vom Typ her schon ganz anders als ich, vielleicht ist er auch einfach kränker. (Das hört sich überheblich an, soll es aber gar nicht.) Er lässt sich sehr schnell hängen und findet kaum aus seiner Lethargie heraus, Hilfe annehmen ist für ihn sehr, sehr schwer. Ich glaube, ich erwarte oft zu viel von ihm. Das tut mir leid... Er hat eine krasse Biographie und viele Dinge sind in seinem Leben schief gelaufen. Von Anfang an. Ohne dass er was dafür konnte. Und auch jetzt hat er mit vielen Dingen zu kämpfen. Ich und unsere Tochter... Wir sind quasi alles, was er hat. Er hat (und will angeblich) nicht wirklich soziale Kontakte, er gerät aber auch ständig mit allen aneinander und bricht mit allen. Es ist in meinen Augen ein Muster. Hinzu kommt, dass er momentan ziemlich schnell aggressiv ist, ständig gereizt. Er nimmt mal Medikamente, mal nicht, kümmert sich kaum um sich und seine Gesundheit, lässt sich gehen, ist optisch momentan nicht mehr der, den ich kennengelernt habe. Aber Sex will er natürlich, ich aber eher nicht...

Lange Rede, kurzer Sinn... Er ist psychisch sehr instabil. Vor 3 Monaten ist unsere Tochter geboren, das hat ihn mal wieder so richtig aus der Bahn geworfen. Seitdem geht es ihm gar nicht gut. Das ist genauso verständlich wie schwierig. Auch für mich hat sich viel geändert und ein starker Partner wäre in diesen Zeiten eine große Bereicherung und Hilfe.
Wir haben viel gestritten in der letzten Zeit, weil unsere Nerven einfach blank lagen. Das raubt natürlich noch mehr Energie. Er ist immerhin mittlerweile bereit, sich helfen zu lassen, das dauert natürlich alles. Man findet nicht von heute auf morgen eine/n Therapeut/in und auch Medikamente müssen erstmal verschrieben und genommen werden und wirken.

Immerhin ist es ein Lichtblick und wir verstehen uns aktuell wieder besser. Wir standen ein paar Mal kurz vor der Trennung, ich bin froh, dass wir uns zusammenraufen, auch wenn es sehr oft sehr schwer ist.

Habt ihr auch solche Erfahrungen gemacht? Habt ihr irgendwelche Ratschläge oder einfach ein paar nette Worte übrig!?

Danke für's Lesen.
Meike
bvs
Beiträge: 112
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Mann depressiv nach Geburt der Tochter

Beitrag von bvs »

Die Geburt eines Kindes verändert erstmal wirklich viel. mich hat das damals auch sehr getroffen und unsere Beziehung ging erstmal auf Talfahrt; auch bis zur Fast-Trennung (eine Eheberatung hat uns davor bewahrt). Das ist, denke ich, in der Phase auch ein Stück weit normal.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich kann mir aus eigenem Erleben gut vorstellen, dass wenn du ihn sexuell zurückweist, er sich komplett zurückgewiesen fühlt; das ganze kombiniert mit der nun geteilten Aufmerksamkeit (eine Tochter in dem Alter braucht viel Zuwendung und Zeit, und das wird sich auch erstmal nicht ändern), das kann schon Verlustängste triggern und bei ihm das Gefühl auslösen, nur noch Randfigur zu sein.
Vielleicht kannst du mit ihm reden, *warum genau* du aktuell keinen Sex mehr mit ihm möchtest, und was er beitragen kann, dass es wieder besser wird (ich las heraus, dass seine Körperpflege dich abturnt). Und dann schafft euch unbedingt auch Freiräume als Paar, auch wenn es schwer ist, einen Babysitter zu bekommen und auch als Mutter, das Kind Fremdbetreuen zu lassen. Aber es ist für die Beziehung essentiell wichtig, dass ihr auch Raum eingeräumt wird, wo du "Frau" und er "Mann" sein kann, nicht nur "Mama" und "Papa" und du ihn als Partner wertschätzt.
Meike2012
Beiträge: 2
Registriert: 7. Jan 2024, 14:44

Re: Mann depressiv nach Geburt der Tochter

Beitrag von Meike2012 »

Hey. Danke erstmal für die Antwort...
Du hast absolut Recht mit dem, was du schreibst. Ich kann auch verstehen, dass er sich zurückgestoßen fühlt, ich habe schon mehrfach versucht, sein aktuelles Äußeres zu thematisieren. Ist natürlich ein heikles Thema, vor allem wenn man eigentlich jemand ist, der sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt. Aber unabhängig von dem körperlichen Zustand kann ich auch nicht einfach, wenn es total kriselt, ganz normal Sex haben und alles machen wie immer. Ich versuche ganz häufig mit ihm zu reden. Und ganz oft sagt er gar nichts und frisst sein "Verletztsein" in sich rein. Ich versuche schon, ihn so gut es geht zu verstehen, aber manchmal komme auch ich an meine Grenzen. Hinterher tut es mir leid, wenn ich etwas übers Ziel hinausgeschossen bin. Wenn ich mir vorstelle, wie er sich fühlen muss, tut mir das richtig weh.
Auch für mich war die Geburt unserer Tochter ein krasser Einschnitt. Ich hatte von Anfang an total Probleme, sie abzugeben und anderen zu vertrauen. Ich wollte sie am liebsten 24 Stunden im Arm halten. Auch jetzt gebe ich sie nicht gerne in andere Hände. Aber sie ist auch erst 3 Monate alt, da gebe ich sie noch nicht zu einem Babysitter 🙈 aber das stimmt schon, man darf sich als Paar nicht aus den Augen verlieren. Ich hab das vorher immer gepredigt und jetzt fällt es mir so schwer... Wie soll das auch gehen, wenn ständig der kleine Wurm um einen rum ist. Ich hoffe, das kommt einfach mit der Zeit, dass wir auch mal Zeit für uns haben. da müssen wir uns beide noch etwas gedulden und ich muss an mir arbeiten.
Eine Paartherapie oder wenigstens mal Beratung hab ich auch schon ein paar Mal vorgeschlagen, das will er aber nicht.
bvs
Beiträge: 112
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Mann depressiv nach Geburt der Tochter

Beitrag von bvs »

Ich hoffe, das kommt einfach mit der Zeit, dass wir auch mal Zeit für uns haben.
DAS fällt nicht vom Himmel. Ihr müsst das aktiv priorisieren und in de Alltag einbauen. Und dann dranbleiben und hochhalten, sonst wird das ruckzuck wieder von anderen Dingen gefressen (mit den Verletzungen die da mitkommen).
Aus eigener leidvoller Erfahrung: Währet den Anfängen.
Freiwasser
Beiträge: 39
Registriert: 16. Jan 2024, 12:26

Re: Mann depressiv nach Geburt der Tochter

Beitrag von Freiwasser »

Liebe Meike,
Ich gewichte die Dinge ein wenig anders als die anderen Antwortenden. Dein Impuls, Deine Tochter 24/7 im Arm zu halten, ist doch ganz richtig. Sie ist ein Baby. Ihr habt es bekommen nach relativ kurzer Beziehungsdauer und mit einigen dicken persönlichen Baustellen, da Ihr beide psychische Probleme habt, die stationär behandelt werden mussten. Bei Deinem Freund sind die Baustellen weiterhin sehr akut.
Jetzt ist das Baby da und hat Priorität. Du bist anscheinend trotz psychischer Erkrankung in der Lage, für die Kleine zu sorgen, er nicht. Meiner Wahrnehmung (dessen, was ich lese) nach ist es jetzt nicht Deine wichtigste Aufgabe, Eure Beziehung zu pflegen und dafür zu sorgen, dass die Sexualität wieder auflebt/er sich sexuell nicht abgewiesen fühlt. Sondern einfach, Dich in Deinem neuen Leben als Mutter einzufinden und für Dein Kind zu sorgen. Der Mann sollte seine Verantwortung für Dich und das Kind auch priorisieren und nach bestem Gewissen an sich arbeiten. Aber wenn er das nicht selber kapiert, kannst Du wenig machen.
Paartherapie kann helfen, finde ich gut! Es gibt für Menschen mit Kindern auch kostenlose Beratung über das Jugendamt/die Stadt/Gemeinde.
Alles Gute,
Freiwasser
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