Mutter als "Ventil " ?

Antworten
3kids2cats
Beiträge: 12
Registriert: 12. Nov 2023, 10:07

Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von 3kids2cats »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier, weil ich mich nach Monaten nun doch dazu entschlossen habe, mir selbst irgendwie Hilfe zu holen.

So, wo fange ich am besten an...
Ich bin Mutter von 3 jungen fast-Erwachsenen (15, knapp 18 und 20).
Nach meiner Trennung 2017 bin ich alleinerziehend, habe seit 3 Jahren wieder einen Partner, allerdings mehr oder weniger in Wochenendbeziehung.
Seit Anfang 2023 zeigte mein großer Sohn immer stärker werdende Anzeichen von Depressionen, was dann im April/Mai richtig schlimm wurde.
Leider ist er völlig uneinsichtig, was Hilfsangebote angeht.
Ich bin mit allen bisherigen Ideen durch, habe selbst mit der Sozialpsychologin der Uni Kontakt aufgenommen, habe mit seinem Vater überlegt, was wir tun können, habe ihm Hilfe angeboten, zum Hausarzt zu gehen als ersten Schritt, mit ihm eine Therapiestelle zu suchen, ihn unterstützt und motiviert, ihn in Ruhe gelassen, mit ihm eine Studentenwohnung gesucht, weil er hier raus wollte.
Er gehört natürlich wie so viele hier zur "Generation Corona", war schon immer menschenscheu, sehr introvertiert und nicht sehr selbstbewusst.
Zudem ist er wohl hochsensibel ( nicht diagnostiziert, aber es treffen quasi alle Symptome auf ihn zu) und mit hohem IQ "gesegnet" ( mit gerade 20 Jahren im 5. Semester Informatik Studium) .
Ich weiß mir selbst nicht mehr zu helfen und es geht natürlich inzwischen kräftemäßig an meine Grenzen.

Ich bin diejenige, bei der er "ablädt", die seine Verstimmungen abbekommt, bei der er mit Suizid droht , die er anschreit und der er Vorwürfe macht.
Es ist nicht richtig, wenn ich mich nach ihm erkundige, ihm frage wie es "heute geht" ... und es ist nicht richtig, wenn ich ihn nicht frage. Dann bin ich ignorant.
Wenn ich ihn nicht so gut kennen würde (war schon immer mein "Problemkind" ) , könnte man meinen, er spielt ein Spiel damit, dass ich mich schlecht fühle. Weil ich hilflos bin und mich sorge. Und er darauf abzielt.

Und andererseits erzählt er mir, dass er nicht auf die Straße gehen mag, weil da nur glückliche Menschen sind und er das nicht erträgt.
Er hätte gern eine Freundin, aber schafft es nicht, aktiv unter Menschen zu gehen.
Die Hilfsangebote schmettert er ab mit "ich will mich doch nicht 10 min nach so einer Sitzung gut fühlen, um danach in ein noch tieferes Loch zu fallen" .
Und "unter Drogen setzen lass ich mich keinesfalls " .
Er ist wirklich rappeldürr und isst aber normal.
Mein Angebot, sich einfach mal gesundheitlich beim Hausarzt durchchecken zu lassen, hat er abgewimmelt " ich hab schon genug Probleme, ich brauch nicht noch eins" .
Es gibt Abende, da schreibt er mir, wie schlecht es ihm geht und pflaumt mich regelrecht an. Wenn sein Vater ihm schreibt (zeitgleich) ist "alles okay" seine Antwort.

Ich arbeite Vollzeit und hab noch 2 Teenies ( und 2 Katzen), ich bin am Ende meiner Kräfte. Und doch hat es schon mal geholfen, das mal zu formulieren in einem "Raum", in dem ich mir Verständnis und vielleicht ein paar Tipps erhoffe.

Wer bis hier her gelesen hat Dankeschön ❤️
Und wer vielleicht sogar antwortet... noch mehr Danke❤️❤️❤️
Bittermandel
Beiträge: 2290
Registriert: 10. Apr 2021, 09:32

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo 3kids2cats

Ich würde an deiner Stelle mal für mich mit einem Therapeuten reden. Im Notfall ist auch die Telefonseelsorge ein guter Ansprechpartner. Dein Sohn ist zwanzig Jahre alt, deine Pflichten sind eigentlich erfüllt er ist erwachsen und muss selbst entscheiden wie es mit ihm weiter geht. Du bist alles Mutter nicht automatisch sein Prellbock sondern hast es verdient mit Respekt behandelt zu werden. Wenn der Sohn keine Hilfe annimmt dann lass es. So schwer es dir fällt. Vielleicht muss er erst richtig auf die Fresse fliegen bis er Hilfe annimmt. Und normalerweise ist ein intelligenter junger Mann in der Lage zum Arzt zu gehen. Habe ein offenes Ohr aber mach ihm klar du bist nicht sein Mülleimer.

Ich habe das jetzt auch gemacht weil ich mich um mich kümmern muss. Meine Tochter wollte sich von ihrem Mann trennen. Wir haben sie und das Kind abgeholt und hier einquartiert. Samstag Abend hat mein Kumpel sie zurück gebracht. Mein Rat wird ignoriert oder sie wird pampig. Ich bin vor lauter Stress so zermürbt, das ich in die Klinik möchte um wieder stabil zu werden. Ich habe gestern mit der Telefonseelsorge gesprochen und mir wurde geraten mich aus allem raus zu halten. Meine Pflichten habe ich erfüllt sie muss jetzt mit ihrer Situation klar kommen. Ich mache auch keine Fahrdienste mehr. Sie hat einen Mann seine Aufgabe. Ich bin da raus.

Liebe Grüße Bittermandel
3kids2cats
Beiträge: 12
Registriert: 12. Nov 2023, 10:07

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von 3kids2cats »

Liebe Bittermandel,
Danke für deine ausführliche Antwort.
Ich kann das gut nachfühlen , dieses Zermürbtsein.
Mein Sohn ist 20. Ja, und im Grunde hast du Recht.
Wenn dein Kind (das selbst von sich behauptet, dass ohn 2 Jahre gestohlen wurden in der Entwicklung) vor dir steht und sagt "Mama, ich passe nicht in diese Welt, ihr wärt doch alle besser dran ohne mich ", dann kann ich schlecht sagen :" schön, aber dein Problem ".
Vielleicht bin ich doch noch nicht so zermürbt, der Schmerz bei mir ist noch nicht zu groß.
Ich versuche gerade, mich abzugrenzen.
Ihm klar zu machen, dass ich da bin, wenn er mich braucht. Er mich aber dafür um Hilfe bitten muss und ich ihm nichts mehr aufdränge.
Er wollte unbedingt ausziehen, um die 35 min Fahrt zur Uni von zu Hause aus nicht mehr zu haben.
In gewisser Weise tut ihm das gut, sich um sich selbst kümmern zu müssen.
Andererseits ist er eben noch mehr allein.
Mir selbst Hilfe holen, das werde ich jetzt in Angriff nehmen. Einfach um selbst zu erfahren, was ich besser machen kann. Für mich und in Folge für ihn.
Bittermandel
Beiträge: 2290
Registriert: 10. Apr 2021, 09:32

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo

Genau such dir selbst Hilfe die können dir zur Seite stehen. Vielleicht ist dann ein vernünftiges Gespräch mit deinem Sohn möglich und er nimmt deinen Rat und Hilfe an.

Liebe Grüße Bittermandel
Ailin
Beiträge: 10
Registriert: 15. Nov 2023, 13:39

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von Ailin »

Liebe 3kids2cats,

Ich kenne das Gefühl, wenn man denkt man sei die seelische Müllhalde für das Kind, und bei allen anderen wird die Maske aufgesetzt und es scheint zu gehen. Meine Tochter ist erst 13 und es ist natürlich anders als bei Deinem erwachsenen Sohn, aber die Richtung ist ähnlich.
Mir hat meine Tochter mal dazu gesagt: "Bei Dir kann ich mich fallenlassen und ich selbst sein, überall anders muss ich eine Maske tragen und das ist so anstrengend".
Insofern versuche ich es manchmal als Vertrauensbeweis zu sehen, auch wenn ich mir etwas anderes wünschen würde.

Es ist hart wenn all die gutgemeinten (und sicher auch tatsächlich guten) Vorschläge nur auf Ablehnung stossen. Ich finde das, was Du machst sehr gut:
3kids2cats hat geschrieben: 13. Nov 2023, 06:18 Ich versuche gerade, mich abzugrenzen.
Ihm klar zu machen, dass ich da bin, wenn er mich braucht. Er mich aber dafür um Hilfe bitten muss und ich ihm nichts mehr aufdränge.

Mir selbst Hilfe holen, das werde ich jetzt in Angriff nehmen. Einfach um selbst zu erfahren, was ich besser machen kann. Für mich und in Folge für ihn.
Alles Gute Dir und Euch allen
Ailin
hansen09
Beiträge: 4
Registriert: 3. Nov 2023, 22:15

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von hansen09 »

Liebe Ailin,

was du schreibst, kenne ich auch, meine Tochter (14 Jahre) lässt auch den Großteil an mir aus… und wenn dann die Oma einen Nachmittag zu Besuch war, heißt es „aber sie war doch jetzt ganz umgänglich und gut drauf?“ - da kriege ich immer die Krise, weil ich wirklich denke, ich bin im falschen Film.
In den Phasen, wo man für alles herhalten muss, ist es unmöglich etwas richtig zu machen, und selbst wenn man auf die Aggressivität und Provokation gar nicht eingeht, ist es für sie gefühlt ein Konflikt mit mir. Das wiederum führt sie im Außen als Begründung für ihre schlechte Stimmungslage ins Feld, so dass ich auch noch dastehe wie eine „schlechte“ Mutter. Dann wieder das andere Extrem, wo alles von außen sie „triggert“, nervt, überfordert und Ich bin die liebste beste tollste Mama - schwer auszuhalten… dass ich permanent für sie da bin und sie unterstütze, aber je nach ihrer Verfassung mal die Böse, mal die Beste bin ( das kann auch im Stundentakt wechseln), ist ein schlimmes Wechselbad der Gefühle. In ähnlicher Form, nicht ganz so extrem, läuft das auch mit ihrer kleinen Schwester (11 Jahre), die darunter sicher noch mehr leidet…

Ganz liebe Grüße
3kids2cats
Beiträge: 12
Registriert: 12. Nov 2023, 10:07

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von 3kids2cats »

Dieses Wechselbad ist wohl fast das anstrengendste... und ich bin auch gerade mitten in der Hochphase meiner Wechseljahre, das macht es nicht einfacher 🫣

Wir hatten letzte Woche auch wieder alles.
Von " toll, dass du wieder gar nicht merkst, wie schlecht es mir geht" über "lass mich in Ruhe , du kannst mir eh nicht helfen, das ganze Leben ist sinnlos " bis "Mama, kannst du mir bitte beim Ausfüllen der Formulare helfen "...
Und immer, wenn eine bessere Phase ist, schöpft man ganz viel Hoffnung... um dann wieder "bääääng" von der nächsten unterirdischen Stimmung überrollt zu werden.

Man weiß gar nicht mehr, was man sagen darf/soll/kann.

Mit euren "jungen Töchtern " ist das noch viel schwieriger, glaube ich.
Da kommt noch die volle Pubertät dazu.

Viel Kraft für Euch ❤️
Ailin
Beiträge: 10
Registriert: 15. Nov 2023, 13:39

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von Ailin »

Liebe Mütter,

manchmal habe ich das Gefühl, dass all das Sensible, sich-für-andere-Zurücknehmende einfach gerade Platz macht für eine gehörige Portion Egoismus. Und vielleicht ist das ja auch genau richtig, wenn sie dann auch momentan übers Ziel hinausschießen. Meine Tochter hat immer nur an andere gedacht und ihre Bedürfnisse komplett hinten angestellt. Jetzt erkenne ich sie manchmal nicht wieder. Und vielleicht braucht es jetzt diesen Ausschlag in die andere Richtung.

Wir hatten heute ein Gespräch über mehr Taschengeld. Natürlich bin ich froh, dass sie sich mit Freundinnen trifft, etwas unternimmt. Von mir aus kann sie dann auch ihr Taschengeld auf den Kopf hauen. Und bislang war das Taschengeld auch nicht üppig, zugegeben. Daher bin ich gerne bereit darüber zu reden. Aber das ist unglaublich schwierig. Ich habe das Gefühl, dass sie mir immer noch mehr aus den Rippen zu leiern versucht. Und wenn ich dann mal freundlich meinen Standpunkt erkläre, bin ich die, die sie einfach nicht versteht, die ihr mit diesem Gespräch so viel Stress bereitet, die alles verkompliziert durch zu viele Fragen, durch die Art wie ich Dinge sage...

Ich habe da schon das Gefühl, dass sie mich insgeheim, vielleicht auch unbewusst, zu manipulieren versucht. Weil ich mit ihr nicht so argumentieren kann wie mit ihrer älteren Schwester. Der hätte ich viel deutlicher gesagt, wo es Grenzen gibt.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sie sich ein wenig in ihrer "Depressions"-Komfortzone eingerichtet hat. Alles was irgendwie unangenehm ist wird nicht angesprochen. Die Therapie scheint auch nur in Minischritten etwas zu bewegen. Und wenn man irgendetwas besprechen will kommt kann ganz schnell an eine Grenze, vor der man als Mutter Angst hat sie zu überschreiten, weil man das Kind ja nicht überfordern, triggern oder was auch immer will.

Fühle mich gerade trotz aller guter Absichten total ausgelaugt und mal wieder komplett hilflos.

Ailin
3kids2cats
Beiträge: 12
Registriert: 12. Nov 2023, 10:07

Re: Mutter als "Ventil " ?

Beitrag von 3kids2cats »

Ich war jetzt länger nicht hier... denn a) hatten wir eine etwas bessere Phase und b) war die ganze Weihnachts-/Jahreswechselzeit nicht wirklich langweilig 😉

Das was du, Airlines, schreibst, bemerke ich auch des öfteren.
Da ich die einzige bin, der er von seinen Problemen erzählt, bin ich eben auch diejenige, die zu hören bekommt "DU weißt doch, dass es mir schlecht geht".
Er versteckt sich auch manches Mal hinter der Depression, anstatt sich zu konfrontieren.
Ich habe über Weihnachten das Buch von Kurt Krömer "Glaub nicht alles, was du denkst " als Hörbuch angehört, zusammen mit meinem Partner.
Das ist echt aufschlussreich, vor allem war es das für meinen Partner, der oft mein Verhalten gegenüber meinem Sohn nicht verstanden hat.
Unterm Strich heißt es aber für mich wieder : mein Sohn muss erkennen, dass er sich helfen lassen kann. Und die Krankheit nicht allein bewältigen muss.
Wie er da hin kommt oder wie ich ihn da unterstützen kann, da bin ich immer noch völlig hilflos.

Vielleicht hat jemand da noch einen Tipp oder eine Idee?
Antworten