Gruppentherapie

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Narami
Beiträge: 38
Registriert: 11. Nov 2022, 13:16

Gruppentherapie

Beitrag von Narami »

Liebe ForumsteilnehmerInnen,

zunächst wünsche ich euch allen ein gesundes und frohes neues Jahr!

Mich würde interessieren, ob und welche Erfahrungen ihr mit einer tiefenpsychologischen ambulanten Gruppentherapie gemacht habt.

Ich habe seit November letzten Jahres mit einer begonnen und weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll. Die Gruppe findet 1 X/ Woche statt und dauert jeweils 100 Minuten. Ich bin zu einer bereits bestehenden Gruppe dazu gestoßen und wir sind - wenn alle da sind - 7 Teilnehmende (m/ w gemischt, Alter Anfang 20 bis über 60). Die Therapie findet an einem Ausbildungsinstitut statt, somit gibt es zwei Therapeuten: denjenigen, der die Ausbildung macht und eine Lehrtherapeutin.

Was mich etwas unzufrieden macht, ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Therapie so "dahin plätschert" und ich mich frage, ob sie mir tatsächlich etwas bringen kann. Hinzukommt, dass ich nach einem 8-Arbeitstag so fertig bin, dass ich mich nur schwer auf die Therapie konzentrieren kann, aber das wäre ja bei einer Einzeltherapie nicht anders und durch die Grupentherapie habe ich die Chance, einen regelmäßigen Termin am Abend zu haben.

Meinem Eindruck nach geht die Therapie zu wenig in die Tiefe. In einer tiefenpsychologischen Therapie sollte ja, meinem Verständnis nach, die eigene Kindheit mit ihren Prägungen und ihr Einfluss auf die aktuellen Probleme, bearbeitet werden. Ich frage mich, ob das in einer Gruppentherapie überhaupt möglich ist? Außerdem habe ich den Eindruck, dass die anderen Gruppenmitglieder ganz andere Problematiken als ich haben und ich in den Stunden, in denen deren Probleme besprochen werden, mir eigentlich nichts "nützen"...

Vielen Dank schonmal für eure Antworten und liebe Grüße
mime
Beiträge: 1280
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Gruppentherapie

Beitrag von mime »

Hallo Narami,

erst einmal willkommen hier im Forum.

Ich selbst habe keine Erfahrung, was Gruppentherapie betrifft, war allerdings mal in einer (ambulanten) Reha, in der auch eine Art "Gesprächstreffen" der Teilnehmer unter Leitung einer Fachärztin stattfand. Deswegen kann ich mich ein bisschen in deine Situation hineindenken.
Mir wurde damals gesagt, es sei keine Gruppentherapie im engeren Sinne, was diese Gesprächsrunde betraf, dazu seien die Störungsbilder zu unterschiedlich.

Daher mein Gedanke, als ich deine Zeilen las: Hast du schon einmal mit den beiden Therapeutinnen (oder einer der beiden) über deine Bedenken gesprochen? Oder vielleicht traust du dich mal, dies in der Gruppe anzusprechen?

Möglicherweise wärst du in einer Gruppentherapie, die sich auf Depressionen spezialisiert hat, besser aufgehoben (falls dies bei dir der Hauptschwerpunkt sein sollte). Aber klar, man ist froh, wenn man überhaupt ein Angebot für eine Unterstützung hat, und Therapieplätze zu finden, ist äußerst schwer, ich weiß.

Ich kann gut verstehen, dass du den Eindruck hast, dass die Gespräche nicht genug in die Tiefe gehen. Ob das eine reguläre Gruppentherapie leisten kann, kann ich dir mangels eigener Erfahrung, nicht sagen.

(Nur soviel: ich bin damals aus den Gruppengesprächen teilweise rausgegangen, weil mich die Probleme der anderen entweder heruntergezogen haben oder aber manche Thematiken für mich völlig deplaciert waren bzw. ich mir die Verhaltensweisen anderer Teilnehmer nicht weiter antun wollte.)
Insofern: ich bin aus dieser Erfahrung heraus eher skeptisch eingestellt, was Gruppentherapie betrifft, wenn die Teilnehmer völlig unterschiedliche Krankheitsbilder haben.

Aber vielleicht können hier noch ein paar Forumsmitglieder schreiben, die eigene Erfahrungen mit einer Gruppentherapie haben?

Ich würde an deiner Stelle deine Bedenken ernst nehmen und sie den anderen mitteilen. Wenn dir das Reden nicht leichtfällt, könntest du deinen Text, den du hier geschrieben hast, vielleicht vorlesen, denn er fasst gut zusammen, was dich momentan beschäftigt. Vielleicht gibt es für dich dann die Chance zu erfahren, was sich die Leiter dieser Gruppentherapie gedacht haben oder es gibt (hilfreiche) Infos für dich, was diese Gruppentherapie für dich an Input leisten kann oder nicht.

Alles Gute dir und liebe Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Narami,

Deine Bedenken bezüglich der Gruppentherapie kann ich gut nachvollziehen. Mittlerweile hatte ich Einige mitgemacht, in unterschiedlichen Settings und anfangs war da auch immer die Frage, was nutzt es mir persönlich, wo doch die Probleme der Anderen sich so deutlich von meinen, aber auch generell untereinander unterscheiden. Aber im Grunde geht es ja auch nicht darum Lösungen für Andere zu finden oder dass die Anderen meine Probleme lösen, sondern darum was ich fühle oder denke oder was es mit mir macht, wenn ich zuhöre oder von mir spreche. Denn dadurch lerne ich mich selbst ja besser kennen und nur das kann ich im Idealfall für mich mitnehmen. Wenn mich beispielsweise etwas triggert, könnte ich erkennen wie das mit meiner Biografie zusammenhängt oder wenn mir ein anderes Problem eher banal vorkommt, könnte ich erkennen, das meine Ressourcen doch so stark sind und mich nicht alles aus der Bahn wirft, was ja auch eine Erkenntnis sein kann. Beispielsweise beim Thema Abgrenzung, um nur mal Eines zu nennen.

Es geht ja nicht darum Ratschläge zu erteilen oder zu bekommen sondern bestenfalls die persönlichen Blickwinkel der Anderen zu erfahren. Wie die dann für mich einen Nutzen darstellen könnten, entscheide ich ja dann selbst. Folgt eine Gruppentherapie klaren Regeln, die natürlich zu Beginn auch entsprechend kommuniziert wurden, fand ich die Sitzungen immer bereichernd. Aber ich habe auch Gruppen erlebt, vor allem in Reha‘s, die völlig unproduktiv waren und das auch wegen offensichtlich wenig interessierten Therapeut:innen und ständig wechselnden Patienten in der doch kurzen Zeit der jeweiligen Aufenthalten.

Bisweilen waren so manche Themen für mich belastend und in einer guten Gruppentherapie sollte es daher auch die Möglichkeit geben, die Sitzung zu verlassen, aber unter der Prämisse, dann danach zumindest mit dem Therapeuten nochmals darüber zu sprechen, weshalb man so gehandelt hat. Andererseits half es mir auch mal eine Sitzung „auszuhalten“ und sei es nur um zu sehen, das ich es kann. Natürlich lebt eine Gruppentherapie davon, dass sich alle auch verbal beteiligen aber sowas braucht Vertrauen und das wächst nach und nach und braucht dementsprechend Zeit. Die steht in einer Reha aber nicht wirklich zur Verfügung. In Kliniken und auch Ambulant war das anders und wesentlich besser, jedenfalls für mich.

Mir brachten Gruppentherapien viele Erkenntnisse über mein Impulsverhalten und wie ich angebracht mit meinen Emotionen umgehen kann, auch Außerhalb des Settings im alltäglichen Leben. Eines habe ich allerdings immer Erlebt. Gerade am Anfang hat fast jede/r geäußert, sich irgendwie Fehl am Platz zu empfinden und doch so gänzlich andere Probleme zu haben. Wenn dann irgendwie klar war, das jede/r aber nur selbst seine Probleme bearbeiten und idealerweise in den Griff bekommen kann, wurden die Gespräche „lockerer“ und offener. Blickwinkel Anderer kennenzulernen war für mich immer Erkenntnisreich. Egal ob sie hilfreich oder total abwegig erschienen. Trotz das es eine Gruppentherapie ist, war für mich immer klar, ich mache die in erster Linie für mich, denn wenn sie beendet ist, muss ich wieder alleine zurechtkommen. Wie die Anderen übrigens ja auch und idealerweise nimmt jede/r für sich das mit, was hilfreich war.

Beste Grüße
Nachtmensch
Schlumpffine
Beiträge: 374
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Schlumpffine »

Narami hat geschrieben: 3. Jan 2024, 18:02

Was mich etwas unzufrieden macht, ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Therapie so "dahin plätschert" und ich mich frage, ob sie mir tatsächlich etwas bringen kann. Hinzukommt, dass ich nach einem 8-Arbeitstag so fertig bin, dass ich mich nur schwer auf die Therapie konzentrieren kann, aber das wäre ja bei einer Einzeltherapie nicht anders und durch die Grupentherapie habe ich die Chance, einen regelmäßigen Termin am Abend zu haben.

Meinem Eindruck nach geht die Therapie zu wenig in die Tiefe. In einer tiefenpsychologischen Therapie sollte ja, meinem Verständnis nach, die eigene Kindheit mit ihren Prägungen und ihr Einfluss auf die aktuellen Probleme, bearbeitet werden. Ich frage mich, ob das in einer Gruppentherapie überhaupt möglich ist? Außerdem habe ich den Eindruck, dass die anderen Gruppenmitglieder ganz andere Problematiken als ich haben und ich in den Stunden, in denen deren Probleme besprochen werden, mir eigentlich nichts "nützen"...

Vielen Dank schonmal für eure Antworten und liebe Grüße
Hallo,
In einer gut geführten Gruppe sollte eine Wertschätzende und konstruktive Atmosphäre vorherrschen.
Das ist die Aufgabe der Therapeuten, die darauf zu achten haben.
Diese Wertschätzende Atmosphäre ist unbedingt notwendig, um sich zu "öffnen" und die eigene "Problematik"
darzulegen.
Ist sie vorhanden, bekommst du von der Gruppe deren Sichtweisen gespiegelt.
Ob sie deinen eigenen Bewertungen entspricht- was meist nicht der Fall ist- bleibt abzuwarten.
Jetzt kannst du deine eigen Bewertungen und Ansichten bearbeiten, verwerfen oder bestätigen lassen.
Im nächsten Schritt kannst du dann neue Bewertungen aufbauen und auch in der Gruppe üben.
Bedenke das du deine Erfahrungen, die du in der Kindheit erworben hast, dich für den Rest deines Lebens begleiten werden. Sie werden sich immer wieder "einmischen" - bewußt und unbewußt.
Sinn und Zweck einer Gruppentherapie sollte es eigentlich sein, auf lange Sicht, einen Perspektivwechsel(Sichtweise) auf die eigene Person zu entwickeln und damit auch neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Leider ist das ein Marathonlauf und kein Sprint.
Keine Therapie plätschert so dahin, es sei denn, man läßt es zu.
Wenn du in der Gruppe deine EIGENEN Bedürfnisse nicht frei äußern kannst,die Gruppe und die Theras damit nicht umgehen können/wollen, solltest du es ansprechen.
Schlechter ist es eigentlich wenn du es von dir zu vertretenden Gründen-Kindheit/Bewältigungsstrategien- nicht kannst.
Persönliche Meinung:
Aus seinem Post interpretiere ich, das du in der Gruppe eine Lösung für deine "Probleme" suchst.
Frei nach Motto "Doktor, gib mir eine Pille, damit ich gesund werde"
Leider ist es nicht so einfach. Eine Gruppe kann immer nur eine Hilfestellung bieten.
Das Ändern deiner eigenen Bewertungen/Ansichten musst DU FÜR DICH SELBER durchführen und ÜBEN.
Dazu kann eine Gruppe sehr nützlich sein, wenn man es einfordert.
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Schlumpffine
Beiträge: 374
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Schlumpffine »

Narami hat geschrieben: 3. Jan 2024, 18:02

Was mich etwas unzufrieden macht, ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Therapie so "dahin plätschert" und ich mich frage, ob sie mir tatsächlich etwas bringen kann. Hinzukommt, dass ich nach einem 8-Arbeitstag so fertig bin, dass ich mich nur schwer auf die Therapie konzentrieren kann, aber das wäre ja bei einer Einzeltherapie nicht anders und durch die Grupentherapie habe ich die Chance, einen regelmäßigen Termin am Abend zu haben.

Meinem Eindruck nach geht die Therapie zu wenig in die Tiefe. In einer tiefenpsychologischen Therapie sollte ja, meinem Verständnis nach, die eigene Kindheit mit ihren Prägungen und ihr Einfluss auf die aktuellen Probleme, bearbeitet werden. Ich frage mich, ob das in einer Gruppentherapie überhaupt möglich ist? Außerdem habe ich den Eindruck, dass die anderen Gruppenmitglieder ganz andere Problematiken als ich haben und ich in den Stunden, in denen deren Probleme besprochen werden, mir eigentlich nichts "nützen"...

Vielen Dank schonmal für eure Antworten und liebe Grüße
Hallo,
In einer gut geführten Gruppe sollte eine Wertschätzende und konstruktive Atmosphäre vorherrschen.
Das ist die Aufgabe der Therapeuten, die darauf zu achten haben.
Diese Wertschätzende Atmosphäre ist unbedingt notwendig, um sich zu "öffnen" und die eigene "Problematik"
darzulegen.
Ist sie vorhanden, bekommst du von der Gruppe deren Sichtweisen gespiegelt.
Ob sie deinen eigenen Bewertungen entspricht- was meist nicht der Fall ist- bleibt abzuwarten.
Jetzt kannst du deine eigen Bewertungen und Ansichten bearbeiten, verwerfen oder bestätigen lassen.
Im nächsten Schritt kannst du dann neue Bewertungen aufbauen und auch in der Gruppe üben.
Bedenke das du deine Erfahrungen, die du in der Kindheit erworben hast, dich für den Rest deines Lebens begleiten werden. Sie werden sich immer wieder "einmischen" - bewußt und unbewußt.
Sinn und Zweck einer Gruppentherapie sollte es eigentlich sein, auf lange Sicht, einen Perspektivwechsel(Sichtweise) auf die eigene Person zu entwickeln und damit auch neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Leider ist das ein Marathonlauf und kein Sprint.
Keine Therapie plätschert so dahin, es sei denn, man läßt es zu.
Wenn du in der Gruppe deine EIGENEN Bedürfnisse nicht frei äußern kannst,die Gruppe und die Theras damit nicht umgehen können/wollen, solltest du es ansprechen.
Schlechter ist es eigentlich wenn du es von dir zu vertretenden Gründen-Kindheit/Bewältigungsstrategien- nicht kannst.
Persönliche Meinung:
Aus seinem Post interpretiere ich, das du in der Gruppe eine Lösung für deine "Probleme" suchst.
Frei nach Motto "Doktor, gib mir eine Pille, damit ich gesund werde"
Leider ist es nicht so einfach. Eine Gruppe kann immer nur eine Hilfestellung bieten.
Das Ändern deiner eigenen Bewertungen/Ansichten musst DU FÜR DICH SELBER durchführen und ÜBEN.
Dazu kann eine Gruppe sehr nützlich sein, wenn man es einfordert.
:hello: :shock:
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Narami
Beiträge: 38
Registriert: 11. Nov 2022, 13:16

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Narami »

Vielen Dank für euer Feedback!

@ Schlumpfine: Natürlich wünsche ich mir aus der Therapie Anstöße, wie ich meine Probleme bewältigen kann. Das ich diese dann selbst umsetzen muss - dessen bin ich mir durchaus bewusst.
Schlumpffine
Beiträge: 374
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Narami,
um "Anstöße" zu bekommen, ist es immer notwendig, etwas von sich selber zu präsentieren.
Eine klare,wertungsfreie Kommunikation uns äußerung seiner eigenen Bedürfnisse sind ebenfals hilfreich.
Das fällt vielen schwer.
Schau mal bei Youtube nach dem guten Schulz von Thun mit dem Thema Nachrichtenquadrat(4 Ohren prinzip) und inneres Team
gruß
schlu
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
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Dagoba
Beiträge: 7
Registriert: 30. Jan 2024, 09:51

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Dagoba »

Liebe Narami,

ich habe ähnlich (schlechte) Erfahrungen mit einer Gruppentherapie gemacht. Ich war bei einer Tiefenpsychologisch fundierten Gruppentherapie wegen depressiver und Angststörungen. Das war (und wird es aller Wahrscheinlichkeit auch bleiben) meine erste Gruppentherapie. Ich hatte 3 Erstsitzungen mit der Psychologin, in denen ich vom Lebenslauf bis hin zu meinen Problemen alles aufschreiben und erläutern musste. Noch heute frage ich mich allerdings, wozu das alles nötig war, denn vor/während/nach der Therapie bekam ich seitens der Psychologin keinerlei Feedback hierzu. Eventuell ist das normal bei einer derartigen Therapie, das kann ich nicht beurteilen. Mir war schon klar, dass der Austausch innerhalb der Gruppen stattfindet und die Erfahrungen seitens der Teilnehmer*innen dort gespiegelt werden, aber so keinerlei Rückmeldung seitens der Psychologin, woran man - ganz generell gehalten - an sich arbeiten soll, fand ich etwas wenig. Da habe ich mehr Anregung erhalten von entsprechender Sachliteratur.

Die Gruppentherapie selbst bestand aus einem Stuhlkreis aus bis zu 9 wildfremden Menschen, deren Namen und deren Problematiken ich nicht kannte und dir mir auch nicht vorgestellt wurde. Erst nach eigenen Rückfragen - zumindest die Vornamen der Teilnehmer*innen zu erfahren - bekam ich ein paar Infos zusammen. Ich finde es schwierig, sich einerseits mit seinen intimsten Problemen "nackig" zu machen, wenn ich in einer derart fremden Gruppe sitze. Mir ist klar, das soll Teil der Therapie sein - dass fremde Menschen mir ungeschönt ihre Eindrücke schildern. Aber etwas "Willkommenskultur" wäre schön gewesen.

Die Therapie selbst bestand aus einem wöchentlichen 1 1/2 Std. Treffen. Dort saß man dann, hörte sich die Probleme der anderen an und teilte seine "Laienmeinung" mit. Anders kann ich das leider nicht beschreiben. Wenn ich halt so gar nicht den Background und die Probleme des anderen kenne, kann ich tatsächlich nur aufgrund der wenigen Sätze, die dort vorgetrugen wurden, meine Meinung widergeben. Das bleibt dann sehr oberflächlich. Ich persönlich glaube nicht, dass die Zeit in so einer Sitzung reicht, wirklich in die Tiefe bei irgendjemanden zu gehen. Bei einer Gruppe, die meist aus 5-9 Teilnehmer*innen bestand, soll jeder mal an die Reihe kommen, etwas von sich zu erzählen. Meist sind es dann jene, denen das Erzählen eh leicht fällt, die dann am meisten von sich geben. Solche "Plaudertaschen" hat man wohl in jeder Gruppe. Introvertierte haben es da schwer, und Zeitdruck trägt nicht unbedingt dazu bei, sein Innerstes nach Außen zu kehren. Andersherum habe ich es auch erlebt: Wenn Teilnehmer auf Anhieb erzählen, wie sie in der Kindheit körperlich misshandelt wurden, dann kommt man direkt auf den Punkt, aber, ganz ehrlich, auch dann reicht die Zeit nicht, professionelle Hilfestellungen zu geben, zumal es die in einer Gruppe aus Laien gar nicht geben kann, wenn die Psychologin sich auf das Moderieren reduziert.

Ich finde den Ratschlag, derartige Sachen in der Gruppe anzusprechen gut aber nicht erfolgsversprechend. Das mag bei sachlichen Themen funktionieren, aber bei so einer persönlichen Sache wie einer Therapie finde ich Kritik zu äußern schwierig. Da kann man auch gleich die Therapie abbrechen, denn die Chancen, dass die Psychologin das aufgreift und ihre Art der Moderation ändert, sind nicht erfolgsversprechend. Wenn ich das erst ansprechen muss, kann ich auch gleich gehen. Ich glaube diesbezüglich nicht wirklich an eine Besserung der Lage, innerhalb der Gruppe laut auszusprechen, was schief läuft. Es funktioniert ja alles nur auf Vertrauensbasis. Und dieses Vertrauen ist dann schnell hinüber, wenn man die Therapeutin/Art der Therapieansätze etc. öffentlich in Frage stellt.

Für meine Belange hat mir das nicht gereicht. Ich empfand es nach einem Jahr als Zeitverschwendung, dort hinzugehen. Es fühlte sich irgendwann an wie ein Kaffeeklatsch, nur halt ohne den Kuchen. Als Beispiel kann ich z. B. nennen, dass eine Person Probleme mit immer wiederkehrender Wut und anschließender lähmender Traurigkeit hatte. Es gab dann die Empfehlung, Atemübungen zu machen. Es wurde aber nicht danach gefragt, was der Trigger für die Eskalation ist oder was die Person in der Situation empfindet. Derlei Nachfragen hätte ich von der Psychologin erwartet, zumindest ein Denkanstoß in diese Richtung. Das kam aber nicht. Die Gruppe war oftmals überfordert und das lief dann letztendlich auf eine Plauderei hinaus.

Mein Fazit ist: Eine Gruppentherapie mag für Leute hilfreich sein, die noch nie mit jemanden über ihre Probleme auch nur ansatzweise gesprochen haben. Da mag der reine Austautsch, das Ausprechen von einem Satz wie "Ich habe ein Problem mit...", sehr hilfreich sein. Vielleicht als Teil einer Kur/Reha, um Probleme zumindest anzureißen und es später mit einer Einzeltherapie auf längere Dauer auszulegen. Die übliche Dosis einer Gruppentherapie - von 60 Sitzungen verteilt auf 1 Jahr - war mir zu lang für Oberflächlichkeiten. Ich habe dort nichts Neues für mich finden können. Ich habe es dann lieber mit Literatur, Podcast und Videos zu den entsprechenden Themen versucht. So hat mir z. B. das Buch von Stefanie Stahl "Das Kind in dir soll Heimat finden" mehr Einblicke und Verständnis für meine Problematik verschafft als die Form der Gruppentherapie. Mein persönlicher (etwas zynischer) Gedanke zum Thema Gruppentherapie ist, dass man es sich aufgrund der fehlenden Therapieplätze und der steigenden Zahl von Personen mit psychologischen Problemen in den letzten Jahren etwas leicht gemacht hat mit der Verschreibung von Gruppentherapien. Das scheint mir für die Therapeuten leicht verdientes Geld - anstatt einer Einzelperson, die man intensiv in einer Einzeltherapie betreut und wo man Feedback geben muss, kann man hier "abkassieren", sich zurücklehnen und die Gruppen machen lassen. Das ist aber nur meine persönliche Meinung und Erfahrung. Ich denke, wenn man sich selbst ganz gut reflektieren kann und die Bereitschaft mitbringt, an sich zu arbeiten, kann man in einem guten Onlineforum eine bessere Form der "Gruppentherapie" erhalten, als jene Präsenztreffen, zumal diese viel Zeit und Aufwand verschlingen.
Suchende2
Beiträge: 1207
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Suchende2 »

Hallo,

ich habe mit Gruppentherapie sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen gemacht.
In der Akutklinik funktionierte die Gruppentherapie mit unseren Therapeuten nicht (auch in anderen Gruppen mit denselben Therapeuten funktionierte sie nicht). Aber wir als Gruppe funktionierten gut (haben immer noch Kontakt).
In der Tagesklinik habe ich Gruppentherapie als sehr hilfreich und zielführend, trotz unserer zum Teil recht unterschiedlichen Diagnosen erlebt.
In der Reha brachte sie nicht wirklich etwas.
In der Rehanachsorge war der Therapeut super und ein Teil der Gruppe auch.

Mein Fazit:
Es liegt an den Therapeuten UND der Gruppe, ob Gruppentherapie hilfreich ist.
Stimmt eines von beiden nicht, wird es schwer.

Bei einer Gruppentherapie ist es wie bei einer Einzeltherapie. Das gesamte Setting muß stimmen, damit die Therapie einen weiterbringen kann.

Alles Gute,
Suchende
Dagoba
Beiträge: 7
Registriert: 30. Jan 2024, 09:51

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Dagoba »

Hallo Suchende2,

ich kann dir in allem nur recht geben - genauso habe ich es auch erlebt.
Ich weiß nicht, ob es für eine Gruppentherapie typisch ist, aber unserer Gruppe wurde von der Psychologin "verboten", sich nach oder vor der Therapie privat zu treffen. Es war schlichtweg nicht erwünscht, nicht mal die Zigarette oder das Eisessen danach, wahrscheinlich um die nötige Distanz untereinander zu wahren, damit man "ohne Vorbelastung" dem anderen in der Gruppe einen evtl. Ratschlag geben kann. Mir erging es so, dass ich die Gruppe durchaus bereichernd fand - aber das war nach der eigentlichen Sitzung. Wir haben uns nämlich dennoch mal auf ein halbstündiges Danach getroffen, um uns untereinander ganz unverkrampft auszutauschen. Dieser befreite Austausch in lockerer Atmosphäre war wesentlich entspannter und offener als in der Gruppentherapie.
lt.cable
Beiträge: 541
Registriert: 5. Mär 2008, 20:55
Kontaktdaten:

Re: Gruppentherapie

Beitrag von lt.cable »

Ahoi!

Wie gut Gruppentherapie funktioniert, hängt von der Gruppe und der betreuenden Person ab. Zudem sollte man, finde ich, die Ansprüche daran nicht zu hoch schrauben. Es geht um regelmäßigen Austausch mit anderen Betroffenen und Rückmeldung von außen zum eigenen Erleben, Fühlen und der Wirkung auf andere Personen. Wenn man sonst nicht groß Menschen zum Reden hat und damit nur noch in der Selbstbespiegelung steckt, kann das schon hilfreich sein.

Den Blick auf ganz andere Probleme als meine eigenen finde ich schon im stationären Setting enorm wichtig und hilfreich. Immer nur auf die eigenen Baustellen fixiert zu sein und alles ausschließlich auf einen Nutzen für mich abzuklopfen, empfinde ich als äußerst anstrengend, unangenehm und es bringt zumindest mich nicht weiter. Ich drehe mich dann nur im Kreis oder erstarre vor den Herausforderungen. Ebenso kommen andere Leute auf Ideen, die ich gar nicht habe. Die Sicht auf die eigene Lage, die Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten ist ja doch oft etwas eingeschränkt.

Es grüßt

lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Martin62
Beiträge: 57
Registriert: 18. Feb 2024, 11:39

Re: Gruppentherapie

Beitrag von Martin62 »

Hallo,

ich hatte während meiner 6- wöchigen psychosomatischen Reha zeitlich parallel zwei Gruppentherapien und nach der Reha noch eine im Rahmen von Psyrena.

Ich fragte während der Reha eine der Psychologinnen mal offen, wie hoch eigentlich die Heilungsquote bei Reha sei. Sie griff mich daraufhin persönlich an und unterstellte mir, keine Ahnung von Psychologie zu haben, sagte vorher: 0 %. Dafür sei die Reha nicht da.

Bei der Psyrena Gruppe stellte ich die gleiche Frage in anderer Form noch einmal. In diesem Fall wurde ich vom Psychologen zwar nicht persönlich angegriffen. Seine Antwort war aber im Grunde die gleiche: Dafür sei Psyrena nicht da.

Angesichts der Tatsache, dass nicht wenige Teilnehmer der Gruppentherapien zum Teil schon mehrere Rehas und auch Gruppentherapien hinter sich hatten, manche hatten schon 100 Einzelsitzungen hinter sich, fragte auch ich mich sehr früh, welchen Zweck das ganze eigentlich hat.

In den ersten Tagen der Reha wurde uns das Haus gezeigt und wir bekamen auch einige Vorträge.

In einem dieser Vorträge ging es unter anderem um die Gruppentherapien, wo wir eindringlich darauf hingewiesen wurden,
a) die persönlichen und teilweise intimen Dinge, die in der Gruppe besprochen wurden, nicht nach außen zu tragen,
b) die Geschichten der anderen Teilnehmer nicht zu bewerten und
c) ihnen auf gar keinen Fall Ratschläge zu erteilen.

Genau das geschah aber dauernd, ohne dass die zuständigen Psychologen eingriffen.

Bei der Psyrena Gruppentherapie ging es teilweise um Themen der Tagesschau, Politik. Sport usw., sodass ich eher den Eindruck eines Kneipennachmittags bekam.

Zu meinen Gruppentherapien gehörten immer 10-11 Leute, von denen aber meistens nur 6-7 anwesend waren.

Gruppentherapien sind halt sehr viel billiger für die Kostenträger (Kranken- und Rentenkasse) und sollen gleichzeitig den Eindruck erwecken, man tu was für die Gesundheit der Menschen.

Meine Meinung.

Martin
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