Das Leben ohne Antidepressiva

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Flipper02
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Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Flipper02 »

Hallo zusammen,

Ich habe lange überlegt, ob ich mich hier anmelden und unsere Erfahrungen teilen soll, es ist ja kein einfaches Thema, aber ich möchte allen Betroffenen Mut machen und einfach unsere Geschichte erzählen...

Ich und mein Lebensgefährte haben uns vor drei Jahren kennengelernt. Ich habe schnell gemerkt, dass es bei ihm nicht rund lief und nach kurzer Zeit öffnete er sich.

Im Jahr 2021 waren es bereits 13 Jahre, in denen er Venlafaxin nahm. 2008 hatte er einen Nervenzusammenbruch, kam in eine Klinik mit Angst und Panikattacken und wurde auf die Tabletten eingestellt.
Hinzu kamen noch die Tabletten gegen Herzrhythmusstörungen, weil dass die Attacken mit auslösten.
Er hat lange gebraucht, um aus dem Loch rauszukommen. Anfangs machte seine Exfrau noch mit.
Aber die Sexualität blieb in der Phase auf der Strecke, Libido gleich Null und dass fast zwei Jahre. Danach ging es mehr recht als schlecht. Die Tabletten und die Krankheit hatten meinen Schatz fest im Griff.
Ein paar Jahre später, nach 13 Jahren Ehe, drei gemeinsamen Kindern und Eigenheim war dann alles endgültig vorbei.
Mein Lebensgefährte hat in der Zeit zwei mal versucht sich das Leben zu nehmen, weil alles keinen Sinn mehr machte. Er war schlicht am Ende.

Als wir uns kennenlernten, hatten sich zu den Tabletten noch täglich eine Ibu800 gesellt und Pantoprazol, resultierend aus einem komplizierten Gelenkbruch.

Das hat mich aber nicht abgeschreckt, weil er wirklich ein toller, liebevoller und fürsorglicher Mann war und ist.

Er konnte nachts nicht durchschlafen, ihn quellten Alpträume, die so real waren, dass wenn ich ihn geweckt habe, er Zeit brauchte, um zu realisieren wo er war.
Es war schrecklich. Er sprach und schrie um Traum, trat um sich, einmal hat er mich sogar gebissen.
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto mehr wurde mir klar, dass er auch ganz viele Nebenwirkungen hatte. Eine davon - abnormale Träume. Dazu kamen starkes Schwitzen, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme etc.
Wir sind zusammen zum Neurologen gegangen und haben versucht, ihn auf andere Tabletten einzustellen- vergebens. Nach nicht mal fünf Tagen gaben wir es auf. Er nahm wieder Venlafaxin, schlief nicht so gut, war ständig erschöpft und müde. Die Intimität begrenzte sich auf höchstens 2 mal im Monat, wobei er Probleme hatte, auf seine Kosten zu kommen. Es war immer ein Kraftakt für ihn, der auch mal erfolglos blieb.
Ihn quellten Verlust- Versagungängste.
Warum ich das schreibe? Venlafaxin beeinträchtigt die Zweisamkeit und hat auch manchmal verheerende Folgen, nur die Neurologen verschweigen das oft.
Ja es hilft schnell, aber es macht auch viel kaputt.

Wir haben lange Gespräche geführt und überlegt, was sinnvoll ist. Ich muss dazu sagen, dass wir großes Glück hatten, denn meine Schwester ist Heilpraktikerin für psychische Erkrankungen und Kinesiologin.
Also ist mein Lebensgefährte zu ihr in die Behandlung gekommen. Nach ca. einem halben Jahr und Ursachenvorschung im April 2022 war er dann so weit und wir haben angefangen, Venlafaxin auszuschleichen. Achso, er hat täglich 175 mg genommen. Der ganze Prozess ging über drei Monate. Er war relativ psychisch stabil dabei, etwas nah am Wasser gebaut, aber war ok.
Zwischenzeitlich waren wir im Herzzentrum, wo bestätigt wurde, dass er keine Herzrhythmusstörungen hat. Also auch die Tabletten weg und ibu und Pantoprazol auch. Zusätzlich zum Ausschleichen hat nein Schatz Vitamine genommen, die ihn dabei unterstützten. Diese hat meine Schwester ausgetestet.
Im Juli waren wir endlich so weit, dass keine einzige Tablette mehr gebraucht wurde außer Vitamine.
Was aber auf der Strecke blieb, war die Sexualität. Seit Ende April lief gar nichts. Recherchen haben ergeben, dass es bis 1,5-2 Jahre dauern kann, bis überhaupt was geht, im schlimmsten Fall Impotenz.
Es war keine einfache Zeit. Wir waren ja im Prinzip nicht lange zusammen und wurden von Zweifel geplagt. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm vielleicht nicht genüge, eine andere Frau wäre vielleicht besser, war teilweise auch ungerecht, weil ich manchmal am Ende meiner Kräfte und Verstandes war, er meinte zwischenzeitlich hätte er doch bloß die Tabletten nicht abgesetzt, dann würde es halbwegs noch klappen.
So verging ein Jahr, dann noch ein paar Monate.
Mein Schatz nahm weiter die Vitamine und Micronährstoffe, die Psyche wurde immer stabiler, unsere Beziehung auch. In der Apotheke wurde uns auch erklärt, dass die Antidepressiva in den Haaren wie Drogen nachweislich vorhanden sind und immer wieder noch Botstoffe abgeben. Deswegen auch Stimmungsschwankungen Probleme bei der Intimität.
Und endlich nach 1,5 Jahren hatten wir unser "erstes Mal", unbeholfen und nervös.
Aber das Warten hat sich gelohnt. Es ist wunderschön mittlerweile und mein Mann sagt, dass das empfinden ganz anders ist. Viel intensiver und es ist nicht im Ansatz so anstrengend. Er ist total happy.

Wir haben immer mal noch ganz leichte Stimmungsschwankungen, aber die haben wir gut im Griff. Mein Schatz ist ruhig und,ausgeglichen,, er schläft durch - ohne Alpträume!!! Die ganzen Nebenwirkungen sind weg. Die Kinder freuen sich über seine Fortschritte und wir sind mega glücklich, nicht aufgeben zu haben.

Wir wissen beide, dass Depressionen eine Krankheit ist und man nie geheilt ist, aber wir sind guter Dinge nach zwei Jahren ohne Tabletten, dass wir es schaffen.

Ihr Lieben, habt Geduld miteinander, zeigt Verständnis hört gut zu und ganz wichtig- spricht miteinander, auch wenn ihr meint es ist eine Kleinigkeit.
Das Sprechen ist das A und O.
bvs
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Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von bvs »

Danke für eure Geschichte!
Nico Niedermeier
Moderator
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Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Nico Niedermeier »

Da würde die Moderation aber jetzt doch gerne anfügen, dass es keinerlei seriöse Studien gibt, die eine Wirksamkeit von Psychokinesiologie insgesamt oder bei Depressionen nahelegen würden...
Beste Grüße
Die Moderation
Maxegon
Beiträge: 2460
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Maxegon »

Flipper02 hat geschrieben: 19. Dez 2023, 17:12
Ihr Lieben, habt Geduld miteinander, zeigt Verständnis hört gut zu und ganz wichtig- sprecht miteinander, auch wenn ihr meint es ist eine Kleinigkeit.
Das Sprechen ist das A und O.
Dem kann ich mich nur anschließen!

Ob Kinesiologie, Akupunktur oder der Wunderheiler aus dem Emmental nun "seriös" sind, sei dahingestellt.
Wenn es hilft oder mithilft, eine Depression zu lindern ist es gut.

Einigen hilft sogar das Gürtelrosebesprechen oder Handauflegen, auch wenn wir es nicht erklären können.

Viel Verständnis und Vertrauen, stärkt aber mit Sicherheit auch das Immunsystem.
Flipper02
Beiträge: 3
Registriert: 18. Dez 2023, 09:12

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Flipper02 »

Meiner Meinung nach muss es nicht immer und für alles eine Studie geben. Ich habe unseren Weg aus der Depression und das Absetzen von den Tabletten beschrieben. Wen man so am Ende ist, klammert man sich an jeden Strohhalm. Und wenn es Alternativen zur altbewährten Behandlungen gibt, warum nicht? Solange man den Gesundheitszustand im Auge behält und im Kontakt mit dem Arzt bleibt, kann man auch einen anderen Weg einschlagen.
hopstobs
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Registriert: 17. Jul 2023, 14:28

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von hopstobs »

Bevor hier noch das Argument "wer heilt, hat recht!" fällt, hier gerne etwas zum Gegenlesen und ein Artikel der nochmal aufzeigt, dass eine vermeintliche Heilung keinerlei kausalen Zusammenhang mit der Therapie hat, bis man diesen nicht auch nachgewiesen und verstanden hat:
https://publikum.net/wer-heilt-hat-rech ... n-medizin/
Das kann man natürlich alles beiseite schieben und abtun, doch sind es genau die Studien und die Forschung, die die kausalen Zusammenhänge belegen oder widerlegen. Soviel Zeit und kritisches Hinterfragen sollte man sich gönnen. Dogmen und Ideologien sind kein guter Ratgeber und keine gute Hilfestellung bei einer so schwerwiegenden Erkrankung wie einer Depression. Ich verstehe die Verzweiflung bei vielen Krankheiten die an die Substanz gehen und den Wunsch nach Hilfe in der erfahrenen Ohnmacht. Vor beinahe 10 Jahren ist meine Schwester final an Krebs erkrankt, in ihrer letzten Not hatte sie mich gefragt ob sie eine alternative Heilungsmethode probieren soll, Kosten um die 10000€. Ich habe sie gefragt, ob sie reich oder arm sterben will, schließlich hinterlässt sie minderjährige Kinder, sie hat sich daraufhin dann gegen die Behandlung entschlossen. Es wird hier also durchaus auch mit der Not der Menschen Geld gemacht, andere nutzen die Not vielleicht auch nur aus um ihre Ideologie voranzutragen oder ihre Hilfe ungefragt aufzudrängen um also ihre persönlichen Belange zu verfolgen.
Maxegon
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Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Maxegon »

Hallo hobstobs,

Scharlananerie wird es immer geben, eben so auch Unwissen oder Nichtverstehen.

Doch alles zu negieren mit dem Hinweis "nicht bewiesen" ist auch nicht die Lösung.

Es gibt vieles was hilft, obwohl der wissenschaftliche Beweis fehlt.

Ich erlebte heilende Schamanen, besuchte Handaufleger, die div. Leiden linderten - nur weil ich es mir nicht erklären kann, ist es dann unwahr?

Nur weil eine wissenschaftlich anerkannte Therapie 10.000 Euro kostet, ich sie zwar nicht selbst bezahlen muss, sondern die Gemeinschaft via Krankenkasse, wird sie dadurch heilender?
bvs
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Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von bvs »

Ich mag nicht streiten, aber:
nur weil ich es mir nicht erklären kann, ist es dann unwahr?
Nicht direkt, aber es gibt dann eben noch* keinen Kausalzusammenhang zwischen deiner Linderung und der Methode.
* und wenn aber schon oft versucht wurde, empirisch ranzugehen, und eben keiner gefunden werden kann (wie bei im prinzip allen mir bekannten „alternativen methoden“), ist die logische Schlussfolgerung, dass es eben keinen zussmmenhang gibt, dh andere Faktoren die nicht verlässlich reproduzierbar sind, tragen bei - oder es war schlicht Zufall (wie das Schnupfenbeispiel gut verdeutlicht).
Nur weil eine wissenschaftlich anerkannte Therapie 10.000 Euro kostet, ich sie zwar nicht selbst bezahlen muss, sondern die Gemeinschaft via Krankenkasse, wird sie dadurch heilender?
Das nicht. Die Empirie macht es „heilender“: Es wurde nachgewiesen, unter welchen Bedingungen ein verlässlich reproduzierbarer Effekt zu beobachten ist, dh man weiss verlässlich dass, und warum, etwas funktioniert.
Deswegen wird das auch von der Gemeinschaft bezahlt und Geistheiler nicht. Die gesetzlichen Kassen sind da sehr knausrig (aus gutem Grund, meiner Meinung nach), und verlangen zu recht einen Wirksamkeitsbeweis.
Maxegon
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Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Maxegon »

bvs hat geschrieben: 24. Dez 2023, 12:49
nur weil ich es mir nicht erklären kann, ist es dann unwahr?
Nicht direkt, aber es gibt dann eben noch* keinen Kausalzusammenhang zwischen deiner Linderung und der Methode.
"Nicht direkt ..." sondern nur indirekt, ohne ursächlichen Zusammenhang?

Wenn mir geholfen wurde oder jemanden etwas hilft, ist es gut.

Wenn du die gleichen Bedingungen/Ursachen vorfindest, kann man bestimmt vieles "reproduzierbar" machen.

Gehe mal, bitte, in die Kliniken, sieh' dir die Menschen an, sprich' mit ihnen und erfahre die "reproduzierbaren Effekte" selbst.
bvs
Beiträge: 112
Registriert: 3. Jul 2023, 15:44

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von bvs »

Ich mag das nicht vertiefen.
Wir können übereinkommen, dass wir das anderer Meinung sind.
Maxegon
Beiträge: 2460
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Das Leben ohne Antidepressiva

Beitrag von Maxegon »

bvs hat geschrieben: 24. Dez 2023, 14:47 Ich mag das nicht vertiefen.
Überredet!
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