Ich möchte die Krankheit verstehen

Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Geschämt hat er sich auf jeden Fall.
Ja, stimmt alles.
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Scham ist oft der Grund etwas nicht zu tun
Schwäche zeigen können will gelernt sein.

Wenn man als Kind immer 'runter gemacht wurde (so war's bei mir vom Vater) fällt das doppelt schwer.

Doch ich lernte es mit der Zeit, auch weil ich wusste, es geht jedem so, jeder hat seine Ängste, manche können sie nur besser verstecken.
Schlumpffine
Beiträge: 374
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Maxegon ,
du bist auf dem richtigen Weg. Google mal nach Linnehan/Young Schematherapie. Da findest Du viele Hinweise.
Bei der Psychotherapie geht es im Kern darum , Rezilenzen zu entwickeln alte Schemata abzulegen und NEUE zu erlernen.
Hier wirst DU auch erfahren, das niemand eine genetische "Veranlagung" für Depressionen hat- diese sind meist erlernt.Gerade wenn bei Verwandten ersten Grades Depressionen auftreten, ist die Warscheinlichkeit einer Erkrankung sehr hoch. Ob dies durch Cppying (Abschauen/Kopieren) gefördert wird oder definitiv vererbt wird, ist noch in der Diskussion.
Grüße
Schlu
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Maxegon,
ich wünsche Dir von Herzen, dass Du die Hilfe bekommst, die Dir gut tut.
Ich habe auch das Gefühl, dass Du auf einem guten Weg bist.
Liebe Grüße
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Mein Bruder hat geschrieben: 11. Dez 2023, 21:24 dass Du die Hilfe bekommst
Verzeiht bitte, was für Hilfe?
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Oh, ich dachte, Du bist auf der Suche.
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Ich glaub' wir verstehen uns gerade miss. :D
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Jo. Glaub ich auch.
Ich brauche wohl eine Pause.
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Hallo allerseits,
ich habe was für mich Neues über Depressionen gelesen:
https://www.spektrum.de/leseprobe/depre ... au/1817207
Ich finde, das klingt sehr interessant und es gibt einige Menschen in meinem Umfeld, die viel grübeln...
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Das passt ja zu dem, was Schlumpffine vor einer Woche schrieb.
DieNeue
Beiträge: 5338
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von DieNeue »

Hallo Mein Bruder,

inwiefern, findest du, hängt das mit dem zusammen, was Schlumpffine geschrieben hat? Meinst du, dass das Grübeln eine Problemlösestrategie ist, die man irgendwie erlernt hat und die jetzt nicht mehr funktioniert?

Eigentlich geht es in dem Text ja mehr um eine neue Art von Therapie als darum, was die Krankheit ist. Depressionen sind aber viel mehr als nur Grübeln und die vorgestellte Therapieart, finde ich, greift da irgendwie zu kurz. Das Konzept der Autorin lautet ja mehr oder weniger "Denk nicht über deine Probleme nach, dann hast/kriegst du auch keine". Finde ich auf Dauer nicht so konstruktiv, denn so findet man auch keine Lösungen. Wer alles Negative ignoriert und unterdrückt, kann dadurch außerdem auch irgendwann depressiv werden.
Bei mir ging das Grübeln nur durch Medikamente weg. Die Gedanken waren durch die Medikamente tatsächlich beeinflussbar.

Auch der Vergleich mit den Selbstheilungskräften des Körpers greift zu kurz. Der Mensch erlebt doch im Laufe seines Lebens nicht nur Schürfwunden. Natürlich kommt der Körper mit einem Kratzer selber zurecht, wenn man ihn in Ruhe lässt. Aber spätestens bei einem bösartigen Tumor hört es dann mit den Selbstheilungskräften auf. Da kommt der Körper alleine auch nicht weit. Genauso ist es meines Erachtens mit der Psyche auch. Mit manchen Belastungen kommt die Psyche selber klar, wenn man sich nicht zu sehr damit beschäftigt, mit manchen ist sie aber auch überfordert. Welche das sind, ist dann individuell.

Liebe Grüße,
DieNeue
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Hallo Neue,

nein, so sehe ich das natürlich nicht.
Schlumpffine erwähnte die eine Therapie, in der man Resilienzen entwickelt, alte Schemata ablegt und neue erlernt. So verstand ich auch, was in den SPEKTRUM -Text steht.

Ich grübele auch sehr viel, aber allermeistens bringt es mich sogar weiter. Anders ist das ja bei Depressiven.

Nach dem Lesen des Artikels dachte ich, dass ich vielleicht doch nicht so ganz falsch lag, wenn ich meinem Bruder Alternativen aufzeigte und auch aufzählte, was gut bei ihm lief. Manchmal fand er meine Ideen sogar gut, aber er hatte keine Kraft und trank ja auch exzessiv.
Wenn er sich auf eine Therapie hätte einlassen können, hätte man bestimmt rausgefunden, welche Form die beste für ihn gewesen wäre. Vielleicht auch Medikamente.

Negatives gehört zum Leben dazu. Aber wenn das überwiegt, man damit nicht mehr fertig wird und dies erkennt, könnte ich mir schon vorstellen, dass die in dem Artikel vorgestellte Therapieform zum Erfolg führen kann. Da geht es doch darum, aufzuzeigen, dass es auch viel Positives gibt, dies auch Teil des Lebens ist.
Bei schweren Depressionen reicht diese Therapie sicher nicht aus, aber dann gibt es passendere.

Ich schlage in meiner Herkunftsfamilie aus der Art. Bin die einzige, die allem was Positives abgewinnt. Habe ich vererbt bekommen, kann nichts dafür. Aber deswegen sehe ich das ganze Negative ja trotzdem. Bin aber auch offener und flexibler.

Wahrscheinlich ist alles richtig: bisschen ist genetisch bedingt, aber auch Verhalten erlernt. Vielleicht hat mein Bruder das von unseren Eltern unbewusst so übernommen. Wer weiß...

Ich fand sehr interessant, dass es die beschriebene Therapieform gibt. Und gute Therapeuten und Therapeutinnen finden raus, zu wem sie passt.

In einem anderen Artikel las ich, dass Serotoninmangel als Grund für Depressionen wohl auch nicht mehr gilt. Aber den lese ich mir auch nochmal durch...

Schön, dass Du Dich gemeldet hast

Viele Grüße
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Nachtrag:
Hatte mich widersprochen so ein wenig:
Das Positivdenken habe ich von einem Opa vererbt bekommen, glaube ich. Meine Mutter hat das durchgereicht an mich anscheinend.
DieNeue
Beiträge: 5338
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von DieNeue »

Hallo Mein Bruder,

Schematherapie und die Metakognitive Therapie sind zwei unterschiedliche Therapieformen. So wie ich es verstanden habe, geht es bei der Metakognitiven Therapie nicht wirklich darum, irgendwelche Alternativen zu erarbeiten, sondern um Methoden, wie man das Grübeln beenden kann, da das Grübeln als ein bzw. der ausschlaggebende Faktor angesehen wird, der die Depression aufrechthält. Das einzige Verhalten, das man da scheinbar ändern soll, ist das Grübeln.
Was das wirklich bringen soll, weiß ich nicht, denn meiner Erfahrung nach besteht eine Depression ja nicht nur aus Grübeln. Mir hätte es nicht geholfen, wenn man mir gesagt hätte, ich soll nicht mehr so viel über meine Probleme nachdenken. Davon gehen die Probleme ja schließlich nicht weg. Man hat vielleicht mehr Nerven und Kraft, Probleme anzugehen, wenn man sich nicht ständig durch das Grübeln und die Gefühle dadurch schwächt, aber die ursächlichen Probleme löst man damit nicht. Außer das Problem ist, dass man tatsächlich alles zerdenkt. Aber das muss ja auch irgendeinen Grund haben.

Ich glaube, es gibt schon einen Unterschied zwischen "normalem" Grübeln und depressivem Grübeln. Depressives Grübeln sind oft die immer gleichen Gedanken, die sich wiederholen. Du denkst eine Gedankenschleife, z.B. irgendeine Argumentation, warum du nichts wert bist oder an allem Schuld bist, und am Ende bist du wieder am Ausgangspunkt und die ganze Argumentation fängt wieder von vorne an. Oft merkt man es aber nicht wirklich, dass man ständig das gleiche denkt und es nicht zielführend ist, weil die Probleme so gewichtig sind und man ja seine Probleme lösen will. Da können andere Leute auch sagen, was sie wollen, da kommt man nicht so leicht raus. Das ist was anderes als konstruktives Nachdenken.

Das mit dem Serotoninmangel war ja schon immer nur ein Erklärungsmodell und nichts anderes, so wie es viele Erklärungsmodelle für Depressionen gibt. Wurde halt nur scheinbar als Fakt verkauft oder von den Leuten so verstanden. Von daher kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, warum sich Leute aufregen, dass das nun doch nicht stimmt. Ich mache mir da nicht so einen Kopf, was da jetzt medizinisch genau stimmt. Ich kenne mich mit Biologie und Chemie nicht gut aus und kann das auch nicht wirklich nachprüfen, was nun stimmt. Aber ich weiß von meinem Studium, dass in der Wissenschaft viel mit Modellen und Hypothesen gearbeitet wird, dass sich Wissen immer wieder ändert und man oft nicht alles zu 100% erklären kann. Und trotzdem wird mit diesen Hypothesen und Modellen gut gearbeitet. Bei anderen Medikamenten habe ich den Eindruck, gibt es da nicht so eine Aufruhr, wenn sich rausstellt, dass man nicht genau weiß, wie der Wirkmechanismus ist. Da geht es doch eher drum, hilft es oder nicht und wie gravierend sind die Nebenwirkungen. Ist aber nur mein persönlicher Eindruck. Ich denke auch, dass Depressionen nicht nur einen Grund haben, sondern das ein sehr komplexes Thema ist.

Jemandem aufzeigen, was bei ihm gut läuft, ist nie verkehrt. Solange man sein Leid nicht kleinredet, kann das hilfreich sein. Voll schön, dass du so eine positive Art hast.

Liebe Grüße,
DieNeue
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Liebe DieNeue,

vielen Dank.
Deine Erklärungen tragen wirklich dazu bei, dass ich die Krankheit besser verstehe.

Ja, ich glaube nun auch, dass die Metakognitive Therapie dann allenfalls für leichte Depressionen geeignet ist. Diese Übergänge / Abstufungen einzuschätzen gelingt den Therapeutinnen hoffentlich immer...

Sehr belastende Gedankenschleifen auf Dauer zu unterdrücken ist gefährlich, glaube ich. Das kann doch zur Katastrophe kommen.
Aber dann ist es immer gut, wenn die depressive Person erkennt, dass sie ärztliche Hilfe braucht. Bei meinem Bruder war es so, dass er mehrmals gegen die Alkoholkrankheit ankämpfte, diese Krankheit "akzeptierte" er also. Aber als ich ihm von meiner Vermutung erzählte, er habe Depressionen und dass sie recht gut zu behandeln seien, ging er nicht drauf ein. Er war schon zu schwach. Und leider zu weit weg (400km). Alles ging nur über Messenger oder Telefon.
In der letzten EntzugsKlinik erkannte man alles, er hätte Hilfe haben können. Er ließ das nicht zu...

Ich machte mich immer stark für ihn oder auch andere Mitmenschen, die oberflächlich besehen als seltsam empfunden wurden sie der die ihre Krankheit bereits diagnostiziert bekamen, indem ich immer sagte, sie können nichts dafür. Es gäbe Falschverschaltungen im Gehirn, es werde da immer noch viel geforscht usw. Das mit dem Serotonin kannte ich also auch. Was man als Laie so aufschnappt...

Das Wort "komplex" benutze ich ebenfalls recht oft.
Komplexität macht dann auch bestimmt korrekte Diagnosestellung und Therapie so schwierig, kann ich mir vorstellen.

Es ist traurig, wie viel Leid diese Krankheit verursacht. Damit muss man als Angehörige auch zurechtkommen. Mein Vater hat meinen Bruder übelst beschimpft am Telefon, war ja auch nur verzweifelt und es ist sehr schade, dass er das so tun musste.

Ich höre jetzt mal auf, bin gerade sehr traurig.

Aber ich danke Dir wirklich sehr und wünsche Dir, dass Du auf einem guten Weg bist.

Viele Grüße
Mein Bruder
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Hallo Bürgerinnen, :mrgreen:

ich bin, für mich, zu dem Schluss gekommen, es gibt nicht die erfolgreiche Therapie, den Botenstoffmangel, das "innere Kind", den schwarzen Hund oder den Substanzmittelmissbräuchler.

Warum säuft ein Mensch? Sicher gibt es da viele Parallelen, doch weicht nur eine Gerade der Parallele ein bisschen ab, kommt es zu einer Nichtparallelität, einem Ungleichgewicht.

Grübeln ist an sich ja auch nichts schlechtes, im Gegenteil, doch wenn man nie zu einem Ergenis kommt und sich immer wieder an der gleichen Stelle (Gedanken) "aufhängt", kann's schon sehr deprimierend werden.

Und grübelt man nur mit sich allein, ist es schwer zu anderen Ergebnissen zu kommen, da weitere Impulse fehlen.

Da ist Alkohol (oder andere Dogen) ein hervorragendes Betäubungsmittel, noch dazu werden Botenstoffe ausgeschüttet, die einfach glücklich machen und vergessen lassen.

Was erzeugt in uns (drogenfreie Menschen) Freude?

Hat man das herausbekommen und/bzw. gelernt, werden Drogen überflüssig.

Wie lernt, erlernt man also Freunde zu empfinden, selbst wenn man einen garstigen Vater hat?
Auch ich hatte so einen Popoloch-Vater ... nur der totale Kontaktabbruch, half mir.
Zwar war ich dann nicht gleich froh und glücklich, doch weniger betrübt, deprimiert.
Denn wir glauben, leider viel zu oft, was wir immer wieder hören und sehen.

Wie bekomme ich Bewusstsein und (!) Selbstbewusstsein?
Nur Vererbung kann's ja nicht sein.
Wachse ich nur mit depressiven Menschen auf oder umgeben mich solche, zu oft, ist die Gefahr keine geringe, dass ich mir allerlei abschaue, besonders als junger Mensch.
Wachse ich mit fröhlichen, selbstbewussten Menschen auf oder umgeben mich diese, beeinflussen sie mich auch.

Ich muss mich also bemühen oder möchte bitte, :mrgreen: so viel Abwechslung wie möglich in mein Leben zu bekommen und das was mir missfällt, meiden.
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Hallo Maxegon,

Du scheinst allein rausgekommen zu sein. Das freut mich sehr für Dich.

Genau - Umwelt bzw. Personen, mit denen man aufwächst, zu tun hat, prägen einen mit.
Und doch ist dann da auch die eigene Persönlichkeitsausstattung. Wir hatten ja denselben Vater. Mein Bruder hat möglicherweise (unbewusst) unter ihm gelitten - ich konnte mich freimachen und habe das Allermeiste mit meinen Kindern ganz anders gemacht als meine Eltern. Aber jetzt gerate ich immer mal wieder recht heftig mit meinem Vater aneinander.
Im Grunde genommen kann er auch nichts dafür und er tut mir auch oft leid. Aufgrund seiner Kindheit hat er ein geringes Selbstwertgefühl und macht andere gern klein, um sich "aufzuwerten". Das ist sehr anstrengend für meine Mutter, meinen Mann und mich. Seine Enkelkinder lässt er zum Glück in Ruhe.

Ich freue mich für alle, die allein rauskommen aus ihrer belastenden Situation.
Aber dass es verschiedene Therapien gibt, ist auch sehr gut. Als ich den Entlassungsbericht gelesen hatte, war ich wirklich beeindruckt. Er hatte sich ja selber entlassen, gegen ärztlichen Rat...
Seine Tochter ist auch suchtkrank, aber nach langer stationärer Therapie trocken / clean. Viel weiß ich nicht und ich frage sie nicht aus. Gelesen hatte ich das im Entlassungsbericht und sie dann kurz drauf angesprochen. Wenn sie was erzählen möchte, höre ich natürlich zu. Lange hatten wir keinen Kontakt und ich bin froh, dass das jetzt wieder der Fall ist. Sie hatte auch keine schöne Kindheit...

Ach furchtbar. Ich werde damit auch noch eine ganze Weile zu tun haben, glaube ich. Aber das schaffe ich.

Alles Liebe und Gute Dir weiterhin und Entschuldigung nochmal wegen des Missverständnisses neulich.

Liebe Grüße
K.
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Nachtrag:
Beeindruckt war ich davon, dass eine vermeintlich maßgeschneiderte Therapie für meinen Bruder vorgeschlagen wurde vonseiten der Klinik-Ärzte. Und ich werde diesen Teil der Krankheit nie verstehen: warum er das nicht annehmen konnte.
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Mein Bruder hat geschrieben: 21. Dez 2023, 10:20 eine vermeintlich maßgeschneiderte Therapie für meinen Bruder vorgeschlagen
... warum er das nicht annehmen konnte.
Vermeintlich ... das kenne ich gut, das kennt wohl jeder ...

Diesen Satz: "Ich meine es ja nur gut."

Und immer wieder wird man damit belästigt, der " es gut meinende " wird nimmer müde, weil ... er meint es ja nur gut, gar nicht bemerkend, dass er (augenscheinlich) das genaue Gegenteil erreicht.

Die eigene Vernunft bzw. die allgemeingültige, die von vielen, wird als vermeintlich (!) hilfreich erachtet, es muss "geheilt" werden.
Jegliche Individualität, wird versucht in eine Form zu pressen, wie gut das funktioniert, liest man hier in vielen Äußerungen. (Ironie)

Klar, sind einige geschädigt oder verrückt, auf ihre (!) Weise. -> siehe dein Vater, auch meiner beleidigte, machte andere 'runter bzw. versuchte es.
Ließ man sich darauf ein, wurde oft weiter gemacht bis zur "totalen Vernichtung" (Anerkennung/Unterwerfung), erst dann verebbte die verbale Unterdrückung.

Versuchte man sich zu verteidigen, ging's erst richtig los, mit den verbalen Angriffen.
Welch' Kind, Partner kann das schon auf Dauer ertragen?
Man bekommt selber einen Knackser, entweder beginnt man zu saufen, betäubt sich oder geht zum Psychater.

Es entwickelt sich das Gegenteil von selbstbewusst.

Viele Therapien, vermeintlich maßgeschneiderte, verfehlen ihr Ziel.
Kein Wunder, kratzen sie nur an der Oberfläche, es fehlt schlichtweg die Zeit.

Bedenkt man, wie lange es dauert bis man einen "desozialisierten"/geschädigten Hund wieder zum Vertrauen überreden kann ... oder einen Menschen.

Ich kann nur jemanden "heilen"/verändern, in dem ich mich in ihn hineinversetze, ihn verstehe, die Welt mit seinen Augen sehe, versuche seine Gefühle zu fühlen, ihn von Aha-Effekt zu Aha-Effekt geleite, ohne Zwang, ohne schulmeisterlich zu sein und das benötigt Zeit und sehr viel Toleranz.

Ein schichtes Gemüt kann ich sehr schnell überreden, bezaubern, verzaubern, doch wurde der Argwohn schon seit der Kindheit antrainiert, die Verteidigung zwangsweise erlernt, durch immerwährende Verletzungen, Beleidigungen, Missachtungen, bekommt man es sehr schwer wieder heraus, aus einen Menschen.

Oftmals auch gar nicht.

Ich bin auf Grund meiner Sozialisierung (Kindheit - auch sehr garstiger Vater) ein sehr skeptischer und verletzbarer Mensch geworden.
Ich machte aus der Not eine Tugend, lefzend nach Anerkennung, wurde ich auch erst zum Klassenclown und lernte mich nicht selbst immer so ernst zu nehmen.

Und somit auch die Anderen nicht sooo ernst zu nehmen.
Das half ungemein und tut es noch immer.

Vermeintlich gut, meine ich es auch immer, aber nur vermeintlich. :mrgreen:

Dein Bruder konnte es nicht annehmen, die vermeintliche massgescheiderte Therapie, weil sie eben nicht (!) zu ihm passte, vielleicht war er auch schon zu dauerbetrunken.

Es dauert lange, bis das Hirn sich von seinen alten, über die Jahre antrainierten Mustern lösen kann.
Nur weil man nicht mehr trinkt, heißt das noch lange nicht, dass man klar im Kopf ist, dass alle Ängste, Befürchtungen weg sind.
Ein stabiles, liebevolles Umfeld ist da unabdingbar.
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Ich meinte mit "vermeintlich": es las sich für mich so, als hätte die Therapie ihn vom Abgrundrand zurückholen können. Man muss doch auf die Fachleute vertrauen. Die Klinik hat einen guten Ruf.

Zu mir sagte er, ich sei die Einzige, die noch zu ihm hält. Habe mich aber auch bemüht. Im Übrigen las ich einige meiner Vorschläge auch im Entlassungsbericht.
Und er sagte zu einer meiner Ideen: "Ja, das hört sich gar nicht so schlecht an." Ich wollte mich ja auch zu seiner Betreuungsperson machen, ihm helfen, seine Angelegenheiten zu ordnen, aber das konnte ich ihm gegenüber schon nicht mehr äußern. Es stimmt - er war wohl dauerbetrunken.

Also wie jetzt: ich las immer, die Unterstützung Angehöriger sei so wichtig. Ich habe mich sehr eingebracht, mich um ihn bemüht. Und ich finde nicht, dass das falsch war. Ich konnte ja auch gar nicht anders. Es gab auch mal Sendepausen zwischen uns, aber lange hielt ich das nicht aus. Er auch nicht.
Vielleicht hätte ich auch irgendwann aufgegeben.
Und an seinem Todestag habe ich es morgens ja geahnt und das zu meinem Mann gesagt. Abends kam die Polizei...
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Dieses Hineinversetzen in die Person können doch nur Psychotherapeut*innen leisten. Das Begleiten von Aha zu Aha (gut ausgedrückt!).
Es hätte gepasst, glaube ich schon. Sonst wären nicht Klinik- und meine Vorschläge dieselben gewesen.
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Hallo K. ,

dem Propheten im eigenen Haus (Familie) glaubt man eh' am wenigsten.
Fremde, oft garstigere Personen, hinterlassen oft einen weitaus gravierenderen Eindruck.
Diese Erfahrung machten sicher schon viele.

Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, bei dauerbetrunkenen Personen hilft leider nichts, so meine Erfahrung (Vater u.a.).
Viele sagen zwar "ja, ja" und stimmen zum Schein zu, zeigen Einsicht, doch wollen eigentlich nur ihre Ruhe.

Wenn man nicht mehr weiß, wozu man etwas tun soll, es einem nichts mehr erfreut, warum sollte man dann etwas ändern - wozu?
Der Suff macht ertäglich, der Suff lässt vergessen ... seine Schmerzen, Ängste, einfach alles und hüllt einen in einen wohligen Zustand, hoffentlich.

Ein Umstand mit dem man sich abfinden muss!
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Maxegon »

Mein Bruder hat geschrieben: 21. Dez 2023, 14:03 Dieses Hineinversetzen in die Person können doch nur Psychotherapeut*innen leisten.
Schön wäre es, wenn dem so wäre.
Sie sollten es können.
Doch Menschlichkeit kann man nur selten auf einer Schule erlernen, jede Menge Theorie, Hypothesen die kann man erlernen.

Meine Oma, eine recht einfache Frau, Baujahr 1909, einfachste Schulbildung, war eine ausgezeichnete Therapeutin.
Als ich mal einige Zeit in der Mongolei war, traf ich einige weise (alte) Männer und Frauen, die selten länger eine Schule besuchten, weil sie sehr selten in einer Stadt waren/sein konnten. Die wussten, was wichtig war, die hatten Bewusstsein, sie achteten auf die scheinbar (!) vielen, kleinen unwichtigen Dinge, die unser Leben massgeblich beeinflussen und vermittelten diese an ihre Kinder und Enkel. Sie waren nicht mit Schulwissen vollgestopft und hatten noch den Blick für's wirklich Wichtige.

Ähnliche Beobachtungen machte ich in Südamerika oder Südostasien, fernab der "zivilisierten" Städte, die Menschen waren zwar nicht "gebildet", aber unheimlich klug und erfahren. Sie konnten noch zuhören und sehen und nahmen sich die Zeit dafür.
Mein Bruder
Beiträge: 83
Registriert: 28. Okt 2023, 21:11

Re: Ich möchte die Krankheit verstehen

Beitrag von Mein Bruder »

Ach ja, so wird es auch bei ihm gewesen sein.
Kann ich mir gut vorstellen, dass er sich nur noch alkoholisiert eingermaßen gut gefühlt hat.

Und ja - es stimmt auch, dass man als Angehörige nicht so gern erhört wird.
Nun ja - er ist, wie gesagt, erlöst.

Ich war mir zwischendurch mal unsicher, ob ich hier richtig bin. Aber bin ich - danke Dir 😊
Antworten