Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

geklärt

Beitrag von Barbra »

sorry, Beitrag gelöscht. Hat sich geklärt.
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Bellasus »

Hi Barbara,

gut, dass es sich für dich geklärt hat, aber trotzdem schade, habe gestern nur keine Energie mehr gehabt was zu schreiben.

Ich glaube jedenfalls weniger an die Gene als an Prägung in der Familie, allenfalls genetische Disposition, die aber nur unter ungünstigen Bedingungen relevant wird.

Mein Vater war depressiv, hat sich das Leben genommen, ich bin ebenfalls depressiv, aber meine Kindheit ist wohl eher die Ursache als die Vererbung, zumal mein Bruder auch erhebliche Probleme im Leben hat.

Ich hoffe, mit deine Erkenntnis kommst du zurecht, liebe Grüße

Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
Xenia
Beiträge: 2051
Registriert: 20. Apr 2003, 12:31

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Xenia »

Liebe Barbara,

schade, daß Du das Posting gelöscht hast... Ich war zwar nicht zu Hause, wie Du weißt, habe aber vom Inhalt erfahren und fand das Thema sehr interessant...

Überleg's Dir doch nochmal.

Liebe Grüße

Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Hi Ihr beiden,

ich war einfach zu gefrustet, hab immer noch diesen blöden Schub der nie wieder wegzugehen scheint. Dazu kam dann noch die Denke, scheint ja eh niemanden sonderlich zu interessieren, dieses Thema. Vielleicht können wir's nochmal so aufgreifen, interessieren tut's mich nach wie vor.

Ich weiß net, was Ihr jetzt genau davon wisst bzw gelesen habt, es ging darum, dass meine Mutter sagte die Symptome zu kennen aus einem Text den ich ihr mitgegeben hatte. Xenia, Du kennst den Text ja, der aus persoenlichkeits-stoerungen.de. Annette, ich glaub Du weisst auch was ich meine? Die ganzen Symptome der NPS halt..

Es war hochgradig beeindruckend, meine Mutter überhaupt mal so ehrlich und offen zu erleben. Das muss doch mal kurz erwähnt werden, schließlich das erste oder zweite Mal in 40 langen Jahren! Und sie ist jetzt natürlich superglücklich, es ist ihre Schuld net, nee die Gene, die sind's!

Bei ihr sei's so mit 30 dann aber vorbei gewesen. Jene Zeit, als sie dann erfolgreich im Beruf wurde, zuhause 2 kleine Kinder hatte, und nach außen eben alles so schön perfekt war.

Mein Opa mütterlicherseits soll an psychischen Störungen gelitten haben. Der ist im Krieg schon gestorben. Seine Mutter ließ ihn bei ihren Eltern zurück, heiratete 'nen fremden Mann und hatte mit dem dann 6 Kinder, 200 km weit weg. Also nicht so sehr verwunderlich, dass der Mann psychisch net klar kam. Seine Großeltern sollen auch äußerst böse zu ihm gewesen sein.

Nun zu der Klärung, von der ich geschrieben hatte: es soll die biologische, genetische, und die psychosoziale Vererbung geben. So hat es mir mein Thera erklärt. Eine Stoffwechselerkrankung z.B. wäre hiernach die biologische Vererbung.

Die psychosoziale ist ja wohl die, an die die meisten von uns glauben, oder? Wo in der Erziehung weitergegeben wird, worunter man entweder als Eltern(teil) selbst leidet, oder wo Eltern vielleicht auch einfach "nur" Fehler machen; oder wo eben die ganz gravierenden Dinge passieren, Missbrauch etc.?

Aber was ist mit der genetischen Vererbung? Was ist, wenn irgendwelche Bausteine nun mal falsch zusammengesetzt sind? Was bringt in dem Moment noch irgendwelche Tiefenpsychologie, Psychoanalyse oder VT?

Was ich auch noch interessant fand, ist dass es schon fast eine Glaubensfrage zwischen Psychiatern, Psychotherapeuten und was weiß ich noch alles zu sein scheint. Auch in der Medikation, die sie verabreichen, scheint es da jeweils riesengroße Unterschiede zu geben?

So, das war das. Beschäftigen tut's mich nach wie vor. Ich möchte so gern ergründen, für mich Dinge feststellen. Einfach warum, wodurch, wieso usw.

Und diese Erklärungen von meinem Thera haben leider nur ein Stück weit dazu beigetragen. Seine Meinung steht fest, ich bin traumatisiert durch diese vielen, ach so schlechten Erfahrungen und Erlebnisse in meiner Kindheit.

Und warum bleiben andere dann gesund, obwohl sie diesbezüglich sehr viel mehr erlebt haben als ich???

So, das waren meine Gedanken.

Danke euch beiden,
lieben Gruß
Barbara
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Bellasus »

Hallo Barbara,

ja, ich habe ein bißchen was von dir gelesen, habe ja auch eine PS, nämlich die abhängige. Und die ist bei mir eindeutig auf meine Kindheit/ Jugend zurückzuführen und die wiederum auf die Jugend meiner Eltern. Denn unsere Eltern sind ja auch das Ergebnis einer Prägung, und bei meinen Eltern gab es ebenfalls genug, was schief lief als sie klein waren. Und bei meinen Großeltern auch... Bei wem eigentlich nicht?

Und das ist ja auch deine Frage: Andere haben ähnliches oder schlimmeres erlebt und gehen trotzdem als gesunde Menschen durch ihr Leben. Kennst du das Buch "Sie haben es doch gut gemeint" von Josef Giger-Bütler? Ich habe es mir auf Anregung aus dem Forum gekauft und kann sehr viel mit anfangen.

Menschen, Persönlichkeiten sind nun mal verschieden, einer wird Mathermatiker, einer Sprachgenie, kann aber mit Zahlen nichts anfangen, einer geht fröhlich pfeifend durchs Leben, ein anderer traurig, und das alles oft völlig unabhängig vom Elternhaus. Laut dem Buch gibt es depressive Persönlichkeiten, die eben auf ungünstige Umstände so reagieren. Vielleicht bleiben sogar die Geschwister gesund, obwohl sie das gleiche erleben. Aber mein Bruder hat z.B. auch erhebliche Probleme im Leben, auch wenn er nicht depressiv ist, ist er ein etwas verschrobener Eigenbrötler. Ich glaube, bei meinen Eltern hätte ein Kind eine sehr starke Persönlichkeit gebraucht, um unbeschadet erwachsen zu werden. Aber trotzdem bin ich überzeugt, dass keinerlei biologische/ genetische Vererbung vorliegt bei mir. Wenn ich Kinder hätte, bekämen die mit Sicherheit auch Schwierigkeiten, aber wohl eher deshalb, weil ich ihnen keine gesunde, positive Lebenseinstellung vermitteln könnte.

Das wars erst mal von mir, ich hoffe ihr könnt euren Sonntag genießen!

viele Grüße
Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

So einfach ist das denke ich alles nicht zu trennen. Ist es denn so wichtig, zu wissen wie groß der genetische und wie hoch der geprägte Anteil ist? In jedem Fall kann eine Therapie helfen und die Medikation untestützt einen dabei.
Ich denke, es gibt eine erbliche (genetische) Disposition zu psychischer Erkrankung und diese wächst sich dann eben entsprechend aus, wenn negative Erfahrungen passieren, die man (als Kind) nicht verarbeiten konnte. Andere haben vielleicht eine ebensochlche Disposition, werden aber nicht krank, weil sie andere Erfahrngen machen durften, die ihnen helfen, ihre Veranlagung zu kompensieren. Wieder andere hingegen erleben furchtbares und bleiben gesund, weil sie eben psychisch robuster sind.
So gesehen ist es immer eine Mischung aus beidem. Wichtig ist aber doch, dass wir durch die Therapie lernen damit zu leben.
Da bei jeder Depression egal welcher Ursache irgendwie der Hirnstoffwechsel verändert ist, können da Medikamente auch helfen.
Schwieriger ist es natürlich bei den Persönlichkeitsstörungen (bin selber auch betroffen - Borderline). Das sind tiefgreifende Verhaltensmuster. da kann man aber (hoffe ich) auch durch die Therapie dran. Das ist sehr harte Arbeit, das merke ich auch immer wieder und dauert sehr lange. Mir hilft es auch, zu sehen, wie das mit Kindheitserlebnissen zusammenhängt, auch wenn das nicht unmittelbar am Empfinden was ändert. Aber das Wissen darum finde ich wichtig.
Liebe Grüße, Jolanda


------------------------------------------------------------------------

Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Bellasus »

Hallo Jolanda,

ja, ich stimme dir zu. Disposition - auf das Wort bin ich vorhin nicht gekommen, aber das trifft es wohl.

Sicher, man muß das nicht alles aufdröseln wieso weshalb warum. Aber mir hilft es schon sehr, zu verstehen, ich bin meinen Empfindungen nicht mehr so hilflos ausgeliefert, seit ich einige Zusammenhänge erkannt habe. Z.B. hoffe ich jetzt auf einen Platz in einer Tagesklinik. Für die Zeit setzt dann aber die ambulante Therapie aus, und ich habe leide jetzt schon unter dem "Verlust" meiner Therapeutin für ein paar Wochen - das ist meine Angst vor Verlassenwerden, die ich erst seit meinem Klinikaufenthalt benennen kann. Und seitdem ist sie zwar nicht weg - da bin ich noch am Anfang der Arbeit - aber sie überschwemmt mich nicht mehr so, ich versuche zumindest meinen Verstand einzuschalten.

Die Veranlagung zur Depression habe ich bestimmt von klein auf, das ist wohl wahr.

Liebe Grüße
Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
Xenia
Beiträge: 2051
Registriert: 20. Apr 2003, 12:31

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Xenia »

Liebe Barbara,

m.E. kann man – wie Jolanda schon schrieb – nicht genau trennen, was genetische Disposition ist und was ausschließlich psychosoziale Gründe hat.

Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Gerade bei Persönlichkeitsstörungen, wie bei der BPS: natürlich haben – wenn ich mich recht erinnere – 76 % der Patientinnen irgendeine Art Trauma erfahren. Aber es gibt eben auch die anderen 24 %, die diese PS „einfach so“ entwickelten. Bei denen muß es also auf jeden Fall irgendeine Disposition gegeben haben.

Diese genetische Disposition fördert natürlich die Vulnerabilität für eine psychische Erkrankung. Und deshalb denke ich, daß es in diesen Fällen wichtig ist, medikamentös und psychotherapeutisch zu arbeiten. Psychotherapeutisch, damit der Betroffene mit potentiellen Auslösern besser umgehen kann und sich seiner Veranlagung zu einer bestimmten Erkrankung gewahr wird.

Nun, warum erkranken manche, die bestimmte Erfahrungen gemacht haben und andere wiederum nicht?

Auch hier kann man m.E. nicht mit einer isolierten Sichtweise herangehen. (Anmerkung: für mich gibt es kein objektives Schlimm, schlimm ist für den Betroffenen das, was er als schlimm empfindet).

Wenn einer Person etwas Schlimmes passiert ist es von großer Bedeutung, in welchem Umfeld die Person lebt. Ob es sich offenbaren kann, ob das Umfeld adäquat mit der Geschichte umgehen kann. Ob Betroffener und Umfeld nach einer angemessenen Zeit des „Leidens“ wieder zurück in ein normaleres Leben finden. Wenn die betroffene Person in einem beschützenden wohlwollenden und positiv verstärkenden Umfeld lebt, ist die Chance groß, das Trauma einigermaßen unverletzt zu überleben. Vor allem auch, wenn sich das Umfeld und der Betroffene ggf. frühzeitig um professionelle Hilfe kümmern.

Anders sieht es natürlich aus, wenn die betroffene Person auf keinerlei Unterstützung aus dem Umfeld, der Familie oder dem Freundeskreis hoffen kann. Oder sich noch nicht einmal offenbaren kann. Wenn es eben keine Zeit des Innehaltens gibt, in welcher das Trauma – gemeinsam – betrauert wird. Wenn die betroffene Person alles mit sich alleine ausmachen muß, kann sie keine andere Sichtweise sehen, als ihre eigene, die naturgemäß absolut subjektiv ist und häufig mit Sätzen einhergeht wie: „ich bin selbst schuld“, „ich habe es nicht anders verdient“, „ich bin ein schlechter Mensch“ usw. Wenn es niemanden gibt, der von außen diese Sätze relativieren kann, ist m.E. eine erhebliche Gefährdung vorhanden, eine psychische Krankheit oder eine Persönlichkeitsstörung (je nach Alter der Person) zu entwickeln.

>Und sie ist jetzt natürlich superglücklich, es ist ihre Schuld net, nee die Gene, die sind's! >

Gibt’s eine einfachere Erklärung??? Kann man sich einfacher von irgendwelcher Verantwortung losmachen?

>Bei ihr sei's so mit 30 dann aber vorbei gewesen. Jene Zeit, als sie dann erfolgreich im Beruf wurde, zuhause 2 kleine Kinder hatte, und nach außen eben alles so schön perfekt war.>

Und wieso ist dann aus Dir das geworden, was Du letzten Endes bist? Ich meine, es gibt ein tatsächliches Aufhören von Symptomen o.ä. und es gibt ein so-tun-als-ob… Manche Menschen sind so gut im Verdrängen (ich auch), daß sie wirklich davon ausgehen, gewisse Probleme seien nicht mehr da. Vor allem dann, wenn man Beruf, Kinder, Familie an der Backe kleben hat… Dann kann sich kaum noch jemand irgendwelche psychischen Beeinträchtigungen mehr leiden, nicht wahr?!

Ich denke auch, daß es in kranken Familien so ist, daß bestimmte Verhaltensweisen über Generationen hinweg weitergegeben werden. Gerade in bezug auf sex. M. gibt es da einige interessante Untersuchungen bezüglich Familienstrukturen… Ich habe so etwas auch schon in der Kanzlei miterlebt, daß es einfach Familienstrukturen gibt, die sich immer und immer wiederholen. Scheint schon fast schicksalhaft zu sein… Bis es halt ein Familienmitglied schafft, aus dieser Tradition auszubrechen und etwas neues zu beginnen…

So, das war's erstmal von mir.

Liebe Grüße

Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Liebe Annette,

grad hab ich in Deinem "Mütter" thread gelesen. Leider habe ich jetzt net so die Energie was reinzuschreiben (kommt aber noch), aber ich find's sehr wichtig und interessant.

Von dem Buch hat mir Martina hier aus'm Forum erzählt, sie wohnt ja bei mir in der Nähe und wollte es mir ausleihen, allerdings hat's jetzt ihre Therapeutin. Gestern hatte ich noch bei amazon danach gesucht, konnt's aber net finden. Werde ich mir dringend zulegen müssen!

Ich weiß auch nicht, warum ich mich so sehr mit dem "woher und warum" auseinandersetzen muss. Vermutlich bilde ich mir ein, durch das Nachforschen ein Erkennen in welcher Art auch immer zu erreichen. Ich will, ich brauche viel mehr Klarheit.

Ein Cousin von mir ist Pädophiler - Professor für Mathematik und Musik. Hat natürlich u.a. auch mich missbraucht. Was jetzt hier keine weitere Rolle spielen soll; es geht mir eher darum - was ist denn in dieser Familie los, um Himmels willen??? Nach außen scheinen wir so "normal", aber dann...

Meine Schwester ist überaus glücklich mit ihrer Familie, liebevollen Mann, 3 Kinder. Sie wartet inzwischen nur noch drauf, dass sich bei ihr irgendwelche Symptome äußern. Probleme wie Dein Bruder hat sie allerdings keine, zumindest keine offensichtlichen. Die Ablenkung und Beschäftigung mit Familie und Haushalt lassen wohl auch erst gar net zu, dass irgendwas hochkommen könnte.

Meinen Sonntag werd ich net so genießen können, ich werde schlafen, mir den Kopf zumachen, was auch immer. Aber Dir wünsch ich einen erholsamen und schönen Sonntag, auf dass Du Dich mal wieder etwas entspannen kannst


Hallo Jolanda,

ja, es ist mir wichtig. Mag sein, dass es nicht zu trennen ist, vermutlich ist dem durchaus so. Und um "damit leben zu lernen", muss (oder will) ich ja erst mal wissen, wodurch all das entstanden ist.

Gut, die Veranlagung war da. Die Verhaltensweisen meiner Eltern mir gegenüber waren derart, dass sich eine PS bilden konnte, vielleicht sogar musste. Hier komme ich jetzt grade mit meinen Gedanken nicht mehr weiter, ich werde dazu noch was schreiben, sobald's wieder geht.

Was ich bei mir auch feststelle, ist dass es hilft, gewisse Kindheitserlebnisse wieder hervor zu holen. Allerdings geht es mir da anders als Dir, an meinem Empfinden ändert das einiges. Ich merke immer wieder, wenn ich Zusammenhänge verstehe, mir Dinge klar werden, erleichtert mich das sehr. Der Druck wird weniger schwer..


Liebe Xenia,

als allererstes muss ich auf einen Deiner letzten Sätze eingehen, der hat mich sehr angesprochen:

>Gerade in bezug auf sex. M. gibt es da einige interessante Untersuchungen bezüglich Familienstrukturen…

Mein Vater hat früher immer meine Tagebücher und Briefe gelesen. Im Nachhinein dadurch erklärbar, dass er nicht an mich ran kam, ich nehm's ihm auch net mehr soo übel. Als Teenie, bei meinen allerersten Verliebtheiten, wurde dann gesagt, ich sei "sexuell gestört". Wegen ganz normaler Teenie-Schwärmereien. Da hatte der Mißbrauch schon lange angefangen. Also war nicht mein Cousin, sondern ich die Gestörte.

Dass ich mein Umfeld so schnell wie möglich verlassen musste (Du weisst ja, mit 13 das erste Mal) lag wohl genau daran, dass ich nicht nur keine Unterstützung hatte, sondern auch noch "niedergemacht" wurde. Alles an mir war schlecht, ich taugte zu nix.

Gut, all dies scheint mehr auf psychosoziale Komponenten hinzuweisen. Und, wie Jolanda und Du bereits sagtet, dass es wohl eine Mischung aus verschiedenen Ursachen sein wird.

Trotzdem unbefriedigend. Ich weiß net warum, ich weiß net was ich hören wollte.

Vermutlich ist mir einfach das warum so wichtig, weil ich mir erhoffte dadurch zu Erklärungen zu kommen, die mich befriedigen, bestätigen in was auch immer. Die dafür sorgen, dass es mir besser geht vielleicht

Lieben Gruß
Barbara
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Es ist glaube ich ganz natürlich, das WARUM kennen zu wollen. Es kann auch helfen, denke ich, aber es ist nun mal nicht so einfach, DIE Ursache zu finden. Weil das passiert ist, bin ich so, oder weil ich genetisch vorbelastet bin, bin ich nun depressiv.

Liebe Xenia, du sprichst mir aus der Seele.
"Anmerkung: für mich gibt es kein objektives Schlimm, schlimm ist für den Betroffenen das, was er als schlimm empfindet" Ich gehöre wahrscheinlich zu den 24% Borderlinern, die kein schlimmes Trauma erlitten haben (zumindest eben objektiv nicht, es gibt schon einiges, was für mich schlimm war). Das macht es für mich aber nicht einfacher, denn ich kann umso schwerer verstehen, warum es so ist.

Liebe Barbara, ja ich denke schon, dass das wissen um die Zusammenhänge irgendwann hoffentlich auch die Empfindungen verändern kann. Ich bin da auch noch ganz am Anfang meiner Therapie und "entdecke" mich da auch erst selber.
Auch läuft die Therpie bei mir in zwei Ebenen ab. Einmal ganz verhaltenstherapeutisch, mit der DBT, was gut hilft, einfach besser zurecht zu kommen und dann eben noch ne Gesprächstherapie, die mir hilft, besser zu verstehen, was in mir abläuft.

Es ist ja auch so, dass vergleichbare Erlebnisse bei unterschiedlichen Leuten zu unterschiedlichen pychischen Problemen führen. Das spricht doch auch für das Zusammenwirken von Disposition und äußeren Einflüssen.

Liebe Grüße, Jolanda


------------------------------------------------------------------------

Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Moin Ihr Lieben,

ja, der Thread gehört doch mal wieder hochgeholt, abgeschlossen ist er m.E. noch net. Gell, Xenia Süße? Meine Schreibfähigkeit hat sich glücklicherweise auch wieder verbessert.

Auffällig beim nochmaligen Lesen des ganzen Threads fand ich, dass wir alle von den verschiedensten PS'en betroffen sind. Irgendwelche Konklusionen? Oder einfach Zufall?

Ein guter Bekannter von mir ist das perfekte Beispiel, bzw. seine Familie. Zwei seiner Brüder haben SM begangen, sie waren beide hochgradig depressiv, aber wohl nie in Behandlung deswegen. Er selbst litt unter einer NPS, brauchte 10 (!) Jahre Therapie, ist nun aber "geheilt". Er will und hat seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern, die übrigens in FR leben, muss ich doch grad mal erwähnen Sein Onkel ist allerschwerst depressiv, kann sich nur mit den stärksten Hämmern irgendwie über Wasser halten. Ein anderer Onkel hat auch SM begangen.

Hier kann ich wirklich nur auf genetische Vorbelastung schließen, oder sehe ich das falsch?

Mein Fazit: es scheint beides zu geben, einmal das rein Genetische, andererseits eine Mischung aus verschiedenen Ursachen.

Im Zuge meiner Therapie erkenne ich immer mehr, wie sehr meine Störung schon als Kleinkind geprägt wurde, also die psychosoziale Komponente. Wahrscheinlich kann eine Mutter ihre Störung durchaus an ihr Kind weitergeben, nehme ich mal an. Aber woher kam dann ihre Störung??? Sie wuchs ohne ihren Vater auf, der wie gesagt doch auch schon an einer Störung litt. Meine Oma, bei der ich ja aufwuchs, hatte keine psychischen Störungen (zumindest keine bemerkbaren). Also bzgl. meiner Mutter wieder das Genetische?

>Es ist ja auch so, dass vergleichbare Erlebnisse bei unterschiedlichen Leuten zu unterschiedlichen pychischen Problemen führen.

Ja jolanda, das erkenne ich sehr gut bei meiner Schwester und mir. Wobei sie, wie ich bereits mal erwähnte, schon halb drauf wartet, dass bei ihr was kommt. Sie ist sehr abgelenkt und beschäftigt durch ihre große Familie, aber wenn die Kinder mal größer sind, sie Zeit hat für sich selbst, was mag dann alles hochkommen? Sie sagt davor bereits jetzt Angst zu haben.

Wobei sie natürlich den Vorteil hatte, net so abgelehnt zu werden wie ich, und mein Cousin sie außerdem in Ruhe ließ.

>Diese genetische Disposition fördert natürlich die Vulnerabilität für eine psychische Erkrankung

Xenia, ja, eine logische Erklärung. Und dennoch reicht's mir net aus. Nach wie vor weiß ich selber net genau, was ich hören, erfahren, erkennen will. Immer noch ein konkretes warum, nehme ich an.

Was läuft bzw. lief da falsch, oder ist einfach falsch programmiert, außerhalb der psychosozialen Komponente? Und was kann ich selbst zur Besserung beisteuern, indem ich erkenne, realisiere, reflektiere? Kann ich mich selbst umprogrammieren, kann mein Thera das mit mir? Oder bleibt alles einfach bestehen, und ich lerne nur, damit umzugehen und ein halbwegs normales Leben zu führen?

So. Jetzt weiß ich net, wie wirr das ist, ob das alles überhaupt noch irgendeinen Sinn macht. Trotzdem hoffe ich auf Konstruktives. Dass wir irgendwie zu irgendeiner These, Lösung, was auch immer kommen, die weiterhilft.

Liebe Grüße von einer mal wieder etwas verwirrten
Barbara
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von jolanda »

Liebe Barbara!

Klar, das WARUM ist sicher eine sehr drängende Frage und ich kann supergut nachvollziehen, dass sie dich so beschäftigt.Ob sie sich mit sicherheit klären lässt, halte ich für fraglich.
Aber für dich hier und jetzt (und das gilt sicher für uns alle) ist doch wichtig zu wissen/lernen: WIE gehe ich damit um?
Es ist nunmal so, wie es ist, ob Genetik oder psychosoziele Prägung oder alles zusammen.
Ich habe irgendwo mal gelesen, dass es Studien gibt (und auch meine Ärztin sagte ähnliches), dass jede psychische Erkarankung auch durch bestimmte Stoffwechsel "Abnormitäten" im Hirn nachweisbar sei. Da kann man mit Medikamenten Einfluß drauf nehmen. Interessanterweise hat aber auch Psychotherapie einen ähnlichen Einfluß, wie Medikamente, sie läßt sich auch durch Veränderungen im Hirnstoffwechsel nachweisen. Das läßt nun eben auch den Rückschluss zu, dass auch Erlebnisse eben dort (negative) Veränderungen bewirken. Für mich ein Plädoyer für die Therapie.

Alles gute für deine Therapie und viel Kraft, liebe Grüße, Jolanda


------------------------------------------------------------------------

Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Oh liebe Jolanda,

da hast Du mir ja wieder Futter gegeben

Selbst wenn sich das Warum und Wieso und Woher nicht unbedingt klären lassen wird [zumindest net vollständig], so bedeutet Erkennen und Erfassen doch ein Stück Heilungsprozess für mich. Einfach insofern, als dass ich klarer sehen kann und somit auch besser damit umgehen kann

Jetzt zum Allerinteressantesten: was Du gelesen hast, würde bedeuten, dass die psychosoziale Komponente zu einer biologischen Störung führt. Hm...

Was ich bereits wusste, ist dass bei Depressionen der Stoffwechsel gestört ist. Hochinteressant ist die Tatsache, dass Psychotherapie auf den Stoffwechsel Einfluss nehmen kann. Eine Art Selbstheilung schon fast? Wobei sich natürlich wieder die Frage stellt, inwieweit all das überhaupt heilbar ist.

Dein Rückschluss ist absolut logisch. Und wie gehe ich jetzt damit um? Muss ich wohl noch kräftig drüber nachdenken, was ich da jetzt raus ziehe. Seltsam, dass mir solche Dinge so wichtig sind, ich weiß. Aber ich habe diese Erkrankung nun mal und dann "muss" ich auch alles drüber wissen.

Wie ich mit meiner PS und der Depression umgehe, lerne ich ja in der Therapie. Sie scheint bisher [läuft grade mal 1 Monat] ganz erfolgreich zu sein. Auch wenn ich mich subjektiv um einiges schlechter fühle. Sei jedoch alles erklärbar, normal und logisch, versichern mir Hausarzt und Therapeut zumindest

All das Negative müsse hoch, das sei nun mal schmerzhaft, ich müsse lernen, negative Gefühle zuzulassen etc.

Lieben Gruß
Barbara
chimera

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von chimera »

Sorry, mein Geschreibsel war irgendwie zu sinnlos... (Zu zugetackert...)

Grüßle von Chimera
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Moin lieber Chimera,

ich hab's aber trotzdem gelesen, also kriegste auch'ne Antwort ;-Þ

Xenia muss man Glauben schenken, ich finde sie ist im Analysieren (zumindest bei andern *grins) 1a

Auf so ein nettes Kompliment muss ich einfach reagieren, auch wenn ich ja gar net so gut damit umgehen kann

Mit den aac files hast Du mich übrigens mächtig beeindruckt, muss ich Dich hier mal wissen lassen! Wenn Du jetzt noch über mp4 und mp3 pro mitreden kannst, kannst Du ja mal bei uns in der Firma vorstellig werden

Was mir wichtig war und weswegen ich auch unbedingt antworten wollte in der Hoffnung, dass Du's mir net übel nimmst:

>Mit "erblich bedingt" habe ich übrigens so meine Probs, heißt für mich irgendwie, daß es net veränderbar ist, das mag ich net

Will ich nicht so ganz glauben oder vielleicht auch net wahrhaben. Aber ich denke zumindest, "erblich bedingt" im Sinne von allen 3 dieser Formen, die wir hier besprochen hatten, ist m.E. durchaus veränderbar. Egal, ob wir's Veranlagung, genetisch bedingt, erblich bedingt oder wie auch immer nennen wollen.

Das biologische und psychosoziale ja ohnehin, ich denke, das ist relativ klar. Aber auch das genetische; wenn Du weisst wie und warum und woher, ist das denn nicht schon ein erster Schritt um auch hier Abhilfe oder zumindest Besserung schaffen zu können? Selbst wenn's ganz tief in Dir drin steckt, Dein Hirn absolut falsch programmiert ist dahingehend, es <b>muss</b> doch eine Lösung geben??

Deswegen mein ständiges "erkennen, wissen wollen". Wenn ich weiß, kann ich ändern. Hoffe ich mal...

Mit deinem Hundi wünsch ich Dir ganz doll viel Kraft. Ich denke immer noch ganz oft daran, wie sie sich anfühlte, wie sie sich ganz nah an mich gekuschelt hat, und - ach bla, das tut weh, sorry

Liebe - und auch net kapierende, aber wissen wollende - Grüße
Barbara

P.S.: Hab schon das Gefühl, dass ich mich mit dem Ganzen ein wenig im Kreis drehe, aber das "wissen müssen" lässt trotzdem net nach.
Xavro
Beiträge: 807
Registriert: 12. Sep 2004, 21:22
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Xavro »

Hallo Leute,

es ist ja ganz nett, daß Ihr Euch über die Frage "genetisch oder Umwelt" streitet. Es ist auch interessant zu lesen, aber hat einer von Euch auch schon mal daran gedacht, daß beides richtig ist?

Die genetische Disposition ist in zahlreichen Studien belegt. Menschen, in deren Familien es häufiger Depressionen gibt, haben eine höhere Chance, an Depressionen zu erkranken. Ich möchte die Wochenbettdepression als typisches Beispiel dafür nehmen. Frauen die vorher und nachher nie Depressionen hatten sind betroffen, andere unter den gleichen Voraussetzungen nicht. Genauso scheinen mir die saisonalen Depressionen eher genetisch bedingt zu sein.

Daß die Umwelt einen Einfluß hat ist ebenso unstrittig, schließlich kommt es auch in genetisch nicht vorbelasteten Familien zu Depressionen.

Das weiter oben angesprochene Buch von Josef Giger-Bütler "Sie haben es doch gut gemeint" kann ich in diesem Zusammenhang auch sehr empfehlen. Die ISBN ist 3-407-85788-8 und das Buch ist auch bei Amazon erhältlich. Jedenfalls habe ich es vor kurzem dort gekauft. Es ist einfach und verständlich geschrieben, wobei es meiner Meinung nach in der zweiten Hälfte nachläßt.

Während sich Giger-Bütler eher mit Faktoren im späteren Leben auseinander setzt, beschreibt Alice Miller in ihrem "Das Drama des begabten Kindes" (ISBN 3-518-39153-4) die problematischen frühkindlichen Einflüsse.

Mit den beiden Bücher hat man vermutlich die wesentlichen "Umweltprobleme" abgedeckt.

Natürlich ist die Realität nicht so schön schwarz-weiß. Eben weil die Frage genetisch (endogen) oder umweltbedingt (neurotisch) in den meisten Fällen nicht zu klären ist, wurden diese Diagnosen ja inzwischen abgeschafft (zumindest offiziell, geläufig sind sie immer noch).

Bildlich gesprochen: Es ist ziemlich egal, ob ich mir das Bein beim Sport oder bei einem Autounfall gebrochen habe. Das Problem und die Behandlung bleiben gleich.

Gruß
Xavro
------


Besucht mich doch einmal:


http://www.ak-medizin.de (u.a. mit Informationen zu Antidepressiva)


http://www.ak-extra.de
QqE3zumawS
Beiträge: 29
Registriert: 21. Mai 2004, 23:12

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von QqE3zumawS »

Liebe Barbara,

Mich beunruhigt das Problem der Ursachen für das ganze „Schlamassel“ ebenso. Dabei bilde ich mir schon seit ca. 15 Jahren ein, die Ursachen aller Ausprägungen meiner Persönlichkeitsstörung (übrigens auch NPS) und der resultierenden Depression bis ins Detail erklären zu können. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass ich in dieser Richtung auch nicht mehr viel Neues dazu lernen werde. Nicht desto trotz bin ich allerdings stets neugierig auf eventuelle Überraschungen.

Nun zu der Frage, was ist so wichtig daran diesem Ursache-Wirkungsprinzip auf den Grund zu gehen?
Ich dachte anfangs auch, dass man erst die Ursachen verstehen müsste, um dann auch tatsächlich das Übel an der Wurzel packen zu können und nicht nur symptomatisch daran herumzudoktern. Und ich war unglaublich stolz darauf, auf diese Erkenntnisse selbst gekommen zu sein – und sie dann in der Psychotherapie und entsprechenden Literatur bestätigt zu sehen. – Eben narzisstisch.
Aber ich kann Dir sagen, dass mich dieses Wissen in vielen Jahren der Psychotherapie nicht einen Schritt weiter gebracht hat - außer, dass ich bei diesem Thema immer reichlich rationalen Senf dazu geben kann. Ich war auch schon so weit, dass ich dieses Bestreben der Ursachenforschung wegen völliger Nutzlosigkeit über Bord geworfen habe, und mich mehr den Heilungsmöglichkeiten der gegenwärtigen Erwachsenensymptomatik zu widmen, wie es Jolanda so schön beschreibt.
(Übrigens, Jolanda, glaube ich nicht, dass das Prinzip der Konzentration auf den gegenwärtigen Status für eine Therapie mit dem Ziel der Heilung taugt. Aber es auf jeden Fall die Methode der Wahl, wenn es darum geht, das Leben für sich trotz und mit der Störung lebenswert zu gestalten. Und auf letzteres wird es nach meiner Erfahrung für die meisten von uns langjährig Betroffenen hinauslaufen.)
Trotz der vielen Jahre lässt mich aber das unbestimmte Gefühl nicht los, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit essentiell ist. Wie Du es beschrieben hast, Barbara, ein unklares unbegründbares Gefühl.
Mir kommt dabei ein Verdacht: Vielleicht geht es dabei gar nicht in erster Linie um das rationale Verstehen von Ursache und Wirkung. Vielleicht hat dieser Drang viel mehr etwas mit unseren Minderwertigkeits- und Schuldgefühlen zu tun. Dass wir uns sagen:
„Na ja, unsere Eltern haben uns nicht gerade ideale Bedingungen geboten aber so schlimm war es ja nun auch nicht – anderen hat das ja offensichtlich auch nicht geschadet!“ In vielen von uns sitzt tief verborgen doch der nagende Verdacht, dass wir selbst an allem Schuld und labile Versager sind.
Vielleicht geht es bei dieser Wahrheitssuche eher darum, endlich einen uns auch innerlich (nicht nur rational) überzeugenden Beweis zu finden, der uns von diesem nagenden Selbstzweifel zu befreien vermag. Einen Selbstzweifel, der sich bei mir völlig resistent gegenüber psychotherapeutischen und rationalen Einflüssen erweist.
Das Ganze würde dann zu der hier schon diskutierten Frage führen: Bin ich tatsächlich KRANK? Und ist die Krankheit verantwortlich für meine unerträgliche Lebenssituation?
Werde ich von anderen oder von Ämtern wegen meiner langen Reaktionszeit bzw. meiner Interesselosigkeit und Passivität gerügt, bin ich noch immer nicht in der Lage mich dagegen mit der entsprechenden Vehemenz zu wehren, da ich stets unterbewusst den Verdacht habe, dass ich tatsächlich so labil, schwach und wertlos bin. Und verschärfend dazu kommt natürlich, dass ich selbst gerade solchen Eigenschaften verabscheue.

Ich werde hier mal mein Geschreibsel beenden. Bin nicht gerade gut genug drauf um zusammenhängende Gedankengänge darzulegen. Aber vielleicht ist meine Anregung doch klar geworden.

Gruß, Siggi
chimera

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von chimera »

Hey Siggi, freut mich sehr, daß Du Dich mal wieder blicken läßt...


Liebe Grüße,
Chimera

P.S.: Werde mich bemühen, später noch ein paar konstruktive Gedanken zum Thema einzubringen...
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von heike56 »

Liebe Mitbetroffenen,

mir geht es auch immer noch so, daß ich meine, wenn ich die Ursachen für die Depression gefunden habe, verschwindet das alles.
Mein Kopf weiß, dass das nicht stimmt. Denn meine Diagnose lautet: Endogene Depression mit reaktiven Anteilen. Und so lebe ich seit 13 Jahren mit der Erkrankung, mit besseren und schlechteren Phasen.

Was bedeutet es, wenn ich akzeptiere, daß ein TEIL der Erkrankung nicht von mir veränderbar ist. Es macht mich traurig einzusehen, daß mein Leben nicht so abläuft, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich würde mich hilflos fühlen, weil ich nur bedingte Einflußnahmemöglichkeiten habe.
Siggis Gedanke der Minderwertigkeit, ich bin nicht fähig die Krankheit zu überwinden, finde ich auch sehr treffend.

Aber es kann auch eine Erleichterung sein anzuerkennen, daß ein Teil der Krankheit erblich bedingt ist. Ich könnte dann aufhören, mich immer für den ganzen Krankheitsverlauf verantwortlich zu machen. Ich müßte nicht immer wieder alles analysieren, ob ich nicht doch etwas finde. Ich könnte meine Energie für andere Dinge gebrauchen, statt für die Ursachensuche.

Bei vielen anderen Erkrankungen ist es auch so, daß die Betroffenen sich irgendwann eingestehen müssen: Ja, der Teil meiner Erkrankung ist eben so da.
Das Gemeine an der Depression ist, daß sie uns so sehr in den wichtigen Bereichen des Fühlen und Handelns beeinträchtigen kann.

Aber TROTZDEM habe ich viele Möglichkeiten

- Ich kann versuchen durch Therapie, die Begleitumstände zu verbessern. Z.B. Falsche Denkstrukturen erkennen.
- Die Stärken, die wir als depressiv Veranlagte haben, wahrnehmen.
- Dinge zu tun, die für mich gut sind.
- Nicht darauf warten, daß es irgendwann besser wird. Sondern versuchen aus der jetzigen Situation das Beste zu machen.

Meine persönliche Erfahrung ist, daß das Leben auch mit jahrelangen Depressionen sehr lebenswert sein kann, trotz der Einschränkungen. Trotz der Medikamenteneinnahme, trotz der Gewichtszunahme.

Vielleicht gibt es in einigen Jahren schon Behandlungsmethoden, die so effektiv sind, daß wir uns diese Fragen nicht mehr stellen müssen.
Und doch möchte ich auf einige Dinge, die ich in der Krankheit gelernt und erfahren habe, nicht mehr verzichten

So weit meine Gedanken dazu. Ich wünsche euch alles Gute.

Liebe Grüße

Heike47
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von heike56 »

sorry, Beitrag war doppelt
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von heike56 »

Hallo an alle,
hallo Doktor Niedermeier,

ich habe auf meinem Rechner eine Antwort, die sie mal zu diesem Thema gegeben haben. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich sie nochmal reinstelle (ist ja auch im Archiv )

Ich finde sie sehr informativ.


Zitat:
Von Dr. Nico Niedermeier (Niedermeier) am Dienstag, den 08. Januar, 2002 -
13:29:

Es gibt von der Art der depressiven Symptomatik her Hinweise, die mehr in eine
stoffwechselbedingte Ecke gehen und solche die mehr auf eine
lebensgeschichtliche Ursache hindeuten. Früher hat man ja versucht diese beiden
Dinge zu unterscheiden. Heute hat man das weitgehend aufgegeben, da man
weiss, dass sich Stoffwechsel und Lebensgeschichte immer wechselseitig
beeinflussen. Folglich versucht man allen Patienten mit depressiver Symptomatik
zu Medikamenten und Therapie zu raten. In kontrollierten Studien hat diese
Vorgehen stets das beste Resultat für die Betroffenen.

Trotzdem gibt es "Hinweise" die auf eine hohe stoffwechselbedingte Komponente
schliessen lassen.z.B.: Rascher Beginn und Ende einer depressiven Phase,
ausgesprochens Morgentief mit deeutlicher Verbesserung der Stimmung im Laufe
des späten Vormittags oder gegen Nachmittag, auch das "Gefühl der
Gefühllosigkeit" deutet manchmal in "Richtung Stoffwechsel"....
umgekehrt sind langsamer Beginn, klare lebensgeschichtliche Auslöser,
Verschlechterung der Symptomatik gegen Abend oder klar situationsabhängige
Verschlechterung (z.B. immer wenn der Ehegatte nach einer 2 wöchigen
beruflichen Abwesenheit wieder nach Hause kommt)..zumindest Hinweise auf eine
hohe lebensgeschichtliche Beteiligung..

und noch was zur Ursache der Stoffwechselstörung Wir wissen dass
sich nach traumatischen Ereignissen der Hirnstoffwechsel ändern
kann..entsprechende Befunde gibt es bei Patienten mit Posttraumatischen
Störungen (also nach Unfall, Krieg, Folter)...aber: Nicht jeder Depression geht
eine traumatische Erfahrung voran.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Betroffene in diesem Bereich der
Überzeugung sind, das irgendetwas traumatisches in der Kindheit diese
Stoffwechselstörung hervorgerufen haben müsse..ich habe aber selten einen
Diabetiker..oder jemanden mit einer Stoffwechselstörung der Schilddrüse ..oder
der Nebennieren..kennengelernt der der Ansicht war ein psychisches Trauma sei
für seine Stoffwechselstörung verantwortlich...warum tun Sie sich das an??
Warum kann man nicht einfach versöhnlicher mit sich (und evtl. auch der Umwelt
sein) und sagen: Das ist eine Stoffwechselstörung, für die ich nichts kann und die
ich mir nicht ausgesucht habe...und damit basta.
Ende Zitat

Liebe Grüße an alle

Heike 47
flora80
Beiträge: 3620
Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von flora80 »

Hallo ihr!

Ja, das ist ein immer wieder aktuelles Thema. Auch ich hatte eine Zeit, in der ich krampfhaft nach Ursachen geforscht habe. Und ich bin eben auch zu dem Ergebnis gekommen, dass beides eine Rolle spielt, sowohl stoffwechselbedingte als auch psychosoziale Aspekte. In meiner Familie hat es schon immer depressive Personen gegeben. Allerdings hatten alle von ihnen auch traumatische Erlebnisse oder extreme Belastungssituationen. Also was nun woher kommt, ist wohl kaum auszumachen. Bei mir steht fest, dass sowohl mehrere schwer traumatische Erlebnisse verschiedener Art, als auch eine gewisse familiäre Prädisposition vorhanden sind. Aber ob nun die Henne vor dem Ei da war oder umgekehrt, ist wohl müßig zu diskutieren.... Ich finde es wichtig, dahin zu kommen, dass man einen Teil der Krankheit für sich akzeptieren lernt und den anderen Teil durch Therapie versucht zu stärken und zu stabilisieren. Ich glaube ehrlich gesagt nicht an die "vollkommene Gesundung", auch wenn das von Ärzten oft und gerne propagiert wird.... Gut, es gibt nachgewiesener Weise viele Patienten, die nur eine oder zwei depressive Episoden haben und dann nicht wieder. Aber trotzdem lebt man mit der Erfahrung im Hinterkopf und wird diese auch nie los. Ich würde das so ähnlich sehen, wie wenn ein Alkoholiker trocken ist. Er hat keine Beschwerden mehr, aber Alkoholiker bleibt er trotzdem. Und auf sich aufpassen muss man auch, wenn man depressiv war ein Leben lang....

Lieber Gruß,

Flora
Barbra
Beiträge: 320
Registriert: 7. Aug 2004, 08:16
Kontaktdaten:

Re: Ursachenforschung - erblich bedingt oder traumatisiert?

Beitrag von Barbra »

Hallo Ihr Lieben!

Ganz vielen Dank für die vielen Beiträge und Gedanken zu diesem Thema, das mich nach wie vor sehr beschäftigt.

@Xavro:
Worüber ich mir inzwischen schon im Klaren bin, ist die nackte Theorie. Klar, dass verschiedene Komponenten eine Rolle spielen können, einander vielleicht sogar bedingen können. Klar auch die verschiedenen Lehrmeinungen und Studien. Hab mich inzwischen kräftig durchgelesen und informiert. Nur - das ist nicht worum es mir wirklich geht...

Es geht mir um mich, um meinen Kopf, wo ordne ich was wie ein? Warum ist was so, wie es eben ist? Ich weiß, vielleicht schwer zu verstehen...tut mir leid

@Siggi:
Ja, ja und nochmal ja! Unglaublich interessant zu lesen, wie Du mir einerseits aus der Seele sprichst, und ich trotzdem nicht mal ansatzweise auf diese Gedanken kam! Danke Unfassbar, wie ich Dir einfach nur zustimmen muss. Einer der allerwichtigsten Punkte für mich, die Du ansprachst, ist der:

>Vielleicht geht es bei dieser Wahrheitssuche eher darum, endlich einen uns auch innerlich (nicht nur rational) überzeugenden Beweis zu finden, der uns von diesem nagenden Selbstzweifel zu befreien vermag. Einen Selbstzweifel, der sich bei mir völlig resistent gegenüber psychotherapeutischen und rationalen Einflüssen erweist.

Mir wurde von kleinauf beigebracht, wie unfähig, dumm [obwohl man immer mit meiner Intelligenz protzte gegenüber andern], faul und noch viel mehr ich sei. Ich schätze, das ist inzwischen sehr, sehr tief verankert. Ich tauge nix, und das bleibt so. Gleichzeitig aber, ähnlich wie Du auch sagst; meine Schwester ist doch auch bei denen aufgewachsen, der geht's doch gut! Also liegt's vielleicht doch net so sehr an meinen Eltern, eher ist bei mir irgendwas fehlprogrammiert? Und dann muss ich doch auch wissen, was das konkret ist??

>Werde ich von anderen oder von Ämtern wegen meiner langen Reaktionszeit bzw. meiner Interesselosigkeit und Passivität gerügt, bin ich noch immer nicht in der Lage mich dagegen mit der entsprechenden Vehemenz zu wehren, da ich stets unterbewusst den Verdacht habe, dass ich tatsächlich so labil, schwach und wertlos bin.

Die Rüge brauche ich net mal, um mich labil, schwach und wertlos zu fühlen. Selbstvorwürfe sind da ohnehin an der Tagesordnung

Aber ich brauche die Beschäftigung mit der Vergangenheit, der Ursachensuche. Aus irgendeinem mir unklaren [aber durch Dein Posting etwas klareren] Grund muss, will ich wissen. Selbst wenn ich nicht weiß, was genau ich wissen will. Die Frage, ob ich tatsächlich krank bin, und die "Krankheit" zu dieser grausamen Lebenssituation führt, möchte ich mir momentan gar net stellen. Das Feld würde zu weit werden, ich könnte meine Gedanken nicht mehr ordnen und es würde ins Philosophische abdriften. Aber auch hier; ein interessanter Ansatzpunkt, der mich sicherlich noch beschäftigen wird.

Was mich leicht ängstigt, sind Deine 15 Jahre. Mein Thera meinte ganz zu Anfang mal, in etwa 2 Jahren wär ich wohl so weit, einigermaßen gut damit leben zu könnnen. Genaue Prognosen will er natürlich keine stellen.

Übrigens: Deine Gedankengänge sind für mich äußerst klar und zusammenhängend, sie haben mich sehr viel weitergebracht. Nochmals danke

@Heike:
erstmal zu einem Zitat vom Doc:

>Das ist eine Stoffwechselstörung, für die ich nichts kann und die
ich mir nicht ausgesucht habe...und damit basta

Nö, das kann und will ich nicht. Vielleicht auch noch nicht.
Es wäre zu einfach. Wie Du bereits sagtest, es hilft mir nix, einzusehen dass ein Teil der Krankheit von mir nicht veränderbar ist. Wobei ich ja nicht unbedingt alles ändern will und muss, zumindest nicht sofort. Aber ich will wissen, erkennen. Und dann auch schlussfolgern.

Die Selbstzweifel, die Siggi benannte, ja - das ist schon mal ein Riesenpunkt.

Ok, erst mal: ich erkenne also, dass eine genetische/biologische/psychosoziale Prägung vorliegt. Kann sich ja wie gesagt auch gegenseitig bedingen. Die Therapie bearbeitet das Psychosoziale und Biologische. [Hier mal kurz an Jolanda]

Aber dann? Das Ergründen wollen nimmt ja dadurch nicht ab!? Meine Unsicherheiten, Selbtzweifel, mangelndes Selbstwert- und Selbstgefühl, was hat die tatsächlich verursacht? Welche konkreten Sachverhalte gibt es da, deren Verständnis mich weiterbringen könnte? Außer den psychosozialen?

Oder verlange ich ganz einfach zuviel von mir?

Gut, jetzt muss ich aufhören, sonst dreh ich mich schon wieder im Kreis, werde grade ziemlich verwirrt

Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag wünsche ich Euch allen
Barbara


P.S.: @Flora: akzeptieren lernen finde ich absolut wahr, aber zum Akzeptieren brauche ich doch Fakten? Ach sorry, ich mach weiter, wenn ich wieder klarer denken kann, ja?
Antworten