Überfordert

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Vaughan72
Beiträge: 15
Registriert: 12. Aug 2022, 17:40

Überfordert

Beitrag von Vaughan72 »

Hallo zusammen,

Ich spüre aktuell einmal wieder eine große Überforderung! Vielleicht weiß jemand von euch einen guten Rat...
Ich bin selbständig tätig als Musiker. Wegen Long covid und Depressionen kann ich das seit einiger Zeit aber nur beschränkt tun: Orgeldienst in der Kirchengemeinde, Orgeln auf Trauerfeiern.
In meiner Kirchengemeinde bin ich seit 10 Jahren rege in der Kirchenmusik tätig und mein Orgelspiel ist bei den Gemeindegliedern sehr beliebt. Nun geht nächstes Jahr unser Kantor in Rente. Lange hatte ich Hoffnung, mit der entsprechenden Bewerbung seine Nachfolge antreten zu können. Da ich aber für dieses Amt formal betrachtet nicht die nötige Qualifikation habe, wäre eine Bewerbung lächerlich.
So, das musste ich erst mal schlucken und verkraften. Da engagiert man sich 10 Jahre lang und am Ende ist es meiner Landeskirche völlig wurscht. Es zählt nur die Formalie!
Diese Stelle hätte mich aus dem dauerhaften finanziellen Engpass geführt und es hätte mir psychisch enormen Auftrieb gegeben. Pustekuchen!
Nun hätte ich die Möglichkeit, im Nachbardorf den Kirchenchor zu übernehmen. Allerdings mit so wenigen Stunden pro Woche, dass es nur auf eine geringfügige Beschäftigung hinausläuft.
Zwei Probleme stellen sich mir hier in den Weg: zum einen gibt es kaum Geld, und zum anderen fühle ich mich seit Tagen gar nicht mehr in der Lage, eine Chorleitung zu stemmen angesichts meiner derangierten Psyche, den Beeinträchtigungen durch Long Covid.
Der Pfarrer des Nachbardorfs möchte mich gern als Chorleiter sehen. Aber ich spüre: das kannst du gerade nicht meistern!
Und jetzt habe ich auch noch ein schlechtes Gewissen, weil ich aufgrund meiner Überforderung und auch der lächerlichen Entlohnung am liebsten sagen würde: Nein, ich kann nicht!
Vermutlich wäre ich aktuell sogar besser in einer Klinik aufgehoben, als vor einem Chor. Jede Faser in mir sagt: du bist total überfordert! Ich merke es an meiner Ungeduld mit meiner Frau und meinem 6 jährigen Sohn. Und in Bezug auf all die Rückschläge und Enttäuschungen wegen der Kirchenmusiker-Stelle komme ich mir vor wie jemand, der immer noch mehr einstecken muss. Manchmal bin ich erstaunt darüber, dass ich nicht schon längst zusammengebrochen bin.
Was meint ihr, wie ich handeln soll? Habt ihr einen guten Rat?
Um das Bild zu komplettieren: ich bin inzwischen auf 120 kg angewachsen, nehme seit Sommer keine Antidepressiva mehr (was sicher ein Fehler ist!), habe auch trotz langer Suche keinen Psychotherapeuten gefunden...
Liebe Grüße
Müllem063
Beiträge: 43
Registriert: 24. Aug 2023, 11:05

Re: Überfordert

Beitrag von Müllem063 »

Hey,

Ich denke ambulante Psychotherapie ist ein Muss an deinem Punkt. Nutze die Nummer der kassenärztlichen Bundesvereinigung: 116 117. Hier kannst du dir einen Therapieplatz im Umkreis vermitteln lassen. Wenn du sehr schnell einen Termin haben möchtest, geh zum Hausarzt und lass dir einen Dringlichkeitscode geben. Danach wirst du dann am Telefon gefragt. Aber auch ohne Dringlichkeitscode kann dir ein Platz vermittelt werden.

Alles Gute und berichte gerne, wie es bei dir weitergeht.
Liebe Grüße
Love-is-all-around
Beiträge: 77
Registriert: 19. Mär 2023, 11:03

Re: Überfordert

Beitrag von Love-is-all-around »

Hallo,

ich antworte mal ein wenig provokativ, um dir deine Handlungsoptionen zu zeigen.

Wenn du eine Stelle nicht haben möchtest, dann darfst du sagen: "Nein, ich WILL nicht." Das führt tendenziell zu weniger Nachfragen, weshalb du das nicht möchtest. Falls Nachfragen kommen, bist du niemandem Rechenschaft schuldig. Du musst keine Gründe für deine ablehnende Haltung nennen. Wenn du trotzdem triftige Gründe nennen möchtest, dann kannst du dir vorher überlegen was du sagt - die Wahrheit ("Die Entlohnung ist zu gering. Davon kann ich meine Familie nicht ernähren.") oder eine ausweichende Antwort ("Ich schaffe das aufgrund anderer Verpflichtungen zeitlich nicht."). Du hast die Möglichkeit, dir das ganz in Ruhe zu überlegen.

Die Herbstzeit ohne Antidepressiva zu überstehen, ist schwierig. Die könnte dir notfalls dein Hausarzt verschrieben und eine Überweisung zum Psychiater geben.

Ansonsten ist es sehr wichtig, dass du aktiv etwas zur Stärkung deines Selbstwertgefühls unternimmst. Es ist ärgerlich, dass du die anvisierte Stelle nicht erhalten hast. Darüber darfst du traurig und/oder wütend sein. Das sagt aber nichts über deine Qualifikation an sich aus. Gibt es weitere Möglichkeiten, was du mit deinen Fähigkeiten machen könntest und was dir Spaß machen würde? Oder möchtest du dich erstmal mit deiner Depression auseinandersetzen? Nimm dir Zeit, denk in Ruhe nach, es liegt in deiner Hand.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Gelassenheit.
Immer wenn du Pläne schmiedest, fällt das Schicksal lachend vom Stuhl.
Vaughan72
Beiträge: 15
Registriert: 12. Aug 2022, 17:40

Re: Überfordert

Beitrag von Vaughan72 »

Danke für eure Antworten. Sie haben mich tatsächlich weitergebracht. Und ich kann einschätzen, was ich zu tun und zu lassen habe. Das ist schön ganz viel wert.

Seid lieb gegrüßt
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