Schwere Depression dank Arbeitgeber

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Reiseonkel87
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Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Moin liebes Forum,

Nun ist es doch passiert. Die Abwärtsspirale ging immer weiter nach unten. Über die Monate hatte ich viele Gespräche mit meinen Arbeitgeber. Die Situation in dem Team und besonders der betreuende Kunde ist unterirdisch. Beleidigung, Bedrohungen gehören zum täglichen Umgangston. Es wurde versprochen, es wird sich ändern. Ich könnt ja mal raten, was sich geändert hat. Richtig, gar nichts.

Mir wurde eingeredet das es nur an mir liegt und ich mir professionelle Hilfe holen soll. Wozu? Hat der Arbeitgeber keine Fürsorgepflicht mehr? Auch die erneute Krankmeldung kam nicht gut an. Ich arbeite in einen englischen Team, habe aber einen deutschen Arbeitsvertrag. Nun ist es aber soweit gekommen, das ich psychisch wirklich am Ende bin. Das es eine Depression ist, die etwas schwerer ist, darüber brauchen wir nicht reden. Ist es vielleicht sogar schon Burnout?

Auf jeden Fall hab ich gerade zwei größere Probleme und weis nicht mehr weiter.

1) Job - ich weiß, Gesundheit sollte oberste Priorität haben, hat Sie auch, deswegen nehme ich mir aktuell die Auszeit. Interne Bewerbung zu einen „deutschen“ Kunden läuft bereits.

2) ist ein wiederkehrendes Problem. Meine Schwiegereltern. Die haben gestern davon etwas mitbekommen. Nun ist wieder Druck und Panikmacherei vorhanden. Das ist wieder das Amen gesprochen, bevor die Predigt überhaupt angefangen hat.

Es stellen sich zwei Fragen. Das ich beruflich etwas ändern muss, steht außer Frage. Gestern Abend kamen im Bett die Gedanken, soll ich auch privat Änderungen vornehmen? Bezogen auf meine Ehe? Es kamen echt Überlegungen hoch, das ich mich für Zeitraum X von meiner Frau trennen möchte. Es ist zum einen Ihre Eltern. Mischen sich wieder ein und das ist für mich ein NoGo! Bringt aber auch nichts, denen zu sagen, hört auf damit.

Am besten wäre sogar eine Reha. Ist zzt nur schwer an eine zu kommen. Ich weis echt nicht was ich gerade machen soll. Über 5 Jahre haben wir uns das jetzt aufgebaut. Es droht alles einzustürzen. Und das kurz vor unseren 10. Jahrestag.
LG von der Küste
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Reiseonkel
Mountainbiker
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Mountainbiker »

Ich würde mal nichts überstürzen. Neuer Job, das regelt vielleicht vieles und das Private renkt sich wieder ein, möglicher weise. Wohnen die Schwiegereltern im gleichen Haus? Ich würde mir die Einmischung verbeten und vor allem mit der Partnerin darüber ausführlich reden. Sie sitzt diesbezüglich zwischen den Stühlen.
Das Leben ist wie Radfahren. Man fällt nicht, solange man in die Pedale tritt.
Reiseonkel87
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hey danke Dir,

Gott sei Dank wohnen die 2 KM entfernt von uns. Ist ja alles schön gut, aber manchmal stört es mich, das die auf den gleichen Planeten wie wir leben.

Hoffe das ich das mit dem Job irgendwie hinbekommen werde. Leider gibt der Markt aktuell nicht besonders viel her. Dazu kommt die Krise, dann der Krieg mit Ukraine und die Unruhen in Israel aktuell.

Kennst das Gefühl, man fühlt sich gerade eingeschlossen und machte möchte aus sein Leben raus? Nicht falsch verstehen, ich möchte definitiv leben, aber ich möchte nicht für die Arbeit leben.
LG von der Küste
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Reiseonkel
Maxegon
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Maxegon »

Hallo Reiseonkel,

auch ich arbeitete einmal in der Reisebranche, damals noch klassisch im Reisebüro: oberste Priorität Kundenzufriedenheit - denn die sicherte den Umsatz und somit unser Gehalt.
Die Fürsorgepflicht bestand in erster Linie dem Kunden gegenüber, denn der sicherte unser Fortbestehen, unsere Lebensgrundlage.

Befindlichkeiten, einzelner Mitarbeiter, wurden eventuell brücksichtigt, so lange die Betriebsabläufe/ die Geschäftsgrundlage nicht gestört wurden.

Jeder Arbeitgeber löst sich lieber von einem störenden Mitarbeiter, als von einem umsatzbringenden Kunden - betiebswirtschaftlich verständlich.

Lass' dir von deinen lieben Schwiegereltern nicht in dein Leben 'reinreden.
Du lebst dein Leben, deine Beziehung.
Das Wichtigste ist doch, dass du dir mit deiner Frau einig bist, das sollte oberste Priorität haben.

Sich einmischende Schwiegereltern zu ignorieren, ist oft sehr schwer, doch meist die einzige Möglichkeit, eine Eskalation zu vermeiden.

Eine Konfrontation fortzusetzen oder gar zu beginnen, ist doch wenig sinnvoll, wenn es abzusehen ist, dass sich die Fronten immer mehr verhärten. Egal, ob beim Arbeitgeber oder bei den Schwiegereltern.

Du bestimmst letztendlich, ob es zur "Auseinandersetzung" kommt oder nicht. Was nützt es, wenn du Recht hast und am Ende doch verlierst?

Manchmal hat man nur die Wahl zwischen dem kleineren und größerem Übel - ein Kompromiss, also Abstriche machen, ist die einzige Möglichkeit, auch wenn's weh tut.
Lavendel64
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Lavendel64 »

Hmmm, die Arbeitssituation scheint klar zu sein ... da muss ein Wechsel her, um überhaupt eine Veränderung herbeizuführen.

Aber jetzt die Frage: Die Ehe und die Schwiegereltern sind doch zwei Paar Schuhe. Meine Eltern waren für meine Ehe auch ein Riesenproblem, da die Chemie überhaupt nicht stimmte. Dennoch sind sie meine Eltern, also ist es in gewisser Hinsicht auch mein Konflikt. Deine Frau fühlt sich sicher hin- und hergerissen. Wir haben das so gelöst, dass ich die Besuche bei meinen Eltern allein gemacht habe, mein Mann ist (netterweise) nur bei Feiern mitgegangen. Es war kein schöner Kompromiss, da natürlich Anfeindungen weitergingen, wenn ich bei meinen Eltern war, aber da gilt es dann, Grenzen zu ziehen.
Eine Ehe von 10 Jahren in Frage zu stellen ... eine lange Zeit. Dazu die Depression (keine weitreichenden Entscheidungen während extremer Episoden!), die eine Familie und die Beziehung belastet - ich habe, wenn es mir schlecht geht, oft diese Gedanken. Wegziehen, allein weitermachen - das gibt sich, sobald es mir besser geht, dann empfinde ich wieder Glück darüber, diese Familie zu haben. (und 35 Jahre Ehe)
Das waren jetzt eigene Erfahrungen, die auf Deine Situation sicher nich tübertragbar sind - aber vielleicht den einen oder andern Punkt beinhalten.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Reiseonkel87
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Ihr lieben,

erstmal danke für Eure Antworten. Aber ich glaube das einige Sachen nicht korrekt verstanden werden, manches liest sich anders, als es ist.
Daher möchte ich nochmal ein paar Sachen klarstellen.

Job: leider wird der Job zu gerne und zu oft unterschätzt. Wir arbeiten zwar nicht körperlich, dafür aber geistig bis ans Limit. Ich bin auch kein touristischer Reiseverkehrskaufmann, ich bin im Bereich Businesstravel. Das ist nochmal eine andere Hausnummer. 2 Wochen Malle, 4* AI kann jeder inzwischen verkaufen und einbuchen. Aber wenn es um IATA Richtlinien, Travelpolicys und entsprechende manuelle Ticketumschreibungen geht, da ist schon vorbei. Dazu ist meine arbeit zweisprachig, man bedient bis zu 3 verschiedene sehr komplexe Reservierungssysteme, das vierte kommt ab Dezember dazu. Das alles, ist im Regefall schon anstrengend genug. Wenn auf der anderen Seite dann noch richtige Arschlochkunden sind, die einen nur anschreien, beleidigen und bedrohen - ja, es ging bis zur Morddrohung und der Arbeitgeber nichts macht und einen dauernd nur sagt, das sind alles Missverständnisse und regionale Umgangstöne... ich weis nicht. Also wenn ein Mensch, mit migrationshintergrund in Frankfurt ankommt und einen bedroht ist es also eine regionale Äußerung um jemand anderen Mitzuteilen, ich bin gerade unzufrieden?! Ich glaube ich brauch genau dieses Thema nicht weiter vertiefen. Das man instich gelassen wurde, eine psychische erkrankung dadurch bekommen hat, was später zu zwei größeren Operationen geführt hat (alles attestiert vom behandelten Arzt als auch von einen Amtsarzt)... Ich möchte nicht jammern oder mimimi... es geht einfach nur darum, das der normale Tag schwer genug ist und dann solche Geschichten und teils Mobbing innerhalb des Teams kommt... hätte mir den Text jetzt sparen können und sagen können, ich arbeite in einer toxischen Umgebung. Aber das würde der ein oder andere ja wieder nicht begreifen.

* Perfekte Überleitung *

Schwiegereltern: genau die, können es nicht verstehen, begreifen, was ich täglich mache. Wenn ich mal krank bin, mal früher Feierabend habe, es muss immer rechenschaft abgelegt werden. Dann kommen auch solch ein Klugscheißerverhalten. Warum ich mich eventuell trennen möchte? Es geht mir darum, das ich in den fast 10 Jahren nicht immer positive Erfahrungen im Beruf als auch mit meinen Schwiegereltern hatte. Innerhalb der Familie wünscht man sich gegenseiten respekt und empathie. Und genau das können die nicht. Meine Frau kann am wenigsten dafür, Sie wäre am Ende die Leidtragende. Nur ich kann nicht nur aus rücksicht auf andere mein Leben verschenken und wenig bis gar nicht mal an mich denken. Klar, bin ich aktuell sehr unzufrieden. Hab mir mein Leben anders vorgestellt. Ich bin froh das ich meine Frau habe, weil Sie mit eine der wenigen ist, die meine Erkrankung akzeptieren und tollerant gegenüber Depressionen etc ist. Daher möchte ich auch, das Sie glücklich wird und ich habe das Gefühl, sollte ich diesen Job nicht mehr machen können oder verlieren und das ganze Theater wieder losgeht - das Sie ohne mich besser dran wäre.

Ich habe gestern Abend mit meiner Teamleitung gesprochen, es gibt aktuell nur Möglichkeiten um eine Lösung zu finden:

1) interner Teamwechsel (ich arbeite gerade offiziell in London, bin aber per Homeoffice in Deutschland).
2) weg vom Telefon und ausschließlich nur noch Mail, Chat und Backline bearbeiten
3) kündigen und einen neuen Job suchen

1 und 2 ist der Prozess im Gange. 3 Wäre mein persönlicher Supergau.

Ich möchte niemanden angreifen, nicht dass das hier jemand falsch versteht. Es gibt menschen, die werden als Postbote krank, es gibt menschen die werden im Einzelhand krank und ja, es gibt menschen wie mich, die werden in der Touristik krank.
LG von der Küste
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Reiseonkel
Maxegon
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Maxegon »

Hallo Reiseonkel,

wie Recht du hast, Nur-Flug-Buchungen (business) ist eine völlig andere Hausnummer, dagegen sind Pauschalreisen oder Bahn-/Schiffsverkehr die reinste Erholung.
Wer das nicht kennt, kann sich auch keine Vorstellungen machen.
Kommen dann noch zwei ... drei Popo-Loch-Kunden dazu, am besten von einem wichtigen Grosskunden, wird's schnell mega-stressig.

Ich habe lange Nur-Flüge gemacht, auch mehrsprachig, mit verschiedenen Masken, parallel Graumarkt, immer unter Zeit- und Buchungsdruck und oft mit "allwissenden" Klienten ... mir wurde das zu viel! Ich stieg aus.
Zuletzt geändert von Maxegon am 12. Okt 2023, 19:30, insgesamt 1-mal geändert.
Suchende2
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Reiseonkel,

Dein Arbeitgeber wird argumentieren, daß er seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Die anderen Kollegen haben nicht die gravierenden gesundheitlichen Probleme wie Du.

Die größte Fürsorgepflicht hast Du für Dich!

Ich kenne solche Arbeitsbedingungen und bin zu lange in denen geblieben. Natürlich hat meine Arbeitgeber eine Mitschuld. Aber warum? Weil ich es zugelassen habe! Ich hoffe, ich mache es in Zukunft besser. Und das wünsche ich Dir auch!

Was Lavendel zu Deiner Schwiegerfamilie schrieb, finde ich gut.
Du kannst Deinen Kontakt mit denen auf ein Minimum reduzieren und musst Dich nicht erklären.
Es ist egal, ob Du arbeitest, Überstunden abbummelst, Urlaub hast, krankgeschrieben oder arbeitssuchend bist. Es geht die nichts an!
Vielleicht kannst Du mit Deiner Frau eine gemeinsame Sprachregelung gegenüber Deiner Schwiegerfamilie finden.
Wenn Deine Schwiegerfamilie Druck macht (erstmal cool bleiben und überlegen, warum macht die Druck: Die bekommen keine Informationen mehr über Dich. :-) ), kann Deine Frau, wenn sie möchte, zusätzlich zu Dir klare Grenzen ziehen.

Alles Gute,
Suchende
lt.cable
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von lt.cable »

Ahoi, Reiseonkel87!

Nur kurz zum Verständnis: Call-Center-Job? Aus meiner Sicht durch die herrschenden Arbeitsbedingungen ein ganz schwieriges Feld für psychisch Kranke.

Es grüßt

lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Reiseonkel87
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Moin Maxegon,
dann weist ja was ich meine :) Genau von so ein Popo-Loch Kunden kam letztes Jahr eine Morddrohung am Telefon und später direkt auf mein privaten Facebook Account. Man hat keine Hilfe bekommen, das man dann krank wurde, wurde es belächelt. Ein Ausstieg wird bei mir immer wahrscheinlicher. Man muss nur erstmal was anderes finden. Das ist gerade eine Geschichte, an der ich arbeite.
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Moin Katrin,
ist leider bei uns etwas schwierig. Natürlich bekommen die es mit, keine Frage, aber denen sind dann auch die Hände gebunden, da man den großen, wichtigen und lieben Großkunden in den Popo kriechen muss. Gerade jetzt mit Israel, man warnt vorher, leute, fliegt da lieber nicht hin etc, aber das sind dann die besserwisser und die ersten, die dann hier alarm machen. Das sind dann solche, die trotzdem ins Rettungsboot klettern, obwohl es heißt "Frauen und Kinder zuerst". Und dann darf man sich von so einer Person noch als "scheiß deutscher" beschimpfen lassen. Hört man ja öfters, aber dann von jemanden mit der Nationalität die es gerade nicht nett mit Israel meint und er da sofort raus will.
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Moin lt.cable,

ist leider tatsächlich primär über Telefon. Zwischendurch aber auch eMail und Chat. :(
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Moin Suchende,

das Theme kennen wir ja schon mit meinen Schwiegereltern. Lief ja lange genug gut und war zu ruhig. Meine Frau steht hinter mir, das weis ich. Aber wie Maxegon schrieb, viele kennen diese Art von Job nicht und können es nicht nachvollziehen unter was für ein Druck und vorallem Stress man steht.
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Update: gestern ein Meeting, mit Teamleitung, HR und BR gehabt. Firma ist also gewollt eine Lösung zu finden. Sie wollen mir helfen. Was ja gut ist. Welcher Arbeitgeber macht das schon bei psychisch kranken. Nur der Beigeschmack war, es wurde auch gefragt, was der Auslöser war/ist. Als ich dann anfing, es zu erzählen wurde man echt unterbrochen. Hintergrund, die Firma hat hier in mehreren Fällen die Fürsorgepflicht verletzt. Letztes Jahr nach Hilfe gefragt, keine bekommen, krank geworden.

Wir mussten im Januar eine Dubai-Kreuzfahrt stornieren, wegen der erten OP - hatte Flugverbot. Im zweiten Urlaub (Sommer) war der Gedanke dabei, wenn der Urlaub vorbei ist, liegst wieder auf dem OP Tisch. War für mich auch keine Erholung. Ausblenden konnte ich es nicht wirklich. Nächstes ding, wir wären in 3 Wochen eigentlich nach New York geflogen. Da die OP im Sommer etwas größer war und es im Heilungsprozess nicht so lief wie es sollte, habe ich ein Flugverbot für Langstrecke. Dürfe im Flieger nichts trinken oder essen. Und ja, wir haben es dann auch storniert. Anwalt, BR sehen es ähnlich. Aber hätte hätte Fahrradkette. Ich verlange ja nicht viel, nur eine Entschuldigung und vielleicht eine Art Kostenübernahme für den nächsten Urlaub oder mal Tickets für Flüge nach New York - dann wäre das Thema für mich durch. Nur wenn wir mist bauen, fehler machen, die der Firma geld kosten, dann heißt es immer Du Du Du, böse böse böse. Aber wenn die da oben mist bauen, dann soll man in die Zukunft schauen und alles wird besser.
LG von der Küste
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Reiseonkel
lt.cable
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von lt.cable »

Ahoi, Reiseonkel87!

Der Ausstieg war mein Weg, allerdings wenig zielführend. Wenn man so richtig in den Seilen hängt, ist es natürlich nochmal schwieriger, sich neue Arbeit zu suchen. Und: Was gibt es da überhaupt für Alternativen? Falls es welche gibt, sind die Arbeitsbedingungen dort heutzutage doch ebenso schlecht wie an der Line, im Mail- oder Chat-Support.

Genau dieses spezielle Betätigungsfeld gibt sehr vielen Menschen Chancen (was man den Verantwortlichen in gewissem Maße auch positiv anrechnen muss), gleichzeitig ist es schon für psychisch gesunde Personen mit einer stabilen Grundpersönlichkeit und guten Stützstrukturen eine Herausforderung. Selbst von denen wird ein Teil dort krank. Wer bereits krank ist, sollte den Job erst gar nicht machen, hat aber häufig wenig bis gar keine Alternativen.

Die unmittelbaren Vorgesetzten da sind nicht prinzipiell schlechte Menschen. Sie hängen einfach in demselben Elend fest wie man selbst und müssen auch aus Leuten, bei denen sie sicher merken, dass da zunehmend was nicht stimmt, trotzdem die geforderte Leistung rauspressen. Die Branche selbst und ihre Personalverantwortlichen finden eine ständige Personalfluktuation von 30, 40 oder mehr Prozent völlig okay. Der Mensch interessiert da also schlicht formuliert einen Scheißdreck. Auspressen, krank machen, entsorgen. Vor der Tür warten schon die nächsten Verzweifelten - ob aus eigenem Antrieb oder professionell, durch staatliche oder private Arbeitsvermittlung, zugeführt.

Jedenfalls: Was da so abgeht, kann ich nachvollziehen. Zeit- und Leistungsdruck, viele Kundenkontakte, ständiges Wechseln zwischen Anforderungen und Systemen, ständige Kontrolle nach irgendwelchen Qualitätskriterien mit entsprechender Überwachung. Du fühlst dich so, als würdest du zunehmend vor die Hunde gehen. Ich war zum Schluss völlig durch, nur noch zynisch, ablehnend, aggressiv gegenüber Job und Kunden, ohne Verständnis für deren Anliegen. Aus heutiger Sicht hätte ich mehr mit anderen, auch meinen Behandlern, reden sollen.

Das würde ich auch dir raten. Hol dir guten Rat bei Leuten, die wissen, was bei dir gesundheitlich abgeht. Ich habe seinerzeit auch alles in meinem Leben infrage gestellt, hatte die düstersten Gedanken, wollte so nicht mehr weitermachen. Heute weiß ich zumindest: Der Job war von vornherein nichts für mich. Nie wieder, habe ich mir geschworen. Am Rest arbeite ich noch. Jedoch bin ich an jedem verdammten Tag dankbar dafür, mit einem Callcenter beruflich nichts mehr zu tun zu haben. Ich hoffe, dass das auf meinem weiteren Lebensweg auch so bleibt. An deiner Stelle würde ich an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers keine zu großen Hoffnungen knüpfen.

Es grüßt

lt.cable
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Maxegon
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Maxegon »

Reiseonkel87 hat geschrieben: 11. Okt 2023, 07:18 Hat der Arbeitgeber keine Fürsorgepflicht mehr?
Der Arbeitnehmer hat eine "Fürsorgepflicht" seinen Arbeitgeber gegenüber, wenn der diese erfüllt, kümmert sich auch der Arbeitgeber, um den Arbeitnehmer.

Wenn mein Klempner nicht nicht das macht, was er soll bzw. wofür ich ihn bezahle, suche ich mir einen anderen.
Dabei ist es mir egal, ob mein Klempner an Depressionen leidet, er eine kranke Mutter zu Hause hat oder er im Körper einer Frau lebt, obwohl er doch eigentlich ein Mann ist.

Wenn ich keinen anderen Klempner finde, da Fachkräftemangel oder sonst etwas, ich ihn aber dringend benötige ... habe ich ein Problem.

Wie einige ich mich nun mit meinem Klempner?

Ein sehr simples Beispiel, doch im Grunde nichts anderes, wie ein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis.

Ich muss mich mit den Klempner einigen bzw. er sich mit mir oder wir trennen uns und meine Heizung bleibt kaputt und der Klempner bekommt kein Geld.

Ich muss (!) also Kompromisse eigehen.

Zu welchen bin ich bereit?
Amnesiac
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Amnesiac »

Reiseonkel87 hat geschrieben: 11. Okt 2023, 07:56
Hoffe das ich das mit dem Job irgendwie hinbekommen werde. Leider gibt der Markt aktuell nicht besonders viel her.
Bei uns genau das Gegenteil: wir kriegen unsere offenen Stellen nicht mehr besetzt, es gibt keine qualifizierten Leute. Fachkräftemangel macht sich deutlich bemerkbar.

Ich habe vor einem Jahr, wegen bestehender Konfliktsituation am Arbeitsplatz, meine Stelle gewechselt. Bzw. ich bin nach langer AU nicht mehr dorthin zurück. Das ist alleine schon hilfreich, um für dich klar zu kriegen, ob es ausschließlich an deinem Umfeld liegt oder ob ein Teil der Misere vielleicht bei dir liegt. Ich kann jetzt nach einem Jahr sagen, dass ich die Situation mit dem nervigen Umfeld damals falsch eingeschätzt habe. Ich habe mich mitgenommen zum neuen Arbeitsplatz und somit leider auch einen Teil der Probleme. Es liegt also zu einem großen Teil an mir selbst, die Erkenntnis habe ich nun zumindest. Vorher habe ich mein Umfeld verteufelt, nun hat es sich etwas relativiert.
LG
Amnesiac (der Name ist Programm)

Ich kann sehr gut Mitmenschen umgehen.
Lavendel64
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,
ich komme noch einmal auf die familiäre Situation zurück. Wenn ich es richtig verstanden habe, liebst Du Deine Frau, sie ist verständnisvoll und steht an Deiner Seite. Dennoch sprichst Du von Trennung, weil sie etwas Besseres verdient hat? Sorry, das ist nicht Deine Entscheidung, sondern ihre. Die sie längst getroffen hat, denn sie ist bei Dir und unterstützt Dich.

Die Eltern schießen quer, wie ich das kenne. Ein nervtötender Konflikt, der auch in die Ehe hineingetragen wird. Aber nur soweit, wie Ihr zwei es zulasst. Da gilt es, klare Grenzen zu ziehen und wenn sie es nicht verstehen, noch klarer zu werden. Bei uns hieß das: ich lade sie nicht mehr ein. Und teilte ihnen mit, dass ein unangekündigter Besuch nicht gewünscht ist. Wenn sie das für ihr Zuhause anders sehen, ist das okay, aber für Euer Zuhause legt Ihr die Regeln fest. Deine Frau kann ihre Eltern besuchen, sie werden für sie immer nahe Menschen bleiben - für Dich müssen sie das aber nicht. Es ist keine optimale Situation, aber Du wirst die Art ihrer Eltern nicht ändern können. Da gilt es, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden.

Und bei Diskussionen - Zurückhaltung. Nicht provozieren lassen. Vielleicht kannst Du an Dir arbeiten, um die Aussagen nicht so nah an Dich rankommen zu lassen. Deiner Frau zuliebe. Sprecht Ihr über ihre Eltern und deren Verhalten? Wie es dich verletzt?

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Reiseonkel87
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Ihr lieben,
danke nochmal für Eure Antworten. Habe am Wochenende mal bewusst auf Computer, Handy etc verzichtet.

Letzten Donnerstag habe ich nochmal ein Personalgespräch gehabt. Was soll ich sagen, Betriebsrat war mit dabei. Wir haben das Meeting hinterher einmal nochmal besprochen. Während dessen habe ich mitgeschrieben. Wir haben geschaut, wie ich die Sache interpretiere und wie der BR das ganze sieht. Grob gesagt, waren wir uns in den meisten fällen einig. Was mich etwas getriggert hat, worauf ich erstmal klar kommen musste bzw mich selbst hinterfragt habe. Ein interner Wechsel soll möglichst verhindert werden, da das Problem nur von A nach B transferiert wird. Da hab ich sofort angefangen zu grübeln. Das Unternehmen meint dann mich als Problem? Was ich aber echt dreist gefunden habe, das ich in dieser Situation gelandet bin, daran ist Arbeitgeber definitiv schuld. Wie ich bereits erwähnt habe, es kam letztes Jahr bis zu Morddrohung von Kunden per Telefon als auch auf meinen privaten Facebook account. Die Firma hat nichts gemacht. Es wurde die Ausrede aller Ausreden benutzt. Es ist ein Missverständnis und ein regionaler Umgangston. Darüber hinaus wurde appelliert, ich soll in die Zukunft schauen. Die wissen ganz genau das die Bockmist gebaut haben, aber Sie übernehmen keine Verantwortung. Ich soll nach vorne gucken - was ja auch richtig ist - aber die Firma bohrt in meiner Vergangenheit rum.

Die psychische Erkrankung war nie völlig weg, Sie kam hin und wieder mal zum vorscheinen. Für Außenstehende ist es leider immer schwer zu verstehen, die, die diesen Job nicht kennen, haben keine reale Vorstellung was abgeht. Und ja, gibt es auch in anderen Branchen. Guter freund arbeitet im Einzelhandel, da drehen die Menschen auch am Rad. Ich möchte mich auch nicht rausreden, wenn ich Bockmist baue, stehe ich zu meinen Fehler. Auch schaue ich in die Zukunft, ich möchte ja arbeiten. Ich kann es momentan drehen und wenden wie ich möchte.

Was meine Frau betrifft, ich möchte nur das beste für Sie. Ja, es ist/war Ihre Entscheidung ob Sie bei mir bleibt und mich so mit allen Ecken und Kanten akzeptiert. Das tut Sie zum glück. Habe inzwischen auch den Weg für eine Therapie eingeschlagen. Das Ereignis vom letzten Jahr hat mich doch mehr verletzt als ich es mir selbst eingestehen wollte.
LG von der Küste
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Reiseonkel
lt.cable
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von lt.cable »

Reiseonkel87, lass dir nicht einreden, dass du der Schuldige bist. Wird heutzutage hier anscheinend immer wieder versucht, früher war die Haltung eine andere. Du sollst, aus eigenem Interesse, Hilfe annehmen und auch bei der Gesprächstherapie nach Kräften mitwirken. Die belastenden Arbeitsbedingungen, mangelndes Interesse an deiner Gesundheit und richtigen, weitgreifenden Verbesserungen sind in dieser Zeit die Regel und nicht die Ausnahme. Die Kliniken sind permanent voll mit all denen, die selbst die Schuld haben sollen. Das ist eine bequeme Lüge!

Du bist was wert und die Beziehung ist, meiner Ansicht nach, nicht das dickste der Probleme. Die Verzweiflung in dir kenne ich mindestens zum Teil. Ich hatte die Empfindung, ich würde mich zunehmend auflösen. Von mir selbst war fast nichts mehr übrig. Reden konnte man seinerzeit mit Niemandem, denn verstanden hätte kein Mensch was und ich schäme mich bis heute für den kontinuierlichen Abstieg in meinem Leben. Aber der Rat, wenn ich mal aufgemacht habe, war immer weitermachen. Ich dachte an sehr radikale Lösungen. Mehr schreibe ich dazu nicht. Mein privates Vokabular für andere Menschen bestand nur noch aus Widerlichkeiten: Überall alte Drecksäue, Arschgeigen, Pisser, Wichser, Pack, das keine bessere Beschäftigung zu haben schien, als mir auf verschiedenen Kommunikationswegen auf den Sack zu gehen. Um mich rum etliche Kollegen, die noch viel offensichtlicher krank waren und Hilfe brauchten. Wenig Engagement des Arbeitgebers; du kennst das ja. Auspressen bis es auf die geschlossene Station geht.

Ich wünsch dir was! Es gibt Menschen, die das mit deiner Arbeit verstehen und bestätigen können, dass kein psychisch Kranker eigentlich in diesen Job gehört. Viel Erfolg bei der Therapie und in deiner weiteren Entwicklung! Hier im Forum kannst du dir auch einfach mal Dinge von der Seele schreiben.

Gruß

lt cable
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Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Reiseonkel87
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Re: Schwere Depression dank Arbeitgeber

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hey lt.cable,
ich danke Dir nochmal. Die radikale Lösung hatte ich bereits 2015/2016 mal sehr stark angepeilt gehabt, sofern wie von dem gleichen sprechen. Die Arbeit wird nicht einfacher oder weniger, im gegenteil, es wird mehr immer und schwerer. Gott sei dank bleibt mein Gehalt gleich *sarkasmus*.

Wenn ich überlege, das ich damals seit dem Jahr 2000 auf diesen Beruf geschielt habe und 2005 die Ausbildung gemacht habe... ich würde gerne eine Zeitmaschine haben, dann wirklich in die Zeit zurück und mir selbst eine scheuern. Ok, damals konnte man nicht ahnen wie sich das alles hier entwickelt. Habe eine schöne Ausbildung gehabt. Danach als unerfahrener viel Pech gehabt und Jobs verloren. Man muss wirklich sagen, das Internet hat da wirklich viel kaputt gemacht. Erst die Hotelbewertungsportale, später die Vergleichsportale. Und jetzt steht mit der KI der nächste Quertreiber vor der Tür.

Wir haben das Thema neulich zuhause mal gehabt. Meine Frau hat 3 Destinationen ausgewählt, zu jeder Destination sehr spezielle Fragen, was ein Reiseverkehrskaufmann oder Reiseverkehrskauffrau in der Bedarfsermittlung stellt. Einmal hab ich geantwortet, danach die KI. Was soll ich sagen, erschreckend. Der Beruf wird zeitnah aussterben. KI übernimmt.

Und was heute auf der Arbeit passiert ist, ist gerade auch das Sinnbild, was ich innerhalb der Firma versuche zu erläutern. Ich arbeite ja in einen englischen Team. Wird ein Kollege aus UK verbal angegriffen, es wird tatsächlich sofort gehandelt etc. Aber wenn ich das als deutscher melde, passiert erstmal gar nichts. Später darf man sich dann so einen Mist anhören wie regionaler Umgangston, britischer Humor etc. Und was soll ich sagen, mein Kollege hat genau die gleiche Pissnelke am Telefon, wie ich letzte Woche. Ich hatte es sofort gemeldet, bis heute keine reaktion. Aber für den aus UK wird gleich sofort etwas unternommen. Als wenn der Job und aktuelle Zeit nicht schon schwer genug wäre, nein muss sich auch über so ein Mist gedanken machen.

Fakt ist, das man erkennen muss, das die Gesundheit wichtiger ist, als die Zahlen auf dem Konto oder wie viele tolle Reisen man im Jahr machen kann. Bringt am ende nichts das ich später der reichste auf dem Friedhof bin und mit dem Geld nichts machen kann, höchstens meine Frau dann *schwarzer Humor*.

Stimmung geht auch wieder in die richtige Richtung. Gestern und heute sind bis jetzt tolle Tage. Ich hoffe es bleibt so.
LG von der Küste
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Reiseonkel
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