Verwundert über Therapeutin

Max_
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Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Max_ »

Hallo,

ich bin zuletzt etwas unglücklich aus der Therapie-Sitzung herausgekommen wegen des ungewohnten Verhaltens meiner Therapeutin, mit der ich ansonsten sehr zufrieden bin. Mich würde dazu eure Meinung interessieren!

Die Tage vor der Stunde waren von starker Niedergeschlagenheit und Erschöpfung geprägt (heute wieder besser!), daher habe ich mich gleich zu Beginn mitgeteilt, dass es mir wirklich schlecht ginge und dass ich mich aktuell von der Krankheit gebrochen fühle. Auf ihre Nachfrage habe ich von meinen Problemen und Schwierigkeiten berichtet und bekam bedingt Zuspruch — ihr Ding ist es i.d.R. eher, mich zum Handeln anzutreiben, als mich zu trösten.

(Manche ihrer Empfehlungen kann ich nicht immer gleich umsetzen, da sie mich überfordern. Die Motivation und der Leidensdruck ist da, aber es kostet mich schlichtweg zu viel Kraft, die mir dann im Alltag fehlt. Aber natürlich hat sie recht, dass sich ohne Handlungen nichts ändert.)

Nach einigen Minuten hat sie ihre Rolle geändert und wurde eher scherzend und ironisch. Es sei ja alles nicht so schlimm, und dass ich aufgrund meiner Prägungen viel zu viel (vom Leben) erwarten würde, obwohl ich doch schon auf einiges zurückgreifen könne. Ich habe dann nochmal erklärt, dass vieles Schöne — und was für andere normal zu sein scheint — aus meinem Leben verschwunden sei. Und dass ich mich im Alltag oft wie ein Ertrinkender fühlte, der sich mit Mühe und Not so über Wasser halte...

Daraufhin hat sie mit einem Schicksal aus ihrem nächsten Umfeld geantwortet: eine körperliche Erkrankung, die das Leben der Person immer mehr einschränke und den Handlungsspielraum immer kleiner werden lasse. Aber ansonsten erfolgreich im Leben. DAS sei wirklich schlimm, und im Gegensatz dazu hätte ich ja die Möglichkeiten, alles zu machen, was ich wolle. Ich antwortete, dass ich eben NICHT alles machen könne, auch wenn es "nur" diese psychische Erkrankung sei. Und dass ich gefühlt manchmal in einem unsichtbaren Rollstuhl säße, der für andere zwar nicht sichtbar sei, aber mein Handeln eben doch stark beschränken würde.

Die Stunde war dann fast vorbei. Ich war verwundert und es kamen mir Fragen wie: kann man persönliches Leid miteinander vergleichen?? Sollte ich froh sein, dass ich "nur" unter einer psychischen Erkrankung leide? War das ein therapeutischer Schachzug? Kann sie meine Klagen nicht mehr hören? Bin ich als Patient nicht engagiert genug? Oder ist ihr das einfach so rausgerutscht, ein Fehler? Ich habe ihr diese Fragen nicht gestellt, weil sie bei der Schilderung des Schicksals sehr emotional wirkte... werde es aber nächste Stunde ansprechen.

Was haltet ihr davon, würdet ihr euch über diese Herangehensweise wundern?

LG Max
anna_lyle
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von anna_lyle »

Hallo Max,
danke für die anschauliche Beschreibung der Therapiestunde. Mich hätte dieser Dialog auch irritiert. Deine Fragen sind nachvollziehbar und ich würde sie alle (bis auf den therapeutischen Schachzug) bei der nächsten Sitzung stellen.
Vielleicht hatte sie "einen schlechten Tag".
Gute Zeit dir, Kraft und freudige Ereignisse!
LG Anna
Mountainbiker
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Mountainbiker »

Ich glaube auch, dass sie emotional von dem Schicksal im Umfeld abgelenkt und etwas gefangen war. Das sind ja auch nur Menschen und vielleicht war auch für sie gerade mal alles zu viel. Vielleicht hätte sie den Termin dann besser abgesagt, das wäre möglicherweise professioneller gewesen. Es sind aber nur Mutmaßungen.
Du kennst sie ja sicher schon länger und darum würde ich das einfach mal mit ihr besprechen.
Gruß Mountainbiker
Das Leben ist wie Radfahren. Man fällt nicht, solange man in die Pedale tritt.
Nachtmensch
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Nachtmensch »

Es ist ja nicht ersichtlich, um welche Therapieform es sich handelt. Vielleicht ist es eine VT und da ist „antreiben“ eher die Regel. Wenn eher ein Besprechen des empfundenen Leids gewünscht ist, wäre das vielleicht nicht die richtige. Bei Traumata beispielsweise sowieso nicht, jedenfalls meiner Meinung nach. Die Frage ist halt auch, was ich selbst erwarte, wie Therapie zu sein hat und wie ich mit gefühlter oder tatsächlicher Provokation umgehen kann, die in einer VT durchaus vorkommt, jedenfalls nach meiner Erfahrung. Und wenn es mir persönlich mehr darum geht, Zuspruch und Trost zu bekommen, wäre das eher eine Angelegenheit für eine Seelsorge, wo es dann mehr darum ginge, mich einfach jemandem nur mitzuteilen, wenn es sonst in meinem Umfeld niemanden gibt, bei dem ich das könnte.

Natürlich kann man geteilter Meinung sein, ob die Therapeutin solche Vergleiche ziehen sollte und der genaue Wortlaut spielt da sicher eine Rolle, genauso wie der Ton, aber da ich nicht dabei war, kann ich das ja nicht beurteilen. Vielleicht war es aber eben auch kein runterspielen der psychischen Erkrankung als solche, sondern einfach nur ein Denkanstoß in Richtung dessen, was Möglichkeiten angeht und das die natürlich immer unterschiedlich sind und das es Menschen gibt, die Möglichkeit erkennen und dann auch nutzen und eben auch welche, die das nicht tun, es dennoch aber welche gibt.
DieNeue
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von DieNeue »

Hallo Max,

ich finde, du hast super argumentiert und dich nicht unterkriegen lassen.

Ich finde ihr Verhalten auch seltsam und ehrlich gesagt auch gemein. Aber ich bin eh nicht der Typ für Therapeuten, die zum Antreiben und Provozieren neigen. Ich wäre wütend geworden, wenn ich meiner Therapeutin, von der ich eigentlich erwarte, dass sie meine Krankheit kennt und ihr die Probleme klar sind, solche banalen Zusammenhänge erklären hätte müssen.

Sollte es sich tatsächlich um einen Schachzug handeln, würde ich nicht mehr hingehen. Da wäre bei mir das Vertrauen hinüber, wenn jemand versucht mich zu manipulieren.

Was ich bisher so von dir gelesen habe, setzt du viel um und bist motiviert. Also wenn DU ihr nicht engagiert genug bist, weiß ich nicht, was für Überflieger ihre sonstigen Patienten so sind...

Ich würde das auch ansprechen. Finde das Verhalten komisch. Selbst wenn sie emotional von dem anderen Schicksal betroffen ist, muss sie das nicht an dir auslassen.

Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von DieNeue »

Nachtmensch hat geschrieben: 24. Sep 2023, 13:04 Es ist ja Vielleicht war es aber eben auch kein runterspielen der psychischen Erkrankung als solche, sondern einfach nur ein Denkanstoß in Richtung dessen, was Möglichkeiten angeht und das die natürlich immer unterschiedlich sind und das es Menschen gibt, die Möglichkeit erkennen und dann auch nutzen und eben auch welche, die das nicht tun, es dennoch aber welche gibt.
Ich finde sowas kann man dann aber auch respektvoller rüberbringen ohne solche Plattitüden, von wegen man könne ja alles machen, was man will... Wenn man alles machen könnte, was man will, wäre man wohl nicht in Therapie.
Als PSYCHOtherapeutin sollte man schon wissen, wo die Grenzen bei psychischen Krankheiten sind.
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

Als Patient hatte ich immer den Wunsch die Grenzen meiner psychischen Erkrankung zu überwinden. Wenn ich bei jeder Konfrontation die Therapeutin gewechselt hätte, wäre ich heute noch beim 50ten-und Therapeuten. Ich würde es versuchen anzusprechen auch mit dem, dass ich es als respektlos empfinde und dass sie mich verletzt hätte usw. Vielleicht lässt sich da was klären. Und im weiteren Verlauf wird man sehen, ob man zusammen arbeiten kann oder nicht.

Ich finde Provokation gehört ein Stück weit auch dazu. Klar ist das hart .... ich könnte euch erzählen, was ich erlebt habe. Da haben manche schon den Anwalt eingeschaltet. Aber bei jedem Missgefühl immer gleich die Thera zu verteufeln, halte ich persönlich nicht für den richtigen Weg. Aber das mag jeder selbst entscheiden. Mir persönlich hat die Provokation an sich neue Wege und Welten eröffnet. Man muss natürlich bereit sein, da auch genauer hinzublicken und sich ggf. auch mal wehren.
Meridian
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Meridian »

Hallo Max,

ich sehe es ähnlich wie Senif.
Natürlich arbeiten Therapeuten auch mit Provokation und Konfrontation, um den Therapieprozess voranzubringen.
Ob das hier der Fall ist, kann ich nicht beurteilen.
Ich habe viel Zeit in der Therapie damit verbracht, dem Therapeuten zu erklären, warum ich bestimmte Dinge nicht ändern kann und musste mir dann manchmal anhören, es sei meine Entscheidung, ob ich in den alten Verhaltensmustern steckenbleibe oder etwas verändern will.
Oft war ich irritiert, wenn der Therapeut mir in einzelnen Stunden nicht mehr so zugewandt und empathisch vorkam, aber es war immer möglich .
das zu klären, wenn ich es angesprochen habe.
Und im Nachhinein würde ich sagen, dass das die Stunden waren, in denen ich viel über mich gelernt habe und die mich wieder ein Stück weitergebracht haben.

LG, Meridian
DieNeue
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von DieNeue »

Hallo Senif,

ich könnte dir auch einiges erzählen. Ich hab keine Anwälte eingeschaltet, ich habe mich auch gewehrt und Probleme immer angesprochen.
Mittlerweile weiß ich aber, wo meine Grenzen sind und ich lasse mich von Therapeuten nicht mehr respektlos behandeln. Dazu gehört für mich auch, eben nicht manipuliert zu werden. Ich erwarte ehrliche und authentische Therapeuten und keine, die irgendwelche Spielchen mit mir spielen. Anders komme nämlich ich nicht weiter. Und dafür ist mir dann auch meine Zeit zu schade. Ich spiele schließlich auch keine Spielchen mit den Therapeuten und von mir wird auch Respekt und Ehrlichkeit erwartet.

Ich habe das Gefühl, du unterschätzt uns manchmal ein bisschen.
Glaubst du, nur weil ich weiß und sage, wo meine (!) Grenze ist, dass ich mir das nicht hart erarbeitet habe und ich stattdessen konfliktscheu bin und bei jedem kleinen Pipifax davonlaufe? Ich habe genauso das Recht wie du, mir die Leute auszusuchen, die mir gut tun und mich weiterbringen. Deswegen muss man nicht anderen Leuten unterstellen, sie würden bei Problemen gleich davonlaufen.

In Therapien kann man auch was lernen, auch wenn man nicht provoziert wird. Nicht jeder braucht einen Tritt in den Hintern, um was zu lernen.

Gruß,
DieNeue
DieNeue
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von DieNeue »

Hallo Max,

man kann den Spieß auch umdrehen:
Wenn es dir angeblich ja so gut geht und du keinerlei Einschränkungen hast, könnte man theoretisch auch die Frage stellen, wie sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren kann, für eine Therapie von jemandem Geld zu nehmen, der ja anscheinend keine Probleme hat. ;)
Scheinbar sieht sie schon Therapiebedarf, sonst würde sie die Therapie ja nicht machen.

Liebe Grüße,
DieNeue
SonneundDunkenheit
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Max,

ich habe ähnliches erlebt wie du sogar schon mehrfach ...war irritiert und verletzt, fühlte mich unverstanden. Auch ich habe laut geäußert, das Leid sehr individuell und nicht vergleichbar sei. Darum ging es meiner Therapeutin aber auch gar nicht.
Mit ein wenig Abstand betrachtet, konnte ich in oder aus solchen Stunden dennoch immer neue Erkenntnisse gewinnen.
Wie Meridian und Senif habe ich die empfundenen "Provokationen" thematisiert. Manchmal sofort, manchmal in der Folgestunde und manchmal in Form einer Mail. In der Folge haben wir unsere unterschiedlichen Sichtweisen auf Augenhöhe besprochen und für mich war genau das Ausdruck für die bestehende stabile Therapiebeziehung. Ich kann für mich selbst sagen, dass ich manche Äußerungen anders wahrgenommen/ verarbeitet habe als von der Therapeutin beabsichtigt war. Der Austausch darüber war für mich (und auch für die Therapeutin) sehr wichtig und "bereinigend", aber auch anstrengend.
Wünsche dir eine konstruktive nächste Stunde.
LG SonneundDunkelheit
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

DieNeue hat geschrieben: 24. Sep 2023, 18:25 Hallo Senif,

ich könnte dir auch einiges erzählen. Ich hab keine Anwälte eingeschaltet, ich habe mich auch gewehrt und Probleme immer angesprochen.
Mittlerweile weiß ich aber, wo meine Grenzen sind und ich lasse mich von Therapeuten nicht mehr respektlos behandeln. Dazu gehört für mich auch, eben nicht manipuliert zu werden. Ich erwarte ehrliche und authentische Therapeuten und keine, die irgendwelche Spielchen mit mir spielen. Anders komme nämlich ich nicht weiter. Und dafür ist mir dann auch meine Zeit zu schade. Ich spiele schließlich auch keine Spielchen mit den Therapeuten und von mir wird auch Respekt und Ehrlichkeit erwartet.

Ich habe das Gefühl, du unterschätzt uns manchmal ein bisschen.
Glaubst du, nur weil ich weiß und sage, wo meine (!) Grenze ist, dass ich mir das nicht hart erarbeitet habe und ich stattdessen konfliktscheu bin und bei jedem kleinen Pipifax davonlaufe? Ich habe genauso das Recht wie du, mir die Leute auszusuchen, die mir gut tun und mich weiterbringen. Deswegen muss man nicht anderen Leuten unterstellen, sie würden bei Problemen gleich davonlaufen.

In Therapien kann man auch was lernen, auch wenn man nicht provoziert wird. Nicht jeder braucht einen Tritt in den Hintern, um was zu lernen.

Gruß,
DieNeue
Das ist die Frage, ob du weiter gekommen bist. Wenn du das für dich so sagst, wird das vielleicht schon so sein, auch wenn das andere anders beurteilen. Das mögen in deinen Augen Spielchen sein und Manipulation. Aber wenn es deine Grenze verschiebt, finde ich das in Ordnung. So wirkt es dann eher, dass die Grenze zementiert wird. Wenn das das ist, was du möchtest, ist das ja ok.
Ich hatte da halt andere Zielsetzungen in der Therapie. Und nur, weil sich eine Therapeutin mal nicht so verhält, wie man sich das wünscht, heißt das nicht, dass sie schlecht, unprofessionell oder sonst was ist. Therapie ist nicht nur Kuschelkurs. Und das hat auch seinen Sinn und seine Berechtigung.
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

Hallo SonnendDunkelheit,

so habe ich es auch erlebt. Ich fand das auch sehr anstrengend und mit enormen Gefühlen verbunden. Aber genau solche Gespräche haben mich dann auch wieder auf den Boden gebracht. In der Situation selbst ist es vielleicht manchmal nicht möglich zu reagieren, oder darüber nachzudenken. Da kann sich dann auch später sehr viel tun. Ich hab dann auch später oft noch eine Mail dazu geschrieben, oder in der nächsten Stunde darüber gesprochen. Es hat sich gezeigt, dass dadurch die therapeutische Beziehung tragfähiger geworden ist.

LG Senif
Suchende2
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Senif,

so unterschiedlich wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die notwendigen Wege.
Ich habe zum Glück Therapeuten, die mich nicht provoziert haben / provozieren. Das bringt bei mir gar nichts!
Zu meinem Glück habe ich Therapeuten erlebt, die ehrlich, offen und direkt zu mir sind. Damit kann ich gut arbeiten, daß ist auf Augenhöhe und kann auch schmerzen.
Auf diesem Weg kann bei mir auch die notwendige Änderung stattfinden. Und manchmal auch das Gespräch darüber, warum mir die Änderung in dem Moment so schwer fällt.

Alles Gute,
Suchende
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

Ok. Ich will mich auch nicht streiten. Ich wollte nur mitteilen, dass ich es nicht für den richtigen Weg halte, den Therapeuten gleich zu wechseln. Im Grunde kann man dem Therapeuten in einem klärenden Gespräch auch sagen: bitte die Therapie ohne Provokationen machen. Und dann kann man ja sehen, wie dieser reagiert.
Schlumpffine
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo in die Runde,ich kann den Thread nicht ganz nachvollziehen.
Jeder Mensch wird von seinem Umfeld, seinen Eltern und auch der Gesellschaft geprägt.
Hier erhält man die "Richtwerte" und "Bewertungen" vermittelt, die uns alle als Teil der Gemeinschaft ausmachen.
Kommt es in der Zeit des "Lernens"-Kindheit/Schule- zu (Fehl)Prägungen, die andere nicht erhalten haben, kommt es zu Konflikten.
Fakt ist auch, ein Therapeut/tin ist keine "Heilmaschine" die am Ende ein fertiges Produkt auswirft, also jemand "Gesund" macht. Sie kann nur Hinweise in die eine odere andere Richtung geben.
Ändern und anpassen muss sich dann der/die Proband/tin bzw. Hilfesuchender.
Er hat jetzt verschiedene Möglichkeiten, er/sie kann sie annehmen,verwerfen oder ignorieren.
Eine VERÄNDERUNG für sich selber, kann der/die Probant/tin nur erreichen, wenn er/sie Veränderungen zuläßt und reflektiert und dann enorm profitieren.
Diejenigen die es nicht können und immer wieder irgendwelche "Entschuldigungen" und Begründungen vorbringen,verbleiben in der Stagnation bzw im Rückschritt.
Grüße
Schlu
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

Ich habe auch mal gesagt bekommen, dass ich nach dem Prinzip bei ihm (dem Therapeuten bin): Wasch mich, aber mach mich nicht nass. :D
Max_
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Max_ »

Hallo in die Runde,

schön, so viele Meinungen lesen zu können! Finde es nicht verwunderlich, dass jede:r von uns andere Vorstellungen und Bedürfnisse an eine Psychotherapie hat. Es gibt ja alleine schon die unterschiedlichsten Herangehensweisen...

Beim Verfassen des Textes und jetzt bei euren Beiträgen sind mir ein paar DInge klarer geworden: zum einen, ich habe eine hohe Meinung von meiner Therapeutin! Ich schätze an ihr, dass sie authentisch, engagiert und immer für die Sache arbeitet. Sie kann sogar Fehler zugeben und ist sehr ehrlich. Zwei, drei Mal hatten wir Missverständnisse, die wir gemeinsam im Gespräch ausräumen konnten. Laut ihr ist das auch Teil der Therapie, eine (professionelle) Bindung aufzubauen, an der ich üben kann, gewisse dysfunktionale Verhaltenmuster zu überwinden (Kiesler-Kreises etc). Daneben ist sie aber auch ein Mensch und durchaus verletztbar... und zum Glück nicht nachtragend ;)

Ich glaube, dass sie in der Stunde einfach frustriert wurde, weil ich quasi alle Errungenschaften der letzten Zeit total kleingeredet habe. Alles Sch...! Und ich es daneben eben nicht schaffe, die geforderten Maßnahmen immer gleich zu 100% umzusetzen. Das muss frustrieren, diese Erkrankung ist für alle frustrierend. Und so hat sie sich vielleicht ein bisschen gehen gelassen.

Mein Plan für die nächste Stunde ist, dass ich schaue, ob sie von sich aus drauf zu sprechen kommt. Tut sie das nicht, überlege ich tatsächlich, es gar nicht mehr zu erwähnen. Nicht aus Vermeidung oder Konfliktscheuheit, sondern ganz bewusst, um es mal NICHT auf die Goldwaage zu legen. Dazu neigt nämlich (m)ein chronisch depressives, empfindliches Ich. Also eher das große Ganze wertschätzen und zur Abwechslung mal "gutmütig" damit umgehen, dass sie mich auf dem falschen Fuß erwischt hat.

Schönen Sonntagabend!
Max
Max_
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Max_ »

Vielleicht nochmal als Nachtrag zum Thema Therapie und Veränderung: vor zwei Jahren hatte ich einen Punkt, wo ich aufgrund einer massiven Angststörung fast handlungsunfähig wurde. Es ging nichts mehr und es war die schlimmste Zeit meines Lebens.

Seit diesem Tiefpunkt arbeiten wir gemeinsam daran, diese Ängste zu überwinden. Es ist sehr, sehr viel Arbeit gewesen, zu dem Punkt zu kommen, wo ich heute bin!! Einiges habe ich auch hier im Forum geteilt.

Die Therapeutin kann nur empfehlen, ordnen, motivieren, coachen... aber die Arbeit liegt immer bei mir selbst. Meine Angststörung kann ich nicht kognitiv (im Großhirn) oder durch Reden überwinden, sondern ich muss durch ständige Expositionen und Wiederholungen mein (Mittel-) Hirn umschreiben. Manche sagen, dass es jeweils 80 Wiederholungen benötigt, um das zu tun. Da Expositionen viel Kraft kosten, weil sie immer mit Angst und deren körperlichen Symptomen einhergehen — oft schon tagelang davor —, kann ich es leider nicht beliebig skalieren. Ähnlich wie beim Sport, wo Übertraining irgendwann nach hinten losgeht.

Aber Veränderung ist definitiv möglich und ich tue mein mir Mögliches. Der hohe Leidensdruck und die Vision eines zufriedenen Lebens treiben mich an. Und eben meine Therapeutin ;) Letzte Woche habe ich einen neuen Schritt geschafft: ich war das erste Mal wieder auf einer zweitägigen Konferenz mit über tausend Gästen :)

LG Max
Senif
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Senif »

Hallo Max_,

da war ich gestern echt überrascht über Deine Antwort und bin auch beeindruckt. Ich hoffe, dass du auch mit Dir gutmütig umgehst. Wohlwollend mit einem selbst hat mir auch sehr geholfen. :hello:

LG Senif
Meridian
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Meridian »

Hallo Max,

machst du dir Gedanken um deine Therapeutin, dass sie frustriert sein könnte, dass sie denken könnte, du kommst nicht schnell genug vorwärts, redest deine Erfolge klein usw.?
Dass du deine Verwunderung über die letzte Stunde nicht ansprechen willst, könnte bedeuten, dass du ihr die Kritik vielleicht nicht zumuten willst
und deshalb "gutmütig" darüber hinwegsehen willst, was dich nach der letzten Stunde beschäftigt hat-
Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das der Fall ist bei dir, aber ich lese das aus deinem Beitrag heraus und ich kenne das sehr gut von mir.
Du darfst frustriert sein, aber du musst dir keine Sorgen machen um deine Therapeutin. Du kannst das große Ganze wertschätzen und trotzdem
verwundert sein über ihre Reaktionen und das thematisieren.

LG, Meridian
Max_
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Max_ »

Hallo,

ich will nochmal auf das ein oder andere eingehen, weil mir alle Kommentare irgendwie helfen :)

anna_lyle hat geschrieben: 23. Sep 2023, 21:30 Mich hätte dieser Dialog auch irritiert. Deine Fragen sind nachvollziehbar und ich würde sie alle (bis auf den therapeutischen Schachzug) bei der nächsten Sitzung stellen. Vielleicht hatte sie "einen schlechten Tag".
Ich denke auch, dass sie einfach einen schlechten Tag hatte… und will nicht überreagieren… im Wissen, dass ich schnell mal gekränkt bin.

DieNeue hat geschrieben: 24. Sep 2023, 16:16 Ich finde ihr Verhalten auch seltsam und ehrlich gesagt auch gemein. Aber ich bin eh nicht der Typ für Therapeuten, die zum Antreiben und Provozieren neigen. Ich wäre wütend geworden, wenn ich meiner Therapeutin, von der ich eigentlich erwarte, dass sie meine Krankheit kennt und ihr die Probleme klar sind, solche banalen Zusammenhänge erklären hätte müssen.
Das wunderte mich eben auch, dass ich das immer wieder erklären muss, dass mir nicht 100% Energie zur Umsetzung aller Maßnahmen zur Verfügung stehen. Sie bekommt halt nur einen Bruchteil von mir mit, und in den Stunden konzentrieren wir uns oft auf positive Ziele und das Erreichte. Ich habe auch schon öfters gespiegelt bekommen, dass man mir das Leid nicht so ansieht. Insofern ist es wahrscheinlich auch ein schmaler Grat, anzutreiben, ohne zu überfordern. Habe zuletzt auch mal ne klare Grenze setzen müssen.

SonneundDunkenheit hat geschrieben: 24. Sep 2023, 18:38 ich habe ähnliches erlebt wie du sogar schon mehrfach ...war irritiert und verletzt, fühlte mich unverstanden. Auch ich habe laut geäußert, das Leid sehr individuell und nicht vergleichbar sei. Darum ging es meiner Therapeutin aber auch gar nicht.
Mit ein wenig Abstand betrachtet, konnte ich in oder aus solchen Stunden dennoch immer neue Erkenntnisse gewinnen.
Wie Meridian und Senif habe ich die empfundenen "Provokationen" thematisiert. Manchmal sofort, manchmal in der Folgestunde und manchmal in Form einer Mail. In der Folge haben wir unsere unterschiedlichen Sichtweisen auf Augenhöhe besprochen und für mich war genau das Ausdruck für die bestehende stabile Therapiebeziehung. Ich kann für mich selbst sagen, dass ich manche Äußerungen anders wahrgenommen/ verarbeitet habe als von der Therapeutin beabsichtigt war. Der Austausch darüber war für mich (und auch für die Therapeutin) sehr wichtig und "bereinigend", aber auch anstrengend.
Erlebe ich sehr ähnlich. Wir haben in der Vergangenheit auch schon das ein oder andere zusammen ausgestanden — i.d.R. von unbeabsichtigtem Verhalten, das mich verunsichert oder verletzt hat. Für mich ist es dabei wichtig zu lernen, Konflikte zu überstehen, ohne dass eine Bindung darunter zerbrechen muss. Und dass mich dieser Mensch deswegen nicht aufgibt. Gleichzeitig weiss ich um meine große Sensibilität und will versuchen, diese bei Konflikten miteinzurechnen... sprich, gelassener zu reagieren.

Senif hat geschrieben: 25. Sep 2023, 07:58 da war ich gestern echt überrascht über Deine Antwort und bin auch beeindruckt. Ich hoffe, dass du auch mit Dir gutmütig umgehst. Wohlwollend mit einem selbst hat mir auch sehr geholfen. :hello:
Danke! Gutmütigkeit mir selbst gegenüber fällt mir immer noch schwer, ich hatte lange eine perfektionistische Herangehensweise, wahrscheinlich zur Kompensation. Wenn man über den Sinn einer Erkrankung nachdenkt, könnte ich ggf. ableiten, dass mich meine Krankheit unnachgiebig vom Überperformen abhält ;)

Meridian hat geschrieben: 25. Sep 2023, 09:24 machst du dir Gedanken um deine Therapeutin, dass sie frustriert sein könnte, dass sie denken könnte, du kommst nicht schnell genug vorwärts, redest deine Erfolge klein usw.?
Dass du deine Verwunderung über die letzte Stunde nicht ansprechen willst, könnte bedeuten, dass du ihr die Kritik vielleicht nicht zumuten willst und deshalb "gutmütig" darüber hinwegsehen willst, was dich nach der letzten Stunde beschäftigt hat-
Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das der Fall ist bei dir, aber ich lese das aus deinem Beitrag heraus und ich kenne das sehr gut von mir.
Du darfst frustriert sein, aber du musst dir keine Sorgen machen um deine Therapeutin. Du kannst das große Ganze wertschätzen und trotzdem verwundert sein über ihre Reaktionen und das thematisieren.
Ja, da ist vielleicht was dran. Ich mache mir schon Gedanken über meine Therapeutin. Ich habe mal einen Punkt ihrer Arbeit rein sachlich kritisiert, worauf sie sehr betroffen reagiert hat. Sie hat sich dann gefangen und meine Kritik als Ausdruck meiner Erkrankung erklärt. Sie Ost sehr offen und nahbar, aber dadurch evt. angreifbarer.

LG Max
Zuletzt geändert von Max_ am 26. Sep 2023, 09:48, insgesamt 1-mal geändert.
Mountainbiker
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von Mountainbiker »

Mir sagt mein Therapeut immer, wenn sie sich von mir verletzt, gedemütigt oder angegriffen fühlen, sagen sie es mir bitte sofort.
Das Leben ist wie Radfahren. Man fällt nicht, solange man in die Pedale tritt.
anna_lyle
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von anna_lyle »

Danke Max, für diesen Thread und deine angenehm sachliche, sehr gründliche Art, das Leben zu untersuchen. Für mich war da viel dabei. Zum Beispiel einen Konflikt auch mal so stehen zu lassen, in der Bindung bleiben und das Gute sehen.
Deine Therapeutin scheint sehr engagiert zu sein und aus meiner Sicht kann sie froh sein, so einen feinsinnigen Klienten zu haben, wie dich! (Manchmal sollten auch die Parienten für ihre Arbeit mit den Therapeuten bezahlt werden.)
Ich wünsch dir weiter viele heilsame Schritte auf dem Weg - und zwischendurch das Erreichte feiern :-)
DieNeue
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Re: Verwundert über Therapeutin

Beitrag von DieNeue »

Hallo Max,

ich habe heute mit meiner Beraterin vom SpDi kurz über das Thema gesprochen. Sie ist auch Psychologin und meinte, dass Provokationen in Therapiegesprächen an sich in Ordnung sind, allerdings müssen diese entweder angekündigt oder sofort aufgelöst werden. Es geht nicht, dass der Patient mit Absicht provoziert wird und man ihn dann einfach ohne Erklärung nach Hause gehen lässt.
So kenne ich das auch. Also einfach jemanden provozieren, ohne zu sagen, was los ist und der Klient soll sich dann bis zum nächsten Termin fragen, was das sollte, geht nicht.
Meistens sind solche Irritationen ja aber nur Missverständnisse und lassen sich klären.

Ich finde es auf der einen Seite gut, dass du großmütig mit ihr umgehen willst, auf der anderen Seite kann man ja aber auch trotz Großmütigkeit mal nachfragen, was da los war. Man muss ja kein riesen Thema draus machen. Einfach mal zu fragen, ob sie da einen schlechten Tag hatte, fände ich angemessen. Das kann man ja auch ein bisschen humorvoll rüberbringen.

"Ich habe mal einen Punkt ihrer Arbeit rein sachlich kritisiert, worauf sie sehr betroffen reagiert hat. Sie hat sich dann gefangen und meine Kritik als Ausdruck meiner Erkrankung erklärt."
Hast du das dann auch so gesehen? War das für dich nachvollziehbar, warum das Ausdruck der Krankheit sein sollte?

Liebe Grüße,
DieNeue
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