Das erste Mal beim Psychiater

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Nulllinie
Beiträge: 17
Registriert: 27. Aug 2023, 17:18

Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Nulllinie »

Hallo,

unter dem Titel "Das erste Mal beim Psychiater" starte ich mal dieses neue Thema.

Mir geht es seit ca. eineinhalb Jahren seelisch nicht wirklich gut, hatte aber bis vor kurzem (in erster Linie mir selber gegenüber) die Maske auf und mein Leben mehr oder weniger "normal" gelebt. Beim Hausarzt hatte ich mal mein Unwohlsein angesprochen und dann auch eine Überweisung zum Facharzt bekommen. Aber ich bin nicht hingegangen und konnte und wollte mir noch nicht eingestehen, dass ich Hilfe suchen und annehmen darf. Also schön brav weiter meinen Mann gestanden und immer mal wieder gemerkt, dass ich im Umgang mit anderen dünnhäutiger und reizbarer geworden bin.

Meine emotionalen Ausschläge nach oben und unten waren noch nie sehr ausgeprägt, in den letzten Monaten erlebe ich diese Ausschläge kaum noch, es gleicht einer Nulllinie. Dinge, die mir Freude bereiten sollten, nehme ich einfach so hin. Dinge, die mich traurig machen müssten, nehme ich einfach so hin. Hab das eine Zeitlang als Strategie interpretiert, mich von der allgemeinen Nachrichtenlage und den persönlichen Schicksalsschlägen nicht zu sehr runter ziehen zu lassen. Aber anderes, worauf ich eigentlich stolz sein sollte, emotionslos hin zu nehmen finge ich dann doch nicht ganz in Ordnung.

Ich weiß nicht mehr wie ich darauf gekommen bin, aber der Podcast "Raus aus der Depression" hat mir doch einige Augen geöffnet. Vieles, was Betroffene dort geschildert haben, kam mir merkwürdig bekannt vor. Vielleicht nicht immer exakt so, wie es erzählt wurde, aber im Kern doch auch auf mich passend. Da wurde mir nach und nach klar, ob ich nicht auch unter einer Depression leide? (Ähnlich erging es mir mal vor vielen Jahren, als ich im Radio einen Bericht über Depressionen gehört hatte und ich mich damals schon in vielem wiederfinden konnte.)

Der Experte Ulrich Hegerl bezeichnet in diesem Podcast meine Nulllinie als "Gefühl der Gefühllosigkeit". Langsam reifte in mir die Erkenntnis, dass ich dieses mal nicht alleine aus der "Sache" raus komme wie noch damals nach der ersten Episode (ohne zu wissen, dass es damals schon eine depressive Episode war, aber in der Rückschau spricht vieles dafür).

Am Ende einer eher unerfreulichen Arbeitswoche Ende Juni habe ich mich krank gemeldet. Ich war so leer und kraftlos, dass ich zum ersten mal nicht mal mehr die Arbeit geschafft habe. Also am kommenden Montag zum Hausarzt: zwei Minuten Gespräch, eine Woche AU, eine Überweisung zum Psychiater und ein Rezept für Mirtazapim (damit ich besser einschlafen kann). Nach dem Studium des Beipackzettels war mir klar, dass ich diese Pille nicht schlucken werde. Vor allem nicht mit der diffusen Ansage "nehmen Sie mal 'ne halbe, oder auch eine ganze Tablette". Ich hab keinerlei Erfahrung mit Antidepressiva und überlegte, ob eine halbe (15 mg) eher einen Kölsch oder einer Maß entspricht? Dann wäre eine ganze zwei Kölsch (ja, passt) oder doch eher zwei Maß (nein, zu viel für einen Abend).

Telefonisch beim Psychiater (den mir der Hausarzt genannt hatte) durchzukommen war unmöglich. Ich bin dann direkt in die Praxis gegangen und konnte Dank einer sehr verständnisvollen Mitarbeiterin einen Termin für Mitte August aus machen, das wäre schon sehr kurzfristig und ich solle Glück haben, dass ich überhaupt genommen werde.

Während der zwei Stunden Wartezeit beim Psychiater habe ich dann mitbekommen, dass andere Patienten teilweise durchs halbe Bundesland fahren, weil kein anderer Psychiater vor Ort mehr neue Patienten aufnimmt. Nächster freier Termin aber erst Ende November.

Ist das normal? Ist unsrer Gesundheitssystem so über'm Limit, dass es schier unmöglich ist, einen Ersttermin bei einem Psychiater zu bekommen? Wie soll man da den Empfehlungen nachkommen und sich professionelle Hilfe holen?

Mein Termin dauerte dann 15 Minuten und ich versuchte so gut es ging zu berichten, wie es mir geht. Daraufhin bekam ich eine weitere AU, diesmal über vier Wochen. Diagnose: leichte bis mittlere, rezidivierende Depression. Und wieder die Ansage, eine halbe Mirtazapim zum Einschlafen zu nehmen.

Ich will den Fachärzten keine Inkompetenz unterstellen, aber kann man wirklich innerhalb von 15 Minuten bei einem wildfremden, neuen Patienten eine gesicherte Diagnose dieser Art stellen?

Ich bin ja einerseits froh, dass "das Kind nun einen Namen hat", anderseits bin ich doch verwundert, wie schnell diese Diagnose ausgesprochen wurde.

Sind das die Rahmenbedingungen unseres Gesundheitssystems unter denen der Umgang mit psychischen Krankheiten stattzufinden hat?

In Sachen Antidepressiva bin ich weiterhin ziemlich hin und her gerissen, aber ich nehme jetzt mal 15 mg Mirtazapim und kann damit gefühlt etwas besser einschlafen, aber auch nicht sofort nach dem zu Bett gehen. Dafür bin ich tagsüber zu fast nichts zu gebrauchen. Nach einer Woche kann man vielleicht noch nicht viel sagen, ich mach erstmal so weiter. Mittel- und langfristig würde ich es aber gerne ohne Chemie schaffen.

Den Anteil "Psychotherapie" im Rahmen meines Weges raus aus der Depression werde ich mir privat gönnen, Vorgespräche fanden statt, Ende September kann es terminbedingt los gehen. Für die Suche und Warterei auf einen krankenkassenfinanzierten Therapeuten habe ich momentan keine Kraft.

Mich würde interessieren, ob mein Erstkontakt im Kontext einer psychischen Erkrankung mit unserem Gesundheitssystem wie ich ihn hier geschildert habe, heutzutage eher typisch ist oder wie so etwas (besser) ablaufen sollte?

Und grundsätzlich Danke für Eure Offenheit und den guten Umgang miteinander hier im Forum. Ich habe schon einiges gelesen. Ob mich eure "Geschichten" (bitte nicht falsch verstehen) und Themen selber weiter runter ziehen oder mir Kraft geben, das weiß ich gerade noch nicht. Die Nulllinie sorgt dafür, dass ich das alles im Moment ziemlich emotionslos aufnehme. Da mag meine Geschichte vielleicht wie ein Luxusproblem klingen, aber ich habe ihr selber viel zu lange nicht den notwendigen Ernst gegeben wie es angebracht wäre.

Die
Nulllinie
Sonnenschein34
Beiträge: 733
Registriert: 31. Dez 2018, 18:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Sonnenschein34 »

Hallo Nulllinie,

willkommen im Forum.

Die Erfahrung mit dem Psychiater und auch Deine Bedenken, kann ich sehr gut nachvollziehen. Bei mir war es eher andersherum. Ich habe erst eine Therapeutin gesucht/gefunden. Davor war ich auch erst beim Hausarzt, bekam Medikamente von ihm (u.a auch Mirtazapim, was ich gar nicht vertragen habe). Während der Therapie wurde dann bei dem Verlängerungsantrag vom Gutachter, ein Psychiater angeraten.

Und ja, die Suche war auch bei mir nicht einfach. Ich habe dann eine Psychiaterin gefunden, wo ich ca. 1 Stunde Anreise hatte. Mein Erstgespräch bei ihr war auch nicht besonders lang. Die Diagnosen hat sie einfach von der Therapeutin übernommen. Zu der Zeit hab ich keine Medikamente mehr genommen und wollte auch keine. Die weiteren Termine bei ihr dauerten dann nur noch ca. 5-10 Minuten. Außer einer Krankschreibung hat mir das bei nichts gebracht. Ich habe sehr viel mehr von meiner Therapie profitiert.

Da seit meiner Langzeittherapie noch keine 2 Jahre vorbei sind, ich aber derzeit wieder bei meiner Therapeutin zu einer Akuttherapie bin und sie danach wieder reguläre Therapie für mich beantragen wird, hat sie mir (wg. eines evtl. Gutachters) empfohlen, nochmal einen Psychiater aufzusuchen. Ich habe jetzt zum Glück in dieser Woche relativ spontan einen Termin erhalten können, weil ich per Mail in einer Praxis angefragt habe, die telefonisch katastrophal zu erreichen war.

Ich sehe die Notwendigkeit bei mir bzgl. Medikamente eher nicht. Auch gibt es ja Studien, die Psychotherapie die gleichen positiven Effekte hat, wenn nicht sogar noch länger andauernde (durch ggfs. Verhaltensveränderungen), als medikamentöse Behandlung (ist natürlich sehr individuell). Ich werde also die Praxis "nur" dafür aufsuchen, das ein Gutachter "den Nachweis" hat, dass ich auch psychiatrisch angeschlossen bin. Meine Therapeutin weiß, wie ich zu Medikamenten stehe und ich denke, dass sie damit auch einverstanden ist.

Es ist traurig genug, dass jemand, der einen nur vom Papier kennt, das zur Voraussetzung für die Genehmigung weiterer Behandlung macht.

Und ja, das Gesundheitssystem bedarf einer enormen Verbesserung. Auch gerade im Hinblick, auf die vielen jungen Psychotherapeuten, die mit einer Praxis starten wollen und einfach keinen Kassensitz erhalten, da es davon zu wenig gibt.

Für Deine Therapie wünsche ich Dir jetzt schon viel Erfolg! Alles Gute.

Sonnenschein
Senif
Beiträge: 1191
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Senif »

Hallo Nulllinie,

willkommen hier.

Leider ist es wirklich so, dass der Bedarf viel höher ist, als es Therapieplätze gibt. Bei Arztterminen sieht es nicht anders aus. Ich habe das Glück in einer Psychiatrischen Institutsambulanz angebunden zu sein. Wenn du die Therapie finanziell stemmen kannst, dann ist es sicherlich eine gute Idee, privat Stunden zu nehmen.

Was die Medikamente angeht: meistens sind ADs ja erstmal gut, um überhaupt therapiefähig zu werden. So war es zumindest bei mir. Psychotherapie allein macht in einer akuten depressiven schweren Episode meines Erachtens nach keinen Sinn. Die Kombination aus beidem schon.
Mirtazapin hab ich auch mal genommen, aber die Nebenwirkungen (starke Gewichtszunahme) waren mir zu schlimm, weshalb ich auf andere umgestiegen bin. Ziel ist aber, es mit weniger zu probieren, da es mir besser geht.

Das zeigt schon, es ist möglich, wieder gesund zu werden und eine Episode zu überstehen, auch wenn man einen langen Atem braucht. Ich hatte damals innere Unruhe, aber keine Gefühle mehr außer eben diese Unruhe. Dabei war ich nach außen wie versteinert. Und den Gedanken, dass mein Leben vorbei ist und ich nie wieder gesund werde. Das war ein Trugschluss, das hat mir die Depression ins Gehirn gepflanzt.

Ich wünsche Dir auch viel Erfolg. Es braucht so lange wie es eben braucht.

LG Senif
Falo85
Beiträge: 2
Registriert: 28. Aug 2023, 14:31

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Falo85 »

Hallo Nulllinie und hallo auch an alle anderen,

ich bin gerade frisch in dieses Forum gekommen um in den Austausch zu kommen. Ich habe nach dem richtigen Platz gesucht und glaube ihn hier gefunden zu haben, da ich mich mit einigem von dir, Nulllinie, identifizieren kann. Ich hoffe es ist ok, wenn ich mich hier auch breit mache :-)

Bei mir ist es ähnlich, dass ich eigentlich schon seit 2-3 Jahren merke, dass ich nicht...hmmm... ok bin, oder so :-)
Sehr stark zeigt sich das bei der Arbeit. Ich war noch nie der strebsamste, aber meine Produktivität nahm immer weiter ab. In letzter Zeit so bei geschätzt 20 %. Ich arbeite im Büro im öffentlichen Dienst (was sich für die wohl folgende Krankschreibung als vorteilhaft erweisen wird). Emails beantworten kriege ich hin, oder wenn die Abgabefrist für irgendwas direkt vor der Tür steht, schaffe ich es auch etwas zusammenzuzimmern. Aber alles was irgendwie Vorplanung braucht oder Eigenengagement: Keine Chance.
Ich fühle mich oft Niedergeschlagen und müde, dachte aber immer, dass ich halt einfach nicht glücklich bin (Gründe dafür gibt es durchaus ein paar). Aber: ich schaffe es halt auch seit Jahren nicht, irgendetwas an meiner Situation zu ändern. Schlafstörungen kommen dazu, Reizbarkeit (was mir natürlich gerade gegenüber meinen Kindern im nachhinein immer sehr leid tut). Sowie mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Ich bin für nix gut genug, kann eigentlich nix und bin sowieso voll der Looser. So mein Selbstbild :-) Mit dem Gedanken zum Psychologen zu gehen spielte ich schon häufiger, habs aber halt nie gemacht. Weil: Eigentlich bin ich halt nur faul und unfähig. Ein Freund hat letztens den Schritt gewagt und das hat den Stein des Anstoßes gegeben, mal bei der 116 117 anzurufen.
Und: gleich innerhalb einer Woche ein Termin zu kriegen.

Und hier habe ich mich in deiner Erzählung (bitte nicht falsch verstehen ;-) ) sehr gut wiederfinden können:
Eine halbe Stunde Fragen beantworten und bäm: rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode. Empfehlung auf AU bis auf weiteres und antidepressiver Medikation. Krass. So schnell habe ich noch nie überhaupt irgendeine Diagnose bekommen (naja bis auf ne Erkältung oder so vielleicht).

Aber ich werde mich dann nächste Woche wohl tatsächlich vom Hausarzt "bis auf weiteres" krankschreiben lassen und mir eine/n PsychotherapeutIn suchen. Werde aber wohl, so die Psychologen von der Anamnese, frühestens zum Januar 2024 was bekommen. Aber Sie hat mir auch die Nummer von einer Beratungsstelle hier vor Ort gegeben, wo man auch kurzfristig schon mal umsonst zu Gesprächen gehen kann. Das fand ich ganz gut.
Aber ja, auch bei dem Antidepressivum bin ich skeptisch. Ich werde es wohl versuchen aber mich selbst da gut unter Beobachtung halten ;-)

Dir Nulllinie alles Gute für deine Therapie und den weiteren Weg!

Ich bin sehr gespannt, was die nächsten Wochen so mit sich bringen und wann ich einen Termin bekomme. Ach ja, ne Reha-Maßnahme soll ich auch noch machen.
Milchkaffee
Beiträge: 4
Registriert: 28. Aug 2023, 08:08

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Milchkaffee »

Das kommt mir auch bekannt vor. Ich war immer mal wieder aufgrund von psychischer Erschöpfung kurzzeitig krankgeschrieben und mir wurden ständig Antidepressiva aufgeschwatzt, ohne Diagnose. Ich habe sie auch nicht genommen.

Ich war jetzt bei einer Psychotherapeutin und es wurde innerhalb von drei Sitzungen eine Diagnostik erstellt: mittelgradige rezividierende Depression mit starken somatischen Symptomen. Ich fühle mich immer noch fehl am Platz. Ich funktioniere noch, mein Umfeld hat kaum was bemerkt. Meine Schwester hat die für mich erschreckende Diagnose mit einem „ah, ok.“ und Themenwechsel abgetan. Ich kann zum Glück direkt mit Therapie starten, aber wohl auch nur, weil sie Mitleid mit mir hat und meinen Kollaps verhindern will.
Winterkind04
Beiträge: 359
Registriert: 27. Sep 2020, 06:52

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Winterkind04 »

Hallo zusammen,

also bei anderen Fachärzten ist es auch so. Sehr wenig Zeit. Ich habe inzwischen immer ein Zettel dabei mit allen meinen Fragen und Medikamente die ich nehme.

@ Milchkaffee - deine Diagnose habe ich auch. Außer die körperlichen Symptome die sind eher wiederkehrend. Obwohl man da nie bei mir eindeutig sagen kann. Kommt es von der Depression, den Medikamenten die ich nehmen muss ( keine Antidepressiva) oder meiner körperlichen chronischen Erkrankung. Ich arbeite mit der Diagnose seit 2012 und mein Umfeld merkt auch nicht unbedingt was….
Es gibt auch so genannte hochfunktionale Depressionen. Mit mittelgradigen Depressionen können viel noch irgendwie den Alltag schaffen. Die Betonung liegt auf irgendwie. Weil vieles dann im privaten, Haushalt ect. Nicht so rund läuft.

Zur Abgrenzung mit schweren Depressionen ist oft nicht möglich zu arbeiten- aber hier gibt es auch Ausnahmen. So hat das mir auch mal meine Therapeutin erklärt.
Falo85
Beiträge: 2
Registriert: 28. Aug 2023, 14:31

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Falo85 »

Hallo nochmal,

ich habe tatsächlich, trotz diagnostizierter (oder ist es nach dem erstgespräch nur eine vermutete?) Depression eine hohe Funktionalität. Der Alltag funktioniert eigentlich ganz gut. Auch mein Umfeld (inklusive meiner Frau) war sehr überrascht von der Diagnose
Sonnenschein34
Beiträge: 733
Registriert: 31. Dez 2018, 18:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Sonnenschein34 »

Hallo Falco,

das kenne ich auch nur zu gut.

Es ist wie eine Maske aufhaben oder eine Rolle spielen. Das hab ich wohl perfektioniert in über 20 Jahren. Der Alltag funktioniert halt soweit. Aber es ist kein "richtiges" Leben.

Kollegen würden sich wohl wundern, wenn sie die Diagnosen kennen würden. Auf der Arbeiit erscheine ich vermutlich einfach nur ruhig, vielleicht sonderbar. Aber es klappt, auch wenn es sehr anstrengend ist.

Sonnenschein
Nulllinie
Beiträge: 17
Registriert: 27. Aug 2023, 17:18

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Nulllinie »

Hallo,

vielen Dank für Eure Meinungen und Erfahrungen. Winterkind04, die Idee mit dem Spickzettel mit Fragen an den Arzt und Details zur Medikation werde ich mir mal abgucken.

Mir geht es ähnlich wie Milchkaffee, es ist gar nicht so einfach, sein eigenes Empfinden mit der fachärztlichen Diagnose überein zu bringen. Man selber fühlt sich gar nicht so "krank" wie es einem eine "rezidivierende mittlere Depression" sagen will. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, was man für ein Bild man von "Depressionen" hat. Bei mir geprägt von einer Oma, die oft antriebslos im Bett lag und nur vor sich hin rauchte. Aber ich "funktioniere" ja, ich gehe arbeiten, treibe Sport, nehme am sozialen Leben teil. Gleichzeitg stimmt mit mir was nicht, ich kann es lange nicht einordnen. Der Antrieb geht mehr und mehr flöten, das schlechte Wetter muss immer öfter als Entschuldigung herhalten, um keinen Sport zu machen und die sozial gestaltete Freizeit wird nicht mehr als sinn-voll wahrgenommen. Nur der Beruf bleibt, da muss ich ja weiter funktionieren, schließlich wollen die monatlichen Verpflichtungen ja bedient werden und im Kern macht mir mein Beruf ja auch noch nach vielen Jahren der Ausübung Spaß.

Über den schon angesprochenen Podcast "Raus aus der Depression" oder auch folgende Seite https://www.die-inkognito-philosophin.d ... depression lerne ich, dass Depressionen ganz viele Facetten haben. Da reift langsam in mir der Mut, mich doch mal in ärztliche Behandlung zu begeben. Wie ein Roboter nach außen hin zu funktionieren, mag zwar für die Umwelt ganz gut sein, aber innerlich frisst sich die Depression doch immer weiter voran, bei mir eben gut an der emotionalen Nulllinie zu erkennen.

Gerne würde ich Themen wie "funktionale Depression" oder "Dysthymie" bezogen auf mich mit dem Facharzt besprechen, ich fürchte nur, die enge Taktung der 15-Minuten-Termine erlaubt solch einen Tiefgang gar nicht.

Aber vielleicht können wir uns ja hier im Forum dazu austauschen, wie das so ist, ständig mit einer funktionierenden Maske durch die Welt zu laufen und sich innerlich so leer zu fühlen ...

Die
Nulllinie
Sonnenschein34
Beiträge: 733
Registriert: 31. Dez 2018, 18:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Sonnenschein34 »

Hallo zusammen,

ich möchte gerade nochmal einen aktuellen Nachtrag liefern:

Hatte heute kurzfristig einen Termin bei einer neuen Psychiaterin (für die evtl Nachfragen durch einen Gutachter bei Beantragung einer weiteren Therapie). Angeregt durch meine Thera...

Was soll ich sagen? 1 Stunde Wartezimmer, trotz Termin und dann innerhalb 5 Minuten raus. Was ich hätte, was ich bräuchte (welches Medi). Hab gesagt, dass ich eigentlich nicht so für Tabletten bin, gerade aber was wg. meiner Anspannung/Ängste nehme (vom Hausarzt verschrieben).

Aussage von ihr: Dann kann sie nichts für mich tun, wenn ich keine Medis möchte.

Also sorry, gefühlt hat das was von Wunschkonzert (welche Tablette hätten sie denn gerne...)

Hab ihr dann erklärt, dass es damals wg. Therapiebeantragung durch den Gutachter Schwierigkeiten gab (weil Medis über Hausarzt verschrieben wurden und kein Psychiater eingebunden war). Daraufhin meinte sie dann, ich könnte dann regelmäßig zwecks Rücksprache zu ihr kommen, also quartalsweise...

Manchmal frag ich mich echt, ob ich im falschen Film bin...

Na ja, Pflicht erfüllt, jetzt kann ich mich dann hoffentlich auf meine Verhaltenstherapie konzentrieren...

LG
Sonnenschein

PS: Sorry, das musste gerade einfach mal raus. :oops:
DieNeue
Beiträge: 5350
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sonnenschein,

was soll die Psychiaterin denn auch machen, wenn du sowieso keine Medikamente nehmen willst? Es ist ihr Job, Medikamente zu verschreiben. Wer keine nimmt, kann noch eine Psychotherapie machen, was aber nicht ihr Job ist. Dass du eine psychiatrische Anbindung zwecks eines Gutachtens brauchst, kann sie nicht wissen. Sowas muss man selber ansprechen.
Von daher hast du doch erreicht, was du wolltest. Das ist doch eigentlich gut.

Liebe Grüße,
DieNeue
Sonnenschein34
Beiträge: 733
Registriert: 31. Dez 2018, 18:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Sonnenschein34 »

Hallo die Neue,

ich finde es einfach generell problematisch, dass ich allein schon aufgrund des Gutachters in die Ecke "soll/muss Medikamente nehmen" gesteckt werde, sonst gibt es keine Therapie...

Psychotherapie ist zumindest bei leichten/mittleren Depressionen genauso wirksam wie Medikamente (nur das die Medis ja nichts an der Situation ändern, das muss man schon selber hinbekommen).

Und das die erste Frage im Gespräch war: Sie haben Depressionen, welche Medikamente soll ich ihnen aufschreiben. Ich bin ja noch nicht mal dazu gekommen, die weiteren Probleme anzusprechen, ganz zu schweigen davon, dass sie nicht gefragt hat, ob es irgendwelche weiteren gesundheitlichen Probleme gibt, wo ggfs aufgepasst werden müsste (Wechselwirkungen).

Das ist etwas, was mir nicht gefällt. Ich erwarte von einer Psychiatern, die auch Psychotherapie anbietet, das man dem Patienten erstmal zu gehört...

Aber Du hast natürlich Recht, ich hab jetzt wieder eine Anbindung. Und das sollte dann hoffentlich reichen.

LG
Sonnenschein
DieNeue
Beiträge: 5350
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Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sonnenschein,

hat die Therapeutin denn gesagt, du sollst Medikamente nehmen, sonst macht sie keine Therapie mit dir?
Ich habe das jetzt so verstanden, dass du zum Psychiater sollst, damit du einfach nochmal eine Fachperson hast, die dir bestätigt, dass du weiterhin Therapie brauchst und du dadurch beim Gutachten bessere Chance auf eine Fortsetzung der Therapie hast.

Dass Psychiater gar nicht sagen, dass man auch eine Therapie machen soll, hatte ich bei meiner ersten Psychiaterin auch. Da hätte ich mir auch gewünscht, sie hätte das angesprochen. So musste ich das alles selber anleiern. Grad, wenn man noch nie Depressionen hatte, wäre es schon sinnvoll zu sagen, was es auch sonst noch an Möglichkeiten gibt und was geeignet und angemessen ist. Aber irgendwie ist es bei fast allen Ärzten so. Man kriegt ne Diagnose, ne Handvoll Infos und den Rest muss man sich dann selber aus Büchern oder dem Internet anlesen.
Das mit den Wechselwirkungen finde ich auch bedenklich. Bei den meisten Ärzten musste ich vor dem ersten Termin einen Fragebogen ausfüllen, da wurde u.a. auch abgefragt, was ich für Medikamente habe. Bei meiner Hautärztin musste ich das allerdings nicht, fand ich auch bisschen komisch. Die verschreibt auch einfach Medis im 2Minuten-Takt, das finde ich auch krass.

Ich glaube, bei Ärzten muss man klar sagen, was man will. Ich nehme mir auch immer einen Zettel mit Fragen und Sachen, die ich ansprechen will, mit. Manchmal muss man auch etwas penetrant nachfragen oder einfach nicht aus dem Zimmer gehen, bis man alles gefragt hat^^ Oder auch nachfragen, wenn man irgendwelche Fachbegriffe nicht versteht.
Aber das ist halt alles schwierig, wenn es einem schlecht geht.

Schon komisch, dass sie nicht wirklich zuhört, wenn sie schon Psychotherapie auch macht. :? Aber die werden auch kaum Zeit haben und vielleicht trennt sie solche Sitzungen dann auch. Ich finde es auch schlimm, dass oft gar nicht erst abgeklärt wird, ob vielleicht was körperliches dahintersteckt. Das musste ich auch alles selber anleiern.

Ich war manchmal auch enttäuscht oder geknickt, wenn ich vom Psychiater rauskam. Wir haben uns manchmal missverstanden und er haut dann manchmal Sätze raus, die ich wieder persönlich genommen habe... Meine Betreuerin hat mal gemeint, dass man mit dem Psychiater nicht beste Freunde werden muss, sondern sich überlegen sollte, was man von ihm will und wenn man das bekommt (z.B. Gutachtenbriefe, Medikamente, AUs usw.), dann passt das auch.

Liebe Grüße,
DieNeue
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Meridian »

Eine Psychiaterin kann sehr wohl eine Psychotherapie statt Medikamente empfehlen und für sinnvoll halten.
Ich habe jedenfalls schon zwei kennengelernt, die das so gemacht haben und ganz ehrlich, wäre ich langfristig wohl auch nicht dort geblieben, wenn es anders gewesen wäre.
Ich gehe davon aus, dass sie als Fachärztin versucht, die bestmögliche Therapie für mich zu finden und mich zu beraten, nicht aber, von vornerein
eine Therapieform auszuschließen bzw. gar nicht zu erwähnen.
@Sonnenschein34
Wenn du erst mal das erreicht hast, was du in Bezug auf die Therapie wolltest, ist es gut, aber wahrscheinlich trotzdem ernüchternd,.
Hat sie dir denn jetzt Medikamente verschrieben?

LG, Meridian
Sonnenschein34
Beiträge: 733
Registriert: 31. Dez 2018, 18:42

Re: Das erste Mal beim Psychiater

Beitrag von Sonnenschein34 »

Hallo @Die Neue,

nein, meine Therapeutin meinte wg. des Gutachters sollte ich nochmal schauen, ob ich eine Psychiaterin finde. Sie weiß, dass ich keine Tabletten nehmen möchte bzw. nehme ich ja aktuell was für abends, aber das ist eben eher für Anspannungszustände und Ängste, um in den Schlaf zu kommen und nur ganz wenig antidepressiv wirksam.

Das habe ich damals schon mal genommen und komme damit auch ganz gut klar, weil es eben keine Nebenwirkungen bei mir hatte. Das nehme ich aber auch nur begrenzt sprich jetzt mal für die nächsten 1-2 Monate.

Eine Fragebogen/Anamnese musste ich auch nicht bei der Psychiaterin ausfüllen. Zuletzt hab ich das bei meiner neuen Zahnärztin und auch beim Orthopäden gemacht. Von daher verwunderlich, dass es bei einer Psychiaterin nicht gemacht wird.

Hallo @Meridian,
ja, das kommt dann wahrscheinlich sehr auf die Person an. Ich habe jetzt mit 2 Psychiatern Erfahrung gemacht. Beide waren sehr darauf bedacht, mir was aufzuschreiben. Die erste hat aber trotzdem Ankertermine für mich für sinnvoll gehalten, wenn mal was ist (und ich so noch eine Anlaufstelle habe), das war während der therapiefreien Zeit (auch wenn es im Endeffekt nichts gebracht hat und allein schon die FRage nach einer Krankschreibung ein kleiner Kampf war). Jetzt bei der neuen hab ich das ja wirklich nur auf erneutes Nachfragen mit den "regelmäßigen" Terminen erreichen können. Ob sie mir ggfs auch mal eine Krankschreibung ausschreibt werde ich dann sehen. Bisher hat der Hausarzt mich "rausgezogen" wenn es mal gar nicht ging.

Nein, das Medi was ich aktuell nehme, hab ich ja noch vom Hausarzt verschrieben bekommen, werde dass, falls ich es doch länger einnehmen sollte oder auch pro Forma dann bei ihr künftig aufschreiben lassen.

LG
Sonnenschein
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