Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

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Lyo
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Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Lyo »

Hallo, ich bin neu hier. Ich hoffe, ich bin hier im richtigen Unterforum.

Mein Name ist Patrick, ich bin 40 Jahre und lebe in Stuttgart. Ich bin gerade an einem absoluten Tiefpunkt, aus dem ich keinen Ausweg sehe. Ich versuch mich gerade von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde durchzuhangeln.

Wenn ich ehrlich bin, läuft mein Leben seit 15, 20 Jahren nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich bin alleine und habe keine eigene Familie und keine Partnerin, was mich lange belastet hat, was ich aber irgendwie immer runterschlucken und ignorieren konnte. Ich hatte mir irgendwie einen Schutz aus Gleichgültigkeit aufgebaut. Auch Hautkrebs 2008 und ein Schlaganfall 2020 haben mich nicht umgeworfen. Meine Eltern waren immer für mich da, zum Teil überfürsorglich, wovon ich manchmal mehr genervt als dankbar war. Bis 2021 haben wir gemeinsam in einem Reihenhaus gewohnt, mein Bruder war einige Jahre zuvor schon ausgezogen, hat geheiratet, Kinder bekommen und ist nach Freiburg gezogen.

Im Januar 2022 sind wir in zwei Wohnungen in einem Neubau umgezogen. In der Nacht vor unserem Umzug ist meine Mutter auf der Toilette zusammengebrochen. Bei ihr wurde ein Gehirntumor festgestellt, bösartig und nicht behandelbar. Irgendwie habe ich es darüber hinweg geschafft. Auf der Arbeit war ich kurz vor dem Wechsel in eine neue Abteilung, bin aber mit allem klargekommen. Der Tumor lag vorne im Kopf und konnte zunächst abgesaugt werden. Meiner Mutter ging es wieder gut und das Jahr lief verhältnismäßig gut. Bei der Einrichtung meiner Wohnung bin ich beim Nötigsten geblieben. Ich hatte nie alleine ohne Partnerin Tür an Tür mit meinen Eltern leben wollen, vielleicht war das der Grund für meine Antriebslosigkeit.

Im Herbst ist der Krebs zurückgekommen, diesmal an einer Stelle, an der nicht mehr operiert werden konnte. Chemo und Strahlentherapie liefen bis Anfang 2023 ohne größere Komplikationen. Ende April hatte mein Vater einen geplanten Krankenaufenthalt wegen einem Bypass im Bein. Ich habe erst am Freitag nach meiner Mutter gesehen. Sie saß morgens im Bademantel am Wohnzimmertisch, auch mittags und abends. Ich war dazwischen unterwegs und habe erst abends nach ihr gesehen. Sie konnte nur schwer laufen und reden. Ich weiß noch, wie ich auf der Couch neben ihr saß und in Tränen ausgebrochen bin. Sie meinte nur "Wieso weinst du denn jetzt? Es gibt doch keinen Grund zu weinen."

Um es kurz zu machen: Mein Hausarzt hat mich am 2. Mai für den Rest der Woche mit einer leichten depressiven Episode krankgeschrieben und ich war jeden Tag im Krankehaus bei meiner Mutter, anschließend bei meinem Vater. Meine Mutter hat sich wieder erholt. Im Mai hatte meine Großmutter (mütterlicherseits) einen Schlaganfall, kam ins Krankenhaus und anschließend ins Pflegeheim. Meine Mutter war noch oft bei ihr und hat ihr zu essen gegeben.

Bis sie am 15. Juni im Flur zusammengebrochen ist. Auch diesmal wieder Notaufnahme für sie, Krankschreibung für mich, diesmal wegen einer mittelschweren depressiven Episode und Anpassungsstörungen. Sie konnte noch laufen, essen und sich anziehen, hat im Krankenhaus aber nur einmal einen ganzen Satz gesagt. Als mein Vater und ich sie besucht haben, war das letzte Mal, dass ich sie lächeln gesehen habe. Nach einer Woche kam sie nach Hause, heute vor etwa 8 Wochen. Die Ärztin erklärte uns, dass sie ab jetzt Cortison gegen die Schwellung im Kopf nehmen müsste und wir bei Zwischenfällen die Dosis erhöhen sollen. Damit verbunden waren 3x täglich Blutzuckermessungen und Insulinspritzen, für die ein Sozialdienst beauftragt wurde. Ab da wurde es Woche für Woche schlechter. Anfangs konnte sie noch laufen, sich umziehen und hat auf ihre Körperhygiene geachtet. Sie hat seltsame Dinge getan, wie eine halbe aufgeschnittene Wassermelone mit den Händen zu essen. Dann vergaß sie Wörter, konnte nicht mehr von Bett oder Klo aufstehen und hat meinen Vater wegen belanglosen Dingen angeschrieen. Irgendwann hat sie nur noch wütend seinen Namen gerufen, wenn er nur in der Nähe war. Die meiste Zeit lag sie im Bett und hat aufgehört, sich zu duschen oder umzuziehen. Mit viel Widerstand haben wir sie 1x in der Woche zum Duschen gebracht. Nach draußen auf die Bank vor dem Haus haben wir es gar nicht mehr geschafft. Während der ganzen Zeit waren nur die Sozialarbeiter zur Blutzuckermessung bei uns. Zur beantragten Pflegestufe haben wir erst nach 6 Wochen etwas zum Ausfüllen bekommen. Eine Begleiterin für todkranke Menschen, der unser Hausarzt unsere Kontaktdatem weitergegeben hatte, hat sich nie bei uns gemeldet.

Mein Hausarzt hatte mich an eine Psychotherapeutin überwiesen, inzwischen hatte ich drei Kennenlerntermine. Ihrem Rat nach habe ich anfangs versucht, mir auch Zeit für mich zu nehmen. Zweimal war ich am Wochenende wandern, wenn auch nicht so weit wie früher. Manchmal ging es mir sogar gut - oder jedenfalls nich mehr ganz so schlecht. Mein letzter Termin war am 7. August, eine Therapie ab 4. September muss mein Hausarzt noch genehmigen.

Vor 9 Tagen, am Donnerstag, ist meine Großmutter im Pflegeheim gestorben. Den Freitag darauf hatte ich Urlaub genommen, eigentlich wollte ich wandern gehen. Ich bin das ganze Wochenende bei meinen Eltern geblieben. Am letzten Montag hat sich meine Mutter wieder geweigert, ihre Medikamente zu nehmen. Auf dem Heimweg habe ich einen Anruf von meinem Vater bekommen, dass ich direkt nach Hause kommen soll. Sie konnte sich beim Aufstehen von der Toilette nicht mehr auf den Beinen halten und lag auf dem Boden. Die Vertretung meines Hausarztes hat mich für den Rest der Woche krankgeschrieben.

Seit Montag breche ich jeden Tag mehrmals in Tränen aus. Mein Bettzeug habe ich am Montagabend auf die Couch meiner Eltern gebracht, konnte bis halb 3 nicht einschlafen und saß bis halb 4 draußen auf dem Balkon. Nachts liege ich immer lange wach und gehe dann ins Schlafzimmer, wenn meine Mutter anfängt zu schreien. Ich bin am Ende und weiß nicht, wie es weiter geht. Ich freue mich auf nichts mehr und habe zu nichts mehr Lust. Ich habe keinen Antrieb mehr. Ich kann nicht mehr daran denken, wie meine Mutter früher war, sonst fange ich an zu heulen. Manchmal kann ich das nicht verhindern. Sie hat das alles nicht verdient! Ich würde sie so gerne glücklich sehen oder lächeln. Ich versuche sie an schöne Dinge zu erinnern, umarme sie oft und sage ihr, dass ich sie liebe und dass ich immer für sie da bin. Aber ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch da ist. Ich bin so hilflos, es tut so weh, sie so zu sehen. Ich habe nichts, was mir irgendwie Halt gibt. Ich schreibe bei Whatsapp oft zwei guten Freundinnen, die ein ähnliches Problem mit ihrer Mutter oder selbst Depressionen hatten. Telefonieren möchte ich mit keiner von beiden, beide sind verheiratet. Ich hätte gerne jemanden, dem ich wichtig bin und mit dem ich immer sprechen kann. Aber auf mich hat sich schon sehr lange niemand mehr einlassen wollen... Ich weiß nicht, wie ich weiter komme und wie ich überhaupt die nächste Zeit überstehen soll...
Lyo
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Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Lyo »

Ich habe heute versucht, wieder normal zu essen. Morgens eine Schüssel Müsli, vormittags ein halbes Tafelbrötchen. Nicht das gesündeste, aber ich habe beim Bäcker einfach Sachen gekauft, die ich einfach runter bekomme. Immerhin habe ich wohl 5 kg abgenommen. Das letzte Mal, dass ich auf einer Waage stand, war in der Reha nach meinem Schlaganfall. 69, 70 kg hatte ich da. Normalgewicht bei 1,74m. Vorhin hat die Waage 64 angezeigt, knapp über Untergewicht.
Am Vormittag haben wir es mit viel Mühe geschafft, meine Mutter zu duschen. Sie ist inzwischen völlig apathisch, antwortet nicht mehr darauf, wenn man sie fragt, ob sie essen, trinken oder auf die Toilette möchte. Ich habe vor ein, zwei Tagen schon angefangen, sie zu füttern. Heute habe ich ihr nur ein paar Karotten zwischen die Zähne schieben können. Mein Vater ist der Meinung, dass sie sich entschieden hat, nicht mehr zu essen und zu trinken. Ich habe das Gefühl, dass er sie nicht füttern würde, wenn ich nicht da bin. Er wird sie auch nicht nach dem Toilettengang putzen, da bin ich mir sicher. Bis vor ein paar Tagen haben wir es noch mit viel Theater geschafft, dass sie sich selbst putzt. Als es irgendwann nicht mehr weiterging, meinte mein Vater, sie könne es ihm und mir nicht zumuten, dass wir sie abputzen. Ich habe dann einfach einen Einmalhandschuh genommen und sie abgeputzt, anschließend bin ich in Tränen ausgebrochen. Nicht, weil ich sie abputzen musste. Weil sie mir Leid getan hat, dass das überhaupt jemand machen muss. Sie war immer so sauber und ordentlich.
Am Mittag hat sich die Sozialarbeiterin ein paar Minuten für uns Zeit genommen. Sie hat uns erklärt, was man wegen Diabetes essen und worauf man verzichten sollte. Dann würde meine Mutter auch wieder mehr Kraft haben, meinte sie. Ich habe mir alles aufgeschrieben. Meine Kochkünste beschränken sich aber auf vier Gerichte, die ich in den letzten zwei Monaten gelernt habe, ich habe für mich alleine nie oft gekocht. Für heute Abend hatte ich eine Reispfanne mit Huhn geplant. Kartoffeln wären wohl besser als Reis. Ich weiß nicht, ob das alles überhaupt einen Unterschied macht, wenn meine Mutter das Essen komplett verweigert. Ich breche jedes Mal zusammen, wenn ich mir Arbeit mache, ein bisschen stolz auf mich bin, und meine Mutter dann beim Essen meinen Vater anschreit, wie früher, oder gar nichts mehr isst. Ich habe das Gefühl, dass alles, was ich tue, rein gar nichts an der Situation ändert, nichts besser macht und nicht einmal verhindert, dass es mit allem immer weiter bergab geht.
Ich habe mit meinem Vater gesprochen, ob wir uns überlegen sollten, als Unterstützungsleistung eine Haushaltshilfe zu beantragen, die mehr Erfahrung mit Kochen hat als ich. Das möchte er nicht. Er möchte nicht, dass fremde Personen hier in der Küche stehen. Das hätte auch meine Mutter nicht gewollt, meint er. Meinen Vorschlag, sich nach einer Pflegekraft zu erkundigen, die ganztägig hier ist und im Haushalt wohnt, hat er sowieso abgelehnt. Ich kann nichts tun. Immerhin wohnt auch er hier. Ich habe das Gefühl, dass er sich generell gegen jede Form der Unterstützung stellt. Auch die Zusatzleistung zur Körperhygiene hat er lange abgelehnt. Der Sozialdienst würde dann nur sagen, dass der Hausarzt das beantragen muss. Auf mein "dann geh ich eben zum Hausarzt und rede mit ihm" kam nichts mehr. Vielleicht klappt wenigstens das ab nächstem Dienstag. Dass ich meine Arbeitszeit reduziere, kam von Anfang an nicht in Frage. Mein Job wäre ja wichtig für mich. Ich müsse ja die Wohnung abbezahlen. Die ich im Grunde nie wollte, und in der ich in der letzten Woche in Summe vielleicht eine Stunde lang war. Wir müssen meine Mutter oft zu zweit aus dem Rollstuhl heben oder sie dazu bringen, nach der Toilette zwei Schritte zum Waschbecken zu gehen. Sie bewegt ihre Beine von sich aus kaum noch. Ich weiß nicht, wie mein Vater das ab Dienstag, wenn ich wieder arbeiten muss, alleine hinbekommen will. Aber "das geht schon irgendwie".
Aber hinter alledem steckt auch ein bisschen Hoffnung! Ich bin sicher, dass er mehr Unterstützung annehmen wird, sobald ich zusammenbreche, aus körperlichen und/oder mentalen Gründen. Wenn er vor mir zusammenbricht, geht das bei mir dann sicher ganz von alleine.
Ich habe heute Mittag noch nichts gegessen. Appetit habe ich keinen. Ein bisschen Hunger schon. Jedenfalls glaube ich das. Aber es tut schon lange nicht mehr weh. Ich werde das Abendessen vorbereiten. Es gibt Reispfanne. Ich bin nicht sicher, ob irgendjemand davon essen wird.
Queen in the North
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Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Patrick,

ich hoffe, das kommt jetzt nicht als komplettes Klischee rüber, wenn ich sage, dass du gerade eine unfassbare Zeit durchmachst und mir die Situation für deine Familie sehr leid tut. Ich kann es gut verstehen, dass du am Ende deiner Kräfte bist. Meine Mutter ist vor über 18 Jahren an Krebs mit Hirmmetastasen versorben, und obwohl mich mein Vater damals sehr abgeschirmt hat, habe ich es als sehr belastend und verstörend in Erinnerung.

Ich glaube, das Wichtigste ist es jetzt, dass du irgendwie Unterstützung für die nächste Zeit bekommst. Ganz egal, was dein Vater sagt, ihr könnt das alleine unmöglich stemmen. Ich als Außenstehende sehe ja ein, dass es echt unangenehm ist, fremde Leute in der Wohnung zu haben, gerade für ältere Leute, und dein Vater kann sich mit seinem Alter und seinem Gesundheitszustand auch nicht wirklich der Pflege deiner Mutter widmen. Aber, ganz direkt und etwas taktlos gesagt, wie stellt er sich denn das vor? Soll sie in ihrem eigenen Kot liegend verhungern?

Deinem Post entnehme ich, dass du nächste Woche einen Termin hast, um Hilfe bei der Körperhygiene zu beantragen? Das scheint mir auf jeden Fall ein wichtiger Schritt zu sein. Und bitte ziehe zumindest in Betracht, deinem Vater gegenüber die Haushaltshilfe durchzusetzen. Die praktische Unterstützung ist jetzt so viel wichtiger als das "Peinlichkeitsgefühl". Wenn jemand tagsüber vorbeikommt, um sauber zu machen und etwas zu kochen, dann wäre schon sehr viel gewonnen. Du kannst nicht auf der Couch campieren, 40 Stunden arbeiten, Reispfanne kochen und dich um die Körperhygiene deiner Mutter kümmern.

Auch über eine Reduzierung deiner Arbeitszeiten solltest du nochmals nachdenken. Wenn du (in einem fiktiven Worst-Case-Szenario) jetzt die Zähne zusammenbeißt und dann in 12 Monaten einen so schlimmen Burnout bekommst, dass du deinen Job verlierst, wird die Wohnung ja auch nicht abbezahlt. Hätte dein Arbeitgeber aufgrund deiner persönlichen Situation denn Verständnis für diesen Schritt? Eine Unterstützung von seiten der Firma in dieser Hinsicht ist schon einiges wert. Meine Schwägerin hat ihre Stunden mal ein paar Jahre auf Minijobbasis reduziert, um ihre über 90-jährige Mutter zu pflegen. Finanziell ging das zwar nur, weil sie Besitzerin eines abbezahlten Hauses ist und mein Bruder genug verdient hat, um die laufenden Kosten zu decken, aber ihr Arbeitgeber war damals wirklich sehr verständnisvoll und entgegenkommend.

Und was ist eigentlich mit deinem Bruder? Da er in Freiburg wohnt und Familie hat, kann er sich ja nicht um Hilfe im Alltag kümmern. Aber könnte er zumindest mal mit deinem Vater reden, wegen der Haushaltshilfe und dir ein bisschen Rückendeckung geben. Oder mal ein Wochenende vorbeikommen, damit du ein oder zwei freie Tage und ein bisschen Abstand bekommst?

Ich hoffe, das kommt jetzt alles nicht furchtbar belehrend rüber. Aber bei dir ist deine psychische Krise so eindeutig und vollkommen verständlicherweise den äußeren Umständen geschuldet, und manchmal kann man sich nicht einfach selbst am Schopf auf dem Sumpf ziehen. Du brauchst Leute, dir die unter die Arme greifen. Pflege einer so schwer erkrankten Person ist eigentlich ein Vollzeitjob, und du bist durch die Hilflosigkeit und Wesensveränderung deiner Mutter ohnehin belastet genug. Ich wünsche dir, dass du diese Unterstützung finden kannst.

Ganz liebe Grüße,
QitN
Lyo
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Registriert: 19. Aug 2023, 12:00

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Lyo »

Guten Morgen,

erst einmal vielen Dank für eure Antworten. Es tut gut, von überhaupt jemandem etwas zu hören.

Es ist 5 Uhr, ich bin gerade aufgewacht, weil ich die Schreie meiner Mutter im Ohr hatte - dabei hatte sie gerade nicht geschrieen. Ich fühle mich gerade nicht gut, im Magen, mir ist übel. Heute Vormittag ist MRT, für heute Nachmittag muss ich einen Termin beim Hausarzt machen. Dafür hatte ich mir schon länger einen Tag "Urlaub" genommen. Ich versuche das Wichtigste zu beantworten:

Von meinem Schlaganfall weiß niemand, wodurch er ausgelöst wurde. Ich ernähre mich gesund, rauche nicht, kein Alkohol. Einer der Ärzte hat mir die Frage gestellt, ob ein Chiropraktiker versucht hat, meinen Rücken falsch einzurenken. Eine der Adern, die durch die Halswirbelbögen laufen, war wohl eingerissen, dadurch kam kurzzeitig zu wenig Blut ins Kleinhirn. Ich bilde mir manchmal ein, dass ich das selber verursacht habe, indem ich meinen Kopf ungünstig mit den Händen gedreht habe, um eine Verspannung im Rücken zu lösen. Wie dem auch sei, ich habe keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Am Ende sehe ich das nur als irgendeinen weiteren Tritt in den Magen, den das Leben mir verpassen wollte.

Mein Vater hat am letzten Donnerstag mit dem Chef vom Sozialdienst gesprochen und sich nach Leistungserweiterungen erkundigt. Er hat eine Liste bekommen, anscheinend ein Standardbogen, in dem die Leistungen angekreuzt werden und wie oft am Tag / pro Woche das passieren soll. Da das vom Hausarzt kommen muss, nehme ich die Liste heute mit zu ihm. Als neue Leistungen sind jetzt Hilfe bei der Körperhygiene und Medikamentengabe antekreuzt. Zusätzluch zur Blutzucketmessung und zum Insulin-spritzen, was bisher das einzige ist.

Mein Bruder war in den letzten Wochen dreimal bei uns. Am Sonntag nach der Entlassung meiner Mutter, alleine, er hat mir eins meiner vier Rezepte beigebracht. Zwei Wochen später mit seiner Familie. Eigentlich wollten sie über das Wochenende bleiben, aber seiner Frau ging es nicht gut. Auch da hat er mir ein Rezept beigebracht. Das dritte Mal alleine am letzten Mittwoch zur Beerdigung meiner Großmutter. Er hat zwei kleine Kinder und hat gerade ein Haus gebaut. Ich bin etwas sauer auf ihn, auch wenn ich das nicht zeige oder sage. Er meint zwar, wir sollen ihm sagen, wenn wir Hilfe brauchen, ich weiß aber nicht einmal, ob er ab und zu meinen Vater anruft. Da ich jetzt die ganze Zeit hier bin, hätte ich das mitbekommen müssen. Mein Vater und ein Freund von mir haben Verständnis für ihn.

Ich habe meinem Bruder gestern Abend geschrieben. Eine der Pflegerinnen hat sich ein paar Minuten Zeit für uns genommen. Sie wusste ja nichts vom Hirntumor und hat nur gesehen, dass meine Mutter unglaublich abbaut und ihre Blutwerte verrückt spielen. Sie hat uns ein paar Lebensmittel genannt, die man bei Diabetes nehmen oder vermeiden sollte. Ich habe mir alles aufgeschrieben, aber nicht viel Erfahrung beim Kochen. Ich denke in letzter Zeit oft daran, dass ich mir viel viel mehr von meiner Mutter hätte beibringen lassen müssen. Jetzt ist es zu spät. Ich war oft abweisend zu ihr. Ich habe mich schon dafür entschuldigt, auch als sie noch klarer war, sie hat es noch verstanden. Jetzt tut es mir so unglaublich Leid. Ich weiß nicht einmal, wie ich ihr irgendetwas Einfaches mit den Dingen auf der Liste kochen kann. Es kostet mich gerade wahnsinnig viel psychische Kraft, überhaupt irgendetwas zu kochen. Wenn ich die Schubladen in der Küche öffne und sehe, was sie alles für Vorräte hatte, und ich daran denke, dass sie nie wieder kochen wird, breche ich oft in Tränen aus. Ich weiß nicht, wie ich diese Woche irgendetwas völlig Neues kochen kann. Mein Bruder hat mir ein paar Dinge geschrieben, ich habe noch nicht alles gelesen. Er hat von sich aus eine Haushaltshilfe vorgeschlagen. Ich wollte diese Woche mal mit ihm dazu sprechen, vielleicht klappt es heute Abend.

Am besten würde ich mich mit einer Vollzeit-Pflege fühlen. Ich möchte irgendwo auch nicht, dass meine Mutter ins Pflegeheim kommt. Ich habe gesehen, wie meine Großmutter in den letzten Wochen ihres Lebens alleine in einem Zimmer lag und nicht einmal jemand vorbeigekommen ist, um ihr etwas zu trinken zu geben. Ich verstehe ja, dass das System völlig überlastet ist, aber ich möchte das meiner Mutter nicht antun. Mein Onkel war jeden Tag bei meiner Großmutter, meistens 2x am Tag. Das kann ich nicht, wenn ich "normal arbeite". Bleiben also die 24-Stunden-Pflegekräfte, die im Haushalt leben. Einerseits verstehe ich meinen Vater. Andererseits weiß ich nicht, wie er alles alleine schaffen will. Ich habe mir gestern Abend ein paar freie Stunden gegönnt und war bei einem Freund, eine Serie ansehen. Ich habe zweimal mit meinem Vater telefoniert. Er hat es noch geschafft, sie ins Bett zu bringen, dort hat sie aber die meiste Zeit geschrieen. Als ich nach Hause gekommen bin, haben wir sie aus dem Bett gehoben, mit dem Rollstuhl aufs Klo gefahren, ihr Einmal-Panty gewechselt und zurück ins Bett gebracht. Wir haben zu zweit eine halbe Stunde gebraucht. Ich habe das Gefühl, dass ich weiter hier schlafen muss. Ich bin auf ein Bett im Arbeitszimmer umgezogen und lasse die Tür offen. Vielleicht geht es irgendwie, wenb ich die Tür geschlossen lasse, damit mein Vater mich einfach im Notfall holen kann.

Im Notfall einen RTW zu rufen ist so eine Sache... Die Ärztin im Krankenhaus hat uns vor der Entlassung meiner Mutter erklärt, wie man die Cortisontabletten dosieren muss, falls es schlagartig schlechter wird. Grund war, dass sie die Zeit zuhause verbringen kann und nicht ständig im Krankenhaus sein muss. So, wie sie es erklärt hat, klang es damals für mich, dass das Cortison langsam abgesetzt werden sollte, aber nachdem wir ein paar Mal runtergegangen sind, haben wir jedes Mal wieder erhöhen müssen, weil es ihr schlechter ging.

Ich habe noch nicht ganz verstanden, was ein Antrag auf Betreuung für Konsequenzen hat. Ich habe mir den Link angesehen, danke dafür. Ich bin auch nicht sicher, was mein Vater erwartet. Er möchte, dass ich wieder arbeite, meine Krankschreibung ist am Freitag ausgelaufen. Wie er es sich vorstellt, weiß ich nicht. Früher habe ich ihn immer nach der Arbeit angerufen, ihn gefragt, ob ich etwas einkaufen soll, bin dann nach Hause, direkt in die Wohnung meiner Eltern und irgendwann um 9 in meine eigene Wohnung. Ich weiß nicht, ob das jetzt noch reicht.

Es ist jetzt fast 6 Uhr. Meinem Magen ging es nicht mehr ganz so schlecht. Meine Mutter hat gerade wieder angefangen zu schreien, mur geht es jetzt auch schlechter! Ich hoffe, ich kann wenigstens etwas frühstücken.

Nochmal vielen Dank an euch beide!

Liebe Grüße,

Patrick
Queen in the North
Beiträge: 49
Registriert: 18. Aug 2023, 18:51

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Patrick,

wie Brigitte es treffend beschrieben hat, machen die Schilderungen deiner aktuellen Situation einfach nur fassungslos. Für mich klingt es so, als ob du am Rande des Zusammenbruchs stündest. Was ja auch nicht verwunderlich ist, aber weder dir noch deiner Familie weiterhelfen würde.

Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass du ab morgen einfach weiter arbeiten kannst, wenigstens nicht Vollzeit. (Und bitte entschuldige die deutlichen Worte, aber ob dein Vater möchte, dass du wieder arbeitest, ist erst mal schnurz-piep-egal. Wichtig sind jetzt die Versorgung deiner Mutter und deine eigene Gesundheit.) Lass dich eventuell noch diese Woche krank schreiben und suche auf jeden Fall das Gespräch mit deinem Arbeitgeber. Ich weiß nicht, wie die Stimmung in deiner Firma so ist, aber wenn ich deine Chefin wäre und deine Lage hören würde, hätte ich Verständnis dafür, dass es nicht wie normal weiter gehen kann. Du hast außerdem Anspruch auf zehn Tage bezahlten Urlaub, um Pflegeleistungen zu organisieren. Für Pflege im häuslichen Bereich kannst du dich vollständig oder teilweise (allerdings unbezahlt) freistellen lassen (auch hier besteht meist ein Rechtsanspruch). Du hast eventuell sogar Anspruch auf ein zinsloses Darlehen zur finanziellen Unterstützung.

https://www.wege-zur-pflege.de/familienpflegezeit

https://www.wege-zur-pflege.de/familien ... it/rechner

ETA: Infos zum Thema finanzielle und praktische Unterstützung bei der Pflege gibt es auch am Pflegetelefon.

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/pu ... ige-187090

Das alles würde dir die Zeit verschaffen, eine professionelle Pflege für deine Mutter zu organisieren. Sei es, dass du deinen Vater doch überreden kannst, sich mit einer 24h-Stunden-Kraft anzufreunden, oder wenn du doch über ein Pflegeheim nachdenkst. Ich weiß, dass die Zustände dort leider oft nicht schön sind, aber wenn du es irgendwie einrichten könntest, dass dein Vater und du dort ca 2x täglich vorbeischauen, könntet ihr gewährleisten, dass es deiner Mutter trotzdem gut geht. (Wirklich schlimm ist es, wenn es keine Angehörigen gibt, die sich kümmern ...) Ihr könnt deine Mutter ja gerade eher schlecht als recht versorgen, und es wird bei einem Hirntumor ja leider nicht besser.

Wie man genau an eine Pflegekraft, einen Heimplatz oder zunächst nur eine Ausweitung des Leistungskatalogs des Pflegedienstes kommt, weiß ich leider nicht konkret, weil ich damit keine Erfahrung habe. Kannst du vielleicht auch mit dem Chef des Sozialdienstes reden, wie es dein Vater getan hat? Und ihm die Lage aus deiner Situation schildern? Ich bin mir sicher, dass es da noch einiges an Hilfe auszuschöpfen gibt. Die Pflegerin deiner Mutter wusste ja nicht einmal von dem Hirntumor ... ( was ich auch nicht so recht fassen kann!).

Du hast auch erwähnt, dass dein Hausarzt eure Kontaktdaten an eine Begleitung für todkranke Menschen gegeben, ihr aber nie etwas gehört habt? Kannst du selbst dort anrufen? Ich nehme mal, die Person ist einfach auch überlastet und hat euch vergessen. Meistens muss man bei solchen Sachen von selbst tätig werden, was natürlich ziemlich sch...ße ist, wenn man eh schon fast am Ende seiner Kräfte steht.

Tut mir Leid für die ganzen guten Ratschläge aus der Ferne. Ich hoffe, das wirkt nicht arg übergriffig oder so, und ich weiß nicht, ob da etwas Sinnvolles dabei ist. Aber du klingst wirklich so, als ob du konkrete Unterstützung brauchst. Bitte sprich auch mal direkt und ausführlich mit deinem Bruder und erzähle ihm alles das, was du uns erzählt hast. Du kannst auch ruhig erwähnen, dass du sauer bist ... ohne ihm groß Vorwürfe zu machen, aber einfach, dass du dich gerade vollkommen überfordert und allein gelassen fühlst. Wenn er das alles nicht vor Ort selbst mitbekommt, weiß er vielleicht noch gar nicht, wie schlimm die Lage gerade bei euch ist.

Ganz liebe Grüße und viel Kraft,
QitN
Suchende2
Beiträge: 1395
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Patrick,

alles, was mir einfallen würde, wurde bereits geschrieben.
Nur eines noch:
Ist "Essen auf Rädern" etwas für Deine Eltern? Da kann man auch Essen für Diabetiker bestellen.
Das wäre etwas, was schnell geht und Dir den Stress mit dem Kochen und Einkaufen nehmen könnte.
Und das könnte Dein Bruder auch organisieren, wenn Ihr ihn darum bittet.

Du kannst nur für andere da sein, wenn Du für Dich sorgst!
Du kannst nicht Vollzeit arbeiten und Deine gesamte Freizeit mit der Pflege Deiner Mutter verbringen. Das schafft niemand.
Wenn Dein Vater die notwendige Intimpflege nicht übernehmen möchte, darf Deine Mutter darunter nicht leiden. Dann muß ein Pflegedienst ins Haus kommen oder Deine Mutter muß in ein Heim (mit regelmäßigen Besuchen von Euch).
DU bist wichtig und DEINE Bedürfnisse! Nicht das, was Dein Vater von Dir erwartet.

Alles Gute,
Suchende
Queen in the North
Beiträge: 49
Registriert: 18. Aug 2023, 18:51

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Patrick,

Wie geht es dir und deiner Familie denn inzwischen? Konntest Du eventuell ein paar praktische Belange für deine Mutter angehen, damit du zumindest darüber nicht die ganze Zeit nachgrübeln musst? Ich hoffe, es gab zumindest den ein oder anderen kleinen Lichtblick.
Lyo
Beiträge: 4
Registriert: 19. Aug 2023, 12:00

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Lyo »

Erst einmal vielen Dank für alle eure Antworten und Vorschläge. Es tut mir Leid, dass ich nicht früher geantwortet habe. Emotional geht es mir gerade "besser", auch wenn mir klar ist, dass die Situation auch jetzt immer noch nicht gut ist. Ich habe ein bisschen das Zeitgefühl in den letzten 10 Tagen verloren. Vielleicht fange ich von vorne an.

Der Montag letzte Woche mit dem MRT-Termin im Krankenhaus war unglaublich anstrengend. Meine Mutter hat die meiste Zeit geschrieen, auch beim MRT. Die Bilder waren nicht sehr aussagekräftig, letzten Endes haben wir daraus nur erfahren, dass der Tumor seit dem letzten Mal (damals war er zurückgegangen) weder größer noch kleiner geworden ist. Weil wir im Anschluss auch den wöchentlichen Termin zur Blutabnahme ins Krankenhaus verlegt hatten, haben wir noch ein paar Stunden dort verbringen müssen. Meine Mutter war nicht mehr wirklich bei sich. Am Nachmittag war ich bei unserem Hausarzt und habe mir Antidepressiva verschreiben lassen. Meine Therapeutin hatte mir das empfohlen, vor ein paar Monaten war ich noch dagegen.

Nachdem ich am Abend vielleicht eine Stunde in meiner eigenen Wohnung war und mein Vater mich angerufen hatte, weil meine Mutter aus dem Rollstuhl gerutscht war und schon wieder auf dem Boden lag, habe ich ihm gesagt, dass es so nicht weiter geht. Wenn ich am nächsten Tag "normal zur Arbeit gehen" sollte, müsste er die Palliativbetreuerin anrufen. Auch mit meinem Bruder habe ich kurz davor telefoniert und ihn gebeten, mit meinem Vater zu sprechen. Nach dem erneuten Zwischenfall hatte sich das aber auch erledigt. In der Nacht auf Dienstag hat meine Mutter zweieinhalb Stunden ununterbrochen geschrien. Ich bin irgendwann davon aufgewacht. Nachdem ich ihr etwas in einer Schnabeltasse zu trinken gegeben hatte, war sie eine halbe Stunde lang ruhig. Mein Vater hat am nächsten Tag tatsächlich mit der Betreuerin gesprochen, die meiner Mutter am gleichen Tag ein Zimmer auf der Palliativstation im Krankenhaus in der Stadt vermitteln konnte. Dort ist sie jetzt seit etwas mehr als einer Woche. Ihre Medikamente wurden "neu eingestellt", so dass sie nicht mehr vollkommen im Dilirium ist. Manchmal schreit sie immer noch, sprechen kann sie nur sehr kurze Sätze. Als ich am Dienstagabend vor einer Woche bei ihr war, bin ich wieder in Tränen ausgebrochen. Manchmal möchte sie etwas sagen, aber es kommt nur Murmeln dabei heraus. Laut letztem Stand von der Stationsärztin von heute ist sie stabil, aber auf einem sehr niedrigen Stand. Immerhin kann sie alleine belegte Brote oder einen Joghurt essen oder etwas aus einer Schnabeltasse trinken - das konnte sie am Ende zuhause nicht mehr. Und sie erkennt mich und umarmt mich, wenn ich zu ihr ins Zimmer komme. Ich habe ihr eine Plüschkatze gekauft, weil sie schon seit ihrer Kindheit immer Katzen hatte. Die Katze sitzt jetzt auf dem Fensterbrett und passt auf sie auf.

Seit letztem Dienstag gehe ich wieder zur Arbeit. Am ersten Tag war es schlimm. Vormittags habe ich kurz Panik bekommen, nachdem mir klar geworden ist, dass meine Mutter in der Nacht davor vielleicht nur geschrieen hatte, weil sie Durst hatte. Zweieinhalb Stunden konnte sie das niemandem mitteilen und wollte nur etwas trinken. Seitdem wird es bei mir langsam "besser". Ich habe gelesen, dass die Antidepressiva erst nach 2-3 Wochen zu wirken beginnen, aber dass man sich davor schon "besser im Griff hat". Ich bin seitdem nicht mehr in Tränen ausgebrochen, auch wenn es weh tut, meine Mutter im Krankenhaus zu sehen. Ich habe immer oft daran gedacht, wie sie noch vor 2-3 Monaten war, wie sie eigentlich bei nichts Hilfe gebraucht hatte. Irgendwie kann ich solche Gedanken in den letzten Tagen "verdrängen". Ich bin mir bewusst, dass sich nicht viel geändert hat. Ja, meine Mutter ist im Krankenhaus medizinisch so gut versorgt, wie mein Vater und ich das niemals könnten, und wir können beide nachts wieder durchschlafen. Trotzdem gibt es nichts, was wir für sie tun können. Die Chemo kann erst einmal nicht mehr fortgesetzt werden. Und in meinem eigenen Leben sieht es auch nicht besser aus als vor einer Woche. Ich bin nicht glücklich und freue mich auf nichts mehr. Aber irgendwie komme ich gerade damit klar. Ich weiß nicht, ob das schon an den Antidepressiva liegt.

Im Moment arbeite ich "normal". Auch um einen "geregelten Tagesablauf" zu haben und nicht noch mehr abzunehmen. Auf Dauer wäre es zwar schön, Arbeitszeit zu reduzieren, um mehr Zeit für mich zu haben. Vielleicht hätte auch mein Chef dafür Verständnis. Ich habe nur für mich selbst nicht das Gefühl, dass ich mir das erlauben kann. Ich habe vor 1 1/2 Jahren die Abteilung gewechselt, weil es mein früheres Aufgabengebiet eher früher als später nicht mehr gibt. In meiner neuen Abteilung habe ich noch nicht die Leistung gebracht wie früher.

Wie das alles auf Dauer weitergeht, weiß ich noch nicht. Ich mache gerade immer um 16 Uhr Feierabend, fahre dann in die Stadt ins Krankenhaus und mit meinem Vater um halb 7 nach Hause. Ich übernachte immer noch auf dem Bett im Schlafzimmer in der Wohnung meiner Eltern. Ich möchte gerade nicht alleine sein und mit meiner eigenen Wohnung nebenan komme ich gerade nicht klar. Ich versuche alles soweit wie möglich in Ordnung zu halten. Alle zwei bis drei Tage fahre ich abends noch zu einem Freund und wir sehen uns eine Serie an. Er weiß, wie es gerade bei mir aussieht.

Mein Vater hat morgen einen Termin mit der Stationsärztin und einer Mitarbeiterin vom Sozialdienst, dann wissen wir vielleicht mehr, wie es weitergeht. Eine 24-Stunden-Betreuung zuhause möchte er nicht. Am Ende entscheidet er das, also muss ich es akzeptieren. Er ist gerade immer den ganzen Nachmittag dort, manchmal auch vormittags. Ich mache mir Sorgen um ihn, er hat schon länger Probleme mit den Beinen. Aber ich kann ihn nicht davon abhalten, jeden Tag so viel Zeit im Krankenhaus zu verbringen. Gestern haben wir kurz mit dem Sohn eines anderen Patienten auf der Station gesprochen. Sein Vater war 8 Wochen dort, bis er jetzt einen Platz im Pflegeheim bekommen hat.

Mein Bruder ist seit einer Woche mit seiner Familie im Urlaub. Ich weiß nicht, ob er sich bei meinem Vater regelmäßig meldet, ich habe jetzt seit letzem Montag nichts mehr von ihm gehört.

Am nächsten Montag habe ich den ersten "richtigen" Therapie-Termin, der dritten und letzte Probetermin war vor drei Wochen. Ich versuche jetzt erst einmal, über die nächsten Tage und Wochen zu kommen und hoffe einfach, dass ich psychisch nicht mehr auf den Stand von vor 1-2 Wochen zurückfalle. Auch wenn ich sonst nicht weiter vorwärts komme, das wäre schon viel Wert.
Suchende2
Beiträge: 1395
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Lyo,

schön zu lesen, daß Du nicht mehr so viel Verantwortung tragen musst und jetzt auch ein wenig auf Dich schauen kannst.

Passe weiterhin gut auf Dich auf und suche Dir Hilfe, wo immer es geht. Ihr habt noch eine schwere Zeit vor Euch.

Alles Gute,
Suchende
Queen in the North
Beiträge: 49
Registriert: 18. Aug 2023, 18:51

Re: Bin neu hier / Einsamkeit / Krebsfall Angehöriger

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Patrick,

schön, von Dir zu hören. Es tut mir Leid, das ich leicht verspätet antworte -- ich war ein paar Tage lang nicht im Forum und hatte letzte Woche Deine Antwort vollkommen übersehen. :(

Ehrlich gesagt, bin ich fast schon erleichtert zu lesen, dass Deine Mutter auf der Palliativstation ist, auch wenn das für Dich sicher ein Schock war, dass es dann so plötzlich für sie in die Klinik ging. Wengistens scheint sie dort gut versorgt zu werden, wenn sich ihr Zustand zumindest stabilisiert hat. Und der Teil von ihr, der noch "ganz die Alte" ist freut sich ja offensichtlich sehr über Deine Besuche und Deine Anwesenheit und sicher auch über die Plüschkatze, die auf sie aufpasst. Ist es denn nun eventuell doch eine Option über ein Pflegeheim nachzudenken, da Du ja mit den Angehörigen eines anderen Patienten darüber geredet hast?

Dies würde Dir eventuell etwas Luft verschaffen, Dich um Dich selbst und Deine eigene mentale Gesundheit zu kümmern. Aus eigener Erfahrung kann ich leider nur sagen, dass weder Antidepressiva noch Therapie Wundermittel sind, die einen glücklich machen. Sie helfen einem nur, nicht noch weiter in das tiefe Loch zu fallen (Medikamente) bzw. sich ganz langsam wieder herauszuarbeiten (Therapie). Und gerade Therapie kann einen zuerst oft viel Kraft kosten, weil man ja auch über Dinge sprechen muss, die einen belasten, stören, verängstigen etc. Ich hoffe aber, Dein Therapietermin neulich ist gut gelaufen und Du hast mit Deiner Therapeutin zumindest jemanden, der Dich in dieser belastenden Situation etwas abfangen kann.

Dir weiterhin alles Gute und viel Kraft,
QitN
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