Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Queen in the North
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Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo zusammen,

Ich bin erst dieses Wochenende dem Forum beigetreten. :hello: Ich glaube, ich brauche ein bisschen Ansprache und Austausch außerhalb meines unmittelbaren Umfeldes und bin bei der Internetrecherche dann auf dieses Forum gestoßen. Nun ein bisschen (na ja, mehr als ein bisschen ... ;) ) zu mir.

Krankheitsgeschichte:

Ich leide hauptsächlich an Depressionen. Vor fast 20 Jahren (Ende 2005), als ich Anfang 20 war, ist meine Mutter an einer eher seltenen, aber sehr aggressiven Krebsart verstorben, und ich habe damals den Ernst der Situation weitestgehend ignoriert, weil ich es nicht wahrhaben wollte und komplett überfordert war, und sie nicht wirklich beim Sterben begleitet. Dafür werde ich mir wohl bis an mein Lebensende Vorwürfe machen, da meine Mutter ein liebevoller und fürsorglicher Mensch war und wir meist ein sehr gutes Verhältnis hatten.

Nach ihrem Tod bin ich aus einer völlig normalen Trauerphase in eine echte Depression gerutscht. Über zwei Jahre später ging es mir nicht besser, sondern nur schlimmer, und ich habe meine Promotion hingeschmissen und mir schließlich psychiatrische Hilfe gesucht. Seit dem Frühjahr 2008 bin ich, abgesehend von einer Unterbrechung von 1-2 Jahren, fast durchgehend in Behandlung.

Meistens ist es eine leichte, aber fast schon chronische depressive Verstimmung (Dysthymie?), obwohl mein erster Psychiater auch etwas von einer Persönlichkeitsstörung gemurmelt hat (bin mir leider nicht sicher, welche???). Ich war dann endlich auch in meiner ersten Therapie, fast zwei Jahre lang. Als ich sie gerade abgeschlossen hatte, es mir besser ging und ich mein erstes Antidepressivum (Citalopram) abgesetzt hatte, ist leider mein Vater überraschend verstorben. Also habe ich ab 2014 bei einem anderen Psychiater wieder mit den Medikamenten angefangen (seitdem Venlafaxin).

2016 habe ich dann schlimme Angststörungen entwickelt. Zuerst dachte ich, dass in meiner alten Wohnung Schimmel hinter der Tapete versteckt ist, der mich vergiftet und dessen Entfernung mich finanziell in den Ruin treiben wird. Nach meinem Umzug (nicht wegen des imaginären Schimmels :mrgreen: ) hat sich das allmählich gelegt, aber dann hatte ich krasse Krankheitsängste, so schlimm, dass ich kurz vor einer stationären Behandlung stand.

Ich wäre wohl reif für die Klinik gewesen, hatte mich aber hartnäckig geweigert, weil die in der Psychiatrie mir ja nicht mit meinem (eingebildeten) Brustkrebs helfen können. :roll: Und da keine akute Fremd- oder Selbstgefährdung bestand, blieb's bei der ambulanten Behandlung. Gott sei Dank haben Therapie und Medis irgendwann geholfen, und ich habe das weitestgehend im Griff. Brustkrebs ist immer noch so ein bisschen ein Reizthema für mich, aber ich kriege nicht mehr wegen eines entzündeten Pickels, der gaaaanz sicher ein inflammatorisches Karzinom ist, Panikattacken. :oops:

Jetzige Situation:

Seit ca. 5 Jahren wurstele ich so vor mich hin. Dann kam die Pandemie und meine Firma hat (auch auf Kostengründen) auf fast 100% Home Office umgestellt. Wir haben noch ein paar Büroräume in für mich erreichbarer Nähe, aber da geht fast so gut wie niemand hin. Nun lebe ich allein in einer 1-Zimmer-Wohnung, und nach den ganzen Kontaktbeschränkungen in der COVID-Hochzeit ist dieses "mobile Arbeiten" und die soziale Isolation einfach nichts für mich. In den letzten 12 Monaten habe ich mich komplett gehen lassen.

Ich war mit der Hausarbeit schon immer eher nachlässig, vor allem in depressiven Phasen, aber jetzt mache ich nur noch das Allerallernötigste. Geschirr spüle ich, wenn ich kein sauberes mehr habe (leider kein Platz für Spülmaschine), ich ernähre mich hauptsächlich von Fast Food, was meine Waage ins Plus und mein Konto ins Minus rutschen lässt, und ich habe dieses Jahr schon mehrmals Unterhosen, Socken und Shirts nachgekauft, anstatt einfach in den Waschkeller zu gehen ... :evil:

Auch in der Arbeit bin ich immer unzufriedener, mein Bürojob ("irgendwas mit Medien") macht mir gar keinen Spaß mehr, und meine Leistung leidet objektiv darunter. Am liebsten würde ich den Job wechseln, kann mich aber (Überraschung!) leider nicht zum Schreiben von Bewerbungen aufraffen.

Ich weiß nicht, ob ich wieder depressiv bin. Ich fühle nicht diese komplette Verzweiflung, wie 2007/2008, und auch nicht die panischen Ängste von 2016-2018. Ich bin einfach nur jammernd und selbstmitleidig und ich habe. Keine. Lust. Auf (fast) gar nichts.

Wenn ich mich mit Freunden treffe, geht es mir eigentlich immer besser und ich freue mich über die Geseellschaft, aber manchmal sage ich die Treffen auch kurzfristig ab. Aus Gründen. (Ich habe letztes Jahr die Hochzeit meiner besten Freundin verpasst, weil ich mich nicht hingetraut habe. Nein, ich weiß auch nicht, was das war.)

Meine Wohnung fühlt sich immer mehr wie ein (sehr versifftes) Gefängnis an. Ich hatte gerade 10 Tage Urlaub, bin aber fast die ganze Zeit nur im Bett gelegen und habe auf YT alte Folgen einer englischen Quizshow geguckt. Theoretisch kenne ich die üblichen "Motivationstricks" aus meinen zwei Verhaltenstherapien, aber ich mag sie einfach nicht anwenden. Ich will das nicht schon wieder alleine schaffen müssen. Also mache ich nichts. Gleichzeitig habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, während mir der Berg an unbewältigten Aufhaben über den Kopf wächst.

Hat jemand irgendeinen Rat für mich? Meine Psychiaterin (bzw. deren Vertretung) hat mich gefragt, was ich denn bräuchte. Und ganz ehrlich, gefühlt bräuchte ich einen persönlichen Assistenten, eine Putz- und Haushaltshilfe, einen Steuerberater, einen Entrümpelungsservice und ungefähr 3-6 Monate Sabbatical mit Delphinschwimmen und Klangschalentherapie und danach ein Karrierecoaching für den Neuanfang. Da ich aber jetzt schon finanziell leicht über meine Verhältnisse lebe und das alles nicht im Leistungskatalog der GKV steht, warte ich halt auf die Hauselfen aus Harry Potter. Die haben sich leider noch nicht blicken lassen ... :mrgreen:

War irgendwer schon mal in einer ähnlichen Situation? Und wie um Himmels willen seid ihr da raus gekommen? :?: :?: :?:

Bitte entschuldigt den Redeschwall, aber irgendwo muss man sich ja ausko ... en. Und schon mal ein herzliches Dankeschön für alle Rückmeldungen!
Senif
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Senif »

Hallo Queen,

willkommen :hello:

Mein bestellter Zauberstab zum Aufräumen ist leider auch noch nicht eingetroffen :mrgreen: Ich liebe Harry Potter :lol:

Was das andere angeht. Ich hatte in meinen schlimmen Phasen auch einen hypochondrischen Wahn und war mir sicher, dass ich sterben würde, wohl aber auch weil sich mein Körper so furchtbar angefühlt hat. Ich hatte extreme innere Unruhe und nach außen war ich wie erstarrt.
(ich war mehrmals in einer Klinik auch akut)

Geholfen hat mir Trimipramin, dass ich erstmal therapiefähig wurde. Und wie in dem anderen Thread geschrieben, hab ich mir viel gutes getan, schöne Dinge gemacht, immer 1% im Alltag verändert und nach Jahren konnte ich dann von diesen kleinen Änderungen zehren. Es ist sehr schwer, aber machbar. Was mir auch geholfen hat, war das zulassen der Ängste und nicht dagegen ankämpfen, dass hat es nur schlimmer gemacht. Früher hab ich das so beschrieben: den Tod herein bitten und akzeptieren. Wenn er kommt, kommt er auch mit und ohne Angst. Und ohne Angst ist viel schöner :)

LG Senif
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hi Senif,

danke für deine Antwort! :D :hello:

Trimipramin habe ich während meiner schlimmen Phasen auch genommen. Da hat es mir geholfen, weil die Panik vorübergehend weg war und ich wieder schlafen konnte. Für mich ist das aber definitiv kein "alltagstaugliches" Medikament. Da hätte draußen auch der 3. Weltkrieg ausbrechen können und ich hätte nur gegähnt und vor mich hingenickt. ;)

Ich werde mir deinen anderen Thread gleich mal genauer anschauen. Mit den Ängsten kann ich inzwischen ganz gut umgehen und sie nur noch sehr selten da, aber vielleicht steckt hinter der Angst auf den Tod einfach nur die Angst vor einem ungelebten Leben? Ich weiß nicht, wie das bei dir so war, aber ich bin mit der Gesamtsituation seit Jahren irgendwie umzufrieden, obwohl es keinen objektiven Grund dafür gibt. Ich meine, ich bin körperlich gesund und habe ein festes Einkommen und habe es materiell besser als 98% der Weltbevölkerung, aber irgendwie passt es mir trotzdem nicht. Ich würde gerne etwas verändern, weiß selbst nicht so recht was, und schiebe alles weg und auf, während die Jahre vergehen ... Vielleicht ist deine Strategie der 1% da genau das Richtige!

LG, QitN

PS: Gibt's bei Harry Potter denn nicht auch irgendwelche Zaubersprüche für den Haushalt, die Mrs Weasley in ihren Zeitschriften nachschaut? Die täten es in Ermangelung von Hauselfen auch! :mrgreen:
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Servus, IchWirErSieEs!
Du kannst Dich sehr gut ausdrücken.
:oops: Haha, danke, labern konnte ich schon immer gut. :mrgreen:

Und du hast ja vollkommen recht, dass mir auf Dauer den Alltag niemand abnehmen kann. Trotzdem fühle ich mich angesichts des Aufgabenberges gerade so, als müsste ich als offiziell Feitleibige mit der Kondition eines geriatrischen Faultiers mit einem gebrochenen Bein einen 42-km-Marathon laufen. Einen mit Hindernissen.

Ich hätte gerne ein Zuhause, wo ich mich wirklich wohl fühle ... im Moment fühlen sich leider nur die Dreckwäsche und die Lebensmittelmotten hier so richtig sauwohl. Keine Ahnung, was das über den Zustand meiner Seele aussagt? :| Und dass ich wegen Home Office ca. 80-90% meiner Zeit in meinen vier Wänden verbringe, macht es nicht besser. Ich glaube, ich muss mal wieder ins Büro fahren, wenn sich die Temperaturen übernächste Woche etwas normalisieren. Selbst wenn ich da ganz alleine hocke, ist es wenigstens ein Tapetenwechsel, und vielleicht hilft das ja, den Teufelskreis zu beenden, wie Du so schön sagst.

LG,
QitN
Lavendel64
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

Hmm, ich kann das alles so gut nachvollziehen. Du hast einiges durchgemacht, offenbar einiges (noch) nicht verarbeitet. Bezüglich des Todes Deiner Mutter ... man ist in dem Alter noch lange nicht erwachsen genug, um mit solchen Schicksalsschlägen umzugehen. Mein Opa starb, als ich 18 war - ich war die erste im Krankenhaus und habe in den letzten Minuten allein an seinem Bett gesessen. Das setzt mir noch heute (30 Jahre später) zu - insofern kann ich Deine Gefühle nachvollziehen. Deine Mutter hätte bestimmt Verständnis gehabt und Dir längst vergeben, so dass Du Dich völlig umsonst mit Vorwürfen quälst.

Ich mag Deine Art zu schreiben ... ehrlich, dieses Quäntchen Humor tut enorm gut.

Es gibt Hilfe ... in ganz unterschiedlichen Richtungen ... Du müsstest Dich aufraffen, sie anzunehmen. Es gibt tatsächlich Sozialdienste, die genau diese Hilfe anbieten (Hilfe im Haushalt, bei Behördengängen ... eben das, was Du aufgrund deiner jetzigen psychischen Situation brauchst). Mein Gang wäre zur Ambulanz einer psychiatrischen Klinik, die Deine jetzige Situation unter die Lupe nehmen können und schauen, wie sie dir helfen können. Vielleicht reicht eine ambulante Behandlung nicht aus - Tagesklinik, Klinik ... es gibt viele Möglichkeiten.

LG Lavendel
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Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Lavendel,

vielen herzlichen Dank für die lieben Worte!

Das mit deinem Opa tut mir leid zu hören -- ich kann gut nachvollziehen, dass dich das auch nach drei Jahrzehnten nicht los lässt. Vielleicht ist es dir ja ein kleiner Trost, dass er mit dir zumindest in seinen letzten Augenblicken einen geliebten Menschen bei sich hatte. Auch wenn du eigentlich viel zu jung für eine solche Situation warst. Meine Eltern sind beide in meiner Abwesenheit verstorben. Bei meiner Mutter war ich auf einer Silvesterparty, weil ich es nach den Weihnachtsfeiertagen mit einer Sterbenden daheim nicht mehr ausgehalten habe ... im Rückblick wünschte ich mir, ich wäre etwas weniger egoistisch gewesen. Aber Geschehenes kann man eben nicht ändern.
Ich mag Deine Art zu schreiben ... ehrlich, dieses Quäntchen Humor tut enorm gut.
Haha, danke. Ich sage immer, wenn der Sarkasmus und die dummen Witzchen ausbleiben, dann ist das ein echt schlechtes Zeichen. Ohne (Galgen-)Humor wäre ich echt am Ende. :lol:

Und ja, meine Psychiaterin bzw. die Urlaubsvertretung haben auch schon was von Tagesklinik oder psychosomatischer Reha gemurmelt. Aber ich denke immer, ich kann das nicht rechtfertigen. In der Arbeit bin ich eh schon "Underperformerin", wie das auf Neudeutsch heißt. Meine Firma war immer äußerst verständnisvoll während meiner Krankheitszeiten, weil ich schon so lange (fast seit der Gründung) dabei bin. Ich habe immer noch wirklich viele Fehltage (halt nie am Stück), und ich habe Angst, dass der Geduldsfaden irgendwann reißt. Außerdem steht meine nette Teamkollegin dann echt im Regen ... wir sind nur zu dritt und eine Kollegin geht in absehbarer Zeit, und ihre Stelle wird aus Kostengründen nicht neu besetzt.

Und manchmal denke ich eben auch, ich bin gar nicht wirklich depressiv. Ich habe keine Suizidgedanken. Ich will mich nicht selbst verletzen. Ich habe nur allgemeine Bocklosigkeit, und das auch nicht immer. Ich habe mal versucht, einer Freundin das Wäscheparadox zu schildern. Ich sitze hier mit ca. 20 Tüten Schmutzwäsche auf 38m2 und war schon mehrmals auf der Suche nach billigen Klamotten bei der nächsten Ernstings Family-Filiale. Und die (die Freundin, nicht die Filiale oder die Wäsche ...) hat gemeint, wenn ich die Energie habe, um das Haus zu verlassen, aber nicht um mit zwei Beuteln in den Keller zur Waschküche zu gehen, bin ich nicht depressib, sondern einfach nur faul und offenbar mit 40 immer noch nicht erwachsen. Und vielleicht hat sie ja Recht ... ich weiß ja auch nicht. :?

LG,
QiTN
Luna1959
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Luna1959 »

Hallo Queen,
vieles was du so lebhaft und humorvoll (auch wenn man trotzdem man deine Verzweiflung dahinter spürt) beschreibst, kannte ich auch von mir früher.
Die Idee der 1 %Lösung von Senif finde ich gut, irgendwie hab ich das wohl auch gemacht.
So kann ich z.B. heute (Sonntag und alleine) sehr wohl Stunden in der unordentlichen Wohnung verbringen. Ich war jetzt 3 Tage hintereinander im "Außen" unterwegs und hab nix gemacht. Aber inzwischen habe ich den Wert der aufgeräumten Wohnung für mein Seelenleben erkannt und ich werde heute noch so halbwegs Ordnung herstellen. Diese Entwicklung ging langsam vor sich. Und jetzt, da es jeden Tag so extrem heiß ist, muss ich mich schon sehr aufraffen.

Mit 20 Jahren die Mutter zu verlieren empfinde ich als sehr schlimm. Ich verstehe deine Schuldgefühle, ich bin aber sicher, deine Mutter würde alles dafür tun, damit du dich nicht mehr damit quälst. Ich habe eine Tochter, und die Vorstellung, sie würde nach meinem Tod irgendwelche Schuldgefühle haben, wäre unerträglich für mich.

Gute Idee, der Tapetenwechsel. Vielleicht ist dann im Büro doch jemand anderer da.

Alles Gute
Die Vernunft empfiehlt immer das, was andere gerne möchten.
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hi Luna! :hello:
Mit 20 Jahren die Mutter zu verlieren empfinde ich als sehr schlimm. Ich verstehe deine Schuldgefühle, ich bin aber sicher, deine Mutter würde alles dafür tun, damit du dich nicht mehr damit quälst. Ich habe eine Tochter, und die Vorstellung, sie würde nach meinem Tod irgendwelche Schuldgefühle haben, wäre unerträglich für mich.
Ich war nicht 20, sondern "schon" 23. Machmal denke ich mir, ich war damit ein erwachsener Mensch und hätte mich anders verhalten sollten. Aber so ein Perspektivenwechsel, wie du es mit dir und deiner Tochter beschreibst, ist vielleicht ganz nützlich. Ich habe zwar keine Kinder, aber einen Neffen und eine Nichte. Meine Nichte ist jetzt 21, also nur unwesentlich jünger als ich damals, und kommt mir gelegentlich wie ein halbes Kind vor. Wenn sie auf eine Familientragödie ähnlich reagieren würde wie ich, täte sie mir vermutlich einfach nur Leid, und ich würde sie nicht verurteilen.
Die Idee der 1 %Lösung von Senif finde ich gut, irgendwie hab ich das wohl auch gemacht. So kann ich z.B. heute (Sonntag und alleine) sehr wohl Stunden in der unordentlichen Wohnung verbringen. Ich war jetzt 3 Tage hintereinander im "Außen" unterwegs und hab nix gemacht. Aber inzwischen habe ich den Wert der aufgeräumten Wohnung für mein Seelenleben erkannt und ich werde heute noch so halbwegs Ordnung herstellen.
Dann dir frohes Schaffen! Ich hab inzwischen wenigstens mein Geschirr gespült. Die saubere Küchenspüle fühlt sich irgendwie gut an, das mit dem Seelenleben stimmt also durchaus. Aber die Motten im Schrank kriegen noch eine Woche Galgenfrist. Bei 33°C im Schatten und einer Wohnung, die ich locker als finnische Sauna untervermieten könnte, turne ich nicht mehrere Stunden auf dem Klapptritt vor den Hängeschränken rum. :lol: Aber die Hitzewelle soll ja glücklicherweise für uns alle bald in den Herbst übergehen. Vielleicht kann ich mich ja morgen zum Wäschewaschen aufraffen (Waschküche darf am Sonntag wegen Lärmbelästigung nicht benutzt werden). Zumindest ist es im Keller schön kühl und die Wäsche trotzdem bald trocken. 8-)

LG,
QitN
DieNeue
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von DieNeue »

Hi Queen in the North,

also jahrelang alleine Homeoffice in einer Einzimmerwohnung zu machen, dazu noch zeitweise Kontaktbeschränkungen, wäre für mich schon ein Grund, mit der Gesamtsituation nicht zufrieden zu sein. Da fällt einem doch total die Decke auf den Kopf. Jeden Tag sieht man das Gleiche. Dann wird es immer mehr Chaos und man sieht jeden Tag das Chaos, das man eigentlich wegmachen sollte. Immer mehr unerledigte Aufgaben. Wenn man auch noch alleine lebt, kommt noch dazu, dass auch einfach nie irgendjemand anderes da ist, der sich auch in irgendeiner Weise für irgendwas in der Wohnung verantwortlich fühlt. Jeden kleinsten Sch... muss man selber erledigen. Jeden Anruf beim Vermieter, jede finanzielle Sache, jedes Problem mit Nachbarn, es ist keiner da, wenn man heimkommt, dem man irgendwas erzählen kann...
Ich lebe eigentlich gerne alleine, aber ich merke, dass es auf Dauer schon echt anstrengend und auslaugend ist.
Von daher würde ich an deiner Stelle auch mal wieder ins Büro gehen. Auch wenn sonst keiner da ist, ist der Tapetenwechsel bestimmt gut.

Ich weiß nicht, ob das "Wäscheparadox" tatsächlich nur zeigt, dass man faul und nicht depressiv ist. Mal abgesehen, dass man ja auch beides gleichzeitig sein kann ( ;) ) , kann Socken kaufen einfach tatsächlich leichter sein. Man kommt raus, es ist körperlich vielleicht nicht so anstrengend als mit dem Wäschekorb in den Waschkeller zu laufen und wieder hoch, man hat ein Glücksgefühl, weil man was schönes neues hat, anstatt alte Stinkesocken. Man muss schon einen gewissen inneren Widerstand überwinden, grade bei Sachen, die man sowieso nicht gern macht, da ist der innere Widerstand halt geringer bei Sachen, die man lieber macht und dann macht man halt die. Vor allem sind es ja irgendwann nicht nur zwei Tüten Wäsche, sondern es türmt sich und der Berg wird gefühlt unüberwindbar.

Ich denke, es kann schon eine Hilfe sein, wenn mal jemand mit anpackt, man mal die ganze Wohnung macht und endlich mal wieder richtig Ordnung und Sauberkeit herrscht. Bei mir wirken Ordnung und Sauberkeit echt Wunder.
Ich habe mich jahrelang gegen eine Haushaltshilfe gesträubt, weil ich es selber schaffen wollte. Aber mittlerweile habe ich jetzt doch eine und es tut gut. Ich habe gefühlt wieder mehr Luft zum Atmen. Es hilft mir insofern, dass ich mich auch wieder um andere Sachen kümmern kann, die mir gut tun, die wichtig sind und für die ich sonst keine Kraft hatte. Wenn man z.B. keine Kraft und keinen Nerv für eine Therapie hätte, weil man zu sehr mit dem Haushalt kämpft, kann es schon Sinn machen, jemanden einzustellen, damit man die Therapie machen und wieder fit werden kann. Wenn es einem dann wieder besser geht, kann man auch den Haushalt wieder besser in Angriff nehmen.
Eine Haushaltshilfe kannst du übrigens über das persönliche Budget beantragen, das hat nichts mit der Krankenkasse zu tun. Einen "Alltagsmanager" a.k.a. ambulanter Betreuer kann man auch unabhängig von der Krankenkasse beantragen.
Meine Steuersachen lasse ich schon lange von der Lohnsteuerhilfe machen. Hättest du dazu auch die Möglichkeit?

Liebe Grüße,
DieNeue
Zuletzt geändert von DieNeue am 20. Aug 2023, 16:41, insgesamt 1-mal geändert.
DieNeue
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von DieNeue »

Queen in the North hat geschrieben: 20. Aug 2023, 16:22 Bei 33°C im Schatten und einer Wohnung, die ich locker als finnische Sauna untervermieten könnte, turne ich nicht mehrere Stunden auf dem Klapptritt vor den Hängeschränken rum. :lol:
Als Alternative könnte ich dir Kühlschrank putzen empfehlen. Das kühlt schön :lol:
Lavendel64
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Queen of the North,

also wenn Dir gegenüber schon Reha bzw Tagesklinik angesprochen wurde, bist Du nicht "nur" faul. Ich sehe in Deinen Zeilen typische Erklärungen, die ich auch von mir kenne. Nie ist man sich selbst genug, immer schön runtermachen ... Die Einsicht "es geht heute einfach nicht" braucht ihre Zeit, so etwas für sich zu akzeptieren, ist nicht einfach, besonders wenn man gewöhnt ist, zu funktionieren.

Die Kollegen und der Arbeitsplatz ... ich sags mal etwas anders herum: wenn Du aus Überlastung zusammenbrichst, ist Deinen Kollegen auch nicht geholfen. Man möchte nicht ausfallen, die anderen müssen ja für einen mitarbeiten. Dennoch ist Deine Gesundheit das allerwichtigste. Mit einem Herzinfarkt, mit einem gebrochenen Bein kann man das Nicht-Arbeiten besser akzeptieren, nicht wahr? Bei Depressionen ist immer der fade Beigeschmack, sich "anzustellen". Ist aber nicht so. Lernt man in der Tagesklinik ;)

LG Lavendel
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Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Die Neue,

vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar! Ich finde, du hast meine Situation echt auf den Punkt gebracht. "Mir fällt die Decke auf den Kopf" trifft es eigentlich genau. Ich dachte immer, ich sei eher introvertiert. Seit Corona denke ich das nicht mehr. Und ja, ich kann nur unterstreichen, wie sehr es nervt, sich um jeden Sch ... ßdreck selbst kümmern zu müssen und gleichzeitig nie ein freundliches Wort zu hören. Es gibt Tage, da sind meine einzigen sozialen Kontakte ein 30-Minuten-Video-Meeting mit den Kollegen und 2 Minuten Small Talk mit der Verkäuferin beim Penny, und das ist viel. Wenn ich ein Zooaffe wäre, wäre das definitiv keine artgerechte Haltung für einen sozial veranlagten Primaten.
Ich weiß nicht, ob das "Wäscheparadox" tatsächlich nur zeigt, dass man faul und nicht depressiv ist. Mal abgesehen, dass man ja auch beides gleichzeitig sein kann ( ;) ) , kann Socken kaufen einfach tatsächlich leichter sein.


Haha, wie wahr. Ich glaube, ich bin auch in nicht depressiven Zeiten ein bisschen bequem und werde bestimmt nie den Leninorden als Heldin der Arbeit bekommen. :mrgreen: Die letzten Socken, die ich gekauft habe, haben übrigens ein sehr niedliches Faultiermuster. Das musste sein. Aber ich finde, du hast meine etwas verqueren Gedankengänge sehr gut zusammengefasst. Wenn ich versuche, das gegenüber Familie und Freunden zu beschreiben, können die das nie so wirklich nachvollziehen. Vielleicht muss man da einmal selbst dringesteckt haben.

Und eventuell sollte ich echt mal über eine Haushaltshilfe nachdenken. Eigentlich ist in meinem Budget dafür kein Spielraum, aber wenn ich mal grob überschlage, was ich dieses Jahr für Pizzabringdienst und neue Handtücher & Schlüppis ausgegeben habe, hätte ich mir davon eigentlich auch vorübergehend eine Putzkraft leisten können. :roll: Und an die Lohnsteuerhilfe habe ich noch gar nicht gedacht, guter Punkt!

LG,
QitN

PS: Mein Kühlschrank müsste tatsächlich ebenfalls dringend gesaäubert werden. :lol: :lol: :lol:
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Lavendel,

ja, du hast vollkommen recht, dass es kein gutes Zeichen ist, dass meine Psychiaterin bereits von sich aus Tagesklinik u. Ä. angesprochen hat. Aber der Witz ist, dass ich in der Arbeit eigentlich nicht überlastet bin.

Mein Job ist meistens nicht stressig und meine Aufgaben sind gut bewältigbar. Mein Problem ist eher "BoreOut" als Burnout. Da ich sehr lange im selben Unternehmen bin, ist da viel Routine und Leerlauf. Neue Aufgaben ergeben sich in letzter Zeit wenig bis keine, wegen äußerer Umstände (kriselnde Firma konzentriert sich aufs Kerngeschäft), und ich sehe außerdem einfach keinen Sinn mehr im meiner Tätigkeit und habe das Gefühl, in meiner Rolle (Kommunikationsgedöns) nicht wirklich etwas zum Unternehmenserfolg beitragen zu können und groß irgendetwas zu bewirken. Das klingt im Vergleich zu Stress pur paradiesisch, ist aber auch irgendwie super-frustierend. Der soziale Zusammenhalt im Team hat für mich früher viel ausgemacht und vermutlich auch so manche Unzufriedenheit übertüncht, weil bei uns meistens eine echt gute Stimmung im Büro war (zumindest in unserer Abteilung). Aber mit der Home Office-Regelung ist auch das passé.

Insofern empfinde ich es ein bisschen als Luxusproblem, meine Kolleginnen im Stich zu lassen, weil ich mich so sehr langweile (?) und einen solchen Widerwillen entwickelt habe, dass ich mich jeden Tag zur Arbeit quälen muss. (Der Anfahrtsweg ist wohlgemerkt die Strecke zwischen Bett und Schreibtisch ...). Es wäre vermutlich ehrlicher, einfach zu kündigen, aber ich habe Angst, dass ich danach nie wieder was finde. (Oder halt nix, wovon ich die Miete in der teuersten Metropole Deutschlands stemmen kann. Für einen Umzug hab ich echt nicht die Kraft.)

Keine Ahnung, ob das jetzt die Depression ist oder eine realistische Einschätzung. Ein Klinikaufenthalt würde mir tatsächlich gut tun. Ich war seit vor Pandemiezeiten nicht im Urlaub (erst kam Corona, dann die Inflation), und 8 Wochen in der Reha am Chiemsee wären ein Traum. Aber ich kann den Gedanken nicht abschütteln, das ich damit jemanden den Platz wegnehmen würde, der ihn tatsächlich braucht.

LG,
QitN
DieNeue
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von DieNeue »

@ Queen in the North: Wenn du die Haushaltshilfe über das Persönliche Budget beantragst, musst du dafür nichts zahlen. Infos dazu bekommst du z.B. beim Sozialpsychiatrischen Dienst.
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

@dieNeue:

Danke für den Tipp! Das mit dem persönlichen Budget wusste ich echt nicht. Braucht man dafür einen GdB oder etwas Vergleichbares?
DieNeue
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von DieNeue »

Ich glaube, das ist unterschiedlich. Ich brauchte keinen (habe aber einen GdB 40), andere hier brauchten einen. Ich habe aber auch Ambulant betreutes Wohnen, da wurde das von der Betreuerin beantragt und lief recht unkompliziert. Bei uns läuft das alles über den Bezirk. Ich hab 1h/Woche genehmigt bekommen. Für meine 40qm reicht das für saugen, wischen und ab und zu noch Dusche putzen oder eine andere "Kleinigkeit". Ich bin dann auch motivierter, wenn die Putzhilfe da ist, und nutze die Zeit zum WC und Waschbecken putzen, Küche sauber machen oder für Bürokram. So steht man sich auch nicht im Weg rum in der kleinen Wohnung
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von DieNeue »

Es ist anfangs echt ne Überwindung jemand Fremden reinzulassen, um den eigenen Dreck wegmachen zu lassen und es ist auch stressig, erstmal eine neue Routine zu finden. Man muss ja vorher aufräumen, damit geputzt werden kann. (Oder man räumt zusammen auf, aber dann ist halt in der kurzen Zeit nicht geputzt). Aber es lohnt sich durchzuhalten. Wenn es dann läuft, ist es echt gut.
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Okay, vielen Dank für die Infos! Ich muss mich da mal schlau machen. Vielleicht kann ich ja mal meinen ältesten Bruder fragen, der wegen Autismus und schwerem chronischen Tinnitus einen GdB 50 bekommen hat, wie das mit der Bürokratie und den Anträgen alles so läuft.

Und ja, das mit dem Fremden in der Wohnung ist nicht jedermanns Sache. Aber zumindest ist das ein guter Grund, sich ans Aufräumen zu machen.
Lavendel64
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Lavendel64 »

Nein, soweit ich weiß, brauchst Du keinen GdB - man ist ja nicht gezwungen, einen zu beantragen, Hilfe muss es dennoch geben.

Zu Deiner Arbeitssituation ... ich kenn das - nach über 20 Jahren ist bei mir auch vieles Routine, das hilft mir aber gut durch schlechte Zeiten. Ich empfand es als Vorteil, aus deinem halbwegs gesicherten Arbeitsverhältnis (ganz sicher ist man ja nie) die Tagesklinik angehen zu können, der Wiedereinstieg in die Arbeit (nach 9 Monaten AU) fiel natürlich mit Routinearbeiten sehr viel leichter. Mit Deinen Symptomen ist die Frage, ob man an der Arbeitsplatzsituation etwas ändern sollte - wenn Du dort zurecht kommst.

Der sozialpsychiatrische Dienst deines Wohnortes müsste Dir weiterhelfen können.

LG Lavendel
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

@Lavendel:

Ja, Routine, Sicherheit und Stabilität haben auch so ihre Vorteile, wie du berichtest, und ein Jobwechsel kann gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen gefährlich sein. Ich werde sicher nicht spontan morgen kündigen (außer ich gewinne im Lotto ... :D), aber ich sehe auf die Dauer bei meiner jetzigen Firma einfach keine Zukunft mehr. Home Office hat auch viele Vorzüge, aber ich glaube, ich will nie wieder irgendwohin, wo ich 100% remote arbeiten muss. Das ist für mich wie Einzelhaft mit MS Office statt Tütenkleben. :cry: Ausser die zahlen mir so viel, dass ich die 200 Euronen im Monat für einen Co-Working-Space lohnen könnte, wo ich unter Leuten sein kann (und eine schicke Kaffeemaschine habe :lol: ).
Queen in the North
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Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

IchWirErSieEs hat geschrieben: 22. Aug 2023, 17:54
Eine unaufgeräumte und unsaubere Wohnung ist ein Zeichen einer gewissen Stagnation. (...) Natürlich ist auch der körperliche Zustand (In diesem Fall "Adipositas") Ausdruck der Seele. Und da ist es ähnlich wie mit dem Zustand der Wohnung: Etwas Stagniert.
Hi IchWirSieEs,

wenn wir schon bei Komplimenten zur Ausdrucksfähigkeit sind ;) ... Als ich deinen Kommentar gerade gelesen habe, habe ich mich spontan "ertappt" gefühlt. Ich finde, du hast mich in wenigen Worten präzise und treffend beschrieben, ohne mich zu kennen. Stagnation trifft meine Lage ziemlich genau. Ich glaube, darüber werde ich in einer ruhigen Minute einmal gründlich nachdenken müssen.
Schlaubi Schlumpf
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Registriert: 2. Mai 2023, 22:41

Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Schlaubi Schlumpf »

Hallo Queen,

bei mir war es eigentlich immer genau das Gegenteil. Ich konnte noch nie Sachen lange liegen sehen und musste immer sofort alles aufräumen und/oder saubermachen. Mittlerweile kann ich dies aber nicht mehr so akribisch aufgrund körperlicher Erkrankung, die mich extrem einschränkt im Alltag (dies ist auch der Grund für meine Depression) - somit clashen fast täglich meine Psyche, die es schön und aufgeräumt haben will und mein körperlicher Zustand, der an manchen Tagen nur wenig Belastung zulässt, aneinander. Ich vermute, dass die meisten, die meine Wohnung betreten, sagen würden, dass ich keineswegs im Chaos oder im Dreck lebe, für mich ist es dennoch ständig ein Kampf, mich mit weniger zufrieden zu geben als ich es gewohnt bin zu „besseren Zeiten“.

Ich habe mir jedenfalls in den letzten Monaten Techniken angewöhnt, um Dinge zu erledigen bzw. den Antrieb dafür zu gewinnen. Mittlerweile mache ich mir für jede Kleinigkeit, die zu erledigen ist, eine To-Do-Liste, die ich immer weiter fortschreibe. Jedes Mal, wenn ich dann etwas geschafft habe, hake ich den Punkt ab. Das gibt mir immer ein gutes Gefühl, etwas getan zu haben. Ein wenig Freude, die Motivation für mehr schafft. Das wichtige dabei ist, sich nicht zu hohe Ziele bzw. Aufgaben zu setzen. Dann schiebt man das nur weiter vor sich hin. Immer nur kleine Schritte. Du hattest beispielsweise irgendwas von Steuern erwähnt. Wenn wir jetzt das Beispiel Steuererklärung nehmen würden, dann würde ich nicht die komplette Erklärung als ein To-Do-Punkt nehmen, sondern vielleicht jede Anlage als einzelnen Punkt. So kannst du nach und nach einzelne Punkte erledigen und abhaken - irgendwann bist du dann mit allem fertig. Was Putzen angeht: ich schreibe nicht einen kompletten Raum oder so als Punkt auf, sondern einzelne Schränke oder Bereiche (nur Boden z.B.). An Tagen, an denen ich dann mehrere Punkte abhaken konnte, gibt mir das immer ein sehr großes Gefühl von Erfolg - so wie „ich hab heute wirklich was geschafft!“. Du könntest dir z.B. so eine To-Do-Liste an eine Schranktüre in der Küche kleben; am besten über der Kaffeemaschine oder einem anderen Gerät, was du täglich (mehrfach) nutzt, damit du sie immer siehst und nicht aus den Gedanken verdrängst.

Was ich auch manchmal mache, ist eine kleine Belohnung an die Erledigung von Dingen zu knüpfen. Beispiel: nur wenn ich mindestens eine Viertelstunde auf dem Ergometer war, darf ich ein Stück Schokolade essen. Man muss sich natürlich an seine eigenen vorgegebenen „Regeln“ halten, sonst beschei..t man sich selber.

Ansonsten wäre ein Tipp, um Ordnung beizubehalten (hierzu sollte natürlich vorab erstmal eine Grundsauberkeit/-ordnung reingebracht werden - vielleicht mit Hilfe von einer nahestehenden Person?): alles, was man benutzt und dreckig/unordentlich gemacht hat, noch am selben Tag wieder saubermachen/aufräumen/wegpacken, wo es hingehört. Sobald man Sachen länger liegen lässt, häuft sich immer mehr an und irgendwann verliert man nicht nur den Überblick, sondern hat gar keine Motivation mehr, weil es so unüberwindbar viel auf einmal ist.

Wünsche dir ganz viel Erfolg, deine Motivation zu finden!

Viele Grüße
Schlaubi
Du musst dir schon selber Konfetti in dein Leben pusten.
Suchende2
Beiträge: 1267
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Queen in the North,

fast alles was Du schreibst, kann ich nachvollziehen. Du bist damit nicht alleine und darfst Hilfe annehmen. Die Klinik entscheidet sowieso selbstständig, ob sie Dich auf die Warteliste setzt oder nicht. Somit nimmst Du niemand bedürftigeren den Platz weg.

Ich war 18 als meine Mutter an einem extrem aggressiven Krebs gestorben ist.
Ich denke, für Deine Mutter war es bestimmt absolut in Ordnung, daß Du Dir nach den anstrengenden Weihnachtstagen eine kleine Auszeit für Dich genommen hast.
Meine Mutter konnte erst gehen, als keine von uns im Raum war. An Ihrem Sterbetag waren meine beiden Schwestern, mein Schwager und ich bei ihr. Sie war nie alleine, bis auf einen kurzen Moment. Nur in diesem konnte sie anscheinend gehen. Das war und ist für mich noch immer schlimm.
Ich habe immer noch das Gefühl, sie alleine gelassen zu haben, obwohl mein Verstand es besser weiß.

Im Alltag versuche ich mich selbst "auszutricksen".
Wenn ich sowieso das Haus verlassen muß, wird der Müll mitgenommen.
Wenn ich sowieso unterwegs bin, schaue ich, ob ich nicht auch gleich einen Einkauf mitmachen kann.
Ist es für Dich eventuell eine Möglichkeit wieder mehr im Büro zu arbeiten?
Du hättest dann ein klein wenig mehr soziale Kontakte und könntest dann eventuell auf dem Weg etwas erledigen (z.B. Frosta statt Fast Food kaufen).

Ich versuche zur Zeit auch mal wieder, mein Chaos in dne Griff zu bekommen. :-)

Alles Gute,
Suchende
Queen in the North
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Registriert: 18. Aug 2023, 18:51

Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo SchlaubiSchlumpf,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und Deine nützlichen Tipps! Ich denke auch, dass sich das Problem mit dem Chaos hier in meiner Wohnung und meinem Alltag nur in sehr vielen, sehr kleinen Schritten lösen lassen wird. Auf den Gedanken mit einem Belohnungssytem bin ich auch schon gekommen, aber ich weiß noch nicht so recht, wie ich meinem inneren Schweinehund beibringen soll, dass man dabei nicht schummeln darf. :lol:

Das Ganze wird mich vermutlich Wochen bis Monate kosten, bis hier wieder eine gewisse Grundsauberkeit herrscht. Aber dann habe ich hoffentlich meine Lektion gelernt und werde Deinen Ratschlag beherzigen, Sachen gleich wegzuräumen und sauber zu machen, damit sich das nicht wiederholt. Ich bin wirklich beeindruckt von Leuten, die ihren Haushalt so im Griff haben und so organisiert scheinen wie du. :o
Queen in the North
Beiträge: 49
Registriert: 18. Aug 2023, 18:51

Re: Neuzugang stellt sich vor / Frage zu (Mangel an) Motivation

Beitrag von Queen in the North »

Hallo Suchende,

vielen lieben Dank für Deine mitfühlenden Worte!

Ich glaube, es kommt oft vor, dass Sterbende erst von uns gehen, wenn sie alleine sind. Bei meiner Schwägerin war das auch so. Sie hat ihre hoch betagte Mutter hingebungsvoll gepflegt und hat sich, als es zu Ende ging, kaum Zeit für etwas Anderes genommen als Essen, Schlafen und eine schnelle Dusche. Irgendwann konnte sie nicht mehr und ist auf einen kurzen Spaziergang aus dem Haus. Als sie zurückkam, dachte sie erst, ihre Mutter sei eingeschlafen ... und das war sie auch, aber für immer. Offenbar konnte sie erst dann loslassen, als ihr Kind nicht mehr da war. Vielleicht war es bei deiner Mutter ja ganz ähnlich und sie hat das gebraucht? Ihr habt sie nicht im Stich gelassen, sondern ihr habt sie gehen lassen.

Und ja, ich möchte in Zukunft wieder ein bisschen mehr im Büro arbeiten. Dieses Wochenende ist hier die große Hitzewelle vorbei, und dann kann man sich auch wieder dort aufhalten, ohne einen drohenden Hitzschlag fürchten zu müssen. :D

Auch dir viel Glück bei der Chaosbekämpfung!
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