Arbeiten gehen ?

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Nopsi
Beiträge: 27
Registriert: 4. Aug 2023, 19:37

Arbeiten gehen ?

Beitrag von Nopsi »

Guten Abend,

kurz zu mir: 59, alleinstehend, immer wieder Depressionen seit 1990, Klinikaufenthklat 2000, Suchttherapie 2010, alles soweit gut gelaufen. Seit einigen Monaten wieder in Depression; aktuell wird diese schwerer und ich denke über folgendes stets nach:
> ein Trigger bei mir ist meine finanzielle Situation: ich verdiene unter dem Durchschnitt, was aktuell reicht; die Ausblicke auf meine Rentenzeit sind dagegen trübe, was mich seit einiger Zeit zusätzlich runterzieht.
> Ich versuche, weiter auf Arbeit zu gehen, auch wenn es oft viel Kraft kostet. Zum einen, um nicht den Trigger wegen Finanzen zu verstärken, zum zweiten auch wegen der Kontakte und dem Inhalt meiner Arbeit, die ich gerne mache (Konstrukteur im Fensterbau)
> Ich entwickele einen Kontrollzwang, d.h. meine Arbeit prüfe ich wieder und wieder, verliere viel Zeit und Selbstsicherheit. Lieber sein lassen und Pause machen? Wie gesagt ist meine Sorge, daß wenn ich die Arbeit sein lasse, die Depri stärker wird.

Wie geht es euch mit solchen Gedanken? Auch mit den Sorgen um die finanzielle Zukunft im Alter? Ist ja ein Thema, was nicht schöngeredet werden kann. Zumindest ich kann es (noch) nicht
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Nopsi,

das ist eine Frage, die bei mir laufend auftaucht. Für mich ist Arbeit eine Stütze, die mir Halt gibt. Aber manchmal wackelt diese Stütze, d.h. die Belastungen durch die Depression bzw andere Ereignisse kosten so viel Kraft, dass ein Wochenende nicht mehr zum Kraft schöpfen ausreicht. Es ist nicht einfach zu entscheiden, ob eine Auszeit gut tut oder nicht. Ebenso schwierig finde ich es, dne Zeitpunkt zum Wiedereinstieg zu finden.

Auszusteigen und in die AU zu gehen ist für mich die leichtere Entscheidung. Die Kraft reicht nicht , ich beginne, die Stunden zu zählen ... es gibt so einige Anzeichen, die mir Überlastung signalisieren. Sobald aber das Ende der Krankschreibung naht, wird es problematisch ... normalerweise bin ich dann noch nicht total fit, es ist immer ein Ausprobieren mit der Idee, notfalls wieder zum Arzt zu gehen.

Natürlich ist das Finanzielle immer ein Thema - ich bin glücklicherweise lange nicht mehr AU gewesen, jedenfalls nciht so, dass ich ins Krankengeld gerutscht bin. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, wie stark dieses Thema zusätzlich belastet. Bist Du in psychologischer Behandlung?

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Schneefloeckchen
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Registriert: 1. Dez 2020, 17:50

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Schneefloeckchen »

Auf Wunsch der Mehrheitsgesellschafter von mir gelöscht.
Zuletzt geändert von Schneefloeckchen am 26. Aug 2023, 21:49, insgesamt 1-mal geändert.
Senif
Beiträge: 1216
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Senif »

Hallo Nopsi,

in einer Depression bin ich nicht arbeitsfähig, und war dann auch immer krank geschrieben. Für meine Rente hab ich nie die Chance die 35 oder 40 Jahr voll zu machen, weil ich zu lange krank war, insofern lohnt es sich für mich gar nicht mehr. Ich werde im Alter Sozialhilfe beziehen. Ich habe mich damit abgefunden, da ich ja auch nichts geleistet habe, kann ich nicht erwarten, sonst wie gut dazustehen.
Ich war arbeitsunfähig, nicht mehr änderbar.

Arbeit hätte für mich eine andere Komponente: ich kann noch was machen, kann Leistungen bringen und dort Selbstwirksamkeit erfahren und auch eine Stärkung meines Selbstwertes. Kontakt zu Kollegen würde mir bestimmt auch gut tun.
Ich habe mehrere Rehas gemacht - die gescheitert waren. Ich war zu krank. Das Ding ist, wenn ich krank bin, bringt die Reha nichts, bin ich gesund, oder geht es mir wesentlich besser, brauche ich keine Reha. Ist das bei euch auch so?

Die Zukunftsängste gehören leider zur Depression dazu. Aber es geht immer irgendwie weiter. Auch, wenn man nur noch Sozialhilfeempfänger ist.
Nopsi
Beiträge: 27
Registriert: 4. Aug 2023, 19:37

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Nopsi »

Ja, so sehe ich die Arbeit auch: im Grunde mache ich sie gerne, kann sie auch. KollegInnen sind super. Mir würde was fehlen. Und warum auch immer gelingt es mir auch, die Wochen durchzuhalten.
Nopsi
Beiträge: 27
Registriert: 4. Aug 2023, 19:37

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Nopsi »

Hallo Schneeflöckchen,

ja, die Arbeit ist mein hauptsächlicher sozialer Kontakt. Und wie du schreibst: was mache ich denn den ganzen Tag, wenn ich AU bin? Die WE sind so schon lange genug, obwohl ich viel Wandere und Radfahre; aber auch nicht mehr mit viel Begeisterung, eher als Beschäftigungstherapie und um müde zu werden.
Chillen geht gar nicht mehr, ein Buch lesen oder einer Fernsehsendung folgen: Fehlanzeige. Ständig Grübeln, Hadern usw. Und meistens dreht sich alles um das Alleinesein. Und das Wissen, daß ich im jetzigen emotionalen Zustand da nicht viel dran ändern kann. Partnersuche in depressiver Phase? Wie soll das denn gehen?
Macht euch das auch verrückt: daß ihr manchmal genau wisst, was helfen würde aber einfach nicht in der Lage seid, es zu tun? Wegen der Lähmung, der Blockade um Kopf und Herz.
Mir hilft es noch, einfach weiterzumachen.
Schneefloeckchen
Beiträge: 31
Registriert: 1. Dez 2020, 17:50

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Schneefloeckchen »

Auf Wunsch der Mehrheitsgesellschafter von mir gelöscht.
Zuletzt geändert von Schneefloeckchen am 26. Aug 2023, 21:50, insgesamt 1-mal geändert.
Nopsi
Beiträge: 27
Registriert: 4. Aug 2023, 19:37

Re: Arbeiten gehen ?

Beitrag von Nopsi »

Hallo Schneeflöckchen,

raus gehe ich immer, auch mit schwindender Begeisterung. Denn vor dem totalen Liegenbleiben habe ich Angst. Angst, nicht mehr hoch zu kommen. Ich weiß daß ich alle meine Kraft brauche, um irgendwie durch den Arbeitstag zu kommen wobei es immer mal wieder auch fast heitere Tage darunter gibt, wo durchflackert, daß ich das gerne mach was ich tue und alle KollegInnen sehr gerne treffe; hält mich am Laufen).
Dabei sind die alltäglichen Trigger bei mir meistens der Vergleich mit "den anderen", die sich aufs Wochenende freuen, was schönes vorhaben usw. Alles Sachen, von denen ich weiß, daß sie eine Teil von mir waren.
Als Konstrukteru bin ich technischer Zeichner. Ich habe Freihandzeichnen in der Suchttherapie versucht, nicht so meins. Ich spiele Klavier und singe im Chor (eine der wenigen Aktivitäten, die meistens noch eine Art Spaß macht). Singen ist super. Klavier ist ein Stimmungsbarometer: da merke ich sofort, wie es mir gerade geht bevor ich es selbst merke. Die Depression hat bei mir wie wohl bei dir auch Abstufungen.

Bzgl. des Wissens, was zu tun ist: ich weiß, daß eine der vielen Gründe meiner depressiven Phasen eine große Vernachlässigung meiner Selbst seit vielen vielen Jahren ist. Meine Mutter war schwer depressiv und ich habe unterbewusst stes darauf geachtet, bloß keinen Stress zu Hause zu machen. Dieses Verhalten (Verstecken, Leise sein, eigene Bedürfnisse hinten anstellen) hat sich dann mehr oder weniger auf alle Bereiche ausgeweitet. Und so schaue ich jetzt auf einen Trümmerhaufen. Ich habe noch soziale Kontakte und weiß, ich müsste diese intensivieren um nicht wieder die gleichen Fehler wie schon so lange zu machen; und schaffe es es doch nicht.
Ein praktischer Punkt: ich habe Kontakt zu einem Pflegeheim, wo ich Klavier spielen könnte. Würde mir zu "normalen" Zeiten Spaß machen, und auch jetzt bestimmt helfen. Allein die Lähmung ist zu groß bzw. der Gedanke, daß es auch sinnlos ist, ist stark.
In Facebook bin ich in Gruppen für Motorrad- und Wandersingles. Da geschehen viel Verabredungen. Nur ich werde nicht aktiv, weil ich nicht weiß wie ich mich wann fühle und schon zu oft versaute Begegnungen hatte, wo ich wie unter der Käseglocke handelte. Und nachher frustrierter als vorher war.

Noch ist es so, daß ich lichte Momente habe. Wobei ich meistens nicht weiß, wie die zustande kommen. Sind plötzlich da und machen etwas Hoffnung.

Und was ich mich auch frage: wenn 10 % der Bevölkerung an Depressionen leidet, dann müste ich doch einige kennen? Tue ich aber nicht. Oder die sind auch so gut im Täuschen wie ich mittlerweile. Mich wundert nämlich auch, daß es niemanden aufzufallen scheint, wie ich drauf bin. Dabei habe ich den Eindruck mich öfters durch Sätze und komisches Handeln zum Affen zu machen.

Für heute soll es genug sein, eine weitere, hoffentlich nicht wieder schlaflose, Nacht wartet.
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