Psychisch kranker Mutter droht Wohnungsverlust

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No_hope_for_joy
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Registriert: 23. Feb 2004, 19:35

Psychisch kranker Mutter droht Wohnungsverlust

Beitrag von No_hope_for_joy »

Hallo zusammen,
ich benötige mal Unterstützung als Angehörige. Meine Mutter ist psychisch krank, war ihr Leben lang depressiv (starkes Kindheitstrauma aufgrund der ersten Lebensjahre im Kinderheim und dann Adoption). Sie hat keine offizielle Diagnose, hat nie wirklich Therapie gemacht, aber sie hat extrem starke Ängst vor allem, ist komplett überfordert mit dem Leben, war nie auf eigenen Füßen, hat nie gearbeitet, kennt sich nicht aus in der Welt, ist eigentlich immer stets Kind geblieben. Sie lebt allein (meine Eltern sind seit 25 Jahren geschieden, dann ist meine Schwester ausgezogen, dann ich). Ihr Alltag ist dass sie mittags aufsteht, nachmittags mit dem Fahrrad zum einkaufen und ansonsten lesen, fernsehen, nix. Sie fühlt sich ständig erschöpft und schwach, geht nicht spazieren oder irgendwas.
Ich lebe seit 13 Jahren im Ausland und besuche eher selten. Ich hatte in der Vergangenheit meine eigenen Probleme mit psychischer Gesundheit und es geht mir einfach besser mit Abstand. Meine Schwester lebt vor Ort und schaut alle 2 Wochen nach ihr, aber es ist immer schwierig. Meine Mutter ist sehr negativ, schafft es nicht irgendwas Positives zu sehen, hat viel Wut in sich usw. Oft sitzt sie einfach stumm da und starrt ins Leere, so dass eine Unterhaltung unmöglich ist. Als ob sie geistig abgeschaltet hat (Dissoziation?). Sie nimmt keinen Ratschlag an, will keine Therapie und schon gar keine Medikamente (große Angst). Sie hat starke Angst vor Fremden, aber auch vor dem Alleinsein. Früher war sie ein paar mal in psychiatrischen Kliniken, wo sie auch ihren jetzigen Freund kennen gelernt hat. Der hat so seine eigenen psychischen Probleme und ist nicht wirklich eine Unterstützung.
Natürlich verstehe ich (jetzt. Als Kind sieht das natürlich anders aus) dass es alles einfach Teil der Krankheit ist, dass sie starkes Kindheitstrauma hat und sie tut mir einfach nur unendlich leid. Sie ernährt sich nicht gesund, hat den Mund voller schlechter Zähne aber geht nicht zum Arzt aus Angst, bewegt sich nicht, und es wird natürlich alles nur schlimmer mit der Zeit.
Für mich kommen dadurch natürlich Schuldgefühle auf (lasse ich meine Mutter im Stich?) aber ich musste mir erstmal selbst auf die Beine helfen und ich bin immer noch nicht komplett bereit, viel mehr zu geben. Ich finde die Situation sehr schwierig, denn natürlich hat man Verpflichtungen der Mutter gegenüber (sie hat mir das Leben geschenkt!) aber es ist auch nicht die Aufgabe des Kindes den Erwachsenen zu spielen, und ich habe durch die emotionale Vernachlässigung in der Kindheit mein eigenes Trauma.
Nun hat sich die Situation allerdings verschärft, denn das Haus, in dem meine Mutter lebt, wurde verkauft und sie muss zum Ende des Jahres ausziehen. Natürlich ist das total schwer in ihrer Situation und mit dem heutigen Wohnungsmarkt und sie hat Panik und große Verzweiflung und ist komplett wieder im Gelähmtsein-Modus (klar, Trigger-Modus volle Kanne, erneut wird sie sich selbst überlassen, das Kindheitstrauma erneut ausgespielt). Sie hatte eine Zeitlang eine Betreuerin, die auch nach Wohnungen geschaut hat aber meine Mutter war nie wirklich bereit, sich etwas anzusehen. Die Veränderung macht ihr große Angst. Die Betreuerin kommt nun nicht mehr, da meine Mutter etwas Geld geerbt hat und die Betreuerin damit selbst bezahlen müsste, was sie nicht möchte.
Der sozialpsychiatrische Dienst kann auch nicht viel weiterhelfen wenn meine Mutter keine Hilfe annimmt.
Ich hatte meiner Mutter vor einem Jahr eine schöne kleine Wohnung gefunden, aber diese lehnte sie ab. Heute denke ich, dass es wirklich richtig war denn es war von der Vonovia Gesellschaft, von der man auch nichts GUtes hört. Aber die Wohnung an sich war sehr schön. Aber es löst einfach nicht die Probleme meiner Mutter. Es gibt ein Betreutes Wohnen in ihrer Stadt (mit Warteliste) aber ein gemeinsames Wohnen kann sie sich auch schlecht vorstellen aufgrund ihrer Ängste.
Ich habe nur halt Angst was Ende des Jahres passieren wird, wenn sie aus dem Haus raus muss.
Es belastet uns alle, natürlich sie am meisten. Ich weiß für mich auch nicht wirklich wie stark ich meine Grenzen setzen sollte, oder wie sehr ich mich doch mehr für sie einsetzen sollte. Sie ist einfach so ein schwieriger Mensch der immer Hilfe abgelehnt hat (aber hauptsächlich aus Angst nehme ich an).
Sie ist einfach wie gelähmt und steckt den Kopf in den Sand (Trauma).
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Psychisch kranker Mutter droht Wohnungsverlust

Beitrag von Meridian »

Hallo no hope for joy,

ich bin eher im Alter deiner Mutter und vieles von dem, was du über sie und ihre Reaktionen schreibst kann ich nachvollziehen, außer dass ich mir bisher immer Unterstützung gesucht habe.
Aber dass sie Angst vor Veränderung hat, nicht wirklich aktiv werden und etwas umsetzen kann, das ist bei frühen Traumata tatsächlich extrem schwierig, das kenne ich gut.
Mein Sohn hat auch schon zweimal einen Wohnung für mich bei ihm in der Nähe gesucht und ich habe beide nicht genommen, weil ich komplett überfordert war mit der Idee umzuziehen und jetzt sitze ich hier und denke oft, wenn ich das doch bloß gemacht hätte......
Ich weiß, dass, genau wie du, mein Sohn sich Gedanken um mich macht, weil er sieht. wie es mir geht, aber eins ist mir ganz klar:
Mein Sohn ist nicht für mein Wohlbefinden zuständig und du nicht für das deiner Mutter
Du kannst ihr natürlich Hilfe anbieten und sie unterstützen, so gut es geht, aber wenn sie keine professionelle Hilfe annimmt, wird das sehr schwierig aus mehreren Gründen: Zum einen ist euer Verhältnis nicht unbelastet und das kann es bei einer traumatisierten Mutter auch nicht sein.
Wahrscheinlich hast du da früher als Kind schon eine Rolle übernommen, die du gar nicht ausfüllen konntest.
Ich finde es bemerkenswert, wie viel Verständnis du für deine Mutter und ihr Trauma aufbringst.
Gerade ein Kindheits-und Verlassenheitstrauma wirkt so nachhaltig in alle Lebensbereiche hinein, dass manchmal selbst eine gute therapeutische Unterstützung da an ihre Grenzen kommt.
Trotzdem es natürlich wichtig, weil es dich auch entlasten könnte, denn du bist ja nicht ihre Therapeutin.
Ein schlechtes Gewissen und den Gedanken, dass du mehr tun müsstest, musst du nicht zu haben.
Du bist für sie da, soweit du das leisten kannst, alles Weitere muss deine Mutter wollen.
Pass bitte auch auf dich auf.

LG, Meridian
Maxegon
Beiträge: 2528
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Psychisch kranker Mutter droht Wohnungsverlust

Beitrag von Maxegon »

Hallo No_hope_ ... ,

ähnliches habe ich auch mit meinem Vater durch, er war ein sturer Totalverweigerer.
Nichts fruchtete! Alle Hilfsstellen äußerten ähnliches: Wenn er nicht will, können wir nichts machen.

Ich war an meinen Grenzen und selbst dem Wahnsinn nahe, nach Jahren, des fast täglichen Probierens, zog ich mich gänzlich zurück.
Ich war es leid, den bodenlosen Eimer immer wieder befüllen zu wollen!
Auch meine Schwester zog sich Jahre zuvor zurück.

Du kannst es nur immer wieder versuchen, deine Mutter zum Umdenken zu bewegen oder irgendwann selbst im "Hätte, Würde, Könnte" versinken.

Traurig ...

Grüße
No_hope_for_joy
Beiträge: 4
Registriert: 23. Feb 2004, 19:35

Re: Psychisch kranker Mutter droht Wohnungsverlust

Beitrag von No_hope_for_joy »

Vielen Dank Euch beiden!
Ja, es ist wirklich schwierig. Ich denke, ich habe Verständnis für sie, weil ich in meiner eigenen psychischen Gesundheitsgeschichte kleine Einblicke bekommen habe, wie man sich fühlen kann - niemals in dem Ausmaß, in das sie reingerutscht ist, aber ich kann die Panik und Verzweiflung verstehen und dass man Hilfe schwer akzeptieren kann. Sie hat ihr Trauma an mich weitergegeben, Kinder saugen ja eh alles auf von der Mutter und denken dann, es ist ihre Schuld wenn Mama traurig ist. Ich habe viele Jahre an mir gearbeitet und fühle mich psychisch stabil. Arbeite aber weiterhin an Traumaaufarbeitung. Was es natürlich nicht einfach macht, wenn man sich immer noch so viele Sorgen um die Mutter machen muss.
Sie tut mir einfach sooo unendlich leid. Ein vergeudetes Leben, ständig in negativen Gedanken, nichts machen aufgrund der Angst. Und mit all dem was ich gelernt habe (auch ernährungstechnisch und wie es einem besser gehen kann) tut es mir leid zu wissen, dass es ihr besser gehen könnte...wenn wenn wenn.
Aber ich kann nicht bei ihr einziehen und ihr Essen kochen und ihr die Hand halten (obwohl mein schlechtes Gewissen mir das manchmal vorwirft). Ich sehe ja wie andere sich um ihre alten Eltern kümmern. Meinen Opa würde ich wahrscheinlich auch im Haus pflegen, wenn mir das möglich wäre. Aber das Verhältnis zu meiner Mutter ist einfach anders, und das ist traurig.
Ich weiß, hier kann nicht groß Hilfestellung gegeben werden, auch nicht bzgl Wohnungssuche, aber es hilft schon sich mal auszutauschen. Es ist schwierig mit anderen über diese Themen zu sprechen wenn sie es nicht selbst erlebt haben. Was ich mit meiner Mutter erlebt habe, muss man selbst erfahren haben, sonst kann man es sich nicht vorstellen.

Daher danke Euch für Eure Worte!
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