Überfordert und enttäuscht von mir selbst

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Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Überfordert und enttäuscht von mir selbst

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo zusammen,

ich muss mir heute mal etwas von der Seele schreiben: Mein Urlaub ist halb rum und ich habe nicht mal ansatzweise geschafft, was ich wollte. Dazu gehörte neben Ausmisten (ist ja gerade Thema in einem anderen Thread; ich habe gerade mal ein Teil second-hand verkauft und das war sehr zeit- und kraftaufwändig) auch, dass ich mich nach langer Pause endlich mal wieder um einen Therapieplatz kümmern wollte.
Das Problem: Ich bin in einem ziemlich miesen Tarif privat versichert (50% + Beihilfe 50%). In diesem werden z.B. nur 20 psychotherapeutische Sitzungen pro Jahr übernommen. Die Beihilfe übernimmt allerdings mehr. Ein Tarifwechsel wäre nur mit erneuter Gesundheitsprüfung möglich - aufgrund der Depressionsdiagnose (plus anderer Verdachtsdiagnosen diverser Therapeutinnen, allerdings nur im Erstgespräch geäußert, nicht auf der Rechnung) kann ich das abhaken. Ich habe zwar sämtliche Sitzungen privat gezahlt, aber das Verschweigen wäre ein zu großes Risiko und mir wurde durch einen unabhängigen Berater strikt davon abgeraten. Auch ein Aufenthalt in der sehr teuren privaten Tagesklinik (die einzige hier in der Nähe, die sich auf die Behandlung von Traumata spezialisiert hat), würde wohl nur aus Kulanz durch die PKV übernommen. Ob ich es schaffe, während des laufenden Betriebs im Job einen Therapieplatz zu suchen und eine ambulante Therapie durchzuhalten, weiß ich nicht. Auch kenne ich momentan noch nicht mal meinen Einsatzplan ab August. Im Job habe ich aufgrund meiner geringeren Belastbarkeit und meines geringen Selbstwerts auch zunehmend Probleme. Zwei Abordnungen in den letzten Jahren (öffentlicher Dienst) haben es nicht besser gemacht.
Nun machen meine Geschwister noch Druck, wir müssten mal dringend mit unseren Eltern das Erbe regeln. Unsere Eltern sind um die 70. Ich denke zwar prinzipiell auch, dass solche Angelegenheiten vor Eintritt des Ernstfalls geregelt sein sollten, aber unsere Mutter fühlt sich von meinen Geschwistern unter Druck gesetzt und so geht das ja auch nicht. Außerdem ist unsere ganze Familie in hohem Maße dysfunktional (aus meiner Sicht gehören sämtliche Familienmitglieder in therapeutische Behandlung, und zwar schon lange) und jeder Kontakt wirkt auf mich toxisch (Stichwort physische und psychische Gewalt in der Kindheit, von Letzterer habe ich das Meiste abbekommen). Sich mit allen zusammenzusetzen und Dinge wie Pflege und Erbe zu besprechen würde mich momentan über die Maßen überfordern. Eines meiner Geschwister hat nun das Stichwort "Familiengesellschaft" genannt, um angeblich Steuern zu sparen. Ganz ehrlich gesagt wäre mir eine klare Trennung des Erbes lieber, da meine Beziehung zu meinen Geschwistern nicht mehr die beste ist und ich im Freundeskreis schon mitbekommen habe, wie endlos sich Erbstreitereien hinziehen können. Auch habe ich null Interesse daran, an meinem Elternhaus festzuhalten: Es ist für mich nur noch der Ort, an dem ich lebenslang traumatisiert wurde. Außerdem ist es zwar ein schönes Haus, das aber riesig und in die Jahre gekommen ist. Damit wird die Instandhaltung und -setzung Unsummen verschlingen.
Gerade schleppe ich mich einsam und grübelnd durch die Tage - und das war dann mein Urlaub??? Danke fürs Lesen und vielleicht für euren Rat. Ich versuche nun, mir für jeden Tag zumindest eine Aufgabe vorzunehmen und zu bewältigen.
Viele Grüße
Phoenix
Winterkind04
Beiträge: 400
Registriert: 27. Sep 2020, 06:52

Re: Überfordert und enttäuscht von mir selbst

Beitrag von Winterkind04 »

Huhu,

ja, dass sind große Baustellen - aber Urlaub ist auch zu Erholung da.
Bin auch alleine ( glaube du auch). Meine Erfahrung ist auch das Urlaub für mich oft auch schwierig ist.
Ganz schnell die Gefahr in dem Gedankenkarusell zu versinken.
Ich habe inzwischen einen Freizeitliste :roll:
Da steht drauf von Wanderungen (Routen) usw. was ich machen könnte. Und, jeden Urlaubstag mache ich was davon - dass ich rauskomme.
Also für mich ist es so - dass ich Tagesstruktur brauche und die ist schnell im Urlaub weg…
Aber ich probiere inzwischen mir bewusst dann gute Aktivitäten zu gönnen - auch wenn ich am Schluss nur ein Tag im Schwimmbad rum gelegen bin - besser als zuhause im Bett.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Überfordert und enttäuscht von mir selbst

Beitrag von MissMikse »

Hallo Phoenix,

ich kann dich gut verstehen, ich hab/hatte auch so viele Baustellen gleichzeitig in meinem Leben, dass ich hinten und vorne nicht wusste, wo ich anfangen soll. Also hab ich an allen Ecken und Enden gleichzeitig angefangen - das war eine mal mehr, aber oft eher weniger erfolgreiche Strategie. Irgendwann haben sich Prioritäten raus kristallisiert und dann konnte ich eher eins nach dem anderen angehen. Sobald dann mal eine Sache halbwegs stabil lief, fiel es mir auch leichter, mich um die nächste Baustelle zu kümmern.
Es könnte dir also vielleicht helfen, erst mal für dich zu schauen, was denn aktuell das Wichtigste ist und damit anfangen? Oder vielleicht fällt es dir auch leichter, mit was weniger Schwierigem anzufangen, mit einer kleinen Aufgabe, die gut und relativ schnell zu erledigen ist?
Große Aufgaben in viele, viele, kleine Häppchen unterteilen - und die einzelnen Schritte schriftlich festhalten - und bei Bedarf nochmal in kleinere Krümel unterteilen. Das waren so die Dinge, die mir geholfen haben und vielleicht eine Anregung für dich sind.

Bzgl. Elternhaus und Erbe regeln: meine Mama hat das mit ihren Geschwistern und ihren Eltern gemacht. Und was kam schlussendlich raus? Das Leben hat sich weiter gedreht, es kam doch anders als besprochen - der ganze Plan war damit ein Fall für die Mülltonne und es gab böse Streitereien.
Meine Eltern haben mit meinem Bruder auch schon eine Regelung getroffen, die mit einschließt, dass ich später das Elternhaus komplett erbe. Und damit geht es mir wie dir: das Haus ist viel zu groß für mich allein und ich habe fast ausschließlich negative Erinnerungen daran. Also eigentlich will ich es nicht haben und mich auch nicht damit beschäftigen und belasten. Deswegen hab ich meinen Eltern auch gesagt, dass ich es nicht schon vorher überschrieben haben möchte. Dieses Fass mach ich erst auf, wenn es nötig ist. Wer weiß, was bis dahin noch alles kommt. Falls meine Eltern irgendwann ins Heim müssten, muss das Haus eh verkauft werden um die Kosten zu decken. Dann entfällt der ganze Rest sowieso.
Wenn deine Geschwister oder deine Eltern was regeln wollen, sollen sie das machen. Du musst dich da doch nicht unbedingt in die Verhandlungen mit einklinken, oder?

Aber wenn du aktuell Urlaub hast, dann versuch bitte noch was Schönes zu machen, dich zu erholen, dir eine Verschnaufpause zu gönnen, vielleicht mal nen Tag weg fahren oder 2. Ich hab auch viele Urlaub so voll gepackt mit allem möglichen Kram, dass ich danach Urlaub vom Urlaub gebraucht hätte - da ich aber wieder arbeiten gehen musste, war ich schlussendlich nie wirklich erholt. Das funktioniert auf Dauer nicht.

Schönen Abend und liebe Grüße
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Überfordert und enttäuscht von mir selbst

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo, ihr beiden,
vielen lieben Dank für eure Worte - es tut so gut, gehört und verstanden zu werden.
Tatsächlich fühle ich mich gerade ziemlich einsam. Nur, weil man Urlaub hat, dreht sich ja das Leben nicht plötzlich um 180 Grad - leider.
Ihr habt Recht, ich sollte trotzdem auch was Schönes, "Urlaubsmässiges" machen. Wegfahren, auch wenn es nur 2 Tage sind, empfinde ich leider als sehr anstrengend, vor allem, weil ich in einem fremden Bett direkt wieder nicht schlafen kann. Ich bin ein sehr kompliziertes Wesen;) Nächste Woche muss ich allerdings ausgerechnet zu meinen Eltern, ich treffe aber auch eine Freundin dort. Vielleicht besuche ich auch noch einen Studienfreund.
Danke für eure Tipps, wie man Aufgaben portionieren und priorisieren kann. Mir gefällt der englische Satz "First Things First." Ich versuche jetzt, jeden Tag zumindest etwas Kleines von der Liste zu erledigen, aber mir auch was Gutes zu tun. Und es stimmt: Oft geht es mir aufgrund der Grübeleien und der Einsamkeit im Urlaub schlechter als wenn ich arbeite - Dann sind es allerdings schnell wieder zu viele Kontakte und Verpflichtungen.
Was das Erbe betrifft: Eigentlich ist es dann ja vielleicht gar nicht so schlecht, wenn jeder äußern kann, was sie/ er sich vorstellen kann. Ich glaube z.B., dass meine Geschwister Interesse an dem Haus haben. Dann wäre ja allen geholfen. Jeden erstmal anzuhören ist ja eigentlich positiv. Nur darf es dann keinen Streit geben und ich fühle mich oft nicht ernst genommen. Mal sehen, wie das weitergeht. Ich verstehe deine Gedanken bzgl. des Hauses deiner Eltern gut, MissMikse!
Ich danke euch und verabschiede mich für heute aus dem Forum.
Ich wünsche euch eine gute Nacht!
Phoenix
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