Depression oder Beziehungsende? Gewissenskonflikt

[Friederike777]

Hallo zusammen,
Seit einigen Wochen ist mein Partner (32, Unternehmensberater, wir haben keine Kinder) in einer Lebenskrise: er ist phasenweise sehr niedergeschlagen, traurig und verzweifelt und mit sich selbst überfordert. Er sagt, er zweifelt all seine Lebensentscheidungen an und weiß nicht mehr, ob er mit mir zusammen sein möchte. Wir sind seit 10 Jahren zusammen und ich habe ihn noch nie so erlebt.
Es fällt mir sehr schwer für ihn da zu sein, weil er mich wegstößt: er sagt er möchte wegziehen, hat einen bevorstehenden gemeinsamen Urlaub storniert und will sich einfach nur isolieren, um sich wieder zu spüren.

Ich bin natürlich verletzt und spüre auch das Bedürfnis, mich von ihm zurückzuziehen. Die Verlustängste sind sehr groß.

Mir fällt jedoch auf, dass er sich zum einen mit seinem sehr intensiven Job und viel viel Arbeit ablenkt, sich keinem Freund gegenüber öffnet, sich nur mit mir manchmal austauscht. In den Ruhephasen Zuhause bricht er zusammen und weint oft stundenlang.

Da ich diesen Schwebezustand schlecht aushalten konnte, habe ich Druck gemacht, er solle Verantwortung übernehmen und den Vorschlag gemacht, er sollte (um dem Wunsch nach Abstand nachzukommen) für einen Monat in die andere Stadt ziehen und selbst erleben, ob das sein Wunsch ist. Dazu hat er sich entschlossen.

Er sagt Dinge wie „ich hasse mich dafür, dass ich wieder keine Verantwortung übernehme und die Dinge passiv entscheide, in dem ich nichts entscheide“ und das trifft es für mich auf den Punkt, ich habe jedoch Angst dass er eine Depression haben könnte, die sich vielleicht immer mehr verschlimmert und ich ihn wegstoße, um mich selbst zu schützen, dass ich seine Verzweiflung falsch deute (dass er die Beziehung unbewusst beenden will aber sich nicht traut) und er sich vielleicht am Ende so allein auf der Welt fühlt, dass er keinen Ausweg mehr sieht.

Ich habe seine Schwester und seine Eltern gebeten, immer mal bei ihm „einzuchecken“ (er ist gerade auf einer längeren Dienstreise in Asien) und auch gesagt, dass ich mir Sorgen um ihn mache.

Was ratet ihr mir?

[DieNeue]

Hallo Friederike777,

eine Ferndiagnose kann hier ja leider keiner stellen, aber egal ob Depression oder nicht, er könnte sich auf jeden Fall an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Das ist eine kostenlose Beratungsstelle, die es z.B. bei der Caritas, Diakonie o.ä. gibt und die für Menschen mit psychischen Problemen und in Krisen da sind. Und in einer Krise steckt er ja gerade offensichtlich.
Aber auch Angehörige oder Freunde können sich dort hinwenden. Wenn du also jemanden zum Reden brauchst oder jemanden, der die Situation besser einschätzen kann, kannst du dort auch hingehen.

Dass du dir Sorgen machst, kann ich gut nachvollziehen. Ich habe selber auch Depressionen (bin selbst betroffen, habe aber auch Angehörige, die eine psychische Erkrankung haben) und das Nicht-Entscheiden-Können, stundenlang heulen und sich selber Vorwürfe machen, kenne ich gut.
Ich würde versuchen möglichst wenig Druck und Vorwürfe zu machen.

Liebe Grüße,
DieNeue

[Calca]

Die wichtigste Frage für dich sollte sein, ob er aktiv etwas an seinem Zustand ändern möchte. Ist er arbeitsbedingt überlastet und geht es eventuell in Richtung Burnout? Steht er unter großen Leistungsdruck und hat das Gefühl die geforderte Leistung nicht erbringen zu können?
Die Ursachen sollten auf jeden Fall beleuchtet werden und das durch einen Fachmann.
Du kannst ihn nicht zwingen und du kannst ihn auch nicht an die Hand nehmen. Er muss es selber wollen und angehen, du kannst ihn dabei nur unterstützen. Wenn er erstmal eine Trennung möchte und dir die Beziehung wichtig ist, sei für ihn da und biete ihm deine Unterstützung an. Mehr kannst du leider nicht machen.
Das ist ähnlich wie beim Alkoholiker. Du kannst mit Druck und Kontrolle die Symptome lindern, aber nicht das eigentliche Problem beheben. Das muss von ihm ausgehen.

[Friederike777]

Vielen Dank für eure Antworten!
Die letzte Zeit war unglaublich hart - mittlerweile bin ich mir fast sicher, dass er eine Depression hat. Er hatte zuletzt gar keine Energie mehr und ich konnte auch immer weniger geben, weil mir die ganze Situation Kraft geraubt hat. Er hat eine andere Frau kennengelernt und hat mich verlassen.

[Baumkrone]

Hallo Friederike,

das tut mir Leid zu lesen. Wie geht es Dir damit? Wie lange ist die Trennung jetzt her? Kommst Du zurecht?
Wie hat sich die Situation bei euch nach seinem Auszug weiter entwickelt.
Berichte gerne, wenn du möchtest.

Liebe Grüße
Baumkrone