Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

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Xray
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Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Xray »

Hallo ihr,

Ich habe hier schon viel gelesen. Viel was mir Mut macht, aber leider auch vieles was mir Angst macht.

Ich bin seit 5 Jahren mit meiner Freundin zusammen gewesen und wir hatten uns im letzten Jahr verlobt. Wir waren überglücklich und haben unsere Hochzeit geplant. Dann ging es vor 2-3 Monaten los, dass sie sich immer weiter zurück zog. Sie wollte keinen Körperkontakt mehr und sagte oft sie habe sich zu oft für andere verändert und weiß nicht mehr wer sie selbst ist. Ich war geschockt und habe versucht verständnisvoll auf sie einzugehen. Ich habe versucht mit ihr mehr Zeit zu verbringen, damit sie auf andere Gedanken kommt, aber sie war kaum zu motivieren. Sie wollte teilweise gar nicht mehr aufstehen. Sie hing ständig am Handy und ich saß nur daneben und war unsichtbar. Wenn ich sie darauf angesprochen habe, war sie schnell gereizt und sagte sie muss sich ablenken. Sie konnte nicht mehr richtig schlafen und war oft nachts bis um 3 wach und am Handy. Ich konnte sie emotional gar nicht mehr erreichen und sie zog sich weiter zurück.
In der vorletzten Woche haben wir uns dann getrennt nachdem sie mir sagte, dass sie so unglücklich ist und sie mich nicht mehr glücklich machen kann.
Ich weiß mir aktuell nicht zu helfen, ich liebe sie nach wie vor. Sie ist emotional absolut stumpf. Sie sagt ihr ist alles egal. Spricht über Suizidalität und Abschiedsbriefe. Sie will anderen kein Leid mehr zufügen. Gleichzeitig ist sie wahnsinnig überfordert und zieht sich immer weiter in sich zurück.

Man muss noch dazu wissen: sie hat einen anstrengenden Job im sozialbereich mit Schichtarbeit. Ihre Arbeit bedeutet ihr gerade alles, weil sie ihr anscheinend die letzte Struktur gibt. Ich glaube jedoch, dass die Arbeit einen großen Teil zu diesem Zustand beigetragen hat.

Wir haben viel gesprochen und reflektiert. Sie sagt, sie hat in der Beziehung nicht über ihre Probleme gesprochen, weil sie Angst hatte, ich würde sie dann nicht mehr mögen. Sie hat sich bei mir nicht verstanden gefühlt.

Ich finde dieser Zustand muss dringend behandelt werden. Sie geht zwar zu einer Psychotherapeutin, die Sitzungen sind allerdings nur im 2 Wochen Rhythmus und jetzt ist gerade Ferienpause. Ich war schon mit ihr beim Hausarzt um wenigstens Medikamente zum Schlafen zu bekommen. Sie will nicht in eine Klinik oder psychiatrische Behandlung, weil sie angst hat dann nicht mehr arbeiten gehen zu dürfen.

Ich weiß auch ich kann sie nicht zwingen und unter Druck bringt Therapie nichts. Aber irgendwie muss hier doch etwas getan werden.

Mal ganz abgesehen von ihrer Situation bin ich selbst natürlich voll am Ende. Ich war überzeugt dieses Jahr die Frau meines Lebens zu heiraten und innerhalb von 2 Monaten steht eine komplett andere Person vor mir, die jetzt alleine leben und wohnen will und mich nicht mehr will. Ich versteh die Welt nicht mehr.

Ich weiß das war viel Text und die Geschichte ist noch komplizierter als das was schon da steht, aber ich hoffe ihr habt irgendeinen Tipp, wie ich ihr helfen kann und vielleicht auch mir selbst. Denkt ihr es gibt irgendeine Chance meine damals Verlobte zurückzubekommen?

Vielen Dank fürs Lesen.
Ina23
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Registriert: 28. Apr 2023, 17:41

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Ina23 »

Hallo,
Ich fühle mit dir und erlebe gerade exakt die gleiche Situation!
Mein Freund hat sich auch von mir getrennt weil er keine Gefühle mehr für mich hat in Kombination mit einer manisch-depressiven Phase. Ich weiß genau wie machtlos du dich fühlst. Leider kann ich dir keine Tipps geben. Aber wir können uns gerne jederzeit austauschen!
Ich weiß es ist unglaublich schwierig … aber Sie muss die Verantwortung selbst tragen. Du machst dich nur fertig wenn du ihr immer helfen willst und sie will keine Hilfe annehmen. Du hast auch jemanden verdient der dich respektiert und wertschätzt und nicht mit dir Schluss macht. Ich weiß es ist eine Krankheit und man muss ihr wirklich helfen! Aber anscheinend möchte sie von dir nicht geholfen werden. Hast du Kontakt zu ihren Freunden oder Eltern?
Wenn ihr wirklich zusammen gehört, dann findet eure Liebe wieder zueinander!

Ich wünsche dir ganz viel Kraft!
Xray
Beiträge: 8
Registriert: 9. Apr 2023, 08:01

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Xray »

Hallo Ina,

vielen Dank für deine aufbauenden Worte. Das tut mir sehr leid für dich. Es ist wie verhext, wenn der Partner die Gefühle plötzlich im Tiefkühlfach verliert.

Ich habe Kontakt zur Freundin und zu den Eltern, aber das ist leider sehr schwierig.

Ich schreibe dir mal eine Nachricht dazu, weil es leider viele eigenartige Details dazu gibt.

Ich wünsche auch dir ganz viel Kraft das alles zu verarbeiten. Denk daran, dass nicht du es bist, die nicht gemocht wird, sondern die Gefühle einfach aufgrund der Erkrankung nicht fühlbar sind.

Auch wenn es sehr verletzend ist, hoffe ich du findest deinen Weg.
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr lieben Liebenden, hallo X-Ray!

Ich schreibe hier nicht mehr viel und lese auch nur ab und an quer. Ganz kurz: Ich bin seit acht Jahren mit einer Frau in einer Fernbeziehung zusammen, die unter Depressionen leidet. Bei ihr ist diese Krankheit dadurch gekennzeichnet, das sie in sehr stark abgegrenzten, immer wiederkehrenden Episoden verläuft. Diese Episoden können ein paar Tage andauern, aber auch mehrere Monate. Derzeit steckt sie mal wieder etwas länger in einer Episode fest... In diesen Zeiten beendet sie regelmäßig die Beziehung. So geht dies schon die ganze Zeit. Im Moment ertappe ich mich bei der Frage, ob ich dies so weiter machen will. Vor allem vor dem Hintergrund, das sie jegliche professionelle Hilfe ablehnt, ja die Krankheit sogar ignoriert. Was soll sich da schon ändern? Mittlerweile sehe ich auch hinter jeder on- off- Beziehung, eine Beziehung in der mindestens ein Partner eine Störung im emotionalen oder sozialen Bereich hat. Kleiner Sidekick: Bei Bettina und Christian Wulff ;-)
Jetzt hatte ich auch noch das Glück, im Urlaub eine Neuropsychologin kennen zu lernen. Die habe ich ausgequetscht und sie hat mir schon eine ganz neue Sichtweise gegeben. Dazu später mehr.

Ich möchte euch Mut machen, denn ich bin sehr gut durch diese acht Jahre gekommen. Okay, nicht gerade am Anfang. Es hat einfach gedauert, bis ich überhaupt kapiert habe das meine Freundin unter Depressionen leidet und was dies für eine Beziehung bedeutet. Nächtelang gesprochen... für nichts und wieder nichts. Immer wieder das Hauptargument, das es besser für mich wäre, wenn wir die Beziehung beenden. Immer wieder von mir das Argument, das dies ja wohl ich zu entscheiden hätte, was besser für mich ist. Ich könnte mir vorstellen, viele von euch kennen diese Gespräche. Egal wie viel ich „investiert“ habe, am Ende stand immer die Trennung. Und dann, als die Episode vorbei war, haben wir die Beziehung weiter geführt.

Was mir wirklich geholfen hat ist, dass ich mir immer wieder gesagt habe, das dies nichts mit mir zu tun hat. Ich kann auch nicht helfen – das ist eine Sache für Profis. Ich kann Partner, Freund, Liebhaber sein, aber ich kann in keinster Weise mit ihr zusammen gegen die Depressionen kämpfen. Es ist einfach ihre Krankheit, nicht meine. Man könnte dies durchaus mit einem Knochenbruch vergleichen – da muss auch ihr Knochen heilen und ich kann diesen Heilungsprozess nicht beeinflussen. Klar, man kann in dem Fall pragmatisch helfen... aber die Reha kann ich nicht für sie machen. Gut, sich professionelle Hilfe nehmen will sie sowieso nicht.
Und was mir auch sehr gut tut: Ich lebe mein Leben... das geht natürlich bei einer Fernbeziehung einfacher. Aber Urlaub plane ich in erster Linie für mich, da ich ja nie weiß inwieweit sie zu dem Zeitpunkt kann. Das mag jetzt sehr egoistisch klingen... es tut aber mir gut und hat auch noch nie zu Problemen geführt.

Und so habe ich in den letzten Jahren, jedes mal wenn sie in eine Episode abgerutscht ist, mich diskret zurück gehalten. Einfach nicht am großen Rad drehen – es hat eh kein Zweck. Das einzige was ich gemacht habe, war sozusagen unter dem Radar einer Beziehung, ihr meine Freundschaft angeboten. Ich habe gelernt dies sehr dosiert zu tun und sie nicht mit Nachrichten zu bombardieren. Ein, zwei Mal im Monat eine Nachricht... mehr nicht. Eher belanglose Sachen. Manchmal, wenn ich auch sauer war, habe ich ihr dies auch mitgeteilt. Aber meist versuche ich ihr einfach nur mitzuteilen, das ich für sie als Freund da bin. Mal kam keine Antwort, mal aggressive, mal liebe.
Hm, das klingt jetzt alles nicht so schön... aber ich schreibe hier nur über die Zeiten, in denen die Depressionen die Beziehung bestimmen. In den Zeiten, in denen die Krankheit keine Rolle spielt, ist es eine sehr schöne, sehr innige, liebevolle Beziehung die ich nicht missen möchte – bis jetzt.

Die Frage die ich mir halt stelle ist: Will ich das ewig so weiter machen? Es ist mir einfach absolut klar, das nach der Episode einfach nur vor der Episode ist. Eine wirkliche Zukunft kann man so nicht aufbauen. Alleine zusammen ziehen kann ich mir nicht vorstellen. Das ist schon eine traurige Erkenntnis, denn wir passen halt schon zusammen und lieben uns – außerhalb der Episoden.
Und bildlich auf den Pott gesetzt hat mich die Neuropsychologin, die ich kennenlernen durfte. Weil sie mir einfach meine letzten naiven Vorstellungen genommen hat über Depressionen ;-) Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, das wir Angehörige sehr blauäugig unterwegs sind. Wir müssen uns nur etwas Mühe geben zu verstehen, unser Verhalten anpassen und dann geht das irgendwie, dann können wir helfen. Das ist die Denkweise von nicht Depressiven – ein Problem anpacken und lösen. Mit Kommunikation, Anpassung etc. und vor allem partnerschaftlich. Wesensänderungen sind hier in letzter Zeit thematisiert worden. Ja, genau so würde ich dies auch beschreiben. Das diese Wesensänderung fundamentale Denkstrukturen beeinflussen – darüber sind wir uns gar nicht bewusst, da wir es nicht kennen. Das man als Partner zum Feind werden kann, einfach nur weil man Partner ist, das können wir nicht nachvollziehen. Diese ganzen logischen Brüche, auf rationaler wie auch auf emotionaler Ebene, sind für Nicht-depressive nicht nachvollziehbar. Kann man eine Beziehung mit jemanden führen, der nicht dazu fähig ist, da letztlich seine emotionalen und sozialen Fähigkeiten nicht stabil sind? Dessen Denkstrukturen einem depressiven Muster folgen? Ja, man kann es und es kann auch sehr schön sein. So habe ich es die letzten acht Jahre getan. Seid einfach mutig und probiert es. Aber seid nicht naiv. Eine Störung in den Emotionen ist einfach keine Bagatelle – ansonsten wären Depressionen ja auch keine Krankheit.
Und ja, mir ist bewusst das dies sehr individuell ist. Es gibt allerdings nicht angemessene Verhaltensweisen, die man auch als Angehöriger oder Partner niemals mit Depressionen entschuldigen sollte. Meine Freundin war zu keinem Zeitpunkt ein Arsc***ch und alleine schon deshalb liebe ich sie. Sie hat sich zurück gezogen, emotional und tatsächlich – mehr nicht.
Wie auch immer – ihr müsst wissen was ihr wollt. So einfach kann es manchmal sein. Nur, seid nicht naiv dabei.

LG
MissMikse
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Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von MissMikse »

Hallo zusammen,

ich spreche hier jetzt mal was aus, was mir vermutlich der ein oder andere übel nehmen wird oder es zumindest könnte... aber ich denke, da ist einfach viel Wahres dran.

Ich gehöre selbst zu den Depris. Ich bin schon mehr oder weniger mein Leben lang Single und hab mir immer einen Partner gewünscht. Je länger ich mich aber mit mir selbst und den Depressionen beschäftigt habe, je mehr ich auch versucht habe, zumindest ein Stück weit Heilung zu finden, umso klarer wurde mir, dass ich nie einen Partner auf Augenhöhe wollte, sondern einen, an dem ich mich festhalten kann, einen der auf mich aufpasst, mich beschützt vor der bösen Welt da draussen, einen der den Laden schmeißt (Haushalt und Co.) wenn ich es grade nicht kann.
Klar, ein Stück weit gehört das zu einer Beziehung dazu. Wenn der eine mal nicht kann, übernimmt der andere mehr und in anderen Zeiten umgekehrt. Jedoch war es bei mir lange Zeit so, dass es ein ungesundes Maß an "mehr" war, das ich mir gewünscht hätte vom Partner.
Wenn ich an einen von euch geraten wäre, wäre es vermutlich genauso gelaufen, wie es hier immer wieder beschrieben wird. Ihr nehmt dem Betroffenen ganz viel an Verantwortung ab, ihr seid die Starken, der andere ist der schwache Part, es ist nie auf Augenhöhe, der Betroffene merkt das auch, fühlt sich unglücklich darüber, aber er hat im Endeffekt keinen triftigen Grund sich zu ändern, weil es ja so viel bequemer für ihn ist, auch wenn er nicht glücklich ist dabei. Und schlussendlich macht er euch noch dafür verantwortlich, weil ihr scheinbar nicht stark genug seid, um für euch beide ein schönes Leben her zu zaubern.

Ich habe mittlerweile erkannt, dass ich gar keine glückliche Beziehung hätte führen können in der Vergangenheit. Und ich arbeite hart an mir, damit es mir besser geht und ich somit vielleicht auch an den Punkt komme, wo eine gute Beziehung auf Augenhöhe möglich ist. So langsam nähere ich mich diesem Punkt.

Aber ich vermute, dass viele Betroffene nicht sehen wollen dass sie an sich arbeiten müssen und einfach Angst davor haben, alleine zu sein. Also stürzen sie sich in solche Beziehungen, wie sie hier beschrieben sind. On-Off, eine Mischung aus Klammern und Rückzug, Achterbahn pur. Ich will damit nicht sagen, dass Depressive nicht in einer Beziehung sein sollten! Bitte nicht falsch verstehen!
Aber gerade für die hier beschriebenen Fälle (der Betroffene nimmt z.B. keinerlei professionelle Hilfe an und ist nicht bereit an sich zu arbeiten) sehe ich keine Chance auf eine dauerhafte glückliche Beziehung. Diese Betroffenen sollten erst einmal an sich selbst arbeiten und lernen, mit der Krankheit umzugehen, dann fällt es auch leichter eine Beziehung zu führen, weil der Partner das Gefühl hat, dass der andere weiß, was er jetzt braucht und bald wieder ok ist. Auch, wenn das dann mal ein wenig Rückzug und mehr Ruhe bedeutet, so sind es dann trotzdem nicht diese riesengroßen Spannungen und totalen Extreme bis hin zur Trennung über Monate. Und man ist dann auch bereits stabil genug, um trotzdem immer noch im Gespräch bleiben zu können, statt den Partner nur noch anzuschweigen und nicht fähig zu sein, den wichtigsten Mensch im Leben mit in den Prozess einzubeziehen.

Ich verstehe, dass ihr eure Partner liebt. Und das ist auch schön. Aber ich glaube, ihr tut ihnen keinen Gefallen damit, dass ihr euch noch mehr und noch mehr und noch mehr reinhängt und versucht zu helfen wo ihr nur könnt. Das schafft nur noch mehr Ungleichgewicht, bis es irgendwann so sehr kippt, dass nichts mehr zu retten ist.

So hart das klingt: mein Tipp: Finger weg von Depressiven, die keine professionelle Hilfe annehmen möchten. Die reißen euch nur mit in den Abgrund. Wenn Hilfe angenommen wird und derjenige an sich arbeiten will und es auch tut, dann sieht das nochmal anders aus und muss individuell betrachtet werden, ob eine Beziehung funktionieren kann.

Schönen Abend an alle!
The Boogeyman
Beiträge: 40
Registriert: 28. Apr 2023, 15:37

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von The Boogeyman »

@MissMikse

du hast es super geschrieben und wirklich auf den Punkt gebracht.
Ich kann dir da wirklich nur zustimmen und durch Erfahrung die man eben durch Freunde und Bekannte macht hat man eben so einiges an Erkenntnisse
gesammelt.
Von mir beide Daumen hoch und es gibt da nichts mehr hinzuzufügen. :hello: :hello:
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von MissMikse »

Danke, Boogeyman :)
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von MissMikse »

Vielleicht ergänzend noch ein Satz:

Die Veränderung habe ich gemerkt, als ich nicht mehr drüber nachgedacht hab, wie ein Partner mein Leben leichter/besser machen würde. Vielmehr denke ich jetzt drüber nach, was ICH für einen Partner tun könnte.
Lana75
Beiträge: 122
Registriert: 1. Mär 2009, 18:42

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Lana75 »

Hallo,

Im Großen und Ganzen kann ich MissMikse nur absolut recht geben und finde es toll, das sie/er diese Worte geschrieben hat.

Meinen Mann habe ich 1996 noch als gesunder Mensch kennengelernt. Zwar war ich da schon traumatisiert, wusste es aber nicht bzw. funktionierte ganz wunderbar, von aussen betrachtet. Wir führten eine Ehe auf Augenhöhe, in jeder Hinsicht. Wir wurden dreimal Eltern, hatten gute Jobs, ich hab meinen geliebt. Von Aussen alles toll dann begannen meine Probleme. Erst nur hintergründig, dann psychosomatisch, dann radikales nichtsgehtmehr und das erste Mal Klinik. Das war 2010…

Mein Mann sah in mir noch immer die Frau auf Augenhöhe, erwartete aber auch, das ich mir Hilfe suchte und das tat ich. Es folgten gute und weniger gute Jahre, mit vielen Klinikaufenthalten, Suizidversuchen, Schmerz, Angst. Und ja, mein Mann wurde zu meinem Fels in der Brandung, mein Halt. Ich lernte nicht immer stark und perfekt sein zu müssen und nahm das so an, dankbar und noch immer getragen von Lieben. Unsere Ehe ist schon noch immer auf Augenhöhe, was den gegenseitigen Respekt angeht. Aber ja, er hilft mir, wo ich Hilfe brauche und das leider sehr oft. Ruhe ich mich darauf aus? Ja, zugegeben manchmal, in den schwer depressiven Zeiten. Aber ich kämpfe auch stark und meine Unabhängigkeit, im innen und aussen. Und mein Mann ist mein Wegbegleiter.

Ich habe erkannt, das er hauptsächlich jobbedingt im letzten Jahr in eine Belastungsdepression gerutscht ist. Ich durfte ihm helfen, ihn nun auf dieselbe Art tragen und eine Schulter zum anlehnen geben, wie er mir. Und er kann das so viel besser annehmen, als ich damals. Auch das kann Beziehung auf Augenhöhe sein.

Oh… viel wohl am Thema vorbei. Aber ein Fazit bleibt doch passend:

Für eine Beziehung zu einem psych. kranken Menschen zu kämpfen macht nur Sinn, wenn der bereit ist sich Hilfe zu suchen. Ansonsten wird das ein Kampf gegen Windmühlen.

Alles Gute, Lana
Helgaline
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Registriert: 25. Mär 2021, 12:47

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Helgaline »

Hallo Zusammen :hello: ,

ich finde es super von MissMikse und Lana75, uns dies so detailliert zu erklären. Danke dafür.

Ich bin inzwischen auch davon überzeugt, dass eine Beziehung nur Sinn macht, wenn der Betroffene sich helfen lässt.

Mein Mann hat sich inzwischen professionelle Hilfe geholt, obwohl er die Diagnose Depression nach wie vor nicht akzeptiert. Er ist von rezidivierenden Depressionen betroffen und war jetzt Jahre in einer erneuten Phase.

Ich habe ihn damals in einer sehr guten Phase (waren ja auch frisch verliebt :oops: ) kennengelernt. Kurz darauf hat er sich selbständig gemacht, im Nachhinein der Beginn der neuen Phase, weil dauerhaft überfordert.

Oft habe ich schon gedacht: ich würde mich nie wieder auf einen Mann mit Depressionen einlassen, es war und ist für mich einfach eine zu große Belastung. Ich hoffe, diese Ehrlichkeit wird mir jetzt nicht übel genommen.

VG Ellen
DAS LEBEN IST SCHÖN, VON EINFACH WAR NIE DIE REDE! :?
Lana75
Beiträge: 122
Registriert: 1. Mär 2009, 18:42

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Lana75 »

Helgaline hat geschrieben: 8. Mai 2023, 12:27

Oft habe ich schon gedacht: ich würde mich nie wieder auf einen Mann mit Depressionen einlassen, es war und ist für mich einfach eine zu große Belastung. Ich hoffe, diese Ehrlichkeit wird mir jetzt nicht übel genommen.

Niemals würde ich dir diese Worte übel nehmen, denn so ungewöhnlich sind die glaube ich gar nicht. ;)

Ich habe meinen Mann oft gefragt, ob er mich mit dem Wissen von heute immer noch heiraten würde und ganz klar hat er das immer bejaht. Warum? Weil er etwas kann, was ich selbst nicht kann. Er sieht immer die Frau hinter der Depression, die Frau, die ich eben auch bin und die mich eigentlich ausmacht, sagt er. Und das dies die Frau sei, in die er sich verliebt habe und die er auch heute noch liebt.

Und anders herum? Ich glaube auch von Seite der Depressiven aus, gibt es so Gedankengänge oder? Ich jedenfalls habe oft überlegt, ob ich mit dem Wissen von heute nicht eher Single geblieben wäre, um keinem Partner und keinen Kindern eine Last zu sein. Aber wisst ihr was, meine Familie hat mir sehr deutlich gesagt, das der Welt dann eine tolle Ehefrau und Mutter verloren gegangen wäre und ganz tief in mir, möchte ich das so glauben.

Einfach mal ein Danke an alle Partner, die mutig und liebend ihre Wege gehen, gemeinsam. Egal ob Erkrankter oder Gesunder. :)
Lucien
Beiträge: 50
Registriert: 5. Dez 2019, 10:43

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Lucien »

Hallo zusammen,

für mich persönlich ist es keine Frage der Diagnose, sondern mehr, wie sich jemand mir gegenüber verhält. Der ausschlaggebende Punkt, den Kontakt zu meinem Ex abzubrechen war, dass er sich emotional einer anderen Frau zugewendet und eine ganze Weile zweigleisig gefahren ist und mich angelogen hat, um mich warm zu halten. Wäre er emotional "bei mir" geblieben, hätten mir andere Themen wie Rückzug etc. nicht viel ausgemacht.

LG
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr lieben Liebenden!

Ich muss dir hier @MissMikse mit einem klaren und eindeutigen Jaein antworten ;-)
Es ist einfach eine sehr individuelle Sache – sowohl die Krankheit, wie auch die Beziehungen. Bei meiner Freundin sind dies schon sehr klar abgegrenzte Episoden. Das ist schon so ein bisschen spukig. Wenn ihre Episoden beendet sind, brauch ich dann immer etwas Zeit, weil es mir dann zu schnell geht... dieser Übergang zurück in die „Normalität“. Außerhalb der Episoden könnte ich mir auch wunderbar vorstellen zusammen zu wohnen. Da sehe ich überhaupt keine Probleme. Nur während der Episoden, möchte ich mittlerweile auch nicht mehr in der Nähe sein... Sowohl sie, wie auch ich, haben einfach die Erfahrung gemacht, das diese Episoden eine Ende haben. Aber während der Episoden ist dies für mich auch ein kräfteraubendes Loch – wenn ich in der Nähe bin und so suche ich diese auch nicht mehr – es bringt ihr nichts und mir auch nicht – die Nähe in dem Moment. Das mag vielleicht herzlos klingen, es entspricht nicht dem Ideal des helfenden, umsorgenden Partners, aber es hat sich für uns als gangbaren Weg heraus gestellt. Nur am Rande: Das war nie geplant... es hat sich so ergeben das dieser Weg bei uns funktioniert.
Wie auch immer. Das ist alles sehr individuell. Und so bin ich nicht pauschal der Meinung, Finger weg von Depressiven oder von Depressiven die sich nicht behandeln lassen wollen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Und die Erkenntnis, das dies individuell ist und jeder für sich entscheiden muss, ist für mich sehr essentiell wenn es um Augenhöhe geht. In dem Zusammenhang bekomme ich immer Akne, wenn ich den Satz höre, das dies oder das für den Partner besser wäre. Um es kurz zu machen: Das ist übergriffiges Verhalten. Ob jemand sich in Therapie begibt, ob jemand eine Beziehung weiter führen möchte, welche Frisur jemand hat, ist einzig und alleine die Entscheidung des einzelnen Individuums. Es ist auch kein emphatisches Verhalten darüber nachzudenken, was für den anderen besser ist, denn Empathie ist einfach nur die Emotionen des anderen zu erfassen, nicht über sie zu grübeln und aus dieser Grübelei heraus Entscheidungen zu treffen. Meine Söhne haben mir diesbezüglich immer ordentlich Kontra gegeben, wenn ich das Argument gebracht habe, es wäre jetzt besser für sie, wenn.... Bist du Gott oder was, war die Antwort. Wenn man auf Augenhöhe sein will, kann man nicht entscheiden was für den anderen gut ist. Nur wer die Augenhöhe verlassen hat, tut dies.
Um dies auf meinen „Fall“ zu übertragen: Meine Freundin hat in Jahrzehnten (wir sind beide Mitte 50) gelernt das Episoden kommen und gehen. Eine Therapie in der Vergangenheit hat dies auch nicht geändert... nur den Umgang damit. Das ist auch ein Weg durchs Leben... vielleicht nicht der Beste... aber einen den man gehen kann. Und ja, auch ich habe eine Vermutung was für sie besser wäre, aber ich bin halt einfach nicht sie.
Problematisch sehe ich eher die Naivität von Partnern und Angehörigen, wenn es um Depressionen geht. Es ist nun mal Teil der Krankheit, das sie tief in die Emotionen eingreift. Das ist nicht nur so ein „ich brauch jetzt einfach nur etwas Zeit für mich“. Und Liebe, Fürsorge heilt diese Krankheit auch nicht. Das ist Schwerstarbeit für die Betroffenen, bei denen man als Angehöriger so ein bisschen vielleicht helfen kann. Es ist einfach nicht wie im Märchen, wo der richtige Partner und dessen Liebe jemand errettet. Aber wenn man sich darüber als Angehöriger im Klaren ist, wenn man keine rosarote Brille auf hat... dann bin ich mir ziemlich sicher, das man einen Weg finden kann eine gute Beziehung zu führen. Und wenn ich jetzt drüber nachdenke, dann ist dies bei jeder Beziehung so. Man muss immer einen Weg finden den beide gehen können. Das hat mit Depressionen erst einmal nichts zu tun.

Dies ist jetzt meine Sichtweise, geprägt von meinen Erfahrungen. Andere mögen andere Erfahrungen haben. Nur, es ist eine Erkrankung die tiefgreifende Auswirkungen auf das emotionale und soziale Verhalten hat. Man darf sich da nicht beschweren, wenn der depressive Partner plötzlich keine Gefühle mehr für einen hat... hey, das ist Teil der Krankheit und euer Partner ist so aufgrund der Krankheit.

LG
Empathie58
Beiträge: 266
Registriert: 23. Okt 2017, 21:48

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Empathie58 »

Lucien hat geschrieben: 8. Mai 2023, 14:20 Hallo zusammen,

für mich persönlich ist es keine Frage der Diagnose, sondern mehr, wie sich jemand mir gegenüber verhält. Der ausschlaggebende Punkt, den Kontakt zu meinem Ex abzubrechen war, dass er sich emotional einer anderen Frau zugewendet und eine ganze Weile zweigleisig gefahren ist und mich angelogen hat, um mich warm zu halten. Wäre er emotional "bei mir" geblieben, hätten mir andere Themen wie Rückzug etc. nicht viel ausgemacht.

LG
Das kann ich sehr gut nachvollziehen.
Überdosis
Beiträge: 251
Registriert: 25. Nov 2021, 23:01

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von Überdosis »

Persönlich stimme FrequentFlyer in allem zu und ich finde es eher erschreckend, wenn ihr geschrieben wird, dass man besser nur eine Beziehung zu einem Depressiven führen sollte, wenn er oder sie sich helfen lässt.

Meine Erfahrungen mit Therapeuten sind eher schlecht und ich bin schon so eine die erst sehe viel Mut und sehr viel Vertrauen braucht, um sich öffnen zu können, die aber auch nunmal sehr viel Zeit dadurch braucht.
Diese Zeit, wurde mir in keine Therapie gegeben und dementsprechend fehlt bei mir mittlerweile komplett der Mut nochmal es zu versuchen....

So wie bei mir jetzt... Ihr wisst doch gar nicht, warum jemand sich nicht in Therapie begeben möchte.
Vielleicht stecken da auch Ängste hinter oder andere bedenken, wo der Betroffene sich aber auch nicht traut diese offen zu legen.
Es ist natürlich einfach zu sagen, wenn jemand sagt "möchte keine Therapie", dies dann als Verweigerung abzutun, aber ganz ehrlich, dass ist doch dann sich sehr einfach gemacht und hat meiner Ansicht auch dann nichts mehr mit mitfühlend oder auf den anderen eingehen, zutun.

Kein Depressiver kommt zu Beginn mit seinen Symptomen klar. Die sind doch ganz neu und jeder muss doch erstmal lernen damit umgehen zu können und sie zu verstehen.
Manchmal glaube ich echt, dass von Depressiven erwartet wird, dass sie ihre Symptome einfach ausschalten sollten... aber mal ehrlich, hätte man einen Schnupfen und derjenige niest und jemand anderes würde dann sagen: " Hör auf zu niesen" dann würde jeder doch sagen: " das niesen ist ein Symptom und kann nicht einfach abgestellt werden, nur weil man nicht niesen will"
Warum werden dann Depressive Symptome so stark als Schandtaten hin gestellt und als "selbst schuld" hin gestellt, wenn derjenige keine Therapie macht?
Hier sind so viele in Therapie und trotzdem berichten diese von ihren Tiefs.

Logisch, man muss lernen mit ihnen umzugehen, aber lernen braucht Zeit, bei einem länger, bei einem anderen kürzer.

Anstatt jeden Depressiven zu meiden, der warum auch immer keine Therapie machen mag zu dem Zeitpunkt, wäre ich eher dafür, dass Angehörige mehr in ich-botschaften sich mitteilen:
"Ich fühle mich verletzt, weil das und das", " Du wirkst auf mich so und so"
Auch so kann ein Depressiver doch lernen umsichtig mit seinen Symptomen gegenüber dem Partner zu sein, doch nur, wenn sie erfahren, was dann im Tief verletzend oder belastend ist, können sie doch erst lernen und ihr Verhalten ändern.
Ich empfinde es als schade, dass Betroffene eben das nicht tun, denjenigen im Dunkeln lassen und hier mittlerweile von vielen von einer Beziehung zu einem Depressiven, ohne Therapie abraten, obwohl sie selbst doch am besten wissen sollten, dass oft auch mit Therapie sich die Symptome nicht auf Anhieb ausschalten lassen.


Liebe Grüße
Susan
axl2001
Beiträge: 14
Registriert: 9. Mai 2023, 09:07

Re: Komplette Wesensänderung nach depressiven Symptomen

Beitrag von axl2001 »

Hab genau das gleiche durchgemacht und habe fast 1 Jahr zuschauen müssen. Sie ist ebenfalls im Sozialbereich tätig und der Job war in der Zeit alles.
Auch das zurückziehen und permanent am Handy sein kenn ich nur zu gut.
Zwingen kann man in der Situation nicht. Bei uns war es dann die Tochter die ihr die Kraft gegeben hat Hilfe zu suchen. Sie hat keine 5 Minuten geschafft um mit ihr zu spielen und dann hat es klick bei ihr gemacht und sich mir anvertraut was eigentlich los war.
Panikattacken, kein Schlaf und permanent Angst. Ich selber hab das nicht mitbekommen, aber das zurückziehen und die Wesensveränderung sehr wohl.

Du kannst nur abwarten bzw. können ihr Freundinnen denen sie vertraut ihr Hilfe anbieten und sie darauf aufmerksam machen. Auf dich wird sie nicht hören. Das war zumindest bei mir so!
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