Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

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Vaughan72
Beiträge: 15
Registriert: 12. Aug 2022, 17:40

Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von Vaughan72 »

Hallo zusammen,

Nach längeren Phasen ohne Antidepressiva (stattdessen: pflanzliche Alternativen, die nichts gebracht haben), habe ich mir vom Hausarzt wieder Antidepressiva verschreiben lassen,weil die dunklen Wolken im Kopf erneut immer dunkler wurden.
Nach wie vor fühle ich mich kaum belastbar, bin unglaublich erschöpft und kann einem geregelten Tagesablauf mit 8-stündigem Arbeiten, für die Familie da sein und Haushaltsaufgaben übernehmen kaum gerecht werden. Manchmal bin ich nach wenigen Minuten Belastung so leer im Kopf und so müde im Körper, dass es fast unerträglich ist.
Ich schaffe es mit höchster Kraftanstrengung, meine Orgeldienste (bin selbstständiger Musiker) zu absolvieren. Bin danach aber körperlich und seelisch zusammenfaltbar wie ein Handtuch.
Nun also wieder Einnahme von Antidepressiva. Seit ein paar Tagen. Und wie der Hausarzt prophezeite: die Depris werden erst mal schlimmer und der Kopf etwas matschig, bis sich der Körper wieder an die Antidepressiva gewöhnt hat.
In dieser aktuellen Phase kam nun die Bitte der Tante meiner Frau, die Trauerfeier ihres Mannes musikalisch zu unrahmen. Aufwand: Keyboard und Equipment einpacken, Noten kopieren, üben, zwei Stunden Anfahrt, Musik machen, anschließend Leichenschmaus, anschließend zwei Stunden Rückfahrt.
Ich habe weniger vor dem Musikmachen Angst, sondern vielmehr vor dem ganzen Drumherum: mit den Leuten reden müssen, Präsenz zeigen müssen. Meine Psyche streikt schon jetzt, das spüre ich deutlich!
Habt ihr Ideen oder Strategien parat, wie man solche Situationen meistert, zumindest aber übersteht?
Liebe Grüße Vaughan72
Katerle
Beiträge: 11375
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von Katerle »

Hallo Vaughan72,

ersteinmal herzlich Willkommen im Forum.
Dir gehts nicht so gut und schreibst, das Musikmachen wäre jetzt nicht so das Problem. Du könntest doch sagen, dass es dir nicht so gut geht geht und du gerne eher gehen würdest. Wäre das evtl. möglich?

LG Katerle
Vaughan72
Beiträge: 15
Registriert: 12. Aug 2022, 17:40

Re: Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von Vaughan72 »

Hallo Katerle,

wäre sicher eine Option. Die werde ich mir offen halten!

LG Vaughan72
hundethomas
Beiträge: 1192
Registriert: 28. Aug 2022, 21:04

Re: Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von hundethomas »

lieber Vaughan,

auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum. Deine Geschichte, deine Gedanken.....erinnern mich an meine Depression.

Auch ich liebe Musik, habe auch schon in verschiedenen Bands gepielt, (nicht als Profi), und auch oft und schnell erschöpft.

Nicht von der Musik. Musik hilft mir sehr in meiner Depression.......Vor allem eher leisere Musik. Bei Musik kann ich mich gut

entspannen, werde ruhiger, etwas ausgeglichener.......

Aber dieses ganze Drumherum.......das macht mich auch eher fertig. Lange Autobahnfahrten, die vielen, unterschiedlchen

Anforderungen von Menschen, im Mittelpunkt stehen usw......Vermutlich bist du eher wie auch ich, hochsensibel und depressiv.

Diese Kombination gibt es sehr oft.................Beides scheint sich zu ergänzen, spielen gut zusammen, belasten uns aber

auch...........

Vermutlich hast du als Musiker auch ein hochempfindliches Ohr...Du hörst viel mehr, siehst tiefer als andere Menschen,

denkst und grübelst viel nach, es fällt dir schwer zur Ruhe zu kommen, zu schlafen...........Du brauchst mehr Kraft zum

Leben, wenn du tiefer hörst, siehst........Und deshalb bist du mit deinen Kräften schneller am Ende...........

Du brauchst sehr viel Verständnis, Annahme, Liebe........Menschen die dich verstehen, was dich belastet, ermüdet,

so traurig macht..............

Und du musst von den negativen Selbsteinreden der Depression mehr weg kommen.


Ich tauge nichts.............................................................Nein, Du taugst sehr viel

Ich bin zu nichts zu gebrauchen..........................................Nein, Du und Deine Musik ist voll wertvoll..

Ich bin eine Last............................................................Nein, Du kannst Menschen viel geben

Ich bin ein Versager--------------------------------------------------------Nein, Du bist gut, so wie DU bist.

Ich lebe am Limit und kann nicht Neins sagen,

Nein, wenn du mehr Selbstvertrauen hast, kannst du auch Nein sagen, es lernen , auch mal Nein zu sagen.

Ich habe Angst, dieses ständige müssen, dieser Druck... Nein, Du kannst es lernen, gelassener und ruhiger zu werden..


Das hört sich erst mal sehr viel an..............Aber Du darfst lernen, Stück für Stück, Dich, und alle Erwartungen an Dich, mehr

los zu lassen...........


In guten Gedanken für dich,

liebe Grüße,


Thomas
Vaughan72
Beiträge: 15
Registriert: 12. Aug 2022, 17:40

Re: Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von Vaughan72 »

Lieber Thomas,

Hab ganz lieben Dank für deine einfühlsamen Worte! Die tun gut und treffen genau ins Schwarze.
Die Hochsensibilität ist wunderbar, wenn ich in der Natur bin, wenn ich den einzelnen, nicht überbordenden Geräuschen lauschen kann. Im Alltag ist sie sehr oft ein Fluch: das Lärmen im Straßenverkehr, Stimmengewirr, wo viele Menschen zusammenkommen....
Mein Psychotherapeut sagt, als Musiker würde ich immer 100 Prozent geben. Ich solle versuchen, in den ganz schlechten Phasen einfach nur mal 80 Prozent zu geben. Das will ich versuchen und werde es heute gleich mal erproben...

Ganz liebe Grüße,
Vaughan72
hundethomas
Beiträge: 1192
Registriert: 28. Aug 2022, 21:04

Re: Eingewöhnung an Antidepressiva und tägliches Funktionieren

Beitrag von hundethomas »

lieber Vaughan,

DU das habe ich auch immer gedacht, mein hoch sensibel sein ist ein Fluch. Aber ich meine, das ist wieder so eine "Deprilüge."

Selbst habe ich gelernt, mehr auf meine Gedanken zu achten. Denn unsere Gedanken bestimmen unser Denken, unsere Gefühle,

unser Leben. Als Menschen mit Depri haben wir Sätze in uns, die uns die Freude am Leben rauben wollen....

Wie "ich bin nichts wert, erst die Arbeit, dann das Vergnügen, wenn ich mich nicht um alles kümmere, bleibt alles liegen,

ich muss perfekt sein....hochsensibel sein ist ein Fluch.........usw....

Du lieber Vaughan 72, das wir unsere Glaubenssätze, die wir tief verinnerlicht haben, egal woher sie kommen.....................

auch mal hinterfragen, kritisch sehen.............

Jedes Wesen, auch unser hochsensibles Wesen, hat sehr gute, und weniger gute Seiten................................

Aber im Gesamten gesehen, ist unser Wesen gut, und das dürfen wir auch gut und dankbar sehen.

Danke für die Musik, Danke für unser hochsensibles Wesen..........Dann müssen wir keinen Krieg mit uns selbst führen.

Denn bei Kriegen gibt es nur Verlierer........

Du darfst fragen, warum ist diese negative Einstellung dir gegenüber nicht gut...........

Wer hat dir diese negativen Dinge über dich selbst beigebracht..........

Was kann es dir helfen, deine neagativen Glaubenssätze, lernen, aufzugeben....

Könntest du dann mehr Freude in und für dein Leben haben......

Wie könntest du lernen anders zu denken.......


Ja, dein Therapeut hat recht. Kein Mensch ist perfekt......Und auch Musiker sind nicht perfekt........

Gebe das, spiele so, wie du es gerade am Besten kannst. Das ist für Dich und alle Zuhörer gut.......

Als ich noch jünger war, habe ich manchmal auch Straßenmusik gemacht........manchmal war auch Hund dabei.

Da kannst du keine perfekte Musik machen, je nach Wetter. Aber ich habe die Erfahrung machen dürfen, Menschen gefällt

auch unperfekte Musik, wenn sie echt und mit Herz gespielt wird......


in guten Gedanken für dich,

liebe Grüße an dich,

hundemann
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