Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

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Herd04
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Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Ihr Lieben,

in anderen Threads hatte ich schon von meiner gegenwärtigen Situation geschrieben. Meine jetzigen Themen würden aber "Lebensfreude" vom eigentlichen Ziel ablenken. Sie passen aber auch nicht recht zu "Angst, Panik, Zwangsgedanken", obwohl mir alles um mich drumherum schon Angst macht.

Zum Teufelskreis ( bitte nicht falsch verstehen) gehören meine sehr alte Mutter, die nun zu 100 % auf Hilfe angewiesen ist, mein psychisch und physisch auch sehr angeschlagener Mann und letztendlich ich selbst.Ich reagiere auf enorme Belastung und auch auf Ängste zuverlässig mit Depressionen .

Ihr könnt euch den Teufelskreis , in dem ich mich gerade befinde, sicher vorstellen. Innerhalb kurzer Zeit hat sich der Gesundheitszustand meiner Mutter rapide verschlechtert, sodass neben dem Pflegedienst meine Schwester und ich rund um die Uhr Pflege leisten müssen, und wenn es nur durch Rufbereitschaft ist. Etwas anderes , z.B. Heim, kommt für uns nicht infrage. Ich möchte meinen Pflegeanteil unabhängig von meiner psychischen Gesundheit leisten, einfach, weil meine Mutter das auch verdient.
Aber es strengt an. Dann erlebe ich mit, wie mein Mann immer mehr in die Depression rutscht. Dass das nicht spurlos am mir vorbeigeht, könnt ihr euch denken. Leider mache ich oft das, was ich bei mir selbst nicht will. Ich überhäufe ihn mit Ratschlägen, auf die er genervt reagiert.

Das alles führt dazu, dass , wie jetzt, meine Depressionen stärker werden, ich zunehmend lust- und antriebslos bin und im größeren Notfall, der sich bei mir wie ein innerliches Erstarren anfühlt, eine Tavor nehme.

Meine Psychologin meinte , ich solle sehr gut auf mich aufpassen und Dinge tun, die mir Spaß machen und guttun.
Aber wie denn, wenn sich der Kreis dreht und dreht und sich an keiner Stelle öffnet?
Ich muss noch sagen, dass ich vor meiner Mutter verbergen kann,wie es mir geht. Jetzt ist sie zu schwach, um das selbst mitzubekommen. Mein Mann merkt es aber , und er wünscht sich verständlicherweise auch mal von mir etwas mehr Stärke. Das verstehe ich sehr gut. Sonst ist er es immer , an dem ich mich anlehnen kann.

Ich weiß, dass ich nicht aufgeben darf und auch nicht will. Es geht irgendwie immer weiter. Aber in solchen Zeiten wie jetzt sehne ich mich einfach nach einem ganz kleinen Stück normales Leben außerhalb des Teufelskreises.

Danke fürs Lesen und vielleicht auch für paar Tipps .
Edda
Maila
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Maila »

Liebe Edda,
erst mal ganz viel Stärke und Zuversicht für dich.
Gerne würde ich etwas konstruktiveres beitragen, aber mir geht es z.T. genau so wie dir.
Ich habe Zeit meines Lebens Angst, Panik, Depressionen, Sozialphobie u.v.m. und mein Mann war immer mein Fels in der Brandung. Jetzt ist er selber betroffen und erkennt oder akzeptiert es nicht.
Ich versuche im Augenblick, andere Kontakte zu finden, alte Kontakte zu aktivieren. Auch dieses Forum ist ein Versuch, besser damit umzugehen und mich mit anderen auszutauschen, obwohl ich etwas Schwierigkeiten habe, mich hier zu äußern (dies ist das erste Mal).
Liebe Grüße Silke
Herd04
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Silke,

danke für deine schnelle Antwort. Ich kann nur sagen, der Versuch ist geglückt.

Mein Mann ist da schon etwas weiter, er akzeptiert die Krankheit jetzt voll und ganz. Im Grunde genommen hat er schon fast so lange wie ich damit zu tun, also seit fast 20 Jahren. Von Anfang an hat er sich aber geweigert, Antidepressiva zu nehmen, immer mit der Begründung, so schlimm wie bei mir wäre es ja nicht. Seit einiger Zeit hat er sich nun auf Venlafaxin eingelassen.

Wie schwer es für dich ist , wenn dein Mann die Depression nicht akzeptiert, kann ich schon deshalb nachvollziehen, weil mein Mann das auf einem anderen Gebiet "praktiziert". Er hat einen diagnostizieren Diabetes, ist deshalb auch in Behandlung, und er nimmt Tabletten gegen Bluthochdruck.
Doch ich merke , dass ihm noch viel mehr zuhängt.
Bis vor kurzem ist er jedes Mal böse geworden, wenn ich ihn gebeten habe, sich mal gründlich untersuchen zu lassen, mit Labor usw.. Das führte regelmäßig zu Streit. Nun endlich hat er sich Termine für Labor und Untersuchung geben lassen.

Dass du Kontakte wieder aufnimmst bzw hier auch schreibst, ist ein guter Anfang für den Weg aus dem Teufelskreis.
Ich bin zurzeit sehr traurig, dass mir die Kraft fehlt, kleine Sachen zu unternehmen, ob mit oder ohne meinen Mann.
Dabei möchte ich doch nicht die Zeit einfach so verstreichen lassen, denn jung bin ich auch nicht mehr.
Aber mit Druck geht leider überhaupt nichts mehr.

Ach Mensch, es ist manchmal zum Verzweifeln.
Aber unterkriegen lassen wir uns nicht.

LG, Edda
Kallimero
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Kallimero »

Das ist eine sehr schwierige Situation, und sich da erst mal um sich selbst zu kümmern ist auch nicht einfach.
Spontan fällt mir eigentlich nur ein in der Nachbarschaftsapp zu suchen, ob sich zusätzlich jemand ein paar Stunden um die Mutter kümmern kann was dir eventuell etwas Freiraum verschaffen kann.
Oder beim Seniorenbüro nachfragen, ob es Mitmenschen gibt, die sich ehrenamtlich um ältere Mitmenschen kümmern.
Ich schicke dir viel Kraft.
Lg
Esther
Clown
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Clown »

Herd04 hat geschrieben: 20. Mär 2023, 11:47 Zum Teufelskreis ( bitte nicht falsch verstehen) gehören meine sehr alte Mutter, die nun zu 100 % auf Hilfe angewiesen ist, mein psychisch und physisch auch sehr angeschlagener Mann und letztendlich ich selbst.Ich reagiere auf enorme Belastung und auch auf Ängste zuverlässig mit Depressionen .

Ihr könnt euch den Teufelskreis , in dem ich mich gerade befinde, sicher vorstellen. Innerhalb kurzer Zeit hat sich der Gesundheitszustand meiner Mutter rapide verschlechtert, sodass neben dem Pflegedienst meine Schwester und ich rund um die Uhr Pflege leisten müssen, und wenn es nur durch Rufbereitschaft ist. Etwas anderes , z.B. Heim, kommt für uns nicht infrage. Ich möchte meinen Pflegeanteil unabhängig von meiner psychischen Gesundheit leisten, einfach, weil meine Mutter das auch verdient.
Hallo Edda,
wenn ich deine Mutter wäre:
Ich würde mich lieber im Heim pflegen lassen!
Ich würde nicht wollen, dass meine Tochter ihre Gesundheit weiter ruiniert, die schon durch viele andere Sachen sehr belastet ist. Tavor! Du weißt sicher von den vielen Nebenwirkungen fürs Nervensystem.

Alles Gute
Clown
anna54
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von anna54 »

Liebe Edda
ich fühle mit dir,seit vielen Jahren bin ich eng eingebunden in der Pflege der Eltern.
Mein Vater ist verstorben,meine Mutter wird jetzt 96Jahre und lebt in einem Pflegeheim.Trotzdem sind wir Kinder vor Ort,keiner kann sich vorstellen,was in den Heimen los ist,wieder Corona,meine Mutter ist zum 5.mal betroffen.
Isolierung im Zimmer,keine helfenden Hände,wenn wir es nicht selbst machen.
Sie sieht kaum noch,gehen kann sie nur mit Begleitung,keiner hat Zeit dazu,also machen wir es selbst.
Meinen Vater haben wir zuhause gepflegt,das war zwar mit viel Hilfe von außen,aber jeden Tag gab es Probleme,das Telefon immer in Hörweite!
Es ist ein Teufelskreis,was du beschreibst,ich schaffe das selbst nur mit Auszeiten,das sind Tage voller Erschöpfung.
Ich möchte dir Mut machen,ich ehre jeden Menschen,der das lebt,was du für deine Mutter machst.
Das macht man aus tiefer Überzeugung,den letzten Lebensweg zu begleiten,das ist Ehrensache,wenn ich das so gezeichnen darf.
Ich sehe neben mir, die vielen anderen Töchter im Altenheim,ich sehe einen alten Herrn,der täglich seine demente Frau besucht.
Nicht alle meiner Geschwister machen es wie ich,viele sind weit weg---weil sie ihr Leben so leben wollen,eine alte Mutter gehört nicht dazu.
Es gab und gibt viel Streit dazu,leider bleibt das nicht aus.
Mein Mann ist Krebspatient,er nimmt keinen Rat an,er will weder reden,noch nimmt er meine Belastungen wahr,ich werde das nicht mehr ändern können.
Immer sind es Gradwanderungen,wann schlägt mich die Depression ins Abseits,werden Ängste haushoch.
Ich lebe auch mit Notfallmedikamenten,in enger ärztlicher Kontrolle,aber was ist sonst möglich.
Wer in Coronazeiten Kontakte verloren hat,wo es Helfer nicht mehr gibt,wo Selbsthilfegruppen nicht mehr möglich waren---man steht allein vor Problemen,die einzige Antwort---man solle sich um sich selbst kümmern---das ist nett gesagt,geht an den Wirklichkeiten weit vorbei.
Ich habe drei Jahre hinter mir,wo meine Mutter so oft am Ende jeder Kraft und Atem war,wo sie um Sterben gebettet hat----ohne Ende.
Jetzt will sie wieder einen Frühling erleben und gestern saß sie wieder am Tisch im großen Speisesaal,ein seltener Moment.
Das sind meine Mutmacher und meine Bestärker,jeder Tag,der noch lebenswert ist,den lobe ich.
Wo ich da bleibe,wo du da bleibst,liebe Edda---wir bleiben,auch nach dem Tod unserer Mutter stark und bestärkt zurück.
Fühl dich gesehen und umarmt
anna54
Herd04
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Hallo Clown,

ja, ich kenne die Nebenwirkungen von Tavor und weiß, wie gefährlich dieses Medikament ist. Es ist aber nicht so, dass ich es täglich nehme. Es gibt Wochen , manchmal auch noch länger, da denke ich nicht mal an Tavor.

Wir, meine Schwester und ich, ziehen die Unterbringung unserer Mutter im Heim überhaupt nicht in Betracht, obwohl sie selbst schon davon gesprochen hat, weil sie uns entlasten möchte. Das Päckchen, das meine Schwester zu tragen hat, ist nicht leichter als meins.

Ich hatte ja geschrieben, dass die Pflege meiner Mutter nur ein Drittel des Teufelskreises ausmacht. Würden wir sie jetzt in ein Heim geben, würde mein Schuldgefühl und auch das meiner Schwester alles andere überlagern.

Ich schreibe jetzt nur von mir. Dafür , was meine Mutter in ihrem langen Leben für mich getan hat, wollte sie nie ein Dankeschön , es war selbstverständlich für sie.

Was ich jetzt tue, auch wenn es zu meinem Teufelskreis gehört, ist das Mindeste, was ich in der vermutlich nur noch kurzen Zeit für sie tun kann. So , wie sie jetzt gestellt ist, würde sie vermutlich in einem Heim mit Windeln im Bett liegen, und man hätte sicher nicht allzuviel Zeit für sie.
Das ist auf keinen Fall eine Anklage gegen die Heime, aber bei dem Personalmangel ist das die Realität.

Wie gesagt, alles was ich / wir für unsere Mutter tue( n) , geschieht liebevoll. Sie wird jetzt auch nicht erfahren, dass es mir nicht gutgeht.
Ich muss versuchen, an der Schraube zu drehen, die mich selbst betrifft und das Annehmen und Aushalten meiner Depression bedeutet .

Die Hoffnung, dass das gelingt, gebe ich nicht auf.

LG, Edda
Herd04
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Esther ,
bitte entschuldige, dass ich vorhin gar nicht auf dich eingegangen bin. Ich hatte deinen Beitrag schlichtweg überlesen. Umso mehr bedanke ich mich für deinen Tipp. Leider gibt es in unserer Nähe kein Seniorenbüro. In unserer Nachbarschaft in meinem kleinen Dorf wohnen vorwiegen junge Leute , die arbeiten gehen, oder Leute, die selbst schon sehr alt sind.
Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass meine Töchter, so oft es geht, für die Oma da sind und damit auch mich ein Stück weit entlasten. Natürlich geht das nicht ständig, denn beide gehen arbeiten und haben Kinder. Die eine wohnt auch etwa 50 km von uns aus entfernt.

Liebe Anna,
wie schön ist es, wieder von dir zu lesen. Unsere Mütter sind ja fast gleich alt. Leider geht meine davon aus, dass sie ihren 96. Geburtstag nicht mehr erleben wird.
Ich möchte noch einmal betonen, dass die Pflege meiner Mutter nur ein Drittel meines Teufelskreises ausmacht, der zwar gemeinsam mit der Depression meines Mannes meine neuerliche Episode ausgelöst hat, an der ich aber auf keinen Fall rütteln werde. Ich will mal so sagen, meine Mutti ist ziemlich pflegeleicht. Und ihr Geist ist nach wie vor hellwach. Sie jammert nicht, sie beklagt sich nur darüber, dass sie nicht einfach so sterben kann wie eine Bekannte, die - 90 -jährig - am Morgen nach einer Familiengeburtstagsfeier einfach nicht mehr aufgewacht ist.
Übermorgen kommt die Physiotherapeutin wieder. Dann werden wir vielleicht erkennen können, ob meine Mutter wirklich so gar keine Kraft mehr hat oder ob sie einfach keine Kraft mehr haben will.

Seit ich heute diesen Thread begonnen habe, habe ich doch immer wieder überlegt, wie ich es mir leichter machen könnte. Ich glaube, am wichtigsten ist es, die Episode wieder einmal anzunehmen und auszuhalten und zu hoffen, dass es bei meinem Mann ähnlich funktioniert. Zumindest hat er mir das so gesagt, als ich überlegt habe, was ihm am besten helfen könnte. Er meinte, bei mir würde es doch auch immer wieder weggehen, und so ähnlich hat er es ja auch schon erlebt.
Wir haben angefangen, die ersten Vorbereitungsarbeiten im Garten zu erledigen. Das tat uns beiden gut.

Ganz liebe Grüße von Edda
Katerle
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Katerle »

Hallo liebe Edda,

das ist wirklich keine einfache Situation, da für sich Dinge zu tun, die guttun. Mit der Gartenvorbereitung ist schon ein Anfang.
Gibt es bei euch evtl. im Nachbarort eine ehrenamtliche Anlaufstelle, um sich mal zu erkundigen, ob ihr da etwas mehr Unterstützung bekommen könntet?
Oder das du dich auch mal etwas zurückziehen kannst in einen Raum, wenn sich deine Schwester, dein Mann oder deine Töchter kümmern? Oder du machst mal einen kleinen Spaziergang?

Wünsche dir weiterhin Energie und dass du durchhältst.

LG Katerle
Herd04
Beiträge: 1347
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Hallo, ihr Lieben,
liebe Brigitte,

deine Worte bringen mich immer wieder auf den Boden der Realität zurück, zu der eben auch gehört, die Depressionen, also die meines Mannes und meine, anzunehmen und auszuhalten.
Ich neige leider dazu, schnell zu verzagen und das in den Mittelpunkt zu rücken, was gerade nicht geht. Und das sind keine Unternehmungen, die wegen der Pflege meiner Mutter nicht zu schaffen sind, sondern die zu den "Kriterien" der Depression gehören. Ich weiß auch, es ist müßig zu denken, dass ich die ja vielleicht gerade nicht hätte, wenn die Belastung weniger wäre oder wenn mein Mann keine Depressionen hätte.

Ich glaube, am meisten macht mir gerade zu schaffen, dass ich mal wieder keine zuverlässigen Zusagen geben kann. Unser Sonnenstrahl-Kind F. wünscht sich sehr, mal wieder bei uns zu schlafen. Wir hatten das eigentlich für letztes Wochenende geplant. Es tat mir in der Seele weh, dass sie von sich aus sagte, wenn es dem Opa nicht gutgeht , wäre es bestimmt besser, sie würde die Übernachtung bei uns verschieben. Da ich ja lange mit ihr gespielt habe, hat sie es nicht so mitbekommen, dass ich sehr angespannt war und dass mich alles eine große Anstrengung gekostet hat.

Ich bin zurzeit auch froh, dass der Papa unserer anderen beiden Enkelkinder gerade Urlaub hat, sodass im Moment keine Hilfe in Form von L.abholen oder M. zum Fußball fahren usw. nötig ist. Mit diesen Gedanken fühle ich mich jedoch sehr schlecht.
Dabei weiß ich, würde bei den Kindern ein "Notfall " eintreten, wäre ich sicher in der Lage, Reservekräfte zu mobilisieren.

Ja, du hast recht, ganz wichtig ist es, dass wir uns in unserer Ehe gegenseitig stützen und auch Kräfte freisetzen können, an die wir im Moment nicht glauben.

Ich weiß, liebe Brigitte, dass es vielen Kindern nicht möglich ist, ihre Eltern zu Hause zu pflegen. Niemals würde ich jemandem einen Vorwurf machen, der seine Mutter oder seinen Vater ins Heim geben muss. Unsere liebe Nachbarin, die mittlerweile schon 94 ist, zog voriges Jahr in ein Heim um. Sie hing an ihrem wunderschönen Elternhaus mit dem großen Garten, der ihr Ein und Alles war. Aber obwohl sie sich die größte Mühe gab, konnte sie aufgrund vieler körperlicher Gebrechen und vor allem ihrer schwindenden Sehkraft nicht mehr allein leben. Die in der Nähe wohnende Tochter ist selbst sehr schwer krank, sodass es für den Schiegersohn eine enorme Belastung war, sich neben der Pflege seiner Frau auch noch um die Schwiegermutter zu kümmern. Ich rechne ihm hoch an, dass er trotzdem sein Bestes gab.
Der Sohn unserer Nachbarin und seine Frau wohnen in Berlin, als fast 200 km weit weg. Auch sie kamen sehr oft, sind aber jedesmal beunruhigt wieder abgefahren.
Die Entscheidung fürs Heim ist allen sehr schwergefallen, aber S., die ehemalige Nachbarin sagt, dass sie sich damit abgefunden hat.
Und trotzdem gibt es Stimmen, die behaupten, man hätte es sicher anders lösen können.

Meine Mutti denkt auch darüber nach, die Tabletten wegzulassen. Diese Entscheidung muss sie aber allein treffen, weil sie ja wirklich geistig noch voll da ist.

Liebe Katerle,

ich wüsste nicht, dass es hier in der Nähe eine Anlaufstelle gibt, bei der man sich um eine ehrenamtliche Betreuung erkundigen könnte. Aber das ist ja auch nicht das eigentliche Problem.
Ich kann mich auch zurückziehen, spazieren gehen oder andere Dinge tun. Die Versorgung meiner Mutter ist trotzdem immer gesichert. Am besten klappt im Moment, mich zurückzuziehen und gar nichts zu machen oder wenigstens etwas zu lesen. Alles andere fällt mir unheimlich schwer. Ich müsste dringend wegen meines Rheumas und der Arthrose zum Sport gehen....leider fehlt mir jegliche Überwindung. Mein E-bike steht ungenutzt im Schuppen, also in diesem Jahr noch ungenutzt. Wie gesagt, ich möchte so vieles und schaffe es doch nicht.

Aber ich gebe die Hoffnung auf bessere Tage nicht auf.

In diesem Sinn grüßt euch herzlich Edda
Pummelchen
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Registriert: 2. Sep 2015, 17:21

Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Pummelchen »

Hallo Edda,

ich habe auch meine Eltern versorgt und bin da auch teilweise an meine Grenzen gestoßen, und hatte öfters das Gefühl ich schaffe es nicht mehr. Ich hatte das große Glück mit liebevollen Eltern aufzuwachsen, da war bei mir ein großer Wille da ihnen was zurückzugeben. Ich habe mir auch Entlastung gesucht mit ambulanter Pflege und stundenweiser Betreuung in einer Tageseinrichtung. Meine Eltern waren sehr bescheiden und für alles dankbar. Aber dieses jeden Tag zuständig sein und so umklammert zu werden ist schon belastend. Im nachhinein würde ich es immer wieder so machen trotz aller Schwierigkeiten. Es gibt aber auch Situationen wo es zuhause einfach nicht mehr machbar ist. Ich würde nie jemanden verurteilen wenn er seine Angehörigen in eine Pflegeeinrichtung gibt. Lieber dann dort so oft es möglich ist auf Besuch kommen und sich kümmern bevor man zuhause nicht mehr kann und überfordert ist. Da sollte man kein schlechtes Gewissen haben!!!!! Das muss jeder für sich entscheiden nach seinen Möglichkeiten.
Nachdem meine Eltern verstorben sind, habe ich schon gemerkt wie gestreßt ich eigentlich war. Es war plötzlich viel mehr Zeit für mich, aber wie schon geschrieben ich habe es nie bereut mich so entschieden zu haben.

Wünsche dir ganz viel Kraft Edda und mache es so wie es für dich richtig ist!!!

Für euch alle einen schönen Tag mit hoffentlich wenigen Belastungen! Liebe Grüße Pummelchen
Herd04
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Pummelchen,

danke für deine Worte. Es wird wohl vielen in unserem Alter so gehen, dass man mehr oder weniger mit der Pflege der Eltern zu tun hat. Die Tochter meines früheren, von mir hochverehrten Klassenleiter sagte mal zu mir :" Erst haben wir die Kinder, danach die Eltern, und zum Schluss sind wir selber alt." Das ist so wohl der Lauf der Dinge.
Wie du hatte ich das Glück, in einem behüteten Elternhaus aufzuwachsen. Meine Eltern, nach dem Tod meines Vaters dann meine Mutter allein, sind auch in meinem Erwachsenenalter mit ihrer Hilfe für mich und meine Kinder über sich herausgewachsen. Als meine Zwillinge über ein Jahr alt waren, es für sie aber noch keine Krippenplätze gab, ich aber wegen der schlimmen familiären und finanziellen Situation arbeiten gehen müsste, hat meine Mutter ihre Arbeitszeit so gelegt, dass sie sich mit mir bei der Betreuung der Kinder abwechseln konnte.
Als ich wegen des Jähzornes meines alkoholabhängigen ersten Mannes mehrfach mit den Kindern flüchten musste, war das Haus meiner Eltern immer offen für uns. Und als sie mein Leid und damit das der Kinder nicht mehr ertragen konnten, haben sie mir die Scheidung empfohlen mit dem Versprechen, für uns drei dazusein, was sie natürlich immer waren. Wäre ich diesen Weg nicht gegangen, würde ich heute nicht mehr leben.
Als viel später die Depressionen mein Leben bestimmten, war meine Mutter rund um die Uhr für mich da.

Zum Glück sind die Umstände so, dass wir sie zu Hause pflegen können. Mein Mann und ich wohnen mit im gleichen Haus und gehen nicht mehr arbeiten. Meine Schwester wohnt nur etwa 4 km weit weg, ist also auch schnell da.
Wir beide wissen, dass jetzt keine Urlaubsreisen möglich sind. Auch wenn ich gesund und reiselustig wäre, wäre der Verzicht auf Urlaub kein Thema. Aber das geht sowohl bei mir als auch bei meiner Schwester mit unseren Männern nicht.
Ich hoffe darauf, dass wieder etwas Antrieb zurückkommt, sodass ich kleine Sachen unternehmen kann.

Heute geht es auf alle Fälle wieder in den Garten.

Ich wünsche dir einen schönen Nachmittag.
LG, Edda
anna54
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Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von anna54 »

Liebe Edda
mit welcher Anerkennung und Liebe du von deiner Mutter schreibst,das ist besonders!
Ich schicke dir Mutmachmomente und schöne Gartenzeiten.
Liebe Grüße
anna54
Herd04
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Anna,

vielen lieben Dank für deine besonderen Grüße. Sie machen mir wirklich auch Mut.
Ich war heute wieder über eine Stunde im Garten, habe dann mit meinem Mann draußen Kaffee getrunken und vorhin mit meiner Tochter H. ein sehr schönes Telefongespräch geführt. Alles in allem war es trotz Morgentief und Panik zu Mittag ein guter Tag.
Ich will kurz erzählen , warum mir das Gespräch mit meiner Tochter so gutgetan hat. Bis zum vorigen Jahr war sie viele Jahre lang bei der Lebenshilfe beschäftigt. Dann kam die einrichtungsbezogene Impfpflicht, und ihr Arbeitgeber war Vorreiter im "Ohne Impfung dürfen Sie bei uns nicht arbeiten". H.bekam.auf ihren eigenen Wunsch einen Aufhebungsvertrag und bewarb sich als Schulbegleiterin bei einem anderen sozialen Träger. Dort hätte man sie am liebsten sofort genommen, was aber wegen der Impfpflicht nicht ging. Aber man sagte ihr, dass sie sich sofort melden darf, wenn der Impfzwang weggefallen ist.
Über eine private Initiative hat H.noch eine Arbeit in dem Wunschberuf gefunden. Da der "größere Arbeitgeber" bessere Konditionen bieten kann, möchte sie gern dort beginnen, aber gern auch das von ihr betreute Kind mitnehmen. Das bedarf natürlich des Einverständnisses der Eltern. Heute hatte H.mit ihnen das Gespräch. Sie wollen für den Rest der Schulzeit ihres Sohnes ( noch über 5 Jahre) keinen anderen Schulbegleiter als H. und stimmen somit auch dem Wechsel zu.
Als H. mir das erzählte, bekam ich eine Gänsehaut. Dass sie nach dem sehr unkollegialem Verhalten ihres vorherigen Arbeitgebers nun so eine Wertschätzung erfährt, erfüllt mich mit ganz großer Freude.

Ganz liebe Grüße, Edda
anna54
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Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von anna54 »

Liebe Edda
dieses Gänsehautgefühl,das kommt jetzt in ein Einmachglas mit festem Deckel.
Das Glas steht immer dort,wo du es sehen kannst und dich erinnerst,wie sich Leben auch anfühlen kann.
Sei stolz und bewahre dir deine guten Momente!
Von Herzen alles Liebe
anna54
Herd04
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Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Anna,

deine lieben Worte packe ich gleich noch mit dazu.

Diese kleinen Momente sind es, die dunkle Stunden erhellen. Ich bin auch deshalb so stolz auf meine H., weil sie um sich selbst überhaupt keinen Rummel und um so etwas Schönes wie gestern nicht viel Worte macht.

Auch heute konnte ich meinem Teufelskreis ein wenig entkommen. Die Fußpflegerin hat sich ganz lieb um meine Mutti gekümmert, und die Physiotherapeutin war mit ihr auch zufrieden.

Unser Schwiegersohn hat die neuen Smartphones von mir und meinem Mann eingerichtet, als "Gegenleistung" war ich mit unserer kleinen Schulanfängerin in spe auf dem Spielplatz. Da sie heute mit ihrer Kindergartengruppe im Rahmen der Vorschule ihre künftige Grundschule besucht hat, war das Thema unseres Spiels klar. Der Spielplatz war die Grundschule , ich die Lehrerin und sie das Schulkind.
Das war wie immer eine Sternstunde.

Ich hoffe, dass auch dein Tag gut verlaufen ist.

LG, Edda
anna54
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Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Wie durchbreche ich den Teufelskreis?

Beitrag von anna54 »

Liebe Edda
leider habe ich noch keine Enkelkinder,in der Stallgruppe sind drei schwanger,hoffentlich "steckt das an".
Ich lese immer wieder,wie viel dir deine Enkel bedeuten,wie viel Freude sie schenken.
Geniese die Zeit,Großmütter sind ein Segen!
Herzliche Grüße
anna54
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